9. Krabi (2) – Tag 2

Ich beschließe, angesichts der Hitze, entgegen ersten Überlegungen, doch zu einem der gutbesuchten Strände außerhalb der Stadt zu fahren. Das Pflichtprogramm für Krabi Stadt – Besucher (auch die Provinz heißt so) ist eigentlich das Erklimmen des Tiger Cave Temple auf der Kuppe eines Berges, auf dem wiederum ein großer goldener Buddha sitzt, und ein Rundweg , der einen sehr schönen Überblick über Stadt und Umgebung bietet. Aber ich lasse das aus, da mein Knie nicht so fit ist und ich bei der Hitze 1237 Stufen nicht riskieren will. Zumal mich das Tableau an meinen Golden Buddha- Ausflug in Phuket erinnert.


Ich lasse mir den Weg zum Strand erklären, die Orientierung ist nicht einfach, alles ist weitläufig, ein schier unübersichtliches Netz von Straßen und google maps spricht wiedermal nur Thai. Was die nächste dreiviertel Stunde folgt, wäre ein Argument für die Wiederauflage Sendung mit der Versteckten Kamera…


Ich fahre jedesmal eine ganze Weile so wie mir beschrieben, bis mir die Sache spanisch – oder doch eher thailändisch – vorkommt und ich erneut frage. Viermal! Und jedesmal wird mir freundlichst, zum Teil nach Gruppenberatungen, der Weg erklärt… Und was soll ich sagen: Ich werde in alle vier Himmelsrichtungen geschickt! Irgendwie habe ich den Verdacht, dass man hier lieber irgendwas antwortet, als zu sagen, dass man es nicht weiß.


Irgendwann taucht auf einer großen Ausfallstraße tatsächlich ein lesbares Schild nach Noppharat Tara Beach auf, dem zweitnächsten Strand. Irgendwas steht da von 15 Kilometern und dann abbiegen. Also Gas gegeben und los. Endlose Vorstädte, dann wird’s immer ländlicher, die große gold-grüne Zentral-Moschee fliegt als einzig auffälliges Bauwerk vorbei. Moscheen gibt es hier sehr viele, in allen Größen.


Kein Abzweig. Zumindest kein ausgeschilderter. Irgendwann tauchen hohe Berge auf, werden größer und größer, saugen mich auf. Ich fühle mich wie eine Ameise. Beeindruckend. Formen wie die Felsinseln im Meer, nur noch größer. Und ich mittendrin. Inzwischen ist mir längst der Verdacht gekommen, dass ich in einem der Nationalparks gelandet bin, die ich für meine Planung, leise weinend, als zu weit entfernt abgeschrieben hatte.

Auch gut. Und tatsächlich kommt jetzt ein Schild mit Hinweis auf den Strand. Seltsam. Ich bin mindestens 35 Kilometer gefahren. Ich biege ein – und bin plötzlich völlig fasziniert in einer anderen Welt. Um mich herum tiefes Grün. Ein Urwald mit riesigen Bäumen und und senkrecht aus dem Boden aufsteigenden, hohen Fels-Kegeln. Vögel zwitschern, Grillen sirren, sogar Affen höre ich. Es ist in diesem grünen Paradies mindestens fünf Grad kühler. Und einfach wunderschön!


Da ich aber immer noch nicht weiß, wo ich wirklich bin, wage ich nicht, die Straße zu verlassen. Und zu fotografieren traue ich mich auch nicht, denn die Straße ist eng und kurvig und die wenigen Fahrzeuge , die kommen, fahren sehr schnell. Ich habe schlicht Angst, überfahren zu werden, wenn ich am Straßenrand stehe. Später finde ich heraus, dass ich im Hat Noppharat Thara Nationalpark gelandet war.

Schließlich ein Abzweig, dann ein winziges Dorf und – ein Hinweis auf den gesuchten Strand – nochmal 16 Kilometer. Das war dann wohl eher eine Rundfahrt. Ich bin zwar verwirrt und hoffe, dass es nicht so weitergeht, aber leid tut es mir eigentlich nicht. Ich habe viel gesehen und vorallem auch etwas von den schon abgeschriebenen Nationalparks. Denn Dschungel ist nach dem Meer meine zweite Faszination.

Ein bisschen traurig bin ich später schon, als mir klar wird, wie nah ich einigen strahlend türkisen Süßwasserpools inmitten des Urwalds gewesen bin. Aber in dem Moment habe ich keine Chance herauszufinden, wo ich bin und wo ich vielleicht auf einem kleineren Pfad abbiegen muss, denn – das Navi sieht grün und spricht Thai. Und ich kann es mir nicht wirklich leisten, mich hier zu verfahren, denn es ist bereits Nachmittag und mein Tank ist fast leer.

Endlich ein winziges Dörfchen. Ich frage nach Benzin. Keiner versteht mich, erst Pantomine führt zum Ziel. Schließlich werde ich in einem Haus, das wie eine Scheune aussieht, voller Baumaterial, Schrott, Hühner und Hunde fündig. In einem Kabuff an der Seite ist ein kleiner Kramladen versteckt und der hat in Plastik-Colaflaschen abgefülltes Benzin. Problem gelöst.

Die Landschaft ist wieder etwas offener, aber immer noch waldig und bergig, irgendwo muss das Meer in der Nähe sein. Endlich ein lesbares Schild: Der gesuchte Strand ist – nochmal(!) 16 km entfernt und das korrekt in die entgegengesetzte Richtung, in die ich zuerst auf der parrallelen Überlandstraße gefahren bin…. Macht nichts, ich nehmś als Sightseeing Tour. Aber langsam tut mir der Hintern weh.

Irgendwann komme ich tatsächlich am Noppharat Tara Beach an, der an einer langgezogenen, sichelförmigen Bucht hinter einem Streifen großer Nadelbäume liegt. Eindeutig ein Strand, der von einheimischen Familien belegt ist. Eigentlich sehr schön, aber zwei Dinge sprechen gegen einen längeren Aufenthalt: Es ist Ebbe und ich müsste ziemlich weit dem Wasser hinterherlaufen. Und dass, obwohl hier überall Schilder davor warnen, irgendwelche Wertsachen allein zu lassen – das habe ich in Thailand noch nie gesehen. Diebstahl ist hier sonst überhaupt kein Thema, eigentlich lässt hier jeder – Einheimische eingeschlossen – alles offen liegen. Frage der Ehre und schlechtes Karma für das nächste Leben.

Also fahre ich noch ein Stück weiter, der nächste Strand ist der bekannteste von Krabi: Ao Nang. Der dazugehörige Ort ist richtig groß, da passen viele, viele Unterkünfte und Restaurants hin. Der dazugehörige Strand ist lang, aber nicht so lang, wie es dafür nötig wäre. Der am meisten frequentierte (weil nächste) Abschnitt gefällt mir gar nicht. Breit, mit einer hohen Kaimauer begrenzt, gelb und langweilig.

Und das Wasser ist eher noch enttäuschender: aufgewühlte graublaue Brühe, ewig flach. Und es gibt dutzende Longtailboote, die gerade von den Ausflügen zurückkommen und alles mit ihren stinkenden Motoren einnebeln. Ein paar Boyenschnüre grenzen einen Korridor ab. Aber anders als erwartet, ist das nicht die Einfahrtsschleuse für Boote, sondern der kleine Bereich, wo man baden darf. Nö, nicht mein Strand.

Trotzdem nehme ich ein kurzes Bad, denn von meiner langen Fahrt bin ich verschwitzt und staubig. An der Strandpromenade beobachte ich noch ein Weilchen das Treiben und Flanieren und Radschlagen der Touristen. Nicht so schlimm, wie in Phuket, aber auch nichts, was ich länger aushalten möchte. Aus jedem Restaurant schallt andere Musik und alle fünf Minuten fahren Lautsprecherwagen die Straße entlang und bewerben mit aufgeregtem Gebrüll die abendlichen Super-Kämpfe mit angeblichen Stars des Muay- Thai, des Thai Boxens.

Ein Blick auf den Horizont bringt mich zum schnellen Rückzug: Schwarze Wolken türmen sich. Ich habe noch einige Kilometer vor mir und möchte auf keinen Fall mit dem motorisierten Zweirad in einen tropischen Guss geraten.

Immerhin gibt es von hier aus Wegweiser in die Stadt, die tatsächlich auf kürzestem Wege nach Phuket Town führen, wenn auch in der Rush Hour. Ich finde sogar mein Guesthouse wieder und schaffe es gerade noch in ein kleines, französisch geführtes Restaurant um die Ecke, bevor draußen die Welt untergeht. Es gießt derart, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht und erst das Internet und dann – kurzzeitig- auch noch der Strom ausfällt. Dramatischer Showdown für einen spannenden Tag.