Schluss mit relax und little paradise, Bangkok wartet. Noch einmal den Sonnenaufgang bei Kaffee vor der Hütte in der Gesellschaft von Hund, Katze und den allgegenwärtigen kleinen Eidechsen, dann wieder Abschiede und eine letzte Sammeltaxifahrt zum Hafen. Eigentlich bieten die Bänke acht Leuten Platz, wie fahren zu zwölft. Menschliche Nähe mal anders.
Das übliche Chaos am Hafen, das keines ist, weil natürlich wieder alles klappt und diesmal mit einem schicken neuen Highspeed-Catamaran von Boonsiri auf s Festland. Die Fahrt ist durchgebucht bis Bangkok, alles kein Problem, außer dass die angekündigte vierstündige Busfahrt fast sechs Stunden dauert und hinter mir ein Baby zweieinhalb Stunden durchkreischt, so dass alle am Limit sind.
Wir kommen mitten in der Rushhour im Stadtzentrum von Bangkok an und steigen einfach mal vorher aus, weil wir sonst noch ewig im Stau gestanden hätten.
Der Schockeffekt des Wechsels von verschlafener Insel in den Moloch Bangkok ist ziemlich brutal. Kurz vor Sonnenuntergang bin ich dann in meinem Poshtel – was immer das heißen soll. Das Bangkok Saran ist neu, clean, aber ruhig und in einem sehr schönen ruhigen Viertel, 15 Minuten Fußweg vom rummeligen Backpacker – Viertel Banglamphu, wo ich sonst meist gewohnt habe.
Ich habe mich schon das letzte Mal in den westlich des Chao Phraya River gelegenen Teil des Viertels Phra Nakon verliebt, der von der Rama VIII. Bridge von der Altstadt abgetrennt wird. Viel ruhiger, viel authentischer, auch wenn es hier etliche Guesthouses gibt. Aber Welten vom Rummel auf der berüchtigten Partymeile Khaosan Road auf der anderen Flußseite entfernt.
Die Garküchen hier haben, im Gegensatz zu den kleinen Restaurants, meist kaum englische Karten, denn hier essen vor allem Einheimische und Reisende, die genau das mögen. Abends fahren einige dieser Garküchen-Wagen an der Sam Sen Road auf. Sie drängeln sich auf den ohnehin engen Bürgersteig, wenn es Tische gibt, stehen die auf der Fahrbahn zwischen parkenden Autos. Aber das Essen ist frisch und lecker – und billig. Um die Ecke gibt es auch eine Gasse mit einigen kleinen Restaurants, wo die meisten Touristen essen, die hier im Viertel wohnen.
Hier ist auch mein Lieblingsmassageladen. Gar nicht chic, aber immer gut, egal an welche der Damen ich dort geraten bin. Für sechs Euro eine Stunde Thaimassage. Die ist übrigens hier in Bangkok wesentlich besser als auf den Inseln, wo es viele Angebote, aber kaum Qualifikation dazu gibt. Perfekt nach einem Tag im Bus.
Danach bin ich zwar eigentlich totmüde, kann mir aber nicht verkneifen, noch nach meiner Vorjahresentdeckung zu schauen, dem kleinen Bluesclub in der Sam Sen Road, kurz vor der Brücke. Und natürlich gibt es live Musik. Zuerst singt eine kugelrunde junge Thai mit einer engelsgleichen, aber voluminösen Stimme zur Gitarre einige der großen Hits aus der Geschichte des Blues und der Singer/Songwriter-Ära. Danach tritt die Band WooBoo an. Vier junge Thais, die den Blues eigentlich wohl kaum mit der Muttermilch aufgesogen haben können – trotzdem haben sie ihn. Toll. Und die Atmosphäre in den winzigen Laden kann es mit jeder Blueskneipe in New Orleans aufnehmen.
Am nächsten Tag fahre ich mit dem orange flag boat, einem langen Motorboot, auf das viele Menschen passen, und das hier zu den öffentlichen Verkehrsmitteln gehört. Es geht von der Phra Arthid Pier den Chao Phraya Fluss nach Süden, vorbei an den berühmtesten Tempeln: dem, mit dem liegenden Buddha, dem Königspalast- und einigen anderen mehr, vorbei einer Universität, etlichen Regierungsbehörden, dem glitzernden neusten Mega-Shoppingzentrum Siamicon, vorbei an Chinatown bis Sathorn. Am Horizont immer neue verrückte Skyscraper von Bangkok, von denen jedes origineller sein möchte als die anderen: rund, spitz, eckig, gebogen…
In Sathorn kann man in den Skytrain umsteigen, auf den die Bangkoker so stolz sind. Hoch über den Dächern geht es eisgekühlt durch die Stadt – ganz ohne Stau. Vierzig Baht, als gut einen Euro, kostet die Fahrt. Am Nationalstadion steige ich aus– Bangkoks Shoppingparadies mit gleich mehreren Malls. Hier ist auch das berühmte MBK. Auf sechs Etagen hat es die Ausdehnung eines kleinen Viertels.
Ich will eigentlich nur ein paar Kleinigkeiten und etwas Bestimmtes kaufen, aber das dauert ewig, einfach, weil man total überfordert ist. Egal, ob man Uhren, Smartphones, Klamotten oder was auch immer sucht – es gibt nicht zehn oder zwanzig Läden, sondern hunderte. Ich breche ab – es ist mir echt zu viel. Immerhin hat das MBK im sechsten Stock einen phantastischen Food Court, da wird Essen aus aller Welt in erstklassiger Qualität serviert. Noch schnell ein paar Sushi für mich und dann Rückzug.
Ich weiß, dass es unvernünftig, weil immer zu teuer und atemwegsfeindlich, ist – aber einmal muss ich einfach immer TukTuk fahren. Diese knallbunten, oft noch mit blinkenden Lichtern geschmückten Motorrad-Rikschas, die wie die Wahnsinnigen durch den Bangkoker Verkehr rasen. Oft erwartet man, dass sie zwischen Bussen und Autos hängenbleiben, so eng wie die Zwischenräume sind, durch die sie sich quetschen. Ich muss meine Sachen festhalten, denn bei dem Tempo fliegt sonst alles weg. Gehört irgendwie für mich dazu.
Ich entspanne mich von dem Stress im Vespa-Café in einer kleinen Nebenstraße der Sam Sen Road in Phra Nakon. Hier huldigt die gesamte Einrichtung dem kleinen italienischen Motorroller, es stehen sogar zwei davor, die die Tische einfassen. Einfach nur herumlaufen oder sitzen und schauen. Auch das gehört für mich zu Bangkok.
Diese laute, schmutzige Stadt, in der der Smog Alltag ist und viele Menschen mit Mundschutz herumlaufen, ist wirklich so ganz anders, als der Rest von Thailand. Und für die Bangkoker ist dieser Rest auch einfach nur Provinz, etwas wo man vielleicht mal zum Wochenende oder im Orlaub hinfährt. Sonst nicht der Rede wert. Die Menschen hier kleiden sich anders, leben anders, finden ganz andere Dinge wichtig, das bemerkt man sogar, ohne Thai zu verstehen.
Die meisten Menschen in Bangkok sind eher korrekt gekleidet, schlampige Kleidung gilt als respektlos. Viele sind ausgesprochen chic und vor allem junge Leute extrem markenbewusst. Aber allgemein achtet man hier eben auf sein Auftreten.
Nur, dass das die Touristen mit ihren Muskelshirts, freischwebenden Speckringen und sonstiger Strandbekleidung meistens nicht mal bemerken. Ich finde ja nicht, dass sie sich der Bangkoker Etikette anpassen müssen, ich finde es nur traurig, dass sie vieles, was hier zum guten Ton gehört oder sogar ein No Go im Umgang ist, gar nicht bemerken. Ich habe sogar schon Szenen gesehen, wo Touristen laut geworden sind, weil sie nicht mit kurzen Hosen und Tanktops in die Tempel durften….
Hier leben, entprechend der Infrastruktur und der angesiedelten Unternehmen, viele Menschen mit Bildung und guten Jobs. Aber die Masse arbeitet auch hier eher hart in weniger attraktiven Jobs und verdient schlecht. Es gibt viel Arme und Slums, es gibt viele Kreative – und es gibt Junkies und viele Obdachlose, die nachts an Ecken und Hauseingängen schlafen. Und natürlich die allgegenwärtigen buddhistischen Mönche. Doch es gibt auch Christen und Muslims – gleich hinter meinem Hotel hat der Muezzin gerade vom Minarett der Moschee gerufen.
Bangkok ist ein heißer Schmelztiegel und es gibt noch viel zu entdecken. Aber diesmal habe ich mich eben eher für Provinz und Entspannung entschieden. Thailand hat so viele Gesichter! Ein paar davon habe ich diesmal wieder kennenlernen dürfen. Das Problem ist nur – irgendwie ist es immer noch nicht genug. Thailand calling! Auf bald….