19 – Kinabatangan River – ein letztes Refugium

Eins klappt hier auf Borneo super: die Organisation der Weiterreise.

Meine Frage, wie wir wohl die 110 km aus unserem Urwaldquartier in Sepilok nach Sukau am Kinabatangan River zurücklegen können, erweist sich wiedermal als unvermutet einfach. Unsere Rezeptionistin rät mir, der Unterkunft dort einfach eine Whatsapp zu schicken, die würden das schon organisieren. Eine Stunde später kommt die Antwort: kein Problem, Fahrer kommt, es kostet 26 Euro. Das nenne ich Service!

Auf unserer Planung steht die Weiterfahrt zum Kinabatangan River, einem großen Fluß im Dschungel, der für fast alle Tierarten, die es auf Borneo noch gibt, letztes wildes Rückzugsgebiet ist. Schön für die Besucher, die gute Chancen haben, viele Tiere in freier Wildbahn zu erleben, traurig, weil nur der auf ein Minimum geschrumpfte Lebensraum all diese Tiere hier zusammenkommen lässt.

Diese Tatsache wird uns dann auch gleich noch mal drastisch vorgeführt: Kaum haben wir aus Sepilok verlassen, breiten sich die endlosen Palmöl-Plantagen von Horizont zu Horizont aus. Der Anblick ist schwer zu ertragen.

Immer wieder kleine Siedlungen entlang der Straße mit meist recht windschiefen oder schwarz gewordenen Holz- und Wellblechhäusern, auch die gemauerten sehen schwarz-schimmelig aus. Idylle gibt es hier keine. Das Klima und die Lebensumstände schließen das aus.

Endlich verschwinden die Ölpalmen und es wird wilder, grüner, schöner: das Gebiet des Kinabatangan River, der sich aber noch hinter einem Streifen Wildnis unseren Blicken entzieht, bis wir endlich von der Straße abbiegen nach Sukau, wo wir unser nächstes Quartier gebucht haben : Sukau Back Packer B&B.

Ich bin beglückt: Das Gelände ist idyllisch grün, von einem kleinen Flüsschen durchzogen, die kleinen Stelzenbunglows sehen gepflegt aus. Wieder dient ein offenes hölzernes Gebäude als Restaurant und Lobby. Sehr nett hier!

Wir haben noch nicht mal eingecheckt, als wir schon kurzentschlossen eine der drei hier angebotenen Bootstouren gebucht haben, die schon eine Viertelstunde später losgeht. Das hatten wir so nicht geplant, aber man sagt uns, es seien gerade Elefanten in der Nähe und die Chance groß, sie zu sehen. Also Gepäckabwerfen, Rucksack packen und los.

100 Meter vom Hotel entfernt liegt der Fluß. So breit! An manchen Stellen sicher mehr als 200 m. Es ist Regenzeit, das Wasser ist aufgewühlt und ließt schnell und gelb den Fluß hinab. Wir sind nur zu viert mit unsrer Bootscrew. Ein schönes Gefühl, nach der Fahrt im Auto nun hier so durch diese tiefe Urwaldlandschaft zu gleiten! Es sind noch einige Boote von anderen Ressorts unterwegs, von denen man nur hin und wieder ein paar Dächer im Grün sieht. Ich hatte Schlimmeres befürchtet, bei der Sehnsucht der Reisenden nach unberührtem Urwald. Wir sind nur vier Passagiere, was natürlich super angenehm ist.

Auf einem Seitenarm des Flusses neigen sich von beiden Ufer große und kleine Bäume über das Wasser, einige Lianen und Mangrovenwurzeln ergänzen das Traumbild „Urwald“. Auf den Bäumen toben Makaken und wieder Nasenaffen herum. Die Sonne neigt sich dem Horizont zu und spiegelt sich auf dem Fluss.

Immer wieder ahmt unser Käpt´n erstaunlich genau den Ruf eines Elefanten nach. Dann kommt Bewegung in die Sache, nur ein kleines Stück entfernt sehen wir schon andere Boote mit dem Bug so tief wie möglich ins Ufer-Dickicht fahren. Unser Boot drängelt sich durch Lianen und Mangroven. Alle starren ins Dickicht. Unser Kapitän zeigt immer wieder in eine Richtung und sagt: „A big one! You see the mooving ear?“ Wir müssen eine ganze Weile den Elefanten-Suchblick üben und dem Laser Pointer folgen, dann endlich erkennen wir erst einen großen grauen Koloss, dann noch zwei kleinere graue Flecke.

Schließlich manövriert unser Kapitän das Boot rückwärts aus der Masse und fährt los. Wir sind schon ganz beseelt, dass wir ein kleines Stückchen von den nur hier lebenden Pygmalion-Elefanten, den kleinsten der Welt, gesehen haben…wobei klein? Sah ganz schön groß aus…

Ein Stück weiter biegen wir in einen winzigen Kanal ein. Kurz darauf trauen wir unseren Augen kaum: Vier Elefanten, ein großer und drei kleinere spazieren grasend keine 10 m entfernt an uns vorbei. Unglaublich ! Damit haben wir den Vogel abgeschossen.

Aber es gab noch Nachschlag. Als wir uns unserem Steg nähern, wundern wir uns über die vielen Boote, die kurz davor halten und alle starren Richtung Inland, wo unsere Lodge liegt: Eine ganze Herde von großen und kleinen Dickhäutern wechselt gemütlich hinter unserer Lodge das Waldstück. Wie ein Defilee! Kann man mehr Glück haben?

Das Essen erinnert ein bisschen an Jugendherberge: Alle stehen in einer Schlange mit Plastikteller, Löffel und Gabel bewaffnet am Büffet, das nur eine Sorte Essen und Obst anbietet. Aber: sehr lecker!

Für den folgenden Tag haben wir die Morgen- und die Nacht-Tour gebucht. Zu den verschiedenen Tageszeiten sieht man verschiedene Tiere. Pünktlich um sechs sind wir bereit. Es nieselt, wie so oft im Dschungel um diese Jahreszeit. Oft gibt es ganz plötzlich heftige Schauer, das Wasser fällt senkrecht von Himmel, aber es versiegt auch genauso schnell, wie es begonnen hat.

Aber – es geht aucch anders, wie wir an diesem Morgen erleben. Kaum sind wir am Fluss angekommen und wollen einsteigen, beginnt es zu gießen. Alle quetschen sich unter das kleine Schutzdach am Ufer, aber man ist schon nass. Es schüttet wie aus Eimern, das gelbe Flusswasser tritt über das Ufer. Die ersten Wartenden für die drei Boote steigen aus dem Vorhaben aus.

Tapfer, aus unseren Regenjacken tropfend, die man auch hätte weglassen können, harren wir aus. Dann endlich nieselt es nur noch und wir klettern in die klatschnassen Boote, nur die Rettungswesten schützen den nassen Körper vor dem Fahrtwind. Wir preschen den Fluss ziemlich weit runter, aber immer wieder gibt es eine Pause in Ufernähe, wenn unser Adlerauge wieder etwas erkannt hat. Vor allem Affen und einige sehr schöne Vögel. Viele Tiere haben sich bei dem Wetter weiter in den Dschungel zurückgezogen, aber trotzdem ist es nicht langweilig, die Bilder bleiben im Kopf. Leider auch die, wie die selbst hier weggeworfenen Plastikflaschen auf den Wellen schaukeln….

Den Tag verbringen wir faul in der Lodge, das tut auch mal gut und kommt meinen Chronistenpfichten zugute. Und die Umgebung ist sehr schön, um einfach immer nur hinzuschauen. Wie überall hier turnen auf den Dächern Makaken herum und einige Hunde und Katzen kommen immer mal vorbei. Die gibt es hier überall. Sie gehören dazu, wenn auch kein Aufwand mit ihnen getrieben wird, außer, dass sie gefüttert werden. Ein ziemlich schöner und entspannter Umgang mit den Tieren.

Nach dem frühen Abendessen gehen wir auf unsere letzte Tour, neidisch vernehmend, dass am Nachmittags ein Orang Utan zu sehen war. Es ist stockdunkel und das Boot gleitet durh die tiefe Finsterniss, nur die Handlampe unseres Guide streift immer wieder über das Dickicht am Ufer. Es ist eine wirklich magische Stimmung. Auch ohne auf Tiere zu achten, gibt es so viele phantastische Bilder!

Keine Ahnung, wie der Guide das macht, aber immer wieder mal steuert er plötzlich ins Uferdickicht unter einen Baum und – voilà: ein, zwei, drei wunderschöne, bunte, schlafende Vögel wollen, oft sogar von ganz nah, bestaunt werden. Die sitzen da, pennen und lassen sich gar nicht stören. Man frage mich nicht nach Namen – keine Ahnung. Ich kann nur erzählen, dass sie sehr hübsch anzusehen waren, und es immer andere Arten waren.

Ein kleines Krokodil im Uferschlamm zieht sich genervt zurück und verschwindet im Wurzelwerk, die schlafende weiße Schlange bleibt gelassen im Ast über uns hängen. Auch ein Flughund hängt faul im Geäst. Und zu guter Letzt stören wir noch zwei Eulen beim etwas unappetitlichen Herunterwürgen einer Schlange als Nachtmahl.

Zurück in der Lodge lernen wir noch ein uns unbekanntes Fest kennen. Keine Ahnung, ob es immer kurz vor Ramadan stattfindet, oder nur zufällig: Es sind nur Frauen da, bis auf einen Mann, der die Technik bedient. „Gift changing party“ – eine Geschenke-Tauschparty. Alles ist festlich geschmückt und die Frauen haben sich herausgeputzt: Die, die sonst schwarz tragen, haben jetzt goldene Borten und Broschen im Schwarz, andere haben goldene oder bunte lange Kleider und Tücher und zwei von ca 50 Damen tragen keine Tücher.

Mir ist ohnehin aufgefallen, dass hier auf Borneo bis auf Chinesen fast alle Muslime sind, die aber hier etwas gelassener und fröhlicher wirken, als an der Westküste Malaysias. Die Frauen tragen auch mal helle und geblümte Kleider und Tücher und sind meist recht selbstbewußt. Und das wichtigste: Hier wird vielmehr gelacht und gelächelt als auf Langkawi. Und das ewige Rufen der Muezzin ist etwas melodischer.

Zurück zu den Frauen. Nachdem sie, ähnlich wie beim Wichteln, immer aufgerufen werden, um von einem Sammeltisch unter Hallo und Klatschen der anderen, ihr Geschenk entgegen nehmen. Und danach: Zu zugespielter Musik singt eine Frau mit sehr schöner Stimme westliche Popklassiker nach und es wird zum Teil kräftig mitgesungen. So gar nicht dass, was die Sittenwächter sehen wollten. Sehr symphatisch! Wir gönnen ihnen den Spaß sehr – auch wenns bis kurz vor Mitternacht ganz schönlaut ist…

Und schon ist auch diese Etappe zu Ende. Am nächsten Morgen, werden wir eine Stunde nach Kinabatangan gefahren, um mit dem großem Reise- Bus nach Semporna an der Küste zu fahren.