14. Blaues Paradies

Der Nieselregen vom Vorabend hat aufgehört, es ist warm und stürmisch. Eigentlich wollte ich heute gleich tauchen, aber daraus wird bei der Wetterlage nichts. Macht aber nichts, so haben wir einen Tag, um uns zu orientieren, außer grünen Dünen und Wald haben wir noch nichts gesehen. Der Strand von Sodwana Bay liegt im Schutzgebiet und ist 13 Kilometer entfernt. Der Weg führt durch ein winziges Dorf mit ein paar Restaurants, einem kleinen Supermarkt und ein paar Dive Shops, Tauch-Zentren.

Wieder ein Nationalpark-Gate mit Anmeldeformularen und Papierkram. Das Absurde: Eintritt zahlen nur Menschen im Auto. Wer eine Ecke vorher aussteigt und durchläuft, zahlt nichts.

Eine Düne trennt uns vom Ozean und dann: der Blick auf den breiten, weißen Strand und ein tosendes Meer. Der Wind peitscht den Sand vor sich her. Hundert Meter weiter ragt ein großes flaches Felsenriff weit ins Meer hinaus. Da es offensichtlich die meiste Zeit unter Wasser steht, ist es über und über mit hellblauen und rosa Seepocken und Muschelschalen besetzt, weiter draußen geht es in grüne und braune Korallen mit gelben und leuchtend roten Flechten über. Man muss verdammt aufpassen, dass man nicht auf dem nassen, schlierigen Gestein ausrutscht oder über kleine spitze Felsecken stolpert. Aber man kann nicht widerstehen dem Wind trotzend bis ans Ende zu laufen, wo der Fels vom Meer unterspült ist. Die Gischt sprudelt aus kleinen Öffnungen wie aus kleinen Geysiren hervor, sobald eine große Welle kommt.

Am Rand dieses Felsplateaus im Meer stehen, eisern dem Wind trotzend, gegen die starke UV-Strahlung mit Gesichtsmasken geschützt, stoisch Angler. Jeder mit seinem Eimer neben sich. Sportangler, die nur an diesen Ort kommen, um jeden Tag zur Ebbe hier zu stehen, die Ruten zu schwingen und den dicksten (Fisch) haben zu wollen…. Komische Spezies. Wobei man als Fischesser zugeben muss: hier schwimmt sehr viel leckeres Flossen- und Schalengetier herum!

Der breite Strand ist von einer grünen Düne gesäumt und an der nahen Landspitze erhebt sich ein Hügel mit einem Leuchtturm in einem Wäldchen. Ein klassisches Postkartenbild.

Trotz Sandbeschuss und Sturm nehmen wir ein Bad, aber nur im flacheren Wasser, denn die Brandung ist wirklich stark und auch der Sog. Schließlich hat der Sturm die Wolken weggeblasen und die Sonne kommt durch – und brennt sofort heiß! Wir hängen noch ein Weilchen am Strand herum, treffen eine nette chilenische Familie, die seit Jahren in Südafrika lebt, und erfahren viel Neues und Interessantes über dieses Land – das allerdings eher an anderer Stelle erzählt werden kann.

Schließlich versuchen wir noch auf dem Rückweg einen WiFi-Spot zu finden, denn unsere Lodge hat keinen und die Sache mit dem Internet ist hier wirklich noch auf Minimal-Standard. Doch das einschlägige Café hat ohne Erklärung zu, die Cocktailbar schließt um 17 Uhr, bleibt nur die Lobby einer teuren Lodge, wo man ein paar Megabite für gutes Geld kaufen muss. Nicht gut für mein Blog, aber erholsam…. Wir sind eben ziemlich weit weg von städtisch entwickelten Gegenden.

Später kaufen wir in Mbazwana noch ein. Vor dem Supermarkt sitzen Dutzende Frauen, die allerdings alle dasselbe verkaufen: Bananen, Ananas, Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln. Keine Varianten: kein Saft, keine Konfitüre, nichts Essfertiges…. Nur wenige können etwas verkaufen, das Geschäft läuft flau, die Konkurrenz ist groß. Geschäftstüchtig sind die Leute hier wirklich überall so gar nicht. Mir würden auf der Stelle etliche Dinge einfallen, die gut zu verkaufen wären in so einer Gegend mit vielen Reisenden. Aber die Menschen hier machen am liebsten alles so, wie sie es immer gemacht haben, Veränderungen sind eher lästig und abwegig. Schade.

Den Abend verbringen wir in unserem kleinen Waldparadies mit netten Gesprächen mit anderen Gästen, der Chefin, der Tauchcrew, die auch hier lebt und abends nebenbei Restaurant, Bar und Feuer schmeisst. Die Stille wäre wohl unheimlich, wären da nicht die tausenden Grillen, Vögel und Frösche mit ihrem Dauerkonzert. Beizeiten begeben wir uns zur Ruhe: morgen früh soll endlich getaucht werden, die Wettervorhersage ist wesentlich besser, der Sturm ebbt ab.

Sechs Uhr rasselt der Wecker. Und das soll nun Urlaub sein. Aufstehen, duschen, Kaffeekochen, Bananenpfannkuchen backen, Obstschneiden, Frühstücken, packen – und los! Ich bin richtig aufgeregt. Fast ein Jahr ohne Tauchen! In den vergangenen drei Jahren bin ich eine echte Tauch-Süchtige geworden. Nur habe ich eben nicht so oft Gelegenheit.

Mein Liebster hat sich für´s Schnorcheln entschieden. Er kann zwar auch tauchen, hat aber seit der Prüfung nie mehr getaucht, ihm fehlt die Übung. Zudem ist er Raucher, also alles eher hinderlich. Wenn man noch mit den Grundlagen der Bewegung und Atmung unter Wasser zu kämpfen hat, hält sich der Genuss sehr in Grenzen und man bekommt das Großartige in Neptuns Reich nur am Rande mit.

Als wir am Strand ankommen, bin ich zunächst fest überzeugt, dass der Tauchgang doch abgesagt oder zumindest verschoben wird: die Wellen sind noch riesig! Aber ungläubig vernehme ich, dass das kein Problem mehr sei. Na dann: Ahoi!

Die Triton Crew hat schon im Morgengrauen Boot und die gesamte Ausrüstung an den Strand gebracht und ein großes offenes Sonnenschutzzelt aufgebaut. Zehn Taucher und zwei Schnorchler gehen an Bord, Chef unter Wasser (Dive Instruktor) ist die Lodge-Chefin Eve Marshall persönlich und später Neville, ein Typ, der auf den ersten Blick aussieht wie eine korpulentere Mischung aus Dirty Harry,  Howard Carpendale und Rolf Eden, so um die sechzig. Doch schon bald stellt sich heraus, dass der Mann ein echter Crack ist – was das Tauchen, Bootfahren und – Wissen über Korallen und Fische ist. Er hat sogar eine neue Fisch-Spezies hier entdeckt, die nach ihm benannt ist. Ein toller und völlig entspannter Typ, der einen mit seiner Begeisterung ansteckt.

Der Rest der Crew besteht aus fünf sehr netten jungen und aufmerksamen jungen Guides. Später erst erfahren wir von Stammgästen, dass sie alle aus Reha-Programmen hierhergekommen sind: Drogen- und Alkoholkarrieren. Das erklärt vielleicht auch ihr hingebungsvolles Engagement und die sichtliche Zuneigung zur Chefin, die ihnen allen ein zweites, neues Leben ermöglicht. Die Truppe ist super!

Allerdings ist dieser erste Tag ein echter Hammer – auf der Wasseroberfläche! Wir fahren mit einem starken, 12 Meter langen Schlauchboot `raus. Die wildeste Bootsfahrt meines Lebens! Wie müssen uns heftigst festklammern, um nicht über Bord zu gehen als Neville unerschrocken über riesige Wellen kreuzt, die mehrere Meter hoch sind. Manchmal steht der Bug hoch auf einer Welle – und darunter scheint es erstmal gar nichts zu geben, bevor unten das Wellental auftaucht. Lieber Himmel, was für eine Fahrt! Für Seekrankheit habe ich vor Aufregung keine Zeit. Neville lacht nur. Das mit dem Seegang sei alles sei gar kein Problem, schon gar nicht unter Wasser.

Aber erstmal müssen wir es schaffen, uns draußen am geplanten Dive-Spot angekommen,  im engen Boot die schwere Ausrüstung fehlerfrei anzulegen, ohne über Bord zu gehen oder andere Unfälle. Und dann müssen wir auch noch rückwärts kopfüber von Bord gehen, für mich das erste Mal auf diese Weise. Also – meine Abenteuerlust wird wirklich auf die Probe gestellt! Aber ich habe Vertrauen zur Crew. Außer uns sind noch vier ältere Stammgäste mit von der Partie und die bleiben ganz cool. Also werde ich das wohl auch schaffen.

Der Guide neben, Clinton, mir hat meine Nervosität mitbekommen und hakt mich fest unter: wir werden auf das Kommando gemeinsam nach hinten ins wilde Meer abtauchen. Gesagt, getan – schon überstanden, alles bestens. Endlich wieder hinabsinken lassen ins tiefe Blau! Schon wenige Meter unter der Oberfläche ist das Meer sanft und friedlich. Ich brauche nur ein paar Minuten, um mich wieder sicher und glücklich zu fühlen, um meinen Körper wieder darauf umzustellen, nur über Atem und Körperneigung zu navigieren und die Luft im Körper zu spüren und zu nutzen, wie wir es sonst niemals tun.

Am Meeresboden, hier in etwa achtzehn Meter Tiefe, hat der Seegang eine lustige Auswirkung, die ich noch nie erlebt habe: Man wird ganz sanft wie auf einer riesigen Schaukel hin und hergetrieben – und alle Fische genauso. So braucht man nicht einmal seine Beobachtungen zu unterbrechen – das beobachtete Objekt swingt mit. Wirklich verrückt.

Die Unterwasserwelt hier in Sodwana Bay ist phantastisch! Verschiedenste Korallen und Algen, alles um einen herum ist bunt: endlos viele farbenfrohe Fische von winzig bis riesig, einzeln, in Paaren, in Schwärmen. Bunte Nacktschnecken, riesige Muscheln, die geöffnet auf Nahrung warten…. Es fällt mir schwer, das alles zu beschreiben, man muss es einfach sehen.

Plötzlich schwebt eine riesige Leatherback-Schildkröte unter einem Korallenriff hervor, keine zwei Meter von mir entfernt. Und schließlich: ein Hai! Der erste in meinem Taucherleben! Ein etwa zweieinhalb Meter großer sogenannter Reggie, Ragged Teeth yellow spotted Shark! Völlig entspannt hängt er knapp über dem Meeresboden und mustert uns. Ich dachte immer, Haie würden mir sicher Angst machen, aber das legt sich jetzt: Der Knabe ist total friedlich und cool. Und in den folgenden Tagen werde ich noch mindestens acht weitere Haie sehen: Reggies, Sandhaie und einen kleinen Bullenhai – und noch mehr Schildkröten. Die schweren Riesentiere aus der Urzeit fliegen förmlich unter Wasser. Genau wie die großen Rochen, die in den kommenden vier Tagen unter uns und neben uns schweben.
Auf der Liste der Lieblingsfische stehen die schillernden Papageienfische ganz oben. Die auf den Folgerängen kann ich nur auf Englisch benennen: knallige Butterflyfische, Moonies, Blue Trigger, Coachmen, Kingfish, Wrasses, Rockcods, Porcupine Fishes und Goatfishes.
Aber nun soll es auch schon gut sein mit der bunten und schillernden Welt der Fische – ich möchte mein weniger Wasser-verliebtes Publikum nicht langweilen. Aber dieser kleine Exkurs musste sein. Die nächsten drei Tage vergingen wie im Traum mit je zwei Tauchgängen und entspannten Abenden im Camp.

Nur eine kleine Story noch: Am letzten Tag habe ich meinen ersten Tief-Tauchgang absolviert. Eve und Neville haben mich dazu ermutigt, nachdem sie meine Tauchfähigkeiten beobachtet und für bestens befunden hatten: Ich bin auf 33 Meter getaucht. Das ist wirklich noch mal etwas anderes!

Ich dachte, es lag an mir, dass ich, obwohl es mir absolut gut ging, die ersten zehn Minuten tatsächlich mentale Schwerstarbeit leisten musste, um keine Panik aufkommen zu lassen. Aber die beiden haben mir später erklärt, das liegt am schnellen Stickstoffanstieg im Blut und außerdem sei Tieftauchen zu fünfzig Prozent mentale Arbeit. Und die Prüfung hätte ich erfolgreich bestanden. Ich gestehe, ich war sehr stolz!

Sodwana Bay gehört zu den zehn besten Tauchgegenden der Welt. Keine Wasserverschmutzung, warmes Wasser, geschütztes Meer samt Strand, kontrollierte Besucherzahl, extremer Artenreichtum. Wirklich phantastisch! Wer sich also dafür interessiert – es lohnt sich hierher zu kommen! Und wenn, dann vorzugsweise mit der Triton-Crew. Der geht’s nicht nur ums Geldverdienen, sondern um die Liebe zum Tauchen und zum Meer. Nix für Hippster und auf wilden Wettstreit Versessene, eher für entspannte Liebhaber des Tauchens.

Die letzten beiden Nächte haben wir in der ebenfalls sehr schön gelegenen Wildbees Eco Lodge in Hluhluwe (sprich: Schluschluwe) verbracht, rund 100 Kilometer südlich von Sodwana Bay Richtung Durban. Am letzten Tag, the day after diving, haben wir noch eine letzte Safari in den riesigen iMfolozi Park gemacht, diesmal in den südlichen Teil.

Herrliche Berglandschaft, immer noch tiefgrün, aber daher teilweise schwer einsehbar. Gleich am Anfang haben uns ein paar Zebras, Wasserbüffel und in der Ferne zwei Elefanten begrüßt, aber danach war stundenlang gar nichts – Mittagshitze. Jetzt wussten wir, wie sich Krüger-oder andere Nationalparkbesucher fühlen, die nicht soviel Glück haben, wie wie es bisher…

Wir haben uns dann in das einzig öffentlich zugängliche Ressort im Park, dass Hilltop Ressort auf einem der höchsten Punkte des Parks, zurückgezogen und eine mehrstündige Mittagspause mit Imbiss und Pool (inklusive endlosem Bergpanorama) eingelegt. Danach, am späteren Nachmittag, hatten wir dann wieder mehr Glück!

Auch wenn sich die Löwen und Leoparden weiterhin vor uns versteckt hielten, haben wir doch aus nächster Nähe jede Menge Wasserbüffel und Nashörner beobachten können. Auch einige Impalas, Kudus und Gnus gaben sich die Ehre. Zum Schluss haben sich noch die Affen und Warzenschweine gebührend von uns verabschiedet. Wenn auch dieser Tag nicht mit unserer ersten iMfolozi-Tour zu vergleichen war – es hat Spaß gemacht.

Was wir mitnehmen nach drei Woche in diesem riesigen, wunderbaren, aber auch extrem widersprüchlichen Land? Unendlich viele neue Eindrücke, Gedanken, Erfahrungen, wunderbare Erinnerungen und – die Lust auf mehr! Danke, Mama Africa, für eine wunderbare Zeit!

13. Next stop: Sodwana Bay

Erster Abschied in diesem Urlaub, nicht von einem Ort, sondern vom Kleeblatt: Nathalie muss zurück zur Arbeit. Tagelang haben wir versucht, eine offizielle Reisemöglichkeit von St. Lucia nach Durban Airport zu finden, aber die gibt es nur dienstags und donnerstags. Also bleibt wohl nichts anderes übrig als einen der Minibusse zu nehmen, die von der Stadt Mtubatuba, die 27 Kilometer entfernt ist. Und das ist wirklich eine sehr einheimische Reiseart….

Wir begleiten Nathalie, noch weiß keiner genau, wie das funktionieren wird. Wo fahren diese vollgestopften alten Vehikel ab, wann, was kostet es, wohin genau fahren sie….

Mtubatuba, von wo angeblich diese Kleinbusse abfahren, entpuppt sich als extrem quirlige, geschäftige, chaotische und ziemlich schmuddelige Stadt. Wir sehen nur schwarze Menschen, dementsprechend fallen wir schon allein an der Tankstelle auf, wo wir uns nach den Minibussen erkundigen. Hochgezogene Augenbrauen und ein ungläubiges Grinsen: Diese blonde Weiße will damit fahren?!

Aber freundlichst bekommen wir Auskunft und sogar noch den Preis verraten, den die Einheimischen dafür zahlen: 150 Rand für die rund 270 Kilometer. Gut zum Verhandeln.

Unser dritter Mann bleibt im Auto – das können wir hier nicht allein lassen. Wir Frauen machen uns auf den Weg durch´s Gewühl: zwei leuchtend weisse Knöpfe inmitten von lauter Kaffeebohnen. Es herrscht totales Chaos: Marktstände, Autos, Mütter mit Kindern, doperauchende Teenager, Männergruppen oder am Boden sitzende Menschen, die alles mögliche zum Kauf anbieten – alles wild durcheinander. Jetzt sind wir das erste Mal wirklich in Afrika, stellen wir beide fest. Ist schon ein etwas irritierendes Gefühl, so fremd haben wir uns beide hier noch nie gefühlt.

Aber die alte Strategie von vielen Reisen funktioniert: nicht weiter herumgucken, sondern ganz selbstbewusst und zielgerichtet einfach durchlaufen (selbst, wenn man noch gar nicht so genau weiß, wohin). Auch wenn wir uns wirklich gern mehr umgeschaut hätten, denn ist ist wirklich spannend. Nach einem erstaunten Blick auf uns wenden sich die meisten wieder dem zu, was sie gerade getan haben. Schließlich haben wir uns zu einem Bus durchgefragt, der nach Durban fährt, der Typ im Bus erscheint uns beiden einigermaßen vertrauenerweckend, sonst hätten wir uns jemand anderen gesucht.

Ja, es gibt noch Plätze und er hält einen frei, denn wir müssen erst das Gepäck holen. Es dauere sowieso noch, denn der Bus (der innen ganz schön verrottet aussieht, mit aufgeplatzten Sitzen) ist noch halb leer. Also zurück durch das Chaos, jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Wir flitzen noch in einen Supermarkt, um Bargeld aus dem Automaten zu ziehen, aber der ist leer. Auch im Supermarkt fallen wir wieder auf. Als wir endlich mit dem Gepäck heil am Abfahrtsort sind, ist der Bus gerade angefahren. Wir rennen hinterher. Tja, dumm gelaufen, das mit der Platzreservierung hat er vergessen, jetzt ist alles voll.

Also wieder auf die Suche machen nach dem nächstmöglichen Durban-Taxi. Zum Glück finden wir einen neueren Bus, mit einigen Frauen an Bord, auch der Fahrer scheint uns ok. Ich schiebe Nathalie sofort ganz vorn auf die Bank – das gilt als der sicherste Platz. Die schlechten Geschichten von diesen Transporten erzählen davon, dass die Fremden plötzlich gezwungen werden, Geld mit der Kreditkarte abzuheben und dann ohne alles in der Pampa ausgesetzt werden. Aber – ein bisschen positives denken gehört dazu und passieren kann eben immer was. Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich bleibe noch eine Weile demonstrativ am Bus stehen und wir verabreden, dass wir über die Handys ständig Verbindung halten.

Zurück durchs Chaos ins Auto. Zwanzig Minuten später trinken wir einen Kaffee an einer modernen Tankstelle an der Überlandstraße. Total andere Welt. Gemischtes Publikum, alles wirkt (fast) europäisch, modern, anonym. Kaum zu fassen, dass diese Welten so nah und so fern voneinander existieren.

Wir sind jetzt unterwegs nach Sodwana Bay ans Meer, am Indischen Ozean. Nach rund drei Stunden passieren wir die Kleinstadt Mbzwana und kurz darauf erreichen wir das Gebiet, wo laut Navigationssystem, unsere Lodge liegen soll. Nur ist das Navi irgendwie total verwirrt und führt uns abenteuerliche Wege ins Nirgendwo. Straßen im herkömmlichen Sinne gibt es nicht.

Die Landschaft hat sich vollkommen verändert. Endloses Dünenland, mit viel Grün bewachsen, oft auch mit dichten Büschen und kleinen Bäumen, so dass man nie weit schauen kann und oft nichts außer tiefem Sand und grünen Hügeln sieht. Und dazwischen Eukalyptusplantagen. Also auch hier. Ganze Landstriche haben wir unterwegs mit diesen für die Umwelt und den Wasserhaushalt so schädlichen Plantagen gesehen.

Nachdem wir eine Weile gekreiselt sind, finden wir endlich eine ausgeschilderte Stichstraße bzw. besser gesagt einen ausgeschilderten Sandweg zur Triton Dive Lodge. Eigentlich gibt es zwei parallele Wege: einen für Vierradantrieb, einen für Zweiradantrieb. Per e-mail habe ich vorher nach der Wegbeschaffenheit am Ankunftstag fragen müssen – es kann vorkommen, dass man ohne Vierradantrieb keine Chance hat. Aber tapfer wühlt sich unser höhergelegter Wagen durch den Sand, ein paar Kühe gehen missmustig aus dem Weg und irgendwann sind wir am Ziel, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Letzte Nachricht: Nathalie sitzt wohlbehalten im Flieger.

Das Camp liegt unter hohen Bäumen versteckt und man kann nur einzelne Gebäude zwischen dichtem Grün erkennen. Es gibt in diesem hohen Wald noch eine zweite grüne Ebene mit halbhohen Bäumen, Palmen, Obstbäumen und einfach Dickicht, in das das Camp hineingebaut ist. Man fühlt sich wirklich wie mitten im Wald versteckt. Ein kleines Labyrinth aus Holzstegen verbindet Rezeption, Hütten, ein halboffenes Restaurant und einen offenen Feuerplatz für den Abend, der umgeben ist von den überdachten Küchen und Essecken. Viele Lodges hier setzen auf Selfcatering, das heißt Selbstkochen. Im Triton hat man die Wahl und muss sich nicht selbst verköstigen, man kann sich auch täglich im Restaurant zum Essen anmelden.

Wir dürfen uns eine Hütte aussuchen. Da die Saison zu Ende ist und nicht mehr viele Gäste da sind, bekommen wir sogar eine bessere, mit abgetrenntem Bad, für dasselbe Geld. Wirklich nett hier, entspannt, wir haben es sehr gut getroffen. Nicht schick, ein bisschen abgenutzt, aber irgendwie cool und kuschelig so zwischen all dem Grün und mitten im Dickicht. Es gibt natürlich auch einen Pool, hier finden auch die Anfängerlehrgänge für Tauch-Novizen statt. Das Originellste sind für mich aber die Open-Air-Duschen, ebensolche Toiletten und sogar eine Openair-Badewanne. Von zweieinhalb Meter hohen Wänden gegen Blicke geschützt, steht bzw. sitzt man dennoch direkt im Wald, es wachsen sogar Bäume durch die Dusche und man sieht in den Himmel.

Gary, der Koch im Camp, so erfahren wir später, ist tagsüber auch der Divemaster an Bord des hauseigenen Tauchbootes. Der Mann kann erstklassig kochen und man darf sogar Wünsche äußern, auch wenn sie nicht im offiziellen Angebot stehen. Alles scheint möglich. Alles sehr familiär hier, dabei ist die Lodge gar nicht so klein, wie ein Erkundungsrundgang offenbart. Nach einem leckeren Rumsteak und einem Bierchen schlafen wir beim ständigen Konzert der Zikaden und den gelegentlich ziemlich gespenstisch klingenden Rufen der Turteltauben rundum zufrieden ein. Noch eine Woche genießen…..

12. Große Tiere, kleine Tiere

Großer Safari-Tag! Aber erstmal ein Bad im Pool und Frühstück – heute drinnen, draußen ist es schon zu heiß. Auf dem Dach und im Baum vor dem Fenster tobt eine wilde Affenbande, es ist laut und witzig zugleich. Außerdem hängen die Fliegenfenster von außen immer voller Eidechsen, fast wie ein Dekor. Wie haben am Abend noch einen Berg leckeres Obst am Straßenrand gekauft und so ernähren wir uns momentan sehr gesund und lecker. Ach ja: LEKKER! Das ist das Wort, das man hier ständig hört. In Afrikaans bedeutet es alles von tatsächlich lecker über gut bis ausgezeichnet, bestens, prima, in Ordnung. Und das auf alles bezogen. Klingt lustig für unsere Ohren. Klappt immer.

Wir machen uns auf zum 60 Kilometer entfernten iMfolozi Game Reserve, dem ältesten Nationalpark des Landes. Ein 960 Quadratkilometer großes Schutzgebiet im nördlichen Zululand, das es schon seit 1885 gibt. Laut Lonely Planet eine echte Alternative zum berühmten, aber sehr teuren Krüger-Park. iMfolozi ist wesentlich kleiner, verglichen mit dem berühmten großen Bruder im Norden, aber ebenso artentreich und nicht so überlaufen. Eher der Geheimtipp. Der Eintritt kostet nur etwa 12 Euro. Nur Übernachtungen in den Lodges innerhalb des Parks sind natürlich teurer.

Der Weg dorthin führt am Rand der Stadt Mtubatuba entlang. Hier sieht es nicht ganz so idyllisch aus wie auf unserem Weg aus dem Inland, trotz viel Landschaft und Gärten um die Hütten. Die Häuser sind schäbiger, Müll liegt überall herum, viele Grundstücke sind zwar sogar mit Stacheldraht eingezäunt, aber ungenutzt. Weiße sind nicht zu sehen.

Als wir am Parkeingang unseren Eintritt zahlen (natürlich nach den üblichen Anmeldeformularen) erhält Nathalie sogar großzügig den Südafrika-Inlands-Rabatt, weil sie als Volunteer in einer Township arbeitet. Sie wird auch gleich von der Frau am Einlass vereinnahmt, ob sie nicht solche Hilfsprojekte für ihre Stadt vermitteln kann. Es gäbe gar keine Beschäftigungsmöglichkeiten für die Kinder, sie würden nur herumhängen und sich prügeln. Nathalie schreibt alles auf und verspricht, es weiterzugeben. Die Hoffnung ist aber Null. Die Hilfsorganisationen stapeln sich im schönen Kapstadt und ein paar wenige im härteren Johannesburg, vielleicht noch ein paar in Pretoria und Soweto, aber viel mehr ist dann auch nicht.

Endlich können wir uns losmachen und beginnen gespannt unsere Tour.

Ja! Eine Giraffe! Ganz nah neben der Straße würdigt sie uns keines Blickes beim Baumwipfelmahl. Und schon bevölkern ganze Kudu- und Impalaherden und Gnus die momentan üppig grünen Hügel neben uns. Was für elegante Tiere! Und kurze Zeit später dürfen wir ganz aus der Nähe zwei Elefanten dabei zusehen, wie sie sich genüsslich mit Schlamm eincremen. Später treffen wir noch viele ihrer Verwandten. Die afrikanischen Elefanten gefallen mir besonders, haben sie doch so riesige Ohren! Mit unerschütterlicher Ruhe stampfen sie durch die Gegend und fressen unentwegt, wenn sie nicht gerade ein Schlammbad nehmen. Und irgendwie wirken sie immer weise und in sich ruhend. Rutschen weit nach oben auf meiner persönlichen Hitliste der Tiere!

Immer wieder entdecken wir Nashörner, sogar mit Babies! Und schon wieder eine Büffelherde! Und so soll es über Stunden weitergehen. Kaum, dass fünf Minuten vergehen, ohne dass wir irgendwelche Tiere sehen: natürlich auch wieder Hippos, Büffel, Affen, Krokodile, alle möglichen Vögel. Unbedingt eine Extra-Erwähnung verdienen die Warzenschweinfamilien mit ihren unglaublich lustigen, kapriolenschlagenden zahlreichen Ferkeln. Kaum zu glauben, dass Schweine so lustig sein können! Und es ist schon verdammt viel schöner und interessanter, sie freilebend und ohne Gitter so aus der Nähe zu beobachten, als im Zoo. Aussteigen ist natürlich unter Lebensgefahr und auch zum Schutz der Tiere streng verboten.

Irgendwann entdecken wir plötzlich Zebras, für mich ein Synonym für Afrika. Und mehr noch, sie blockieren mal eben die Straße, das Auto interessiert sie wenig. Nicht, dass wir unbedingt weiterfahren wollten – wann kann man schon mal diese perfekt von Mutter Natur gestylten, großäugigen Tiere so in Ruhe beobachten!

Fast noch verrückter ist unsere nächste Begegnung mit Giraffen. Wir entdecken gleich mehrere neben der Piste, aber plötzlich kommt uns ein besonders großes Exemplar direkt entgegengelaufen. Ganz ruhig und selbstbewusst schaut sie auf uns Zwerge im Blechkäfig herab, bevor sie dann beschließt, dass Zweige spannender sind und sowieso besser schmecken.

Drei von den legendären Big Five, also Giraffe, Nashorn und Büffel haben wir also an einem einzigen Tag ausgiebig bewundern können. Nur die Löwen und die Leoparden halten sich im zur Zeit ungewöhnlich dichten Grün versteckt – da waren sie garantiert, nur leider für uns unsichtbar. Damit wir nicht traurig sind, schicken sie uns Cousine Hyäne kurz vor Schluss vor das Auto. Von Nathalie hören wir, dass es sogar im Krüger-Park durchaus vielen Besuchern passiert, dass sie tagelang kaum ein Tier zu sehen bekommen. Unsere Wirtin versichert uns allerdings abends, dass wir auch wirklich viel Glück hatten, so extrem viele Tiere an einem Tag zu sehen.

Der iMfolozi Park ist übrigens auch landschaftlich wunderschön, er hat Berge, Wälder, savannenähnliche Ebenen und breite Flussläufe. Das einzige Problem auf unserer acht Stunden-Safari: Man kann irgendwann nicht mehr sitzen und auf den ausgewaschenen, mal steinigen, mal sandigen Lehmpisten tut irgendwann mal auch das beste natürliche Sitzposter vom Geruckel weh. Aber das ist Jammern auf ganz hohem Niveau…. Was für ein Tag! Eigentlich eignen sich die heutigen Erlebnisse kaum zum Schreiben, denn das, was man wirklich mitnimmt, lässt sich nicht in Worte fassen, man erlebt es einfach. Jeder für sich.

Kleiner Nachsatz: In der Nacht hören wir in unserer Wohnung plötzlich lautes Gebrüll, fast unheimlich. Es ist klar, dass das die Hippos sind, aber wir glauben, es schallt vom Fluss unterhalb des Grundstückes herüber und schlafen erschöpft ein. Erst am nächsten Morgen erfahren wir, dass es einen Kampf auf Leben und Tod zwischen einem alten Bullen und einem jungen gab. Der alte Platzhirsch (wohl eher Platz-Bulle…) wollte den jungen Konkurrenten töten, der daraufhin geflüchtet ist: laut trampelnd durch den Garten um unserer Haus herum! Es stimmt also tatsächlich, dass die gefährlichen Kolosse gelegentlich die Gärten unsicher machen! Wir konnten es kaum glauben!

Was soll dieses Kapitel dem geneigten Leser sagen? Wer Tiere sehen will in Südafrika und weder Lust noch Budget für den Krüger-Park hat, dem sei iSimangaliso und iMfolozi heiss empfohlen! Eine echte Alternative.

11. Hippo Crossing

Felder, Felder, Felder, bis zu den kleiner werden Bergen, bis zum weit entfernten Horizont auf der anderen Seite. Das erste Mal, dass wir riesige landwirtschaftlich genutzte Flächen hier in den Bergen sehen. Aber man sieht auch sofort an den zahlreichen Dörfern, die die Hügel der Hochebenen sprenkeln, dass es den Menschen hier besser geht als anderswo. Zwar immer noch weit entfernt von Europa, aber es ist ein guter Anblick. Eine gute Vision.

Wiedereinmal beeindruckt mich diese unendliche Weite. In Europa haben die meisten Landschaften Modelleisenbahncharakter, verglichen mit diesen Dimensionen. Überholt man Menschen, die am Straßenrand laufen oder versuchen, per Anhalter ein Stück weiter zu kommen, dann winken viele. Auch entgegenkommende Autofahrer tun dies. Das ist üblich. Damit demonstriert man freundliche Sympathie. Winken ist eine offensichtlich wichtige Geste im gesellschaftlichen Umgang.

Wir passieren zwei Städte: Ladysmith und Dundee, nichts worüber man reden müsste. Die Landbewohner müssen hier verdammt weit fahren, wenn mal was zu erledigen ist, oder auch nur, um etwas einzukaufen. Restaurants sieht überall unterwegs man kaum, außer eine Art Trink-Kioske, Schnapsläden und – alle 30-50 km Kentucki Fried Chicken. Ein öffentliches Transportsystem gibt es eigentlich nur zwischen großen Städten, und die entsprechenden Busse fahren manchmal nur zweimal wöchentlich. Hier fährt man per Anhalter (mit sehr viel Glück) oder vom nächstgrößeren Ort per Minibus. und für die gibt’s keine Fahrpläne, nur Ziele. Der Minibus fährt eben ab, wenn er krachend voll ist. Eher nicht.

Durch das Autofenster strömt zunehmend wärmere Luft: Wir kommen in tropische Gefilde. Wie haben uns entschieden, in die Wetlands, die Feuchtgebiete des iSimangaliso Wetlandparks, zu fahren.

Am breitesten Meeresarm hier im Norden der Küste hatte man vor einigen Jahrzehnten den Zufluss des wasserreichen iMfolozi Rivers vom Lake Santa Lucia getrennt. Die Folge war ein drastisches Absinken des Wasserspiegels in dieser extrem tierartenreichen, fruchtbaren Gegend. Daraufhin hat man nun 2014 eine Kehrtwende vollzogen. Inzwischen ist der Wasserspiegel wieder gestiegen, die ganze Gegend ist unter Schutz gestellt inklusive eines riesigen Wildtier-Parks, der Game Reserve. Das Besondere an diesem riesigen 220km langen Schutzgebiet, das fast bis zum mosambikanischen Grenze reicht, ist, dass hier gleich fünf Ökosysteme geschützt werden: Strände, Seen, Feuchtbiotope, Waldgebiete und Küstenwälder. iSimangaliso bedeutet „Wunder“ ! Und weil das nach „viel zu sehen“ klingt, wollen wir genau da hin.

Innerhalb des Parks gibt es nur eine kleine Stadt: Santa Lucia. Sie ist mit vielen Unterkünften auf Touristen eingerichtet. Wir logieren diesmal ohne nervige Jung-Backpacker in Partylaune ganz gediegen, aber budgetfreudlich am Ende des Ortes in einer privaten Pension. Wir haben eine eigene kleine Zweiraumwohnung mit Blick auf Pool und Garten. Die Wirtin warnt die beiden Raucher, dass es nicht ungefährlich sei, wenn sie nachts zum Rauchen in den Garten gingen, da zu späterer Stunde die Hippos, die Flusspferde, durch Stadt und Gärten laufen könnten. Das klingt so unglaublich, dass wir es eher unter Marketing verbuchen.

Auf dem Weg in die Stadt haben wir allerdings von der Brücke über den breiten Fluss tatsächlich zwei Flusspferde beim Spielen gesehen. Wir waren ganz begeistert: das erste Mal im Leben zwei Hippos live. Wir dachten, dass wir nur Glück hatten, später merken wir allerdings, dass in dieser Gegend unglaublich viele der wuchtigen Dickhäuter leben, genauer gesagt: um die tausend. Und sie kommen auch tatsächlich in der Dunkelheit in die Stadt: Extra-Verkehrszeichen weisen darauf hin, dass man nachts aufpassen muss und nicht zu Fuss unterwegs sein sollte. Townies werden die unternehmungslustigen Streuner hier genannt. Verrückt….

Drei ganze Tage und einen halben haben wir dieser spannenden Gegend gewidmet. Am Ankunftstag nehmen wir nur noch bei einbrechender Dunkelheit kurz den Strand in Augenschein. Wir trauen unseren Augen nicht: man muss erst um die 400 Meter durch dicken weißen Sand laufen, um ans Wasser zu kommen. So ein riesiger Strand! Links und rechts – kein Ende. Aber wir wandern noch nicht länger herum, das lassen wir dann angesichts der nahenden Hippo-Stunden lieber sein….

Ich genieße unendlich die heiße, feuchte Luft: endlich Tropen! Und dann auch noch mit Meeresaroma….hier fühle ich mich großartig!

Der Tag 1 beginnt mit einem Bad im Pool und selbstgemachtem Frühstück im Garten. Endlich mal kein fettiger Toast oder zum gefühlt hundertsten Mal Eier. Danach sind wir fit und bereit für unsere erste Safari im iSimangaliso Game Reserve.

Wir fahren zum Tor des Parks, wo, wie immer hier, alles mit einem großen Anmeldeformular samt Durchschrift beginnt und der Gebühr. Computer gibt es nirgends, aber viel Bürokratie und Papier.

Wir haben uns einen Rundkurs ausgesucht, an dessen Beginn uns eine lustige Affenfamilie begrüßt, samt Babies. Diesmal keine Paviane, sondern ausgesprochen hübsche, kleinere silbergraue Vertreter der Spezies. Und auch die erste Sensation lässt nicht lange auf sich warten: ein echtes Prachtexemplar Elefantenbulle mit riesigen Ohren, circa 80 Meter entfernt! Wir sind begeistert. Etliche Huftiere, die wir bisher nur aus dem Zoo kennen, folgen: Kudus, Gazellen und sogar mächtige Wasserbüffel, die wirklich kurios aussehen mit ihren wie onduliert wirkenden, nach unten gebogenen Hörnern. Außerhalb des Autos möchte ich so einem Muskelpaket nur ungern begegnen. Und natürlich sehen wir viele Hippos, Flusspferde.

Aber auch die ganz Kleinen können uns echtes Staunen entlocken: wir beobachten auf der Straße neben und einen Pillendreherkäfer. Ungefähr 3-5 Zentimeter groß und schwarz rollt er eine aus Tierdunk exakt gerollte Kugel vor sich her, die mindestens dreimal so groß ist wie er. Selbst über kleine Hindernisse schafft er es mit verblüffenden akrobatischen Übungen.

Auch die Vogelwelt lässt sich nicht lumpen mit Kolibris, Tukanen, Raubvögeln und uns unbekannten hübsch bunten Exemplaren. Der Park wird nicht nur von zwei Flüssen durchflossen, sondern grenzt auch ans Meer. Am Ufer grasen Wasserbüffel neben Krokodilen und großen Reihern und anderen Wasservögeln.

Das Meer darf hier nicht nur angeschaut werden, sondern an einem ausgewiesenen Strand kann man auch baden. Die willkommene Pause! Und endlich ein Bad im wunderbar warmen Indischen Ozean. Während wir uns faul trocknen lassen, tummeln sich in den Dünen ganze Affenhorden als Unterhaltungsprogramm. Eine Frau läuft mit einer Mango in der Hand herum und wird so lange von den Affen verfolgt, bis sie ihnen entnervt ihren Pausensnack überlässt.

Als wir uns auf den Rückweg machen, ist der Nachmittag schon etwas fortgeschritten: Zeit für das Abendessen vieler Tiere: Haben wir auf der ersten Hälfte der Tour überwiegend einzelne Exemplare oder kleine Grüppchen gesehen, sind die Wiesen jetzt mit größeren Gruppen oder sogar kleinen Herden bevölkert. Kurz vor Schluss sehen wir sogar noch ein paar Hippo-Familien, die sich mit einer Gruppe Wasserbüffel vermischt haben. Und jede Menge Geweih-Träger.

Unsere Wirtin staunt später nicht schlecht: So viele Tiere sähe man wirklich nicht immer in ein paar Stunden. Glück gehabt!

Am Tag 2 wollen wir auf ein faules Weilchen zu dem riesigen Strand fahren, den wir am Vortag besichtigt haben. Allerdings entscheiden wir dann doch anders und buchen kurzentschlossen zuerst eine knapp zweistündige Bootstour zum Flusspferde-Gucken. Pro Person kostet das 200 Rand, also etwas 12 Euro. Währenddessen wird auf dem Parkplatz unser Auto gewaschen, was immer noch vor Lehm, Schlamm und Kuhkacke aus den Bergen starrt.

Beim Ablegen eskortieren uns zwei stattliche Krokodilen. Der Fluss ist breit und lehmig, das Ufer mangroven-, schilf- und grasbewachsen. Es dauert keine drei Minuten bis die ersten Hippos ihre Köpfe aus dem Wasser stecken. Ein paar Minuten später kommen wir an eine Schilf-Ecke, wo eine ganze Familie aufeinandergestapelt in der Sonne liegt und uns träge aus dem Augenwinkel beobachtet, sich aber nicht weiter stören lässt, selbst, als das Boot sehr nahe kommt.

Wer die trägen Kolosse sieht, sollte nicht glauben, wie schnell sie sein können! Und vor allem wie aggressiv sie sind! Durch Flusspferde kommen jährlich in Afrika mehr Menschen zu Tode als durch jedes andere Tier.

Später sehen wir noch zwei Mamas mit ihren Babies: Drei Wochen und zwei Monate alt. Die können noch nicht lange tauchen und so bekommen wir sie immer beim Luftholen zu sehen, dabei benutzen sie Mama als Schwimminsel. Hippofamilien dulden jeweils nur einen Bullen. Der älteste macht alle anderen platt, wenn sie sich nicht verjagen lassen. Selbst männliche Flusspferdbabies kann die Mutter nur kurze Zeit versorgen, dann muss sie sie wegschicken, weil sie sonst vom Bullen getötet werden. Brutale Machos!

Zufrieden können wir nun den Rest des Nachmittags am Strand faulenzen. Ich habe wirklich noch nie einen so breiten weißen Strand gesehen! Das einzige Problem ist, dass man kaum ins strahlend blaue Wasser gehen kann. Jedenfalls nicht weiter als bis zur halben Wade und auch das ist schon ein Kraftakt. Die Strömung und Brandung sind so stark, dass einen jede zweite Welle von den Füßen holt und man sofort meerwärts gezogen wird. Trotzdem genießen wir es sehr. Allerdings weht ein kräftiger Wind und wir haben irgendwann genug Sonne und vorallem auch genug vom ungebetenen Ganzkörper-Sandpeelig bei den Böen. Also sehen wir uns den rosa Sonnenuntergang lieber im Bootsclub an, dem einzigen Lokal hier am Wasser. Mit gegrillten Scampi und Bier lässt sich das aushalten…..

 

10. Wasserspiele

Zum Abschied genehmigen wir uns ein Edelfrühstück in einem schicken Öko-Farm-Café, der Valley Bakery. Wir werden uns später noch daran erinnern….

Vor der Weiterreise aber gönnen wir uns noch ein weiteres Vergnügen: Tubing – man lässt sich auf Autoreifen einen Fluss hinuntertreiben. Wir sind angemeldet und ein netter Guide erwartet uns bereits. Wir werden in Schwimmwesten und Helme verpackt, dann muss jeder seinen eigenen Tube auf den Rücken laden und los geht die Wanderung zum Start. Zu unserer Überraschung sind die Tubes hier keine alten Autoreifen, sondern eine Hightech-Variante: ein professionell für den Sport hergestelltes ovales, spitzes Minischlauchboot von knapp anderthalb Metern Länge mit zwei Schlaufen am Rand.

Mit den Tubes auf Kopf und Rücken vorwärts watschelnd sehen wir aus wie ein wandernder Schildkröten-Track. Ganz abgesehen von dem ohnehin besonders schicken Anblick, den wir mit Badesachen, Schwimmwesten und Helmen abgeben. Aber es sind kaum andere Menschen zu sehen. Ein Stück flussaufwärts ist endlich der Start, die Dinger sind ganz schön schwer…

Ich bin erst etwas irritiert und enttäuscht, kenne ich solche Unternehmungen andernorts mit wesentlich längeren Strecken, die man, träge im Tube lümmelnd, von der Strömung flußabwärts getrieben wird.

Aber schnell zeigt sich, dass das hier seinen eigenen Charme hat: das ist Sport! Die Strecke im Fluss ist voller Stromschnellen. Man muss versuchen, sich per Körperhaltung und Armkraft in dem kreiselnden, schlingernden Tube zu behaupten und es womöglich sogar zu kontrollieren, um nicht fortwährend umzukippen. Die Strömung ist stark. Schnell überschlägt sich das wackelige Gefährt und man landet kopfüber im Wasser. Nun gilt es, das Ding nicht loszulassen und sich selbst mit aller Kraft an den Pflanzen oder Wurzeln am Ufer festzuhalten, um nicht vom Fluss mitgerissen zu werden. Bei dem kämpferischen Versuch, dann wieder allein oder mit Hilfe in den Reifen zu kommen, bieten wir ein unterhaltsames und wenig graziöses Schauspiel.

Tückisch auch, dass viele große, abgerundete Steine fast unsichtbar kurz unter Wasseroberfläche liegen und man sie erst im letzten Moment entdeckt. Nicht immer schafft man es dann noch, sich in seiner sich ständig drehenden Schwimminsel zu halten, statt schon wieder auf Tauchgang zu gehen. Aber es macht wirklich einen Heidenspaß!

Unten angekommen gieren wir trotz einiger Kratzer und blauer Flecken nach einer zweiten Runde. Endlich sich noch einmal wie ein Kind fühlen… wäre es nicht für Kinder viel zu gefährlich. Eine kleine sportliche Herausforderung, die uns gut tut, sitzen wir doch gleich wieder für ein paar Stunden im Auto.

Letzte größere Station in den Bergen soll der Nationalpark Royal Kwazulu Natal National Park sein, laut Reiseführer das Schmuckstück der Drakensberge am nördlichen Rand. Noch einmal führt der Weg entlang des Gebirgszuges durch weite grüne Berglandschaften, getupft von den üblichen Dörfchen mit vielen Kühen, Ziegen und Hühnern. Langsam gewöhnt man sich daran, dass man nur ganz selten mal ein anderes Auto trifft.

Am Nachmittag erreichen wir den Park. Uns bleiben noch ein paar Stunden bis die Tore schließen. Der nette Ranger am Einlass empfiehlt uns eine gut 5 km lange Wanderung bergauf Richtung Tiger Falls, Wasserfälle hoch oben am Berg. Ein wunderschöner Spaziergang parallel zu einem Flüsschen, immer schön bergauf, durch den Wald, über Felsen und Wiesen. Wir wären gern bis zu den Tiger Falls gelaufen, aber das hätten wir nicht mehr geschafft vor der Dunkelheit. Und auch so ist das letzte Stück zum Outlook Rock mit Blick auf die Wasserfälle schweisstreibend.

Der Blick zurück in unendliche Weiten lässt einen ganz winzig werden. Überall blühen herrliche Bergblumen, manche sehen aus wie Edelweiss, und hübsche bunte Vögelchen zwitschern. Sonst ist absolute Stille. Auf dem Weg sonnen sich kleine Eidechsen.

Wir machen uns nach einer Verschnaufpause mit Blick auf die hohen Tiger Falls auf der einen Seite und zwei sich vereinigenden, steil ins Tal stürzenden Flüssen auf der anderen Seite auf den Rückweg. Denn dafür haben wir uns ein Bonbon aufgehoben: ein Bad in den malerischen Kaskaden des Flusses, die auf halber Strecke liegen und dort einen wunderschönen natürlichen Pool mitten im Wald bilden.

Das Wasser ist ziemlich kalt, aber das tut gut und wir genießen das Bad und den kleinen Wasserfall inmitten des dichten grünen Uferwaldes. Inzwischen lässt die tieferstehende Sonne die steinernen Bergkämme über uns in leuchtendem Braun-Orange erstrahlen.

Es ist nicht so ganz einfach, in vertretbarer Nähe des Nationalparks eine bezahlbare Bleibe zu finden, die wenigen näheren Lodges sind richtig teuer. Rund 25 km entfernt gibt es ein großes Backpacker Hostel, die Amphitheatre Backpackers Lodge, mitten in der Pampa, 15 km entfernt von der nächsten kleinen Stadt. Ein schönes weitläufiges Gelände mit Bungalows, eine Bar, die von lauter Musik beschallt wird und die überflüssigerweise einen schmuddeligen Jakuzzi und einem ebenso schmuddeligen Pool hat, in dem sich aufgeregte Jungtraveller tummeln. Außerdem gibt es einen schummrig erleuchteten Speiseraum für die, die hier nicht selbst kochen möchten.

Der Preis ist in Ordnung, wir bleiben. Mit einigen kleineren Ärgernissen, denn zuerst muss das Schloss zum Bungalow aufgesägt werde, Stunden später erst bekommen wir die Chance auch wieder abzuschließen. Handtücher gibt’s erst am nächsten Nachmittag. Warmwasser ist auch kaputt – kurz: der Service lässt zu wünschen übrig.

Aber das Essen zumindest ist lecker. Ich kann es noch genießen, Frau zwei fühlt sich schlecht…und schlechter. Mir wird erst ein paar Stunden später übel. Das Frühstück – der Lachs, unser gemeinsamer Nenner. Nein, nicht das Essen im Township hat uns umgehaun, sondern fine sophisticated food … Was folgt, sind zwei üble Nächte mit einer Fischvergiftung vom Feinsten. Unsere Pläne für den nächsten Tag sind erledigt, wir verbringen ihn im Halbkoma zwischen Bad und Bett.

Wir dürfen uns später nur Neid erfüllt die Fotos von der einsamen Wanderung unseres dritten Mannes anschauen: 14 km extrem anstrengend, steil, mit durchquerten Flüssen, überkletterten Felsen, und sogar einer halsbrecherisch aussehenden Metall-Strickleiter am Felsen. Eine wirkliche Herausforderung! Aber schon die Bilder und Schilderungen machen klar, dass sich die Anstrengung absolut gelohnt hat.

Ziel war das Amphitheatre, eine spektakuläre Felsformation hoch oben in gut 3000 m Höhe und der Blick auf die zweithöchsten Wasserfälle der Welt, die Tugela Falls, mit 2972 Metern Höhe. Wirklich spektakulär! Und unterwegs immer neue imposante Aussichten. Schade, wenn man so nah dran, aber nicht selbst dort war!

Aber immerhin sind wir am kommenden Tag wieder einigermaßen reisefähig, wenn auch noch nicht wirklich fit, und können unsere Reise fortsetzen. Auch wenn das bedeutet, uns von den wunderbaren Drakensbergen verabschieden zu müssen. Was für ein phantastischer Ort auf dieser Erde! Der Kurs: Ost-Nordost, Richtung Küste, Entfernung: rund 400 Kilometer.

9. On the Road again

Weiter geht’s, up North. Das Wetter ist herrlich, die Sonne scheint, ab auf die Straße. Nächster Stopp: Giant Castle. Die Entfernungen sind doch immer irgendwie größer, als gedacht. Dabei wirkt alles auf der Landkarte von diesem riesigen Land so wie nebenan … Die Straßen hier im Bergland sind wirklich schlecht, entweder unbefestigt, oder trügerisch glatt asphaltiert, aber mit riesigen Schlaglöchern. Da winkt der Achsbruch hinter jeder Ecke. Außerdem ist die Strecke teilweise extrem kurvenreich.

Auf der positiven Seite wäre zu verbuchen: Die Fahrt wäre um vieles stressiger bei normalem Verkehr. Aber auf fast allen Straßen sind kaum Autos unterwegs. Dafür in der Nähe von Ortschaften umso mehr Fussgänger, die sich nicht aus der Ruhe bringen lassen oder versuchen zu trampen. Und – last not least – die Könige der Straßen: Kühe und Ziegen. Und letztere haben hier absolut Vorfahrt und sie benehmen sich auch so. Sie grasen auf den endlosen Wiesen rechts und links der Straße, ohne Zäune, und sie spazieren direkt auf den Straßen herum, wann immer ihnen danach ist. Kann aber auch sein, sie bleiben einfach vor dem Auto stehen und glotzen doof.

Unser nächster Zwischenstopp ist in Giant Castle, das liegt in einem privaten Schutzpark an einem weiteren markanten Abschnitt der Drakensberge. Bis dahin verbringen wir wieder etliche Stunden in unserem immer noch schmutzverkrusteten Auto. Allerdings bieten diese Berge immer neue imposante Anblicke, so dass uns nie langweilig wird. Und auch Giants Castle ist eigentlich nur wieder einer besonders beeindruckendes Massiv inmitten von vielen schönen Orten.

Ich habe noch nie so viele unterschiedliche Bergformen in einem Gebirge gesehen: Mit flachen steinernen Hochplateaus, rund, spitz, geschachtelt, grün, grau, gestreift, schroff, gefältelt, kahl, baumbestanden, wie mit grünem Samt bezogen und so weiter und so weiter.

Wir legen einen Imbiss auf der Panorama-Terrasse einer Lodge ein und sind auch schon wieder unterwegs.

Rechts der Straße liegt weites, eher welliges Hochland, links ragen endlos die immer neuen steilen Felsformationen der Drakensberge auf. Unser Weg führt durch viele Dörfer. So ganz anders als in Europa oder auch Südamerika sind sie nicht nicht kompakt, sondern eher sehr weit verstreut und locker in die Landschaft gewürfelt. Platz und Raum ist hier wirklich eine andere Dimension.

Die meisten Gebäude sind Rundhäuser, der Rest sehr kleine rechteckige Würfelchen. Hier und da nur ein Haus, so groß wie wir es als kleines Einfamilienhaus kennen. Manche der Häuschen sind aus tristen Lehm-oder Betonblöcken, andere mit blauer, oranger, weißer oder roter Farbe bemalt. Fast alle sind winzig bis klein – aber alle mit etwas Raum drumherum, einige sogar mit einem Gemüsegarten oder einem kleinen Feld. Alles sauber, ohne Müll, mit viel Landschaft und freilaufenden Tieren. Eine heile Welt – einfach, manchmal sehr arm, aber menschenwürdig. Wie anders als die geschachtelten Sperrmüllverschläge im Township!

Erst am frühen Abend kommen wir ans Ziel: Champagne Valley. Wir haben schon lange kein Bargeld mehr, aber es ist ziemlich schwierig, hier auf dem Land einen Geldautomaten zu finden! Da können schon mal 150 Kilometer dazwischen liegen oder mehr, und man muss wissen, wo man suchen soll. Hier im Champagne Valley, einer Art Ferienort mit vielen Wanderrouten, gibt es theoretisch zwei. Der erste: leer. Also 13 km in die entgegengesetzte Richtung unseres Ziels, ins Städtchen Bergville: endlich! Wir haben wieder Geld.

Nun die Unterkunftssuche. Wir testen einen Tipp aus dem Lonely Planet: die Ikosana Lodge. Auch wieder eine Backpacker-Unterkunft für die Reisenden mit dem kleinen Portemonnaie. Und ja, der Tipp ist wirklich klasse: etwas abgelegen und versteckt entpuppt Ikosana sich als eine liebevoll gestaltete und gepflegte Anlage mit schönen Grünflächen, guten Aufenthaltsräumen, Terrassen, Wiesen und einem Naturwasserpool mit Blick auf das über 3360 m hohe stolze Champagne Castle. Ein wirklich angenehmer Ort zum Entspannen.

Der Besitzer, Ed, ist ein Bure mit Sinn für Gastlichkeit. Zu uns super freundlich, hilfsbereit, zu den schwarzen Angestellten ziemlich unangenehm. Das ist leider hier weitverbreitete übliche Verhalten. Schlimm! Aber leider gerade hier in der Gegend wirklich eher die Regel, zumindest erleben wir es so.

In Afrika auf dem Land muss man beizeiten Abend essen, sonst geht man hungrig ins Bett. Und Appetit haben wir wirklich nach diesem Reisetag. Ed hat uns ein Restaurant empfohlen, dass sich als ein Golfclub herausstellt, aber jetzt, am Ende der Saison eher ein ruhiges kleines Plätzchen mit einer Terrasse am pflanzenumrankten Pool entpuppt. Und das Essen ist phantastisch und preiswert. Der Wein auch…..

Zu guter Letzt singen uns die Grillen, Zirkaden und Nachtvögel, unterstützt von ein paar schüchternen Fröschen, in den wohlverdienten Schlaf.

8. Hoch in den Wolken

Wunderbar ausgeruht in absoluter Stille wollen wir noch frühstücken bevor es losgeht. Nur leider verschätzt man sich immer wieder mit afrikanischer Langsamkeit. Obwohl wir fast die einzigen Gäste im Restaurant sind und ansagen, dass wir es eilig haben, dauert es ewig. Unser Guide und zwei weitere Deutsche, die mitfahren, müssen fast eine halbe Stunde warten, bis wir mit dem Toast im Mund ins Auto hetzen. Es ist wirklich schwer nachzuvollziehen für Europäer, wie lange man allein auf einen Kaffee warten muss.

Egal, alle sehen es gelassen – this is Africa – und los geht es. Zweiter Anlauf zum Sani Pass. Der Regen hat aufgehört, es sind kühle 16 Grad. Die Straße ist nicht ganz so übel wie am Tag zuvor, aber immer noch eine echte Herausforderung, selbst für diesen starken Jeep und seinen erfahrenen Fahrer. Übrigens der einzige Führer der Gegend, der aus Lesotho kommt. Es ist der Traum aller Leute dort, einen Job in Südafrika zu bekommen, denn Lesotho ist noch viel ärmer.

Wir werden trotz gehobenen Schritttempos von einer Seite auf die andere geschüttelt, aber der Ausblick links und rechts ist einfach großartig. Die Straße zum Pass führt, wie schon erwähnt, in einem endlos ansteigenden Tal hoch, in dem sich ein Fluss tief in die Bergzüge beiderseits eingeschnitten hat. Es ist Sommer und somit Regenzeit. Alles ist grün und die Wiesen sind voller Blumen, von allen Seiten stürzen kleine Wasserfälle ins Tal. Im Winter bleibt davon nur einer übrig, die Landschaft ist braun und sieht aus wie aus wie tot und verbrannt. Wir haben die beste Zeit erwischt, auch wenn es ziemlich feucht ist und die Wolken sehr tief hängen, so dass wir weiter oben, in diese eingehüllt, leider nicht die weite Sicht ins Tal haben.

Jenseits der 2000er Grenze sind nur noch wenige Bäume zu sehen, dafür aber sehr schöne: Der Sugar Bush, ein relativ kleiner Baum mit ledrigen grünen Blättern und herrlichen roten oder orangen Blüten, die an fleischfressende Pflanzen erinnern. Der ist heute mein absoluter Favorit! Toll! Und Bergantilopen dürfen wir aus der Ferne bewundern. Paviane gibt es auch, aber anders als am Capepoint bei Kapstadt, flitzen die schnell in die Botanik, wenn sie Menschen sehen.

Schließlich wird die Landschaft noch karger, überall Gesteinsbrocken, die Serpentinen werden eng und sehr steil. Der Jeep kämpft und rutscht. Noch zwölf Kurven trennen uns vom Gipfel in 2885 Metern Höhe. Mitten in dieser einsamen Wildniss kommt uns plötzlich ein Mann entgegen, dessen Alter unschätzbar ist, er sieht so verwittert aus wie die Landschaft. Er schleppt dicke Holzäste auf dem Rücken nach oben. Sicher gute Handelsware, denn oben in den Dörfern gibt es kein Holz. Unser Führer erzählt, dass der Mann das seit Jahren jeden Tag macht.

Und dann sind wir auch schon oben. Eingehüllt in Wolken und kühle Feuchtigkeit stehen wir an der Grenze zum Königreich Lesotho. Schon zehn Kilometer zuvor haben wir die südafrikanische Grenzkontrolle am Eingang zum Niemandsland passiert. Ordentlich Stempel im Pass, am Ende werden es vier für zwei Stunden Lesotho sein. Auf der Ebene direkt hinter der Grenze sieht man im unwirklichen Nebel nur ein paar dunkle, runde Hütten und einen Blechkiosk im Nebel. Außerdem ein paar Kinder mit dicken Mützen, die in eine Art Decken gehüllt herumlaufen, genau wie die wenigen Erwachsenen. Ein Mann sitzt, total eingemummelt, im Nebel neben einer seltsam kleinen gemauerten Hütte. (Dass hier die Gemeinschaftsklos so aussehen, begreife ich erst etwas später.) Ich frage ihn, ob ich ein Foto machen darf. Er will es sehen und sagt: “OK, ich sehe gut aus.“

Unsere Pässe sind gecheckt, es geht weiter in das Dorf hinter der Grenze. Vorher fahren wir durch weite grüngraue Steppe auf dem Hochplateau, plötzlich bricht die Sonne durch. Strahlend blauer Himmel über einem XXL-Panorama. Ein wunderschöner Anblick. Die Drachenberge am Horizont, davor die Weite mit ein paar hundert Kühen und Ziegen, die so viel Platz haben, wie in Europa eine ganze Stadt. Ein paar Hirten galoppieren auf ihren Pferden dazwischen und erinnern mich ein bisschen an Dshingis Khan.

Das Dorf besteht aus einigen Rundhäusern. 42 Menschen leben hier. Wir halten an einem etwas abseits gelegenen Haus, das auf fremden Besuch vorbereitet ist, obwohl es das ganz normale Zuhause einer siebenköpfigen Familie ist. Die Kinder sind nicht da, es ist Sonntag, sie sind in der Kirche. Neben dem Haus dient ein altes PickUp-Führerhaus als Küken-Aufzuchtstation, es weht schließlich ein kräftiger Wind und nachts ist es empfindlich kalt.

Die Hausherrin Alina begrüßt uns, ihr Mann und der älteste Sohn sitzen draußen und flechten hübsche und stabile Körbe aus Gras zum Verkaufen. Wir werden ins Haus gebeten. Es ist kreisrund, schlicht, sauber, einziges Möbel außer den Bänken an der Wand ist eine Art Mini-Küchenschrank. Sofort steigt uns ein seltsamer, ziemlich stechender Geruch in die Nase. Wir vermuten, dass das von der offenen Feuerstelle kommt.

Unser Führer erzählt ein bisschen über das Land und das Leben, so lernen wir, dass das Land Lesotho, die Sprache Isutu und die Menschen Basotho heißen. Das Leben ist sehr traditionell und einfach, um etwas zu kaufen, muss man 50 km ins Tal fahren. Gegessen wird ein Brot aus Weizenmehl, das wir kosten dürfen. Es wird in einem eisernen Topf im Feuer in der Mitte des Hauses gebacken. Außerdem isst man viel Fleisch, manchmal ein bisschen Reis und wilden Spinat, den mir unser Führer schon auf dem Weg gezeigt hat.

Und nun erfahren wir auch, was es mit dem Geruch auf sich hat. Ein solches Rundhaus zu bauen, dauert zwischen drei Monaten und einem Jahr, je nachdem, wie lange man braucht, um das Baumaterial zusammenzutragen. Die Holzbalken in der Wand sind das Einzige, was gekauft werden muss, denn das gibt es hier oben nicht. Das Dach besteht aus dem Steppengras und die Wände aus einem Gemisch aus Lehm und Kuhdung….Und mit Kuhdung wird auch Feuer gemacht. Alles klar. Den Geruch haben wir bis zum Schlafengehen in der Nase.

Zum Abschluss gibt es einen Lunch in der höchsten Kneipe Afrikas. Außen sehr schlicht, innen sieht sie aus wie eine Mischung aus England und Schwarzwald, mit ansehnlichem Weinsortiment. Die südafrikanischen Weine sind übrigens wirklich sehr gut! Das Essen ist erstaunlich billig und lecker, wir haben uns Lamm-Stew ausgesucht.

Danach schuckeln wir wieder über die Straße ins Tal, die es erst seit einigen Jahrzehnten ermöglicht, in zweieinhalb Stunden zum Pass zu fahren. Vorher waren es 14 Stunden. Die Sonne beglückt uns zum Abschied mit einer herrlich beleuchteten Ebene und leuchtenden Bergkämmen, die mit ihren kahlen und schroffen Basalt- und Sandsteinschichten ohnehin beeindruckend aussehen. Es war ein unvergessliches Erlebnis, dass jedem, der in die Nähe der Drakensberge kommt, dringend zu empfehlen ist. Mit Vierradantrieb…!

Den Rest des Nachmittags verbringen wir im Auto auf der Fahrt nach Norden, Richtung Kamberg. Es gibt so viel zu sehen in den Drakensbergen, dass man ohnehin vieles auslassen muss und so wollen wir ein ordentliches Stück bis zum Champagne-Valley schaffen. Allerdings wussten wir nicht, dass fast der ganze Weg aus unbefestigten Straßen besteht. So hat die Fahrt dann doch einiges länger gedauert als geplant. Aber die großartigen Panoramen der Drakensberge haben uns die Zeit nicht lang werden lassen, man kommt aus dem Staunen nicht heraus.

Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, in eine relativ einsame Gegend zu kommen. Hier gibt’s ein paar Naturparks, aber die schließen abends. Und so fahren wir bei Sonnenuntergang durch die Stadt Kamberg, die sich als langgzogenes einfaches Dorf ohne alles entpuppt, und können nirgends ein Hotel oder eine andere Bleibe entdecken. Auch unsere schlauen Smartphones finden in der Nähe nichts. Also fahren wir noch einmal Parade durch den Ort, beäugt von immer denselben, die an der Straße stehen oder hocken und uns anstarren. Autos kommen nur gelegentlich hier vorbei und fallen auf. Am Dorfende steigt gerade ein Mann aus einem Auto.

„Können Sie uns vielleicht helfen, einen Platz zum Schlafen zu finden?“ „Ja, kein Problem, ich bringe sie hin, wenn sie keine Probleme mit meinem Gewehr haben. Nur ein Schreckschuss-Gewehr.“ Aha. Was für ein Glück, abends auf der Landstraße. Er steigt ein und lotst uns, während er mit seiner Schwester telefoniert, um etwas zu organisieren, wie er sagt. Anschließend redet er noch wortreich noch mit dem Hotelmanager und sonst wem. Ein umtriebiger Typ offensichtlich. Er heißt Richard und soll heute Abend unser Retter werden.

Bei vielen Unterkünften hier in im Schutzgebiet muss man vorher reservieren, und nach sieben Uhr abends ist hier auf dem Land sowieso alles zu Ende. Er lotst uns aus dem Ort heraus – hier hätten wir nie gesucht. Die Lodge sieht gut, aber teuer aus, die Rezeption ist geschlossen. Eine nette Lady, die Richard aus einem Häuschen holt,  zeigt uns ein edles Bungalow für zwei Leute. Ein bisschen teurer als bisher, dafür haben wir vorher in den Backpackerzimmern gespart. Alles in Ordnung also, zumal wir sie überreden können, noch eine zusätzliche Matraze auf den Boden legen zu dürfen.

Das nächste Problem ist Essen. Hier ist Selbstversorger, das nächste Restaurant und der nächste Supermarkt sind 50 km entfernt. Aber unser neuer Freund klärt auch das mit ein paar Anrufen und der geschlossene Souvenir-Shop mit ein paar Lebensmitteln öffnet sich uns. Wir ergattern die letzte Packung Pasta, Corned Beef, Tomatensoße und Schokoriegel. Wieder gut hingekriegt!

7. Weiter geht´s

4:30 Uhr klingelt der Wecker. Und das nach nur zweieinhalb Stunden Schlaf. Nach unserem Abschiedsabendessen gestern haben wir noch mit unseren Mitbewohnern im Hof gesessen und geschwatzt. Aber es hilft nichts, halb fünf müssen wir los zum Flughafen, jetzt beginnt unsere kleine Rundreise outside of Capetown.

Wir fliegen zwei Stunden Richtung Nordosten nach Durban, dem Ausgangspunkt unserer Tour, die Berge, Meer und mehrere Nationalparks einschließt. Beim Kaffee auf dem Flughafen mit Blick auf die Tafelberge, die in frühmorgendliches Orange getaucht sind, werde ich tatsächlich ein bisschen wehmütig. Es war schön in dieser Stadt, die auf den zweiten und dritten Blick immer interessanter wird. Gern hätten wir noch mehr davon genossen und erschlossen. Vielleicht bekommen wir ja noch eine zweite Chance…

Nach zwei Stunden Flug landen wir in Durban in der Provinz Kwazulu Natal. 23 Grad, schwül, grau, Dauerregen. Wir mieten ein Auto, so ganz ohne Macken und Alterschwäche, denn wir wollen in die Berge und ans Meer und die Straßen sollen zum Teil eine echte Herausforderung sein. Wie glauben, dass wir ein Auto mit Vierradantrieb gemietet haben, einen SUV, was sich später als böser Irrtum entpuppen soll.

Wir reisen zu dritt und wollen gleich weiterfahren Richtung Drakensberge, dem zweithöchsten Gebirge Südafrikas. Erstes Ziel ist der südliche Teil mit dem Sani-Pass zwischen Südafrika und dem Königreich Lesotho.

Zunächst bin ich etwas verwirrt von der Landschaft rund um Durban, es sieht ein bisschen aus wie im Bergischen Land: grün, hügelig, wenig exotisch. Das erste wirklich „Andere“ sind die kleinen Rundhäuser der Zulus, die plötzlich in kleinen Grüppchen zusammenstehen oder sich einzeln im hinteren Teil von offensichtlich „weißen“ Grundstücken befinden – offensichtlich wohnt da das Personal.

In Kapstadt waren die meisten Afrikaner Xhosa, hier leben die Zulu. Deren Sprache, das Zulu, klingt ähnlich wie Xhosa, diese Klacksprache mit den eigenartigen Klack-, Schnalz- und Zischlauten.

Nach rund drei Stunden sind wir in Himeville, einer kleinen Stadt am Fuße des Sani-Passes, ein verschlafenes Nest in rund 1600m Höhe. Es ist erst drei Uhr am Nachmittag und der Pass ist nur etwa 30 Kilometer entfernt. Was sollen wir mit dem angebrochenen Tag – da fahren wir doch gleich noch hoch! Mit Gepäck im Auto, eine Unterkunft können wir auch später suchen.

Der Pass liegt in 2885 Meter Höhe. Die Straße ist, wie so viele hier, nicht asphaltiert. Los geht es, immer noch im Regen. Der Boden besteht aus Lehm und Steinen. Die Straße führt durch ein wunderschönes Tal, dass von steil ansteigenden grünen Bergen begrenzt wird, die majestätische, steinerne Kronen tragen. Es geht steil bergauf. Nach einigen Kilometern wird die Straßensituation dramatischer: Pfützen, Schlamm, Felsbrocken. Aber wir sind guten Mutes: Ein erfahrener Fahrer und ein super Auto!

Es wird steiler und der Schlamm tiefer, von oben kommen uns zwei, drei Wagen entgegen, die heftig rutschen und schlenkern. Und dann ist es so weit: eine Kurve, die linke Seite höher und steinig, die rechte Seite Pfütze und Schlamm. Miki steuert nach links auf festen Untergrund – aber das Auto rutscht rechts ab, mitten in den Schlamm.

Kein Problem, da kommen wir wieder raus! Aber mit jedem Versuch versinken die Räder tiefer im Schlamm. Wir wollen schieben und versuchen auszusteigen, in Gummilatschen, denn für andere Schuhe wäre das das Todesurteil. Es gelingt mir erst nach einigen Versuchen überhaupt aus dem Auto zu kommen, ohne hinzufallen. Der Versuch mit dem Schieben entpuppt sich als lächerliches Aufwirbeln von Schlammfontänen, die Räder bohren sich immer tiefer.

Von der Hügelkuppe vor uns kommt ein Mann zu Fuß und schaut besorgt: Fahrer und Scout für zwei Geländewagen, die von oben von der Pass-Tour zurückkommen. Die Autos stehen hinter der Kurve und können bei den Bedingungen nicht weiterfahren, weil wir gefährlich im Weg stehen und sie selbst auch nicht wirklich kontrolliert lenken können. Die finnische Großfamilie an Bord ist inzwischen ausgestiegen. Die nun am Straßenrand versammelten Männer kommentieren und geben schlaue Tipps, von denen keiner funktioniert. Sicher ist inzwischen nur: unser Auto hat keinen Vierradantrieb!

Die beiden schwarzen, erfahrenen Fahrer versuchen schließlich, uns mit einem Seil herauszuziehen, das zweimal reißt. Vorbeifahren können sie aber nicht, ihre Autos schliddern bergab gefährlich auf unser Auto zu. Wir richten uns inzwischen langsam auf eine Nacht im Auto ein. Aber Miki gibt nicht auf und versucht unermüdlich mit verschiedenen Anfahrmanövern die Karre im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Dreck zu ziehen. Er muss dabei aufpassen, nicht auch noch in den beachtlichen Graben neben der Straße zu rutschen. Aber – er schafft es! Victoria!

Wir und das Auto sehen aus wie schlammgeboren, aber wir sind frei! Eine Ecke tiefer fließt ein kleiner Fluss über die Straße, wie halten mittendrin und waschen uns und das Auto mit Händen und Blättern notdürftig ab.

Fröhlich fahren wir nun ins Tal und finden sogar auf Anhieb eine preiswerte Unterkunft für Backpacker in einem sonst recht teuren Hotel. Es stammt tatsächlich aus der Gründungszeit des Ortes 1904 : das Himeville Arms. In einem sehr schlichten Extra-Gebäude gibt es ein paar einfache Zimmer für wenig Geld.

Wir gönnen uns ein oppulentes Abendessen mit großen Bieren nach unserem Abenteuer, hängen noch vor dem offenen Kamin in der Lobby ab – schließlich sind draußen nur 12 Grad. Dann fallen wir müde ins Bett und freuen uns über diesen Luxus – statt einem Autositz! Morgen machen wir das Ganze nochmal … aber diesmal im Gelände-Jeeb mit dem Fahrer, der uns heute helfen wollte. Ist dann wohl doch schlauer…..

6. Die andere Seite

Dieser Tag wird anders. Es käme mir nicht richtig vor, bloß all die schönen Seiten von Kapstadt anzusehen und den Teil auszulassen, der für den größten Teil der Menschen hier ihr Leben bedeutet: die Townships. Zwar gibt es eine organisierte Township-Tour für Touristen, aber die geht nach Khayelitsha – dem Vorzeige-Township, dass eine gute Infrastruktur und eine gut vorbereitete „Sightseeing-Route“ hat. Und noch dazu möchte ich auf keinen Fall mit einer Gruppe dort auflaufen.

Aber Nathalie ist fit und sie macht ihren Volunteerjob etwas anders als die meisten ihrer Landsleute: sie redet viel mit ihren einheimischen Kollegen und Fahrern, auch über das Notwendigste hinaus, knüpft Kontakte , interessiert sich für die Leute und ist daher extrem beliebt. Und nur diesem Umstand haben wir es zu verdanken, dass sich zwei Mmenschen bereit erklären, uns drei mitzunehmen und zu führen, in eine der ärmesten Townships, in Philippi. Dort ist auch das Educare, wo Nathalie arbeitet, eine Art Mischung aus Kindertagesstätte und Schule.

Da der Fahrer, der uns eigentlich fahren wollte, nun doch nicht nicht in der Stadt ist, wollen wir mit Nathalis Co-Lehrerin Ncediswa im eigenen Auto fahren. Treffpunkt ist eine Bahnstation. Doch es kommt alles ganz anders, denn auf dem Weg dorthin gibt unser Auto nun endgültig den Geist auf – und das auf der Autobahn. Wir können es nur noch auf den Seitenstreifen schieben und uns vor dem vorbeirasenden Verkehr in Sicherheit bringen. Zum Glück passiert es gerade in keiner harten Nachbarschaft.

Was dann passiert, istAfrika pur: erst großes Chaos, dann geht irgendwie alles. Wir rufen die wartenden beiden Frauen an, die nehmen sich ein privates Uber-Taxi zu uns. Der smarte Taxifahrer versucht sich auch noch mal an unserer Schrottkiste – umsonst. Indess wird am anderen Ende der Stadt der Typ angerufen, der das Auto vermietet hat. Der organisiert einen Abschleppdienst, der auch tatsächlich nach einer halben Stunde auftaucht: Typ alter Hippie in einer verwirrend löchrigen Turnhose.

Inzwischen hat Ncediswa ihre Schwester alarmiert- schließlich haben wir kein Auto mehr. Die hat zufällig frei und lässt sich von ihrem Freund zu uns fahren und sammelt uns am Highway auf. Gemeinsam fahren wir nun den Freund ans andere Ende der Stadt zu seinem Dienst im Polizeirevier in einem anderen Township. Schließlich geht’s weiter, vorbei an ein paar anderen Townships, nach Philippi. Tag gerettet. Jetzt haben wir nicht nur eine in dem Township aufgewachsene Lehrerin als Führerin und Lebensversicherung, sondern auch noch ihre Schwester, die Polizistin ist. Alles ist möglich. Alles wird gut.

Schon der Weg nach Philippi hat uns über eine halbe Stunde lang nur an anderen Townships entlang geführt – das Elend neben der Straße legt sich wie eine giftige Wolke über die Welt. Philippi selbst besteht aus endlosen Straßenzügen mit vielen winzigen, überwiegend herunterkommenen Hütten und Häuschen. Das sind die besseren Behausungen. Die Bewohner konnten sie irgendwann mit den Mitteln aus verschiedenen Regierungsprogrammen bauen, sofern sie sich vorher die Parzelle leisten konnten. Aber viele haben solchen Luxus gar nicht, sondern zahlen dafür, dass sie auf ein paar Quadratmetern vor oder neben einem solchen Minihaus eine Blech-, Bretter- oder Lumpenhütte bewohnen dürfen. Die meisten Shacks, so heißen diese Hütten, sind so winzig, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass darin mehr als ein Mensch Platz findet. Manchmal sind es aber ganze Familien. Fast alles ist verrottet und kaputt und schmutzig, bis auf einige Straßenzüge, wo gerade die neuesten Häuschen vom letzten Förderprogramm gebaut wurden. Philippi ist riesig, keiner weiß, wie viele Menschen hier leben. Die meisten sind arbeitslos.

Das Educare, wo Nathalie arbeitet, unser erstes Ziel, ist in zwei aneinandergrenzenden Hütten untergebracht: ein kleiner muffiger Raum für die Babys und Kleinkinder, eine winzige, improvisierte Küche und ein ca 18 Quadratmeter großer, mit Blech gedeckter Raum für 30 Kinder: Klasse, Spiel- und Schlafzimmer. Der ausgehängte Speiseplan ist gruselig. Die „Outdoor Activities“ müssen sich auf einem handtuchgroßen Stück Erde am Eingang und einem 60 Zentimeter breiten und ca 8 Meter langen schmuddeligen Gang abspielen. Da kann man weder Ball noch Hopse spielen, da geht eigentlich nichts. Unterrichtsmaterial gibt es kaum.

Die Kinder sprechen kein Englisch nur Xhosa, eine lustige Sprache mit Klack- und Zischlauten, die sehr schwer zu sprechen ist. Keine leichte Aufgabe für die Freiwilligen aus Deutschland. Da ist Erfindungsgeist und nonverbale Kommunikation gefragt. Aber die Kinder lieben Nathalie, genau wie umgekehrt. Das ist nicht zu übersehen: aufgeregt stürzen immer wieder auf der Straße Zwerge auf sie zu und wollen sie gar nicht mehr aus ihren Umarmungen entlassen. Selten erhalten diese Kinder soviel Aufmerksamkeit und Liebe. Trotz der unfassbar ärmlichen Bedingungen in dieser Einrichtung werden diese Kinder hier beneidet: am Eingang draußen drängeln sich oft viele Kinder und blicken sehnsüchtig über den Zaun, sie wären so gern dabei.

Es gibt etliche solcher kleiner Zentren im Township. Viele sind gratis, der Staat gibt Zuschüsse. Aber für dieses Educare muss sogar bezahlt werden – aus einem absurden Grund: Es würde nur gefördert, wenn die Betreiber ein festes Haus hätten. Das Geld dafür wurde vor Jahren bewilligt und ist seitdem in der Administration verschwunden. 7-800 Euro würden für ein einfaches Haus reichen. Die hat aber keiner.

­Nathalie wird morgens normalerweise von einem Minibus direkt vor dem Center abgesetzt und darf offiziell das Grundstück aus Sicherheitsgründen nicht alleine verlassen ohne Security – so steht es in ihrem Vertrag. Viel zu gefährlich.

Dieses Township hat schwarze Bewohner. Dazu muss man erklären, dass die südafrikanische Bevölkerung in weiss, schwarz und farbig eingeteilt wird – white, black and colored. Die ärmsten sind meist die Schwarzen, aber die meisten Probleme mit Kriminalität, Gangs und Gewalt gibt es bei den colored people. Da laufen die Drogengeschäfte. Zum Glück gibt es aber nicht so viele Schusswaffen wie anderswo auf der Welt – die sind zu teuer. Aber Messer haben hier alle.

Philippi ist zwar eins der elendesten Townships, aber nicht unbedingt das gefährlichste. Trotzdem kann man sich als Weißer dort auf keinen Fall allein hinein wagen – und sei´s nur, weil man ausgeraubt würde. Oder auch schlimmeres. Wie unsere Begleiterinnen meinen, dürften wir wohl zu den ersten weißen Besuchern dort überhaupt gehören.

Aber in Begleitung unserer hier bekannten und offensichtlich respektierten Frauen erleben wir nur Neugier, Offenheit und Freundlichkeit. Vor allem die Kinder und Jugendlichen kichern, beobachten uns und winken. Aber auch der eine oder andere Erwachsene kommt und will uns die Hand geben. Durch Ncediswa und Nathalie kommen wir sogar in zwei der winzigen Häuser, wo Kinder aus dem Zentrum wohnen. Beide Male passt die Großmutter auf Enkelkinder unterschiedlichen Alters von ihren verschiedenen Kindern auf. Und das alles in winzigen Stuben, die aber sehr liebevoll, wenn auch ärmlich eingerichtet sind. In einem der Häuschen treffen wir vier Kinder, zwei Teenies und die Großmutter an, in einem Raum, den andere als Abstellkammer nutzen würden. Der kleine Couchtisch steht hochkant auf einem Sessel, damit sie alle in den Raum passen.

Aber alle lachen und sind freundlich, wenn auch natürlich etwas schüchtern uns gegenüber. Wir gehen noch eine Weile weiter durchs Viertel, bis unsere Begleiterinnen meinen, dass wir ein Stück weiterfahren sollten, da nun viele gesehen hätten, dass wir hier sind und ein Handy besitzen (wegen der Fotos, Geld haben wir kaum bei uns). Vielleicht könnten ja doch Einige auf dumme Gedanken kommen, meinen unsere Begleiterinnen. Wir fahren ein paar Straßenzüge weiter und trinken eine Cola in einer „Taverne“, einem als Kneipe dienenden Container mit vergitterter Verkaufstheke. Wirt und Gäste sind ganz erfreut über den ungewohnten Besuch.

Eigentlich lassen sich die Eindrücke gar nicht aufschreiben: Es ist einfach eine andere Welt, die sich niemand in Europa auch nur annähernd vorstellen kann. Dass Menschen ihr Leben unter solchen Bedingungen verbringen und es überhaupt ertragen, ist unfassbar. Ich glaube, ich möchte nie wieder das Wort „Wirtschaftsflüchtling“ hören.

Die Privilegiertesten aus den Townships haben einen Job. Im anderen Kapstadt, dem weißen. Einige wenige von ihnen bringen es da sogar zu einem gewissen Reichtum. Davon zeugen die umzäunten, ansehnlichen Häuser, die wie Raumschiffe plötzlich mitten in diesen Vierteln stehen. Die gehören denen, die es geschafft haben. Vielleicht nicht so, dass sie hier wegziehen, andere wollen auch nicht weg aus ihrer Welt, aber diese beneideten Glückspilze haben ein richtiges Haus, ein Auto und man fragt sich, wie das eigentlich geht. Nur ganz wenige schaffen den Sprung ganz heraus aus den Townships.

Es gibt hier so vieles, was wir nicht verstehen und was auch dieser eine Ausflug und unsere Gespräche mit den beiden großartigen Frauen nicht klären können. Aber ich bin wirklich dankbar, dass ich hier sein konnte.

Zum Abschluss haben wir die Frauen zum Essen eingeladen. Wir fahren zum Busbahnhof zwischen zwei Townships – eine Lebensader, denn schließlich müssen die Menschen mit Job in den anderen Teil der Stadt kommen. Direkt daneben liegt die „Restaurantmeile“: Eine Reihe schwarzer, schmutziger, ziemlich furchtbar aussehender Stände aus Sperrmüll, vor denen aus alten Steinen, Metallteilen und rostigen Gittern gebaute Braais – Grills – stehen und vor sich hinqualmen. Vor einem Stand wird gerade ein Schaf geschlachtet. Die Luft hat einen strengen Geruch. Der Anblick ist …. deprimierend. Wie werden misstrauisch von tausend Augen beobachtet.

Die beiden Frauen gehen an einigen Ständen vorbei, an denen Hühner, Würste und Fleischstücken liegen und führen uns zu einem Stand, wo auf einer alten, wenig appetitlichen Holzplatte einen Berg Fleischteile liegt. Lammfleisch, frisch geschlachtet. Eine junge Frau soll mit einer Plastiktüte an einem Zweig die Fliegen verjagen, stattdessen starrt sie auf ihr Handy und die Fliegen surren fröhlich. Neben dem Stapel liegt ein grünschimmernder angetrockneter Haufen Eingeweide – auch zur Wahl. Das erste, was wir einwerfen ist: „Keine Innereien, bitte!“ .

Es wird kurz verhandelt, dann dürfen wir sagen, wie viele Stücke wir wollen. Eigentlich keine…. Aber aus der Nummer kommen wir nicht mehr `raus, und eigentlich wollen wir es ja auch nicht. Während unser Fleisch gegrillt wird, werden wir hinter den Stand gebeten, dahin, wo morgens immer das Lamm geschlachtet wird. Schmutz, Sperrmüll und ein wackeliger Tisch mit zwei schmierigen Plastikstühlen. Flugs werden noch drei weitere Stühle besorgt, der Tisch abgewischt und schon wird auf einem Stück Papier serviert.

Ich kämpfe noch mal kurz mit aufkommender Panik, leichtem Ekel und bösen Gedanken an Fleischvergiftungen, aber schon ist das Fleisch geschnitten. Wir bekommen einen alten Plastikeimer mit Spülwasser für die Hände hingestellt, denn Besteck gibt es nicht. Unsere Begleiterinnen greifen hungrig zu und so tun wir es ihnen gleich – und es schmeckt tatsächlich! Es gibt nichts dazu, nicht mal Brot. Den Rest bekommt ein Bettler.

Die dicke Standbesitzerin erkundigt sich, ob es schmeckt und ich muss nicht mal lügen. Ich sage ihr, dass sie jetzt damit werben kann, dass sie ein internationales Restaurant betreibt. Das findet sie super!

Irgendwie ist das alles real und unwirklich zugleich. Eine Reise zum Mars könnte nicht weiter von unserer Lebenswelt entfernt sein. Auf dem Rückweg fahren wir am Ende der Townships an weitläufigen, grünen Farmen vorbei. Hier dürfen Schwarze arbeiten. Manchmal kommen sie auch, um etwas zu essen zu stehlen, wenn der Hunger groß genug ist.  Der weiße Besitzer hat sich tatsächlich mittendrin eine riesige millionenschwere Farmvilla gebaut, nur einen Steinwurf von den Shacks seiner Arbeiter entfernt. Viel anders sah es in Zeiten der Sklaverei auch nicht aus.

Die beiden Frauen fahren uns bis nach Hause und wir reden noch viel unterwegs. Der Tag im Township hat das Puzzle komplettiert, das so langsam ein Bild von Kapstadt ergibt, der Stadt mit den vielen Brüchen: faszinierend, schön, irritierend, erschreckend und aufregend. Die Apartheid ist vorbei, die Apartheid wird noch lange weiterleben.

5. Lazy Day in Kirstenbosch

Was für eine Nacht! In meinen Schlaf sickerte lange und beharrlich ein fieser Piepton. Genervt erwacht, vermute ich die Quelle auf der Straße, bis ich am Rande des Wahnsinns dann feststelle, dass der Ton aus dem Haus kommt! Die verdammte Alarmanlage hat Tinitus!! Aber die anwesenden Herren im Haus schlafen dennoch, was mir unvorstellbar ist. Schließlich wecke ich, am Rande des Nervenzusammenbruchs, Mitbewohner Jon, der taumelt zur Anlage und gibt den Zauber-Code ein, damit das verdammte Ding endlich ruhig ist. Trotzdem ist für mich die nächsten Stunden nicht mehr an Schlaf zu denken.

Totmüde unter die Dusche und wie ferngesteuert in unser Frühstückscafé um die Ecke. Doppelte Kaffeedröhnung, pochierte Eier mit Avocado und geschmorten Tomaten – nun geht’s wieder.

Heute steht Enstpannung pur auf dem Programm: Picknick im Botanischen Garten.

Der Botanische Garten von Kapstadt heißt Kirstenbosch und existiert schon seit 1913. Er gehört zum Unesco Weltkulturerbe – zurecht! Auf 600 Hektar Land, dessen tiefster Punkt 100m und dessen höchster Punkt über 1000m hoch ist, wandelt man durch die unterschiedlichsten Landschaften, die alle den verschiedenen einheimischen afrikanischen Pflanzenfamilien gewidmet sind. Verbunden sind die einzelnen Gartenanlagen durch saftig grüne Wiesen mit alten Bäumen, die zum Ausruhen oder Picknicken einladen. Und als Hintergrundkulisse für soviel schöne und üppige Landschaft: die allgegenwärtigen Tafelberge einerseits, andererseits schaut man ins Tal auf Kapstadt und das Meer. Ich kann mich wirklich nicht erinnern, je einen so schönen botanischen Garten gesehen zu haben.

Wir suchen uns für unser Picknick eine etwas einsame Bergwiese mit Blick auf Berge und Stadt und schlagen uns nach Herzenslust die Bäuche voll. Nathalie hat wohl mit einer Hungersnot gerechnet beim Einkauf… Danach ein Schläfchen im Schatten und die Welt ist wieder schön.

Wir spazieren noch eine Runde weiter, diesmal über den Canopy Walkway, den Baumkronenweg, eine der Attraktionen von Kirstenbosch. Nach einem dicht bewaldeten Pfad bildet ein wunderschöner tropischer Baum mit gigantischen Blüten den Eingang zu einer schwingenden, mehrere hundert Meter langen, schmalen Brücke, die sich in großen Bögen über und durch die Baumwipfel windet. Sie endet an einem Hang, der mit großen Kakteenbäumen und kleinen buschigen Wüstenpflanzen bewachsen ist. Längst haben wir nicht alles gesehen, was Kirstenbosch zu bieten hat, aber genug, um zufrieden und mit schönen Erinnerungen zu gehen.

Der Abend ist schließlich einem weiteren kulinarischen Ereignis gewidmet: Einmal wöchentlich gibt es auf einem Weingut in den Bergen über Nordhoek am Meer einen großen Foodmarket mit Wein. Das Cape Point Vineyard, ein Weingut,  hat dafür eine große Halle für die verschiedenen Essensanbieter von Grillfleisch über Sushi, Pasta, Burger bis zu Mandelcrepes gebaut. Mit seiner Beute sucht man sich einen Platz auf der weitläufigen Terrasse oder einem Tisch auf der Wiese am Weinberg, schlürft seinen Wein (es darf auch ein Bier sein für Kostverächter) und blickt der Sonne dabei zu, wie sie im Meer versinkt. Ein Ereignis, das man allerdings mit Vielen teilen muss – es ist offensichtlich bei Einheimischen genauso beliebt wie bei Touristen. Allerdings – schwarze Menschen nehmen hier nur als Bedienstete teil.