25 – Schlangen, Loris und Fledermäuse zum Abschied

Und ewig lockt der Dschungel… Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, wie könnten wir sie besser nutzen als immer wieder abzutauchen ins tiefe Grün! Obwohl Großstadtkinder müssen wir nicht darüber diskutieren, ob und wieviel Dschungel noch sein muss…:-)

Nacht-Trekking in den Urwald! Wir bekommen diesmal vorher ein extra Briefing, damit wir gut vorbereitet sind: unbedingt eine Kappe, falls sich Tierchen von oben aus den Bäumen auf uns fallen lassen oder Frösche auf uns zuspringen. Unbedingt lange Socken über die Hosen, vorallem wegen der Blutegel. Und natürlich hat jeder seine Lampe, denn der Urwald ist wirklich schwarz bei Nacht.

Dieki hat diesmal die Führung einem Freund überlassen und macht den Schlussläufer. Der Führer ist ein echter Dschungelspezialist für die Nachttrecks. Ipol ist ein bisschen…Freak und das findet er wohl auch ganz gut. Aber : Niemand scheint hier den Wald bei Nacht so gut zu kennen wie er – spezialisiert vor allem auf Schlangen und Reptilien.

Ipol ist ein eher schmächtiger kleiner Mann, der Aufmerksamkeit erregt. Mit Gummistiefeln und Muskelshirt bekleidet, trägt er ein selbstgefertigtes Messer am Gürtel: eine scharfe, ziemlich gefährlich aussehende Eisenklinge an einem Knochengriff in einem Fellschaft. Um den Hals trägt er eine Kette mit verschiedenen Knochen, Kiefern und getrockneten Köpfen von Reptilien – er sieht aus wie ein Medizinmann mit seinen langen Haaren. Aber das klingt sehr nach Show – ist es aber nur zum kleinen Teil: Der Dschungel ist sein Leben, das spürt man sofort. Er hat sein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Ipol, the Snake, arbeitet als Tierretter. Und er wird öfter als Spezialist angeheuert für Filmdokumentationen und Projekte – zuletzt für die Animal Rescuer auf Netflix.

Wir marschieren am Hotel los und sofort fängt Ipol an, die Tiere der Nacht zu suchen. Er leuchtet fast jeden Baum am Weg ab, und tatsächlich entdeckt er schon nach 15 Minuten die erste Schlange auf einem Baum. Nachdem wir eine der ziemlich wackeligen Hängebrücken über den rund 50m breiten Fluss überquert haben, um auf die Dschungelseite zu kommen, findet er ständig Schlangen, Frösche, Chamäleons und anderes Getier in den Bäumen und Büschen.

Als besonderen Vorführgag steckt er sich eine zusammengerollte Viper in den Mund und lässt sie wieder herausschlängeln – ich kann´s nicht fassen, mir graust es. Er lacht und auf meine Frage, ob die Viper nicht giftig sei, antwortet er: Yes, but not so much! Und grinst. Aber bei allem Unfug ist er wirklich ein Spezialist.

Die gefährlichste, tödliche Schlange hier ist die Königskobra. Man hat bei einem Biss nur wenig Zeit und hier in der Gegend gibt es kein Gegengift – erst im 4 Stunden entfernten Medan. Vorher nur eine 1.Hilfe-Station, die den betroffenen Körperteil abbindet. Er weiß wovon er spricht. Er wäre vor einigen Jahren fast gestorben, als er gebissen wurde. Er konnte nichts mehr sehen, nicht mehr atmen, war bewusstlos – aber es gab nirgends das teure Gegengift. Ein beherzter Arzt hat ihm ein Stück aus dem betroffenen Arm herausgeschnitten und wunderbarer Weise hat Ipol überlebt.

Also – auch wenn es zuerst nicht den Anschein hat bei seinen Mätzchen, wird sehr schnell klar, dass er die Gefahren schon ernst nimmt und sehr genau schaut, wenn er vor uns durch den schwarzen Dschungel streift. Und er sieht alles, wir profitieren davon. Wir treffen uterwegs eine andere Gruppe, als wir uns während eines Regengusses unterstellen müssen, die hat kaum etwas gesehen. Wir haben zu diesem Zeitpunkt bereits 22 Schlangen gesehen, ein paar Frösche, Eidechsen und ein Chamäleon. Die Orang Utan schlafen allerdings nachts oben in ihren Nestern in den Baumkronen. Die naderen Affen haben sich auch unsichtbar gemacht. Es ist ein verrücktes Gefühl – man ist in der absoluten Dunkelheit, sieht nur, was man anleuchtet, aber da ist der Sound des Dschungels, der Geruch und die absolute Gewissheit, dass man niemals allein ist.

Mein größter Wunsch war es, Loris zu sehen, diese katzenartigen Halbaffen mit den riesigen, im Dunklen leuchtenden Augen. Ipol sagt, dass das nur noch selten klappt, weil sie sich tief in den Dschungel zurückgezogen haben. Grund dafür ist, dass es einen Markt für die possierlichen Lori-Jungen gibt, die manche Leute als Haustier haben wollen. Ein business … Die Jäger knallen die Mütter ab, um an die Jungtiere zu kommen, der Schwarzmarkt blüht….

Es ist schon spät, als Ipol plötzlich doch ein Lori hoch oben in einer Baumkrone entdeckt. Ohne die Augen könnte man es kaum sehen. Wenn es in unsere Richtung schaut, ist es, als würden zwei kleine Scheinwerfer eingeschaltet! Unglaublich. Die Loris bewegen sich extrem langsam. Da wir es einmal entdeckt haben, können wir auch seine eigenartige Art sich fortzubewegen erkennen. Ich bin total glücklich! Mein Traum: Ich habe ein Lori gesehen! Alle sind happy, Ipol ist stolz!

Nach rund vier Stunden machen wir uns auf den Rückweg. Aber Ipol nimmt uns noch mit zu seinem Haus im oberen Dorf, um uns eine Kobra zu zeigen. Alle im Dorf kennen ihn und seit er hier ist, erschlagen sie die Tiere, die sich aus dem Urwald hierher verirren, nicht mehr, sondern holen Ipol. Er fängt die Tiere und setzt sie dann wieder im Dschungel aus. Das neuste Fundstück hat er in zwei dicken Plastiksäcken eingesperrt. Er lässt die wütende Kobra auf der nächtlichen Dorfstraße frei, damit wir sie sehen können. Stinksauer zischt sie und richtet sich auf! Unheimlich! Aber geschickt fängt er sie wieder und sie verschwindet im Sack. Puh!

Es ist nach Mitternacht, als wir wieder in unsrem Zimmer sind. Jetzt muss es einfach noch eins der verbotenen Biere auf dem nächtlichen Balkon sein! So ein spannender Abend!

Unser letzter Ausflug führt uns zur Fledermaushöhle, Bat Cave, die auch im Dschungel liegt, aber nicht sehr tief. Eine knappe, schweisstreibende Stunde zu Fuss, zunächst durch das Dorf, das sich endlos am Fluss entlang schlängelt. Am anderen Ufer geht es dann weiter – durch Palmöl-Plantagen. Kurz bevor der Dschungel begiint, indem der Höhleneingang liegt, gabelt uns ein Führer auf – der Kampf um Kundschaft ist hart , vorallem jetzt in der Regenzeit, wo es nicht so viele Touristen gibt. Da man nicht allein in die Höhlen darf, die zum Nationalpark gehören, engagieren wir ihn. Eine gute Entscheidung, er ist ein guter und sehr sympathischer Führer.

Um in die Höhlen zu kommen, müssen wir einen kurzen, aber steilen Anstieg über Felsen, Wurzeln und grobe Stufen bewältigen. Prima Chance, sich am letzten Tag noch ein Bein zu brechen. Aber alles geht gut und wir erleben noch eine spannende, nicht ganz einfache Klettertour durch die drei Fledermaushöhlen. Klaustrophobie darf man nicht haben. Es ist zum Teil stockfinster, ohne Lampe ginge nichts, aber zwischendurch fällt immer wieder man von oben Licht aus Felsöffnungen herein. Es sind wunderschöne Ausblicke in den Dschungel über uns.

Hunderte von Fledermäusen verschlafen hier den Tag, wie es sich für Drakulas Familie gehört. Sie flattern ein bisschen genervt, wenn man sie anleuchtet. Die Klettertour führt zum Teil durch sehr enge Spalten und über spitze Felsen, aber unser Führer zeigt genau, wo welcher Fuss hin muss – das macht er super. Nur nicht einfach an den Wänden abstützen ohne vorher genau zu leuchten, es gibt Spinnen und Skorpione. Klingt aber gruseliger als es sich angefühlt hat. Es hat wirklich Spaß gemacht!

Eine Woche Bukit Lawang. Es ist unser letzter Abend und wir wollen mit Dieki & Friends zusammen essen. Wir haben uns gewünscht, zusammen mit ihnen in dem Restaurant zu essen, wo unser Obstkünstler Dedek kocht. Es liegt einige Kilometer entfernt am anderen Dorfende. Wieder werden wir mit den unverzichtbaren Feuerstühlen abgeholt, in diesem Falle ist es beruhigend, dass die Jungs nicht trinken. Es ist schon so ein wilder Ritt durch die Nacht.

Wir essen Curry mit Huhn und Kokossoße, Chicken Satè mit Erdnusssoße und Gado Gado (scharfes Gemüse). Und ehrlich – es ist das beste Essen, was wir in Bukit Lawang bekommen haben! Wir bekommen sogar Bier dazu. Und wir haben jede Menge Spaß zusammen! Was für ein schöner Abschied nach einer spannenden Woche im Urwald von Bukit Lawang, Sumatra, Indonesia!

Selamat tinggal – Auf Wiedersehen!?

24 – … und ewig fasziniert der Dschungel

Schon beim Aufwachen ist der Dschungel einfach da: es riecht anders, der Fluss rauscht, die Affen sind zu hören, es ist schwül-heiss und alles ist klamm. Klingt nicht so romantisch, aber – ich liebe es. Zumindest eine Zeit lang.

Die größte Blume der Welt – ist in Sumatra zu Hause. Der Titanwurz. Eine Pflanze, bei der alles nach Superlativ klingt: die ausgewachsene Wurzel lkann es auf über 100 Kilo bringen, die größte Blüte auf 3,5 Meter. Und obwohl die Blütezeit im Januar und Februar liegt, haben wir Glück – wir können sie noch selbst sehen. Sie blüht in einiger Entfernung von Bukit Lawang, rund eine Stunde mit dem Motorrad und dann noch eine knapp dreiviertelstündige Wanderung durch den Dschungel.

Diesmal überlässt uns Diekie seinen Freunden Dedek und Kittin, er hat familiäre Verpflichtungen. Die Fahrt zum Dschungel am Fluß Lau Berkail, wo die Blume wächst, bewältigen wir natürlich auf dem Rücksitz der Motorräder . Wenn man hier irgendwohin will – abgesehen von echten Entfernungen wie nach Medan – fährt man Motorrad.

Hier allerdings würde ich auf keinen Fall allein fahren und auch nicht bei Miki auf dem Rücksitz. Zu gefährlich, zu abenteuerlich sind schon allein die kleinen Wege, die unseren Ortsteil mit der nächsten Landstraße verbinden. Kaum 2 Meter breit, haben sie meist eine schmale Beton-Spur, die aber eher eine Stolperfalle darstellt, so kaputt wie sie ist. Es geht teilweise richtig steil hoch und runter und außer Passanten, spielenden Kindern, Hunden, Katzen und Hühnern teilt man die paar Zentimeter dann noch mit entgegenkommenden Motorrädern. Es ist unglaublich, dass es hier nicht mehr Unfälle gibt!

Zurück zum Thema. Eine gute Stunde dauert die Anfahrt, sie führt durch das langgestreckte Bukit Lawang und Pekan Bahorok, eine eher graue, ärmlich wirkende, chaotische Kleinstadt, bevor es über Schotterpisten Richtung Urwald geht.

Zum Glück bemerken wir auf den letzten Metern des Ortes, dass der Hinterreifen fast platt ist. Ein paar Meter weiter ist eine winzige chaotische Werkstatt – die Sache ist nach 15 Minuten erledigt. Das Motorrad hat ohnehin schon bessere Tage gesehen, Rückspiegel und Startautomatik sind Theorie, aber wenn man eine Weile hier ist, gibt man es auf, sich wegen solcher Dinge zu beschweren, die hier keiner versteht.

Der Weg noch durch endlose Palmöl-Plantagen. Sie sind eigentlich sehr schön anzusehen, wüsste man nicht, dass dafür tausende Hektar Urwald gerodet wurden (und immer noch werden) und hier nichts anderes mehr wächst und lebt. Das natürliche Biotop für die Orang Utans, Tiger, Rhinos, Elefanten und Tiger ist unwiederbringlich zerstört. Aber die Menschen sind arm, und so haben es die Konzerne leicht und die Bauern hacken auch noch ihre ökologische weniger schädlichen Kautschukbäume um, um das doppelte bis dreifache zu verdienen – was immer noch ein Witz ist in absoluten Zahlen.

Unsere fahrt endet am Ufer des breiten Dschungelstroms Lau Berkai. Hier übernimmt ein lokaler Guide die Führung. Die Ranger kennen die Standorte der Blumen, die immer nur maximal drei Tage blühen, und wissen ob und wo es noch ein Blüte gibt. Wir haben großes Glück, dass es eine Blüte gibt.

Die Wanderung führt zunächst am Flussufer entlang, das noch die Spuren eines extremen Hochwassers im vergangenen November trägt – hier sprechen sie von einem Tsunami. Dann gehts noch durch Wald und wilde Limonen- und Kautschukbäume eine Weile bergauf, bevor der tiefe Dschungel beginnt. Aber da sind wir auch schon am Ziel: Eine fast künstlich aussehende Blüte, die direkt am Boden beginnt: ein rotes Kelchblatt mit einem grüngelben hochaufragendem Laubblatt in der Mitte. Ein toller Anblick – der Aasgeruch, der sie vor Fressfeinden schützt und sie für Insekten anziehend macht, ist hier zum Glück nicht so sehr zu riechen. Aber der Anblick ist wirklich verrückt – die Blume sieht künstlich aus.

Unser Exemplar ist groß, ca 1,50 m, aber längst nicht so groß, wie eine alte Pflanze, die schon mal eine 5 Meter hohe Blüte haben kann. Eine alte Wurzelknolle kann über hundert Kilo wiegen. Eine Blüte bildet sie nur alle paar 3 bis 7 Jahre, sie blüht nur ein paar Tage. Toll, dass wir soviel Glück haben. Unser Guide weiß auch, dass der Berliner Botanische Garten ein Titanenwurz besitzt.

Bleibt der Rückweg und eine Erholungspause an einem kleinen Restaurant am Flussufer mitten im Wald, das mit einer Holzterrasse an der Böschung klebt. Auf der Rückfahrt danach gibts ein spätes Mittagessen in einem der einfachen Restaurants, Warun, von Pekan Bahorok, das Padang-Küche anbietet – sie gilt als eine der schärfsten in Indonesien. Die Guides essen begeistert mit, es stehen verschiedene kleine Schüsseln mit Gerichten aus Huhn; Gemüsen, Fisch und Kräutern auf dem Tisch und jeder hat eine Schale Reis.

Man kann mit dem Löffel essen – oder eben mit dem Fingern, was die Jungs auch tun. Es sieht wirklich…gewöhnungsbedürftig aus. Es werden nicht elegant die Fingerspitzen benutzt, da werden schon die halben Finger mit Reis in die Näpfe mit Fleisch und Soße gesteckt und dann in den Mund. Völlig ok, nur für uns einigermaßen gewöhnungsbedürftig. Wir nehmen dann doch die Löffel. Nur Miki hat ein Problem hier – er ist Linkshänder und das geht in Indonesien eigentlich gar nicht. Links ist die „schmutzige Hand“, mit der man weder isst, noch etwas gibt oder annimmt.

Hier ist das Leben zwar in vieler Hinsicht muslimisch geprägt, aber der Musikgeschmack der jungen Leute ist davon in keiner Weise beschränkt: sie lieben Blues- , Rock-, Pop- und Countrymusik! Überall sieht man sie Gitarre spielen und dazu singen. Dedek, auf dessen Rücksitz ich heute Fahre, singt die ganze Zeit laut vor sich hin. Schließlich fragt er mich, ob ich nicht mitsingen will. Wir einigen uns auf unsere Adaption von „West Virginia“ und schmettern zu zweit bei der wilden Fahrt durch die Palmölplantagen John Denvers alten Hit zum Knattern des Motorrads. Absurd und total lustig!

Morgen ist Night-Treck in den Dschungel – wie aufregend!

23 – Das große Ereignis: Hochzeit Java Style


Es ist einfach toll, irgendwo auf der Welt Menschen zu treffen, die so ganz anders leben als man selbst und trotzdem ist da eine Verbindung. So geht es uns mit unseren Guides – speziell Dieki. Wir haben nicht nur das Glück, dass er ein kluger und kundiger Führer im Dschungel ist, sondern da ist außerdem eine ganz Menge Sympathie im Spiel, Altersunterschied hin oder her. Und so kann ich auch immer wieder neugierige Fragen – auch zur Religion – stellen.


Das Leben hier in Sumatra ist ganz anders als in Bali. Wieder eine neue fremde Welt. Wäre da nicht dieselbe Sprache, könnte es ein anderes Land sein . Was die Menschen gemeinsam haben, ist ihre ehrliche Freundlichkeit, das Lächeln den respektvollen Umgang. Den Unterschied aber macht eindeutig die Religion: waren in Bali die allermeisten Menschen Hindus, ist die absolut überwiegende Mehrheit hier muslimisch.

Das wird sofort am Flughafen in Medan augenfällig und auch das Straßenbild ist ein ganz anderes, nicht nur wegen der vielen kleinen und größeren Moscheen überall. Am augenscheinlichsten wird es bei den Frauen: Fast alle tragen ein Hidjab und einfarbige Kleidung, die Arme und Beine bedeckt. Manchmal sogar schon die kleinen Mädchen. Es gibt hier sogar etliche Frauen, die sogar den schwarzen Tschador tragen, der nur die Augen freilässt. Viermal am Tag wird von den Muezzin der umliegenden Moscheen lautstark Allah gepriesen.


Es gibt natürlich kein Schweinefleisch und in etlichen Restaurants auch keinerlei Alkohol. In unserem Jungle Inn Guesthouse ist sogar das Trinken von Alkohol im Zimmer verboten. Das geht uns dann doch zu weit… abends auf unserem herrlichen Balkon, mit Blick auf Dschungel und den Fluss, erlauben wir ins dann doch ein eingeschmuggeltes Bier.

Dennoch wird man als Nicht-Muslim überall ganz selbstverständlich respektiert und freundlich behandelt, das soll hier unbedingt gesagt werden.
Auch „unsere Jungs“ sind Muslime, selbstbewußt, locker und souverän beantworten sie auch meine Fragen nach religiösen Dingen. Diese Symphatie füreinander ist sicher der Grund dafür, dass wir etwas Besonderes erleben: Wir werden zu Diekis Hochzeit eingeladen. Offiziell geheiratet hat er schon ein paar Tage zuvor, aber die Feierlichkeiten stehen noch aus. Also – spannend! Und… um es vorwegzunehmen, meine nun kommende Erzählung ist – das ist mir bewusst – unbedarft, fehler- und lückenhaft und so wohl auch oberflächlich. Aber es ist so ein tolles Erlebnis, dass ich es einfach weitererzählen möchte und sei es auf diese unbedarfte Weise.


Pünktlich halb zehn werden wir von zwei Freunden von Dieki mit Motorrädern abgeholt und zum Sammelpunkt von Dikies Familienmitgliedern – dem Restaurant seines Vaters im oberen Dorf – gefahren. Hier tummeln sich jede Menge Leute aus der Verwandschaft: Männer, Frauen, Kinder in festlichen Kleidern – Muslimstyle. Alle warten wohl darauf, dass es losgeht.

Dann bekommen wir kurz Dieki zu sehen, der umwerfend aussieht: Er hat wunderschöne traditionelle Kleidung an mit viel Gold, Rot, Gelb und Schwarz, die Fingernägel sind rot lackiert. Er zeigt nun doch Nerven, wirkt ganz ungewohnt ernst und wird kurz darauf irgendwohin gebracht. Nun wird ein Konvoi aus überfüllten Autos und Motorrädern zusammengestellt, in den alle hier versammelten Gäste verfrachtet werden. Los geht s ins untere Dorf von Bukit Lawang.


Hier gibt es einen freien Platz an der Straße – Lehmboden von einem Blechdach überdeckt -für alle möglichen Anlässe, vorallem Hochzeiten.Bei Bedarf wird er jeweils von den Familien hergerichtet. Diesmal wurde er mit Dutzenden Plastiktischen und Stühlen ausgestattet und hat ein festliches Eingangsportal mit wunderschönen weißen Blumenketten erhalten, durch das später die Brautleute und ihre Familien schreiten werden. An der hinteren Wand gibt es eine schmale Bühne , die Wand ist geschmückt und mit den Namen des Brautpaares beschriftet. Zwei thronartige Sessel warten auf das Brautpaar, flankiert von vier weiteren Lehnstühlen. Schalen mit Blütenblättern, Reis und Räucherstäbchen stehen bereit. Alles sehr oppulent.

So ganz im Gegensatz zu dem eher schmucklosen, super schlichten Platz mit den Tischen für die Gäste. Einfache weiße Plastiktische und Stühle und zwei Essensausgaben, ebenfalls aus Plastikmöbeln, mit Plastiktellern und Bestecken. Ein paar Plastikblumen – das war dann auch schon alles an Tischschmuck.
Es wuselt nur so von Menschen, die meisten Gäste tragen traditionelle Kleidung, fast alle Frauenlange hellgrüne, hellblaue oder rosa Kunsseidekleider mit Pailleten oder oerlen, dazu das Kopftuch – machen auch mit strenge Tschador, der nur die Augenfreilässt. Aber das sind die wenigsten.. Außer uns „Ausländern“ ist nur noch eine Amerikanerin eingeladen. Alle hier sind offen und freundlich zu uns, helfen, wenn wir nicht weiterwissen .

Wir dürfen auch hinter der Bühne in den „Arbeitsbereich“ , wo von vielen fleißigen Frauen und einigen Männern den ganzen Tag über das Essen zubereitet wird – über viele Stunden, immer wieder Nachschub. Dutzende Frauen sitzen auf Planen am Boden und schnibbeln Kräuter und Gemüse, machen Salat, andere kochen, die Männer schüren das Feuer und tragen schwere Sachen herum.

Drei Kühe wurden gekauft – ein besonderes Essen, denn Rindfleisch ist für die Menschen hier ein Luxus. Es gibt geschmortes Ríndfleisch, Gemüse, Reis, Suppe, Krupuk und einen sehr leckeren Obstsalat mit frischem Chili – alles auf einem Teller, dazu Löffel und Gabel – wie üblich. Einige essen auch mit der blanken rechten Hand. Für uns ein ungewohnter Anblick – oder – wie der Berliner sagen würde: Mit alle Fünfe inner Pampe… Dazu gibt’s natürlich Wasserschälchen für die Finger. Für unsere Vorstellung von Hochzeitsmenü ein eher bescheidenes Essen. Holen muss es sich jeder selbst, hier gibt keine Bedienung. Dazu gibt’s Wasser und als Variante dasselbe zuckersüß in rot oder grün.


Aber ich greife vor – das Essen beginnt natürlich erst nach dem festlichen Einzug der Brautleute. Die Hochzeit findet nach traditionellem javanischen Ritual statt, Diekies Familie kommt aus Java.

Die Braut, Kethrin, ist zuerst da, mit ihrer Familie. Sie ist ein Kunstwerk! Nicht nur wegen des unglaublich aufwendigen Kleides mit Hose und einem glitzernden Kopfschmuck mit goldenen Strahlen. Ihr Gesicht selbst ist geschminkz, wie ich es von den berühmten klassischen Tänzerinnen kenne. Einfach ein Gesamtkunstwerk. Unglaublich! Ich hätte sie nie wiedererkannt!


Schließlich trifft Dikie mit seinem Gefolge ein. Auch er in wunderschönen Kleidern aus Brokatstoffen und einer tollen Kappe. In einer Zeremonie, die von einer Hochzeitssängerin unablässig besungen wird, werden die Brautleute ´von den Eltern zusammengeführt – was genau alles geschieht und gesungen wird, verstehen wir leider so gar nicht. Außer der häufigen Wiederholung des Namens des Propheten . Gesehen habe ich aber, dass die Brautleute niderknien und sich u.a. gegenseitig die Füsse waschen.

Dann geht’s zur Bühne. Auf den Stühlen rechts und links haben die Eltern Platz genommen, anstelle von Diekis Mutter , die schon tot ist, eine Tante. Die Brautleute knien jeweils vor beiden Elternpaaren nieder und küssen ihnen die Hände und bedanken sich bei ihnen. Dazu singt die ganze Zeit die Hochzeitssängerin mit einem Frauenchor – ehrlich gesagt für unsre Ohren sehr anstrengend . Und das geht noch zwei Stunden so weiter…


Anschließend nehmen die Brautleute auf den „Thronen“ Platz . Über Stunden treten nun immer neue Gratulanten zu ihnen, die ewig anstehen und das Paar mit Blumen und Wasser und Räucherstäbchen segnen und ihnen ihre guten Wünsche vortragen. Das arme Brautpaar muss jedes Mal danach aufstehen für die unvermeidlichen Fotos. Ich weiß nicht, wie die das aushalten in dieser Hitze! Geschenke werden irgendwo anonym geammelt, gern auch Geld, um das alles hier zu bezahlen.

Ich trage nur ein leichtes Sommerkleid und bin völlig erledigt, das Wasser rinnt nur so am Körper runter. Die Brautleute haben fünf Outfits im Laufe der Stunden zu präsentieren – alle so kunstvoll und wärmend. Erst am Abend dürfen sie etwas Moderneres, Lockeres anziehen – das erleben wir nicht mehr, wir sind nach vier Stunden fix und fertig bei der Gluthitze.


Diekie ist offensichtlich besonders bekannt und beliebt – entsprechend groß die Zahl der Gratulanten, allerdings hatte selbst er wohl nicht mit -letztendlich- 2200 Menschen gerechnet!! Er ist noch Tage später beeindruckt.


Am Nachmittag tritt auch der Bürgermeister und ein weiterer Sänger auf einer zweiten Bühne auf. Am Abend dann – im lockeren Teil – hat eine Band gespielt. Die letzten Stunden feiert aber die (immer noch große) Familie im engeren Kreis. Wir hätten wiederkommen können, aber ehrlich gesagt , waren wir völlig erledigt. Diekies Freunde, Dedek und Kittin, haben uns die ganze Zeit betreut und den Fahrdienst gespielt.

Ein tolles Erlebnis! Aber ich bin froh, dass ich mit „nur“ einem Kleid und 10 Gästen heiraten durfte….
Den Rest des Tages verbringen wir erschöpft und inspiriert in unseren Hängematten auf dem Balkon mit Blick auf Fluss, Urwald und dem Besuch des Affen, der schon ein paarmal unser Obst geklaut hat. Aus dramaturgischen Gründen habe ich diesen Tag vorgezogen, der umrahmt war von zwei weiteren Trekkíngs, von denen ich im nächsten Block erzählen werde…

22 – Hallo Sumatra!

Indonesien ist so verdammt groß! Unsere Reise nach Sumatra dauert den ganzen Tag. Die zwei Stunden nach Denpasar zu Flughafen nicht mitgerechnet. Der erste Teilflug geht nach Jakarta, Java, also nur eine (große) Insel weiter, er allein dauert zweieinhalb Stunden. Dann Transit nach Medan, Nordsumatra. Und vom Flughafen Kuala Namu in Medan noch eine gefühlt endlose Fahrt von fast vier Stunden in den Dschungel, nach Bukit Lawang. Es sind gerade anderthalb Stunden übrig vom Tag.

Anfangs überrascht mich eine gute mehrspurige Autobahn um Medan, aber nach einer Stunde kommt das dicke Ende: eine knapp zweispurige, z.T. heftig kaputte, regennasse Straße, die sich erst durch die Palmöl-Plantagen, dann durch den nächtlichen Dschungel in die Berge quält. Die Orte am Straßenrand sind kaum zu erkennen, es ist zu dunkel, und die Lichter dann blendend hell. Die Straße zwingt manchmal zum Schrittempo, obendrein kommen noch LKW mit dicken Baumstämmen beladen entgegen. Überall Pfützen – es hat geregnet. Die letzten 4 km legen wir dann samt Reisetaschen und Rucksäcken auf dem Rücksitz zweier Motorräder zurück. Eine schmale brüchige Betonspur von nicht mal 2 Meter Breite wiindet sich über kurze steile Hügel mitten in den Urwald, ganz ans Ende von Bukit Lawang, in einem Flusstal im Urwald.

Das Garden Inn ist unsere erste Herrberge, später wechseln wir 100 Meter weiter ins Jungle Inn, das allerletzte Haus vor dem Dschungel. Erwähnenswert ist das Garden Inn an dieser Stelle, nicht nur, weil das Zimmer mit Naturstein und Holz recht originell eingerichtet ist und der Blick aus dem Fenster auf einen rauschenden Fluss mit einer grünen, hohen Wand aus Dschungel dahinter schon sehr speziell und beeindruckend ist, sondern, weil gleich auf dem Tisch ein Hinweis steht, dass alle Lebensmittel in eine verschließbare Blechtonne gepackt werden müssen.

Wie ernstzunehmen das ist, stellt sich am nächsten Morgen um fünf heraus, als ich nach wenigen Stunden Schlaf hochfahre, weil ich denke, dass ein betrunkener Nachbar randaliert. Nix Nachbar: Auf dem Dach, dem Balkon, am Fenster, unter dem Vordach – überall tollt eine Horde Affen herum und feiert Party! So ein Lärm! Nach einer knappen Stunde haben sie sich ausgetobt und ziehen weiter. Welcome to the Jungle!

Noch nach unserer Ankunft ist in der Nacht noch der junge Guide, den uns Johanna empfohlen hat, aufgetaucht, um über eventuelle Trekking-Touren zu reden. Eigentlich war ich total fertig und wollte nur noch schlafen und einen faulen Tag dranhängen. Aber Dieki, ein symphatischer, fröhlicher junger Kerl, meinte, wir sollten uns das überlegen, es seien gerade Orang Utans in der Nähe, und man wisse nicht, wie lange.

Also, nix mit Jammern und Schlaf nachholen, um acht Uhr geht´s los zur Tagestour in den Dschungel. Lange Hosen, in die Socken gestopft (damit keine Insekten und Blutegel in die Hosen krabbeln), Trekkingschuhe aus Gummi, pro Kopf ein Liter Wasser, Insektenspray und Sonnencreme. Wir sind allein mit zwei guides – Diekie und Dedek. Diekie gehört zu einer Gruppe von 10 Guides, die eine offizielle Lizenz als Tourguide im Gunung Leuser Nationalpark haben einem der besterhaltensten natürlichen Dschungelbiotope der Welt.

Es ist brutheiß, aber immerhin sind es unter dem dichten grünen Blätterdach zwei, drei Grad weniger und der Schatten ist wohltuend. Es ist eine Orgie von Grün in allen Formen und Schattierungen, fast vergisst man, auf den Weg zu achten, weil man immer nur schauen möchte. Jeder Schritt will überlegt sein, auf dem steinigen, von Wurzeln und Lianen bedeckten Pfad. Dieki scannt mit geübtem Blick die Baumkronen.

Plötzlich treffen wir auf ein paar andere Gruppen, aber ein größerer Gecko und ein paar freche Makaken sind zunächst das einzige, was wir zu sehen bekommen. Kurz darauf turnen noch ein paar andere Affenarten um uns herum, am hübschesten sind die Thomas Leave Affen, die sehr auffällig sind mit ihrer ungewöhnlichen schwarz-weißen Frisur. Sehr schön anzusehen.

Die Guides sind untereinander in Kontakt, um austauschen zu können, falls jemand die Orang Utans sieht – das worauf alle hoffen. Nur noch hier und in Borneo gibt es wilde Orang Utans in Indonesien. Orang Utan bedeutet „Wald-Mensch“, lernen wir in einer Warte-Pause, weil wir die Orang Utans an einer Stelle verpasst haben und nun Geduld haben müssen, so Diekis Methode. Affen haben Schwänze, Orang Utans, Schimpansen und Gorillas nicht.

Die Orang Utans von Sumatra sind kleiner als die von Borneo, weil es hier Tiger gibt und die Orangs sich auf den Bäumen aufhalten müssen, um vor ihnen sicher zu sein. In Borneo sind sie Orang Utans viel größer, aber die können eben auch nicht mal eben durch die Baumwipfel turnen, ohne Feinde müssen sie das auch nicht. Allrdings leben die meisten Orang Utan auf Borneo in Rehabiltations-Centern, wo sie gesund gepflegt und aufgepäppelt werden, um möglichst wieder ausgewildert zu werden. Der Lebensraum unserer rotbraunen Verwandten ist auf ein Minimum zusammengeschrumpft, Wilderei und andere Sauereien haben die Bestände drastisch reduziert.

Während wir mitten im Wald -wieder allein- auf Orang-Glück warten, erzählt Dieki die erschreckende Geschichte der Tiere während der Pandemie. Vorher gab es auf Sumatra ein Population von rund 6000 Tieren, jetzt sind es noch etwa 5000, hier in Bukit Lavang nur noch 400-600. Viele Tiere sind an Covid gestorben. Aber viele sind auch durch Wilderer verschwunden, die, zu der Zeit ungestört, die Tiere gejagt und gefangen haben, um sie für lächerliche Summen zu verkaufen. Viele angeblich an reiche Chinesen. Es wurden auch Tiger geschossen, nur um ihr Fell für 150 Euro zu verkaufen. Es ist eine traurige Geschichte.

Dann endlich – ein Orang Utan-Weibchen gibt sich die Ehre! Sie turnt zunächst hoch über uns durch die Baumkronen. Doch mit der Zeit kommt sie immer näher und gibt eine echte Vorstellung. Großartig ! Was für tolle Tiere! Sie bleibt fast eine halbe Stunde, bevor sie sich wieder in die Tiefen des Waldes verzieht. Wir streifen weiter auf unserer Suche. Oben in den hohen Baumwipfeln hängen die Nester der Orangs. Sie bauen jeden Tag ein neues Schlafnest an einem anderen Ort, damit Feinde ihnen nicht auflauern können. Sie sind Einzelgänger, nur die Mütter behalten ihre Jungtiere ein paar Jahre in der Nähe.

Obstpause. Dedek entpuppt sich als wahrer Künstler, Er hat verschiedene Obstsorten im Rucksack. Auf riesigen Blättern richtet er die geschnittenen Früchte zu einem wahren Kunstwerk an, verziert mit Blüten aus dem Urwald. Es erinnert mich – als eine große Variante- an die offerings auf Bali. Aber das kann eigentlich nicht sein, denn unsere Guides sind, wie fast alle hier, Muslime. Aber Dedek meint, die Geister des Waldes mögen das. Und wir dürfen es essen!

Langweilig wird das Wandern hier nie, zu faszinierend ist diese Wildnis. Wir beobachten verschiedene Affen, Insekten, Riesenameisen, Eidechsen. Unsere Guides sind ständig auf der Lauer, Dikie ahmt den Ruf der Orangs nach, aber wir scheinen kein Glück mehr zu haben. Aber wir hatten schließlich schon welches, wir dürfen uns wahrlich nicht beschweren.

Wir klettern einen steilen Pfad in ein Tal hinab- und auf der anderen Seite wieder hoch – dankbar für jede Liane, an der man sich festhalten kann – nicht, ohne vorher hinzusehen, ob eine der Riesenameisen oder womöglich eine Schlange daraufsitzt. Endlich oben angekommen, brauchen wir eine Pause – und bekommen sie! Wir sehen inzwischen aus wie nach einem Wolkenbruch – es ist nur Schweiß.

Hokus Pokus kommt aus Dedeks Rucksack ein komplettes Mittagessen für uns vier. Einzelne Portionen, jeweils in ein Bananenblatt gerollt: Nasi Goreng, Hühnchen, Krupuk und Ei – und natürlich scharfe Soße.

Kaum haben wir eingepackt und rüsten zum Weiterwandern, raschelt es über uns: eine Orang Utan-Dame und in ihrer Nähe ein Baby! Es dauert nicht lange und sie kommt immer näher bis sie direkt vor uns auf dem Weg sitzt, einen Meter Abstand höchstens. Das Baby turnt über uns durch die Bäume. Madame Orang scheint uns besonders zu mögen, denn sie beschließt, uns zu begleiten – fast 20 Minuten lang. Was für ein Glück!

Am faszinierendsten sind die Gesichter dieser Tiere! Sie sind so ausdrucksstark, das man immer erwartet, dass sie gleich anfangen zu erzählen. So schöne Tiere! Und so friedlich. War mir die Nähe anfangs noch etwas unheimlich, habe ich schon kurz darauf überhaupt keine Angst mehr. Friedlich, neugierig, zum Spielen aufgelegt. Ich kann´s nicht glauben, dass wir soviel Glück haben! Sogar Diekie stellt fest, das würde nicht oft passieren.

Den Rest des Weges schwelgen wir noch im Glück. Wir erreichen den Fluss, der auch an unserem Hotel vorbeifließt. Kleine Ananaspause und dann taucht von der anderen Flusseite ein anderer junger Kerl auf, mit drei riesigen Reifen auf dem Kopf: Rafting! Der Fluss ist breit, voller Felsen und Steine unter Wasser und hat eine kräftige Strömung. Es ist ein echter Spaß: 5 erwachsene Menschen in drei aneinanderhängenden alten Reifen! Rasant gehts flussabwärts, wir bleiben oft an Felssteinen hängen, sind pudelnass – und haben Spass. Was für ein großartiger Tag!

21 – Abschied von Bali, bevor es nach Sumatra geht

Die Tage in Candidasa neigen sich dem Ende zu und damit die Bali-Zeit. An unserem Abschiedstag zieht es uns nochmal in die Wildnis. Der Wasserfall Terjun Jagasatru liegt rund 40 Minuten auf dem Motorad in den Bergen.

Auf dem Weg dorthin fahren wir durch einige Dörfer, die sich für den Feiertag am 28. Februar herausgeputzt haben. Riesige Palmwedel werden von ihren Blättern befreit, die dann gerollt, geflochten, mit bunten und goldenen Bändern und anderem Schmuck verwoben, wieder am kahlen Blattrücken befestigt werden. Diese hohen Schmuckwedel werden dann an der Straße aufgestellt. Es sieht sehr schön und festlich aus, eine Straße entlangzuschauen, in der sich vor jedem Haus ein solcher Schmuck im Wind wiegt. Die meisten Menschen fertigen diese kleinen Kunstwerke selbst an.

Hari Raya Galungan heißt der hinduistische Feiertag, der alle 210 Tage stattfindet und den balinesischen Kalender bestimmt. Die Feierlichkeiten beginnen 3 Tage vor dem eigentlichen Feiertag und enden 11 Tage danach. Die Zeit ist gefüllt mit Dekorationen, Opfergaben und Gebeten. Galungan feiert den Sieg der Tugend (Dharma) über das Übel (Adharma) und die Niederkunft der Geister der Verstorbenen und der Götter. Wieder was gelernt.

Einen Tag vor Galungan haben sich die Ortschaften festlich herausgeputzt. Richtig idyllisch wirken die drei Bergdörfer, die wir passieren . Was mich immer wieder fasziniert, ist, wie winzig viele Häuser tatsächlich sind, auch für ganze Familien. Meist ein Raum, und der auch noch klein, oft ohne Fenster.

Die Straße schlängelt sich in wilden Serpentinen steil in die Berge, immer durch den saftig grünen Urwald. Der tut sich immer wiedermal auf und läßt einen tief Luft holen, angesichts der die großartigen Panoramen zum Meer.

Nachdem wir in rund 500 Metern Höhe angekommen sind , zweigt die Straße zum Wasserfall ab und führt zunehmend steil in aberwitzigen Kurven in die Tiefe. Angesichts des Zustandes der Straße und der plötzlich um die Ecke brausenden, entgegenkomenden Motorräder, die niemals links auf ihrer Spur fahren, bin ich selbst auf dem Rücksitz etwas angespannt…

Noch angespannter wäre ich gewesen, um nicht zu sagen: panisch, hätte mein tapferer Fahrer mir nicht verschwiegen, das auf dem letzten und steilsten Stück die rechte Bremse versagt hat! Aber wir landen heil auf dem Parkplatz oberhalb des Pfades, der zum Wasserfall führt, und beschließen erstmal hinunterzuklettern und später zu überlegen, wie wir in eine Werkstatt bzw. nzurück kommen.

Hier, mitten am grünen Hang, thront ein riesiger Buddha, denn auch dieser Wasserfall gilt als Tempel – mit einigen heiligen Becken, die Nichtgläubige ohne Sarong nicht betreten dürfen. Anstrengende, aber wunderschöne 15 Minuten später sind wir ans untere Ende des Wasserfalls Terjun Jagasatru geklettert, der sich nur dem auftut, der tapfer trotz unaufhörlich rinnenden Schweißes, die steilen Stufen hinunterklettert. Der Wasserfall verteckt sich hinter der letzten steilen Kurve nur sein Rauschen ist lange vorher zu hören.

… Und ewig grüßt das Murmeltier – ich wiederhole mich nun in diesen Reisegeschichten – aber tatsächlich ist es immer wieder neu, immer wieder wunderschön: Laut rauschend stürzt das glitzernde Wasser aus dem Berg malerisch in ein kleines Felsenbecken, bevor ein Flüsschen es weiter ins Tal trägt.

Sogar hier unten, weitab des nächsten Dorfes, klebt an der Felswand ein von einem Schirmchen geschütztes Altärchen mit frischen Opferkörbchen. Das heißt, dass hier – weitab des Dorfes- jeden Tag mindestens ein- bis zweimal jemand herunterklettert, nur für das offering.

Ein Bad unter dem sprudelnden Wasser und eine andächtige halbe Stunde später klettern wir wieder nach oben – von der Erfrischung ist oben so gar nichts mehr übrig. Aber: die Bremsen sind abgekühlt und auch die rechte Bremse greift wieder. Wohlwissend, dass dies ein fragiler Friede ist, tuckern wir gemütlich, mit kleinen Pausen wieder talwärts, einem faulen Restnachmittag am Pool des Rama Shinta und einem rosa Sonnenuntergang am Strand von Candidasa hinter dem Seerosen-See entgegen.

Morgen früh bringt uns Zacharias – der Fahrer, der uns aus Amed nach Candidasa gefahren hat- zum Flughafen von Denpasar. Das haben wir gleich auf der Fahrt nach Candidasa vereinbart, als er uns erzählt hat, dass er Katholik ist. Denn am Galungan einen hinduistischen Fahrer zu finden, ist schwierig. Übrigens: gut, dass wir nicht am 11. März fliegen: Da ist hier Nyepi, der Tag der Stille: 24 Stunden alles geschlossen, kein Strom, keine Musik, keine Feste, kein Essen, kein Verkehr, nicht mal Flugzeuge!

So allerdings können wir problemlos in unseren Flieger steigen – via Jakarta nach Terjun Jagasatru. Der Jungle wartet!

20 – Markt, Meer & More

Irgendwie auch ganz schön, mal ein paar Tage nicht ständig packen und umziehen zu müssen. Die Tage gemächlich angehen und trotzdem immer wieder Neues zu erleben.

Ein letztes Mal den Bleigurt umschnallen und den Regulator in den Mund… Danke, Indischer Ozean, für deine Gastfreundschaft, Danke Yemanjá, Göttin des Meeres, für deinen Schutz.

Eigentlich wollte ich bei einem Freund von Tauchbasis-Chef Mike aus Koh Kood tauchen. Aber wie sich herausstellt, ist der auf Heimatbesuch in Spanien. Und sonst sehe ich keinen zwingenden Grund, mit dem Benthos Dive Center zu tauchen. Es ist teuer und das nicht lebenswichtige Equipment wie Anzug, Booties etc sind derart alt und zerschlissen, dass mir die Lust vergeht.

Also – give locals a chance! Ich suche mir ein ganz kleines Unternehmen – genaugenommen ein Ein-Mann-plus-Familie-Unternehmen, das mir auf Anhieb gefällt. Der Chef heißt tatsächlich Gusti – nein kein Bayer, echter Balinese! Ich werde hier nicht weiter mit Unterwasser-Weitschweifigkeit langweilen, eher dem Drumherum. Die Blue Lagoon ist mein letztes Tauchziel: Stachelrochen, Hai, große Tintenfische und eine riesige Schildkröte sind meine besonderen Abschiedsgeschenke, inmitten der wimmelnden Vielfalt.

Aber viel spannender für alle Nicht-Taucher sind die tollen Gespräche, die wir mit Gusti in den Pausen und beim anschlieeßenden Lunch – der immer inklusive ist – führen. Wir reden über die Unterschiede von Religionen und meine Symphatie für den Buddhismus und Hinduismus. Gusti strahlt mich an und merkt an, ja , sie freuen sich über Interesse an ihrer Religion, aber sie hätten es nicht nötig, andere davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Das sei Privatsache. Gesunde Ansicht!

Ich frage ihm Löcher in den Bauch, unter anderem auch noch mal zum Thema offerings, diese kleinen farbenfrohen, gabengefüllten Bananenblattkörbchen, die den Göttern überall offeriert werden. Jetzt weiß ich mehr: Sie enthalten Früchte, Kräuter, Gemüse, Blüten, Reis, manchmal Fleisch und werden mit Wasser besprüht- Symbol für alles, was die Natur den Menschen zum Leben schenkt. Einen Teil davon wird den Göttern zurückgegeben, als Dank und Bitte, dass der Kreislauf weitergeht.

Auch über die Zeiten von Covid haben wir gesprochen -eine schlimme Zeit für die meisten hier, die vom Tourismus leben. Die Zahl der Toten hier ist vergleichsweise gering gewesen. Es besteht Impfpflicht und die Massnahmen waren ziemlich strikt. Für Kinder bis 6 Jahre gab es gute Finanz-Hilfen vom Staat, das war für viele eine Rettung. Und die Zeiten, in denen die Schulen immer mal geöffnet waren, waren wichtig, da bekamen die Kinder Essen.

Ansonsten war es für viele extrem. Gusti hatte 11 Jahre für eine Tauchschule in russischer Hand gearbeitet, und sie haben ihn mit einem einzigen Monatsgehalt in die Wüste geschickt. Er hat drei Kinder. Aber er hat alles auf eine Karte gesetzt, sich seine Pensionsansprüche auszahlen lassen und damit in Zeiten des Nichtstuns die Dive-Instructor-Prüfung gemacht. Damit konnte er dann sein eigenes kleines Unternehmen gründen. Bali Dive Shop. Die Familie macht die Arbeit im Hintergrund, er taucht und macht Kurse und sein Schwager fährt das Boot. Super Typ – super Laden. Nette family.

Wir hatten noch jede Menge andere Themen – vom Umgang mit Teenagern bis zu den Alten oder Feiertage. Wir hätten sicher noch Gesprächsstoff für etliche Tauchtage gehabt, aber es war nun mal mein letzter.

Am nächsten Tag haben wir einen Ausflug geplant. Mite dem Bike fahren wir Richtung Norden in das Städtchen Amlapura. Dort gibt es den großen Markt dieser Gegend. Auf dem Weg dorthin passieren wir auf einem Berg Pura Lempujang – eins der bekanntesten Fotomotive Balis, das Tor zum Himmel. Die offenen aufstrebenden Bauteile rechts und links scheinen tatsächlich in den Himmel zu führen – zumindest für das Foto. Dennoch sparen wir uns den Eintritt – man sieht das schöne Bauwerk auch so . Und an Affen jeden Alters mangelt es rund um den Tempel auch nicht. Ein Wunder, dass nicht mehr davon überfahren werden, so frech wie die an der vielbefahrenen Straße herumspringen. Die Aussicht von hier oben über die Dschungelbewachsenen Berge auf das Meer ist toll.

Dann müssen wir zweimal eine Zwangspause einlegen: Der Himmel schüttet Wassermassen über uns aus. Schließlich schaffen wir es mit ein bisschen Nieselregen in das Provinzstädtchen Amlapula. Den Blick auf die Google Wegbeschreibung kann man sich sparen – da, wo hunderte Bikes und ein paar Autos jeden Zentimeter zuparken, ist das Ziel nicht weit: der Pasar Amlapura Timur – der zentrale Markt, untergebracht in riesigen, ziemlich baufälligen Hallen, die aus alles Nähten platzen, sodass etliche Stände noch aussen herum angesiedelt sind.

Jede Nacht um Eins öffnet der Markt und schließt am Mittag. Hier versorgen sich die Restaurants und Hotels, aber auch viele Einzelkunden. Das Gewimmel ist riesig, die Farben, Gerüche und Geräusche überwältigend. Hier gibt es auf zwei Etagen alles: Unten die Lebensmittel, Gewürze und Blumen, oben billige Kleidung, Elektronik und Haushaltwaren. Es erinnert mich sehr an den Markt in Bangkoks Chinatown. An den Seiten quillt der Markt unter dem seitlich offenen Dach hinaus, verbogene Bleche und Schirme haben den Regen nicht abgehalten. So kann man nur – meist eher erfolglos – versuchen, die schmutzigen Pfützen zu umgehen. Meine Füße sind schwarz und schmierig, ich rutsche ständig aus den Flipflops. Der Markt ist ein Erlebnis, aber allzulange halten wir den Wahnsinn nicht aus. Schnell noch ein paar Früchte gekauft und raus!

Unser nächstes Ziel ist ein berühmter Wassertempel, rund 8 Kilometer entfernt von Amlapura: Tirta Gannga, am Ostzipfel Balis. Busse und Autos karren die Touristen von überall hierher, Gott sei Dank ist noch keine Hauptsaison. Der auf einem Hügel gelegenen Tempelhalle sind vier Wasserbecken vorgelagert, in denen viele steinerne Figuren Wasser sprudeln und man spaziert über ein paar sehr schöne kleine Brücken . Auf Trittsteinen kann man eins der Becken in Zickzack zwischen all den Figuren aus Stein überqueren – sozusagen auf dem Wasser gehen. Das allerdings hat zur Folge, dass Schilder aufgestellt werden mussten, dass man sich beim Fotografieren(lassen) nur 3 Minuten an einem Fleck aufhalten darf, damit auch die nächsten mal eine Chance haben…Touristen ohne Ende.

Ist mir alles ein bisschen zu viel. Und irgendwie kommen mir die Zementfiguren auch recht neuzeitlich vor – was sich bestätigt, als ich höre, dass der Originaltempel vor einigen Jahrzehnten durch ein Erdbeben zerstört worden war. Trotzdem eine hübsche Anlage, die ich trotzdem nicht in die Liste meiner Favoriten aufnehmen kann.

Zu guter Letzt treibt es uns ans Meer – ein bisschen entspannen. Eine gute halbe Stunde auf dem Motorrad und einen schönen Sonnenbrand auf den Armen mehr, wartet das das große kühle Blau. Auf dem Weg dorthin passieren wir zum ersten Mal eine bessere Wohngegend. Schöne Häuser, Mauern, Gärten, verschlossene Tore und sogar einige Security Guards auf einigen Grundstücken. Schilder verraten, dass hier etliche Anwälte und Notare ihr bescheidenes Lager aufgeschlagen haben… Aber idyllisch ist es wirklich!

Virgin Beach ist unser Ziel. Über eine etwas beängstigende Piste kommen wir schließlich auf einem Bergrücken an, hier ist Schluss mit fahren. Irgendwie muss man hier fast überall Eintritt zahlen auch in der Natur – sei es in Form von donations, Spenden, die nicht freiwillig sind, Parkgebüren oder Eintritt, selbst wenn es um Quellen oder Strandabschnitte geht. Aber klar – irgendwas müssen die Einheimischen hier verdienen und wenigstens den schlimmsten Müll einsammeln. Und wirklich teuer ist es selten.

Die Bucht von Virgin Beach liegt an Dschungelbewachsenen Hängen und ist ein paar hundert Meter lang, mit feinem Sand sogar. Allerdigs kann von jungfräulich nicht wirklich reden, denn zumindest an zwei Dritteln steht eine Restauranthütte neben der anderen. Hier gibts auch Strandliegen zum Drink oder Imbiss. Am hinteren Ende liegen unzählige Sampans auf dem Strand, die traditionellen balinesischen Boote. Sie sind lang, sehr schmal, tiefer als ein normales Motorboot und haben links und rechts breite Ausleger, die sie wie eine Mischung aus Heuschrecke und Wasserflugzeug aussehen lassen. Wir sind zweimal damit gefahren – sie können erstaunlich gut auf dem aufgewühlten Meer manövrieren.

Leider haben wir nicht so viel vom Strand, denn erstens ist die Brandung so hoch, dass es etwas beängstigent ist und außerdem fängt es kurz darauf an zu regnen. Egal, schön war es trotzdem! Ein langer Tag, der nach Relaxen am Pool und Abendessen an eben jenem schreit… Die Seerosen warten!

18 – Amed, nochmal

Nach dem Frühstück sind die Amed Jepun Divers unser erstes Ziel – eine Kanadisch-Dänische Tauchschule, die uns in Permuteran ans Herz gelegt wurde. Gute Tipps von guten Leuten sind immer Gold wert, erspart viel Herumgesuche. Ich bin froh, dass es mir wieder gut geht und ich wieder unter Wasser kann, denn hier gibt es ein Wrack, das als DIE Location für Taucher gilt. Und ich hätte mich schon gegrämt, hiergewesen zu sein ohne ebenda zu tauchen.

Es ist eine kleine Tauchschule ohne viel Schnickschnack, aber mit einer symphatischen Crew. Unsere Ansprechpartnerin ist Johanna, eine Schwedin. Wir haben gleich einen guten Draht zueinander, auch den Dive Guide für morgen lerne ich gleich kennen. Miki braucht keinen Guide, denn er kann vom Strand aus schnorcheln. Morgen früh geht´s los.

Für den Nachmittag haben wir uns einen Strandtipp geben lassen . Lipah Beach, ein paar Kilometer ostwärts von unserem Quartier. Wir mieten ein Motorrad, dem ich nicht besonders traue, aber es ist immer noch besser als die Schrotthelme, meinen kann man gar nicht schließen. Also lasse ich ihn gleich ganz weg, so wie die meisten hier.

Lipah Beach schmiegt sich an eine langgezogene Bucht, der Strand ist nicht allzu breit und an der Wasserkante dunkel, was den ahnungslosen Badewilligen zum Hüpfen bringt, denn der Sand ist glühend heiß. Gemütlich im Schatten eines großen Baumes dösen wir vor uns hin. Johanna hat schnorcheln empfohlen, manchmal gibt es wohl sogar Schildkröten. Die haben sich zwar nicht blicken lassen, aber tatsächlich ist das Wasser glasklar und auf dem Korallenriff ist ein wahres Gewimmel kleiner und mittelgroßer Fische unterwegs – mir haben es besonders ein paar Baby-Kofferfische angetan, die sehen aus wie aus einem Trickfilm!

So vergeht der Nachmittag zwischen faul herumliegen, schnorcheln und einem Snack auf der angrenzenden Hotelterrasse, wo ich in Ruhe Blog schreiben kann mit Blick aufs Meer. Man kann es schlechter treffen 😉

Am nächsten Morgen werden wir vor acht abgeholt . Mit dem offenen Pick Up geht es eine knappe halbe Stunde westwärts nach Tulamben , wo das Wrack liegt. Die USS Liberty war ein amerikanisches Militär- Frachtschiff, dass 1918 gebaut wurde und schließlich 1942 von einem japanischen U- Boot torpediert worden ist. Es war nicht mehr manövrierfähig. Die Amerikaner und Holländer versuchten, das Schiff in die Hafenstadt Singaraja zu schleppen, aber es war zu stark beschädigt. Deshalb blieb es vor Tulamben liegen und rutschte 1963 während eines Ausbrucks des Vulkans Agung ins Meer. Da ließ man es dann endgültig, als neue Heimat für Korallen.

Korallen, Fische und Tourismus-Industrie danken – es ist DER Spot, der in jedem Reiseführer steht, zumal jeder einfach from shore, vom Strand , aus ins Wasser kann. Knappe 30 Meter, schon hat man es erreicht. Das Wrack ist allerdings völlig auseinandergebrochen und es liegt an einer Riffkante, deshalb dürfen Schnorchler nur im vorderen Bereich herumschwimmen, Taucher müssen fortgeschritten sein, denn es geht auf ca 30 Meter hinunter.

Hier herrscht trotz Nicht-Saison ein regelrechtes Gewimmel. Ganz ohne Boot geht es vom Strand aus ins Wasser, es ist ganz schön schwierig mit dem schweren Equipment über die Steine zu balancieren ohne hinzufallen.

Das Wrack ist vollkommen auseinandergefallen, die enzelnen Teile liegen auf dem Meeresboden verteilt – umschwommen von allerhand Flossenträgern, besiedelt von noch nicht allzu alten Korallen, Schwämmen und Muscheln. Es macht natürlich Spaß, aber da ich zuvor schon ein viel aufregenderes Wrack in Thailand getaucht habe und noch im Menjangan-Korallenfieber glühe, ist es ehrlich gesagt, für mich nicht so aufregend, wie für die meisten hier.

Zurück am Strand beobachte ich, wie sich Einheimische um die Chance drängeln, ein bisschen was auf die Hand zu verdienen, indem sie die schweren Ausrüstungen zurück zu den Pickups schleppen. Niemand beachtet sie wirklich. Es sind extrem viele Frauen dabei, die die wirklich schweren Tanks auf dem Kopf (!) balancieren. Mir ist es mir kaum gelungen, fehlerfrei mit nur einem Tank auf dem Rücken ins Wasser zu laufen. Wenn so ein Ding runterfällt. explodiert es. Ich bewundere diese Frauen und zeige ihnen das auch. Ungläubig und überrascht lächeln die unsichtbaren Hilfsgeister zurück.

Zurück in der Tauchschule werden die Logbücher geschrieben und noch ein bisschen Taucherlatein geschnackt. Johanna ist da und wir kommen wieder ins schwatzen. Wir erzählen ihr, dass wir uns nicht so recht entscheiden können, was wir nach unserer nächsten und letzten Station auf Bali noch machen wollen. Ohne hier mit langweiligen Hin – und Her, Für – und Wider von Orten und Inseln langweilen zu wollen – hier entscheidet sich der Rest unseres Urlaubs nach Bali: Johanna lebt seit 7 Jahren hier und ist viel gereist – sie plädiert für Sumatra. Diese Idee hatten wir eigentlich schon verworfen, aber ihre Schilderungen sind so begeistert, das wir uns jetzt endlich sicher sind, dass wir genau dahin wollen. Bukit Lavang in Nord-Sumatra, da, wo es noch Orang Utans gibt – die man mit Glück auch sieht.

Versorgt mit jeder Menge Tipps, Telefonnummern und Adressen verlassen wir zufrieden das Tauchcenter – mit einem Plan. Zum Buchen setzen wir uns in ein neuentdecktes kleines Café, das außer Espresso sogar Croissants und Pain aux Chocolat führt : Kopi di Tymor.

So schnell kommen wir hier nicht weg, außerhalb des schützenden Segels, versinkt die Welt in einem anhaltenden Wolkenbruch. So lernen wir den jungen Besitzer näher kennen. Eigentlich ist er Erdölingenieur. Aber er findet trotz guten Abschlusses nirgends Arbeit, da alle Unternehmen nur Leute mit Berufserfahrung einstellen – ein Teufelskreis. Plan B musste her – ein nicht genutztes kleines Familiengrundstück hier in Amed und die Idee, die Europäer mit französischem Gebäck und italienischem Kaffee zu versorgen. Croissantbacken kann er schon, nächster Plan ist Baguette. Viel Glück!

Für´s Abendessen hat uns Johanna Plätze in einem „Geheimtipp“-Restaurant besorgt, dem Galanga. Ein wunderschöner tropischer Garten, ein geschmackvoller, aber nicht hochgestochener Gastraum mit gehobener balinesischer Küche, französisch unterwandert. Lecker! Abschiedsabend in Amed…

17 – Go east: Amed

Mit einem Knockout-Tag Verspätung (wären wir in Südamerika, könnte ich sagen: Montezumas Rache….) ist meine Reisefähigkeit wieder halbwegs hergestellt. Auf geht´s, immer (mehr oder weniger) an der Küste lang, nach Osten. Wieder mit einem privaten Fahrer, mangels eines öffentlichen Verkehrsnetzes, das den Namen verdient.

Aber das hat, außer persönlichem Komfort noch andere Vorteile – da die Fahrten auch immer eine Quelle der Erkenntnis in Sachen Landeskunde sind. Die Fahrer und dive guides sind meine Hauptinformanten in Sachen Lang und Leute, so haben die langen Fahrten oft noch was gutes. Und die meisten Menschen hier sind auskunftsfreudig, wenn auch nicht alle gleich gut englisch sprechen und man manchmal etwas Phantasie braucht, um alles zu verstehen.

Außerdem haben die Fahrer oft Vorschläge, was man unterwegs noch besichtigen könnte, Restaurant- Tipps (wo sie vermutlich einen Imbiss dafür bekommen) und sind nie genervt von Sonderwünschen wie „Können Sie mich bitte zu einer Apotheke bringen…ich muss noch mal zum dive center“, etc pp. Auch durchaus etwas zeitaufwändige extra Abstecher zu interessanten Orten sind gratis, der Gesamtpreis, der ausgemacht ist, gilt.

Diesmal habe ich es wirklich unabsichtlich ausgereizt – beim Zwischenstopp im Tauch Center wegen vergessener Stempel, habe ich meine Tasche mit Pass und Kreditkarte liegen lassen… Gemerkt habe ich es bei einem spontanen Abstecher zu einer Perlenfarm, 10 km und eine gute halbe Fahrtstunde später… Ohne jedes Zeichen von Genervtheit lässt uns der Driver im Schatten der Farm zurück und fährt allein die Tasche holen – er ist mein Held!

Die Verzögerung hält ihn auch nicht davon ab, uns später einen weiteren Abstecher vorzuschlagen: Es gibt hier heiße Quellen! In der Nähe der Küstenstadt Lovina sind die Banjar Hot Springs von Buleleng. Inmitten des blühenden Dschungels liegen diese heißen – natürlich „Holy„- und sehr schwefelhaltigen Quellen, was das Atmen in der brütenden Hitze nicht unbedingt angenehmer macht. Bewacht von Göttern und Geistern am Beckenrand, dreht mein Tandempartner beherzt ein paar Runden, dann wird es auch ihm zu heiß.

A propos Küstenstädte, bzw. Ortschaften im Allgemeinen: Abgesehen von besonderen Städten wie Ubud oder Denpasar, sehen die meisten Ortschaften hier anders aus, als in unseren Breiten. Ein Stadtzentrum, Plätze, Viertel findet man hier kaum. Meist zieht sich die endlose Ansammlung von Häusern kilometerweit an der Straße entlang, selten gibt es mal eine Nebenstraße und sowas ähnliches wie Wohnviertel.

Da das Klima erbarmungslos feucht ist, ist schwarzer Schimmel die vorherrschende Wandgestaltung, vorallem der einfachen Behausungen. Die bestehen in der Regel aus Ziegeln, Betonklötzen oder Blech, sind bestenfalls mit einer Art Schmierbeton verputzt und der ist in der Regel dann eben schnell grün und schwarz. Übrigens sind die meisten dieser einfachen Häuser , die oft nur ein oder zwei Räume für alle Bewohner haben (und kaum Fenster), auch innen nach meiner Beobachtung kaum jemals gestrichen. Unnötig zu sagen, dass das für „bessere Häuser nicht gilt.

Wer es sich leisten kann, ein richtiges gemauertes Haus mit mehreren Zimmern zu bauen, der leistet sich dann meist auch eine dieser Tempelmauer-ähnlichen Umfriedungen mit kunstvollen Ornamenten und Figuren und eigenem Opferaltar. Hier konnt dann wiederum wieder Farbe zum Einnsatz- immer Gold, gern auch zusätzlich rot, Gelb, Orange und Schwarz . Ich hatte diese wunderbaren Häuser schon im Kapitel über Ubud beschrieben. Doch solche Häuser stehen natürlich kaum an den Tag und Nacht brummenden, dröhnenden, stark befahrenen Hauptstraßen.

Für die 124 Kilometer, die Banjuvedan von Amed trennen, haben wir fast fünf Stunden gebraucht. Auch Amed gehört zu den Orten, die sich ewig lang an der Straße entlangziehen. Immerhin ist es hügelig und man sieht immer wieder das Meer. Auch so macht der Ort einen entspannten Eindruck. Etwas überrascht lese ich Wörter wie work space… Wie sich später herausstellen soll, haben auch die Hipster und mobile office– Leute den Ort für sich entdeckt. Hier lässt es sich angenehm leben mit ein paar Stunden am PC oder Mac – neben beachen und tauchen…

Unsere hiesige Unterkunft, das Ary Warung & Homestay, liegt direkt an der Straße, was allerdings nicht weiter schlimm ist. Die einzelnen Zimmer sind terassenartig an den Berg gebaut, unserers hat sogar noch ein paar Stufen zu einem extra Sonnendeck, von dem aus man den wunderbaren Sonnenaufgang über dem Meer sehen kann… Ich schäme mich zu sagen, dass wir den jedesmal verpasst haben… Aber auch so ist die Aussicht herrlich, das Zimmer gr0ßzügig, samt mitgeliefertem Kuscheltier…

Vor uns hat eine Amerikanerin hier vier Jahre Covid-Exil gesucht. Sie hat eine kleine, von Geburt an schwanzlose Katze adoptiert, die sie dann einfach zurückgelassen hat. Die sitzt nun jeden Tag mehrmals vor dem Zimmer und jault nach Mama… Da wir ja bekennende cat lovers sind, sagen wir den Vermietern, sie darf ruhig zu uns kommen. Seelig schläft Miez nun ein paar Tage in unserem Zimmer…

Miki geht zum Sonnenuntergangschauen in ein Hipster-Lokal auf dem Berg, ich muss mich noch etwas schonen. Eine Hühnersuppe mit Reis ist aber immerhin schon möglich und ein fauler Abend tut auch gut. Ein Gecko singt das Schlaflied – ich weiß jetzt schon, dass ich diese seltsamen Ge-cko Ge-cko Rufe vermissen werde.

16 – Nach den Bergen kommt das Meer

Meer!

Unser Ziel ist der Nationalpark im Norden Balis – Bali Barat. Je nördlicher wir kommen, desto öfter tragen Frauen draußen auf der Straße einen Hidjab, das muslimische Kopftuch. Allerdings flattern die Tücher auch bei sehr selbstbewusst schnellfahrenden Motorradfahrerinnen – so streng sind die Sitten hier dann doch nicht. Die Bevölkerung an der nordwestlichen Küste ist gemischt, denn das angrenzende Java ist muslimisch und viele sind nach Bali gekommen, weil es hier eher etwas zu verdienen gibt als auf der überbevölkerten, deutlich ärmeren Nachbarinsel. Und es ist wirklich gut zu sehen, wie selbstverständlich und locker das Zusammenleben der HindusMuslims und Christen, hierzumindest, funktioniert.

Gefühlte 10 000 Kurven und 1001 waghalsige balinesischen Überholmanöver später sind wir am Ziel, in Banyuwedang . Unsere neue Bleibe, das Odiyana Bali Retreat, liegt ein bisschen abseits versteckt, aber dafür ist es herrlich ruhig. Zumindest, wenn der nahe Muezzin die Rechtgläubigen nicht gerade zum Gebet ruft und die Sonne noch nicht untergeht… denn dann ist Froschkonzert bis die Hähne krähen. Aber hallo…!!!

Ein großer goldener Buddha im grünen Garten wacht über uns. Außer einem Pool gibt es auch eine natürliche heiße Quelle in einem extra Becken, ich habe schon Schweißausbrüche bekommen, als ich bei diesen Temperaturen nur meinen Fuss reingesteckt habe… alles ist sehr ruhig, es ist eben rainseason und es gibt nur wenige Gäste. Sehr angenehm. Ich muss nach meinem bisherigen Bali-Erlebnis sagen: Ich würde nie in der Hauptsaison herfahren…viel zu viel Leute, es ist so schon genug.

Wir mieten uns ein Motorrad – das bietet hier fast jede Unterkunft an – für 6 Euro pro Tag, damit wir ein wenig die Gegend erkunden können. Wir suchen den einzigen feinsandigen, weißen Strand hier – laut lonely planetGerokdak White Sand Beach. Wir finden ihn auch…aber meine Nerven und körpereigenen Stoßdämpfer sind ausgereizt, so übel ist die Piste hierher.

Der Strand selbst liegt an einer sehr schönen türkisen Bucht, allerdings ist er weder besonders breit, noch besonders lang. Dafür gibts ein paar schattenspendende Bäume und am Ende die feine Strandbar eines oberhalb liegenden Edelressorts. Egal, nach der Tortur muss was Gutes her: Ein edles nicht-Bali-Sandwich und talienische Bruschetta. Auch mal lecker – denn Brot gibt´s hier sonst in Form von ekligem Toastbrot, was immer pappig serviert wird. Laune wiederhergestellt. Noch ein schönes Bad – das erste im Meer seit Thailand. Yeah!

Nun gilt es, ein gutes Tauchzentrum zu finden, denn im Nationalpark soll es spektakuläre Tauchspots geben. Ich halte nicht viel von Internetsuche, ich muss die Leute sehen und sprechen, da vertraue ich auf meinen Radar. Also brausen wir auf der zweispurigen Straße (ich habe hier noch keine mehrspurige gesehen bisher) in all dem Verkehrswahnsinn in den Nachbarort Permuteran, hier gibts mehr Touristen und jede Menge Tauchcenter.

Mein Radar geleitet uns ins Abyss Ocean World Dive Center. Und nach 10 Minuten ist meine Wahl auch schon gefallen: Super-Eindruck, super Leute, super Equipment. Umgekehrt funktioniert auch mein Nein-Danke-Radar ziemlich gut – dann bin ich ganz schnell weg. Tauchen ist Vertrauenssache. Morgen früh gehts los: Tauchen für mich, schnorcheln für Miki -in einem der besten Tauchgründe der Welt!!

Pulau Menjangan, eine kleine Insel vor der Küste, ist umgeben von Korallenriffen, die dank Naturschutz im Nationalpark 100 Prozent gesund und – so der Ruf- spektakulär sind. Zum 1947 erklärten Nationalpark Bali Barat gehören neben Regenwald und dichten Mangroven, Sümpfen, trockenen Savannen, Bergwäldern und Vulkanen auch Sandstrände und kleine Inseln . Die bekannteste davon ist Menjangan, auf der auch die namengebenden Menjangan-Hirsche leben und etliche seltene Vogelarten.

Abendessen im Guesthouse – nicht aufregend, aber sättigend, ein bisschen faulenzen in meiner Hängematte am Pool und ein bisschen mehr Kakophonie aus Koranversen und den nimmermüden Fröschen…. Buddha nimmt alles mit goldenem Lächeln…Gute Nacht!

An dieser Stelle würde das Kapitel enden… wenn nicht das Folgende für uns ein besonders schönes, für die Leser aber ein recht schnell erschöpftes Themaa wäre: Ein Tag im Unterwasserparadies! So schließe ich denn diese Zeilen noch hier an.

Was soll ich sagen: es war ein Tag, den ich bestimmt nicht vergessen werde! Wir sind nur drei Taucher(innen), eine davon erst im Fortgeschrittenen-Kurs mit eigener Tauchlehrerin (übrigens die kanadische Mitbesitzerin des Dive Centers). Bessere Bedingungen kann man sich nicht wünschen:: Zu zweit mit Ary, einem supernetten und entspannten, aber sehr aufmerksamen, jungen indonesischem Guide.

Wir divebuddies sind beide erfahrene Advanced Taucher, können also die volle Rifftiefe von 30 Metern ausnutzen. Gleich zu Beginn begrüßen uns am oberen Riffende zwei Meeresschildkröten und wünschen Gute Reise.

Was nun kommt – geht einfach nicht wirklich zu beschreiben: Die Sicht ist klar und es ist eine Orgie von Farben, Formen und Bewegungen! Es ist das schönste Korallenriff, was ich je gesehen habe, nicht mal Südafrika reicht da ran! Natürlich gibt es auch viele Fische, bunte Schnecken (Nudy Branches), Anemonen und Muscheln in jeder Größe bis zu fast einem Meter Durchmesser – aber die Viielfalt der Korallen und Schwämme hier ist einfach unfassbar! Dazwischen in den Spalten finden wir noch ein paar rot flimmernde electric clams, Skorpionfische und jede Menge anderer Flossen- und Schuppenträger.

Sorry, mir fehlen die Worte, um das zu beschreiben, was ich gaesehen habe. Ich würde die trockenschwimmenden Leser nur langweilen. Also belasse ich es dabei: Es war eines der großartigsten Taucherlebnisse, das ich hatte. Und das zu meinem 80. und 81. Tauchgang! Hallelujah!