16 Bye Bye Hollywood – Endstation Miami

Die Zeit wird knapp, viel bleibt uns nicht mehr. Aber auch, wenn wir die letzten drei Tage eher dem Müßiggang gefrönt haben und einfach nur den Luxus des Sommers im November genossen, gab es die eine oder andere kleinere Entdeckungsreise. Ob im Laufschritt (siehe runners special 3) oder per Fahrrad oder Auto. Nach dem unabdingbaren täglichen Strandbesuch am frühen Nachmittag haben wir uns im Hotel Fahrräder geschnappt und sind damit in den Ort Hollywood landeinwärts gefahren. Dahin, wo die Menschen leben und nicht nur urlauben wie hier am Strand.

War sehr lustig: es sind solche kleinen, stabilen Klapperkisten mit großen, nach hinten gebogenen Lenkern, wie man sie aus amerikanischen Filmen kennt, wenn die wilden Boys damit `rumkurven. Irgendwie komme ich mir so vor, als ob ich jetzt auch mitspielen darf. Und gleich ein bisschen einheimischer. Mal ohne Auto. Und wie sich zeigt, ist Hollywood, zumindest der Teil, durch den wir düsen, auch ein angenehmer Ort. Und er hat sogar eine erkennbare Stadtstruktur! Hübsche, palmenbestandene Wohnviertel mit Einfamilienhäusern, die sogar eine richtige Nachbarschaft bilden. Die meisten haben Gärten, Bänke vor der Tür oder auf der Terasse. Und man sieht sogar ein paar Menschen, die mit dem Hund spazieren gehen, laufen oder die riesigen trockenen Palmwedel der Königspalmen wegschleifen, die abgefallen sind. Und siehe da, man winkt uns sogar hin und wieder freundlich zu! Im Zentrum gibt´s einen großen runden Platz mit ein paar hohen Appartmenthäusern drumherum und dahinter ein kleines Straßenkarree mit vielen Restaurants und kleinen Läden. Endlich kommt mal wieder das Gefühl auf, in einem richtigen Ort zu sein. Vom warmen Sommerabendwind umweht, radeln wir, nach einem Stopp im örtlichen Supermarkt, dem Sonnenuntergang entgegen. Unterwegs staunen wir noch ein paar Mal, wie sich einige Vorgärten bei schwindendem Tageslicht plötzlich mit Hilfe unzähliger Lichterketten und leuchtender Fabelwesen in glitzernde Weihnachtsinseln verwandeln. Die Fahne fehlt selten in mitten des Festtagsschmuckes.

Bei der Überlegung wie wir unsere letzte Nacht einläuten, sind wir uns sehr schnell einig: ein Ausflug nach Miami muss dann doch noch sein. Aber wir wären nicht wir, wenn der nicht ganz anders aussehen würde als man erwarten sollte. Nein, nicht der glitzernde, bekannte Teil der südlichsten Metropole der USA ist unser Ziel, sondern eine Ecke, wo es erstens nichts wirklich zu sehen gibt und sich außerdem die meisten Fremden gar nicht hintrauen, weil der Gegend der Ruf der Gefahr vorauseilt: Little Havanna, das kubanische Viertel. Nach einem Blick auf den verwirrenden Stadtplan setzen wir uns ins Auto und düsen mal eben 23 Meilen quer durch den Großraum Miami zum Abendessen. Den größten Teil der Strecke fahren wir einen 14spurigen Highway Richtung Süden. Als wir in Höhe downtown Miami sind, ist der Eindruck wirklich überwältigend: eine bunt strahlende, weiltäufige und beeindruckende Skyline mit den verrücktesten Formen von Horizont zu Horizont. Eine, zumindest aus dieser nächtlichen, etwas abgehobenen Perspektive, glitzernde und faszinierende Metropole. Aber rechts des Highways breitet sich eine andere Welt aus: Little Havanna, die Welt der Exilkubaner und anderer Latinos: ein- bis zweistöckige Häuser, auch nicht mehr beleuchtet als Tempelhof bei Nacht.

Wir waren das letzte Mal vor 13 Jahren hier, aber am Ende drehen wir in Little Havanna doch noch einige Ehrenrunden durch das Einbahnstraßenlabyrinth des weitläufigen Viertels, auf der Suche nach der Calle Ocho, bzw dem Teil der Zentralstraße des Viertels, in dem sich die Restaurants befinden. Auf langen Abschnitten der Straße reihen sich Geschäfte und Banken aneinander, die abends geschlossen sind, so dass es dort jetzt dunkel und ausgestorben ist. Und andere Teile sind ziemlich heruntergekommen und gelegentlich von etwas gruseligen Gestalten bevölkert. Das Restaurant, das wir damals entdeckt hatten, scheint es nicht mehr zu geben. Wir fürchten schon, dass unsere Tour de Force quer durch die Stadt von Misserfolg gekrönt ist, als wir am anderen Ende der meilenlangen Calle Ocho doch noch zwei Restaurants entdecken, die für uns betretbar sind. Das erste groß, hell und chic, das andere wirkt von weitem eher etwas – einfacher. Wir entscheiden uns dafür. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigt, denn es ist vollgestopft mit Kubanern und augenscheinlich das Authentische von Beiden. Relativ gemütlich, ein bisschen in die Jahre gekommen. Die Tagesempfehlungen sind leider bereits restlos ausverkauft. Aber wir bekommen wunderbares Ceviche (roher in Zitronen-Koriander-Marinade eingelegter Fisch) und Avocado-Salat als Vorspeise, danach ein leckeres Hühnchengericht und frittiertes Schweinefleisch mit Kochbananen und gelbem Reis. Mehr paßt nicht rein, außer den Mojitos… Die Leute sind sehr angenehm, genau wie die ganze Atmosphäre. Wir sind eben doch eher latinofixiert! Ich bin glücklich mit all dem Spanisch um mich herum und fühl mich gleich ein bisschen mehr zu Hause. Keine Frage, Mentalität und Kultur liegen mir eindeutig mehr als das Amerikanische (New Orleans immer noch ausgenommen). Dennoch habe ich sonst generell meine Probleme mit den Exilkubanern hier. Sie sind die erzkonservative, prokapitalistische Fraktion, die Kuba verlassen hat, um sich dem amerikanischen System anzubiedern, das Kuba seit vielen Jahren mit seinem Embargo bluten läßt. Aber das lasse ich heute Abend mal beiseite. Wir fühlen uns prima. Und vor der Abfahrt kaufen wir uns an der Verkaufsluke hinter dem Haus noch zwei Café cubano zum mitnehmen. Wir haben ja eine Mikrowelle…und morgen früh ordentlichen Kaffee vor dem Laufen…

Für die Rückfahrt wählt Miki den Umweg durch die Stadt, am Hafen vorbei, dem bekannten Biscayne Boulevard entlang zum historischen Art deco- Viertel, wo das Nachtleben tobt. Grell, bunt, laut, die durch unzählige Fotos und Bildbände bekannten Hotels und Restaurants erstrahlen in allen nur denkbaren Neonfarben. Es ist toll anzusehen, aber wohnen möchte ich hier in der Nähe wirklich nicht. So erweisen wir am letzten Abend doch noch Miami unseren Gruß bevor wir totmüde in unser schönes, ruhiges Hotelbett fallen.

Tja, inzwischen sitzen wir 11 km Höhe über dem Atlantik im Flugzeug, das uns dem Alltag und dem deutschen Winter entgegenbringt. Rund 2500 Meilen USA liegen hinter uns, viele Eindrücke, Erlebnisse und Erinnerungen. Hier, im Niemandsland über den Wolken, geht mir vieles durch den Kopf. Und eins ist schon jetzt ganz klar als Fazit dieser drei Wochen on the road: Die USA sind für mich immer mal wieder ein spannendes Reiseziel. Vor allem die unglaublichen Landschaften, die dieses Riesenland zu bieten hat, die großartige, fremde Natur, die es so in Europa nicht gibt, dieses Gefühl von Weite, die werden immer wieder eine Faszination für mich haben. Und einige wenige Städte auch, aber nicht allzu viele. Ein Teil meiner Seele wohnt immer noch in New Orleans. Aber ansonsten gibt es hier sehr, sehr vieles, was mich irritiert und sogar abstößt. Der american way of life ist mir fremd und wird es mir immer bleiben. Jedesmal fühle ich mich hier mehr als Europäer. Und ich hoffe inständig, dass sich Europa und unsere Gesellschaft in Deutschland nicht immer mehr dem Modell Amerika angleicht. Es ist schade, dass unsere spannende Reise zu Ende ist, aber ich freue mich auf Europa. Wäre nur für Berlin nicht Schneeregen angekündigt und ich könnte ein bisschen Florida-Sonne mitnehmen. Und eine Palme vielleicht ….

Zur Bildergalerie Florida

14 Welcome to Hollywood Beach

Jaaa! Und zum Schluss nun doch nochmal Urlaub im Paradies! Seit vorgestern sind all unsere Engel wieder bei uns. Aber der Reihe nach…

Mit zwei Strandstunden in Vanderbuilt Beach nördlich von Naples haben wir uns gebührend vom Golf verabschiedet, der war unbestritten das Beste auf diesem (Mittel-)Teil der Reise. Dann sind wir noch mal durch den super cleanen, totlangweiligen Ort Vanderbuild und das ebenso künstlich wirkende Naples gefahren. In den letzten Tagen waren wir ungewöhnlich auf uns allein konzentriert, denn die Menschen hier – wenn man sie überhaupt trifft, sind alle ganz anders gewesen als die in den klassischen Südstaaten Texas und Louisiana, wo mir wirklich die warme, ehrliche Freundlichkeit und Offenheit das Herz gewärmt hat. Da hat man leicht Kontakt gefunden und sich oft unterhalten. Hier in Nord-/Mittel-/Westflorida, wo die Menschen übrigens Wert darauf legen, keine Südstaatler zu sein, war das menschliche Klima anders. Wenn freundlich, dann eher so dieses typisch amerikanische geschäftsmäßige Grinsen, das nicht in den Augen ankommt. Und neugierige Offenheit ist uns auch nirgends groß begegnet. Im Nachhinein denke ich fast, wir hätten zwei Tage mit steifem Bein nach Südflorida durchfahren sollen. Andererseits war es aber auch doch interessant und schön, auch wenn es mir oft klargemacht hat, was ich alle an Amerika nicht mag.

Am Nachmittag sind wir über den Tamiami Trail von der Westküste durch die nördlichen Everglades und Indianergebiet an die Ostküste gefahren. Es war eine sehr schöne Fahrt im gelben, schrägen Nachmittagslicht durch das von kleinen Wäldern durchbrochene weite Marschland. Wir haben viele tolle Vögel gesehen, vorallem Reiher aber auch einiges Federvieh, das ich nicht benennen kann. Am frühen Abend haben wir Miami erreicht: ein glitzerndes Lichtermeer, die Autokarawanen auf der teilweise 10spurigen Autobahn mit ihren Scheinwerfern, ließen einen ein bisschen an das Szenenbild in einem dieser Future-Filme denken.

Wir hatten uns vorgenommen, nördlich von Miami Beach, in Hollywood Beach, nach einer Unterkunft zu suchen und notfalls noch weiter nördlich in Dania ins Motel 6 zu gehen. Denn erstens ist Miami teuer, zweitens aoft schmuddelig und laut. Miami Beach selbst ist toll für einen Spaziergang, um sich die hübschen Artdekohäuser an der Starndpromenade und all das verrückte rummelige Treiben anzusehen. Oder abends im kubanischen Viertel an der Calle Ocho Essen zu gehen. Aber es ist auch nicht gerade ungefährlich dort und alles in allem, verhieß uns Miami selbst zu viel Halli Galli. Wir hatten uns im Internet ein paar Adressen herausgesucht, aber nichts gebucht, weil wir lieber erst mit eigenen Augen schauen wollten wo wir unsere letzten Tage verbringen– aus Schaden wird man klug und wir sind schon mal übel `reingefallen. Ehrlich gesagt, haben wir mit einer längeren, nervigen Suche gerechnet. Aber nein- wir haben gleich eine der Adressen gefunden, direkt am Strand und – es ist super! Ein Hotel + Hostel. In mehren kleinen Gebäuden, die durch hübsch bepflanzte, offene Gänge mit Bänken und Tischen verbunden sind. Unser Zimmer ist toll! In blassgelb und-blau, mit witzigen originellen 50ies Surferpostern und einer hübschen Metallkunstkollage an den Wänden, hellen Steinfliesen statt ekligem Teppichboden, zwei gemütlichen Couchen. Und das alles für unter 50 Euro. Man kann eine voll ausgerüstete Gemeinschaftsküche benutzen, umsonst Strandstühle, Handtücher, Strandtenniszeugs ua.und sogar ein paar olle, aber funktionierende Fahrräder benutzen. Eine wirklcih nette Athmosphäre. Und das beste: bis zum Strand sind es 50 Meter!

Der Strand ist breit (rund 50-100m) und viele Kilometer lang, er geht in Miami Beach über, begrenzt wird er von hohen Palmen. Die breite Strandpromenade mit Rad- und Skaterspur führt an unzähligen Restaurants und Hotels vorüber, es ist alles sehr hübsch anzusehen. Klar, ein reines Strandparadies, nicht das echte Leben, aber es ist ein nettes Fleckchen und noch dazu nicht so überlaufen und überdreht wie Miami. Genauer werde ich das alles im anstehenden nächsten „runners special“ erzählen, denn diese specials sind nicht nur für Läufer interessant, sondern es sind all die Dinge darin beschrieben, die wir im Laufschritt entdecken und erleben.

Und dann kam für uns hier noch ein echter Hit dazu: keinen Kilometer entfernt, also in Laufnähe (und das in Amerika!) liegt unser Lieblingsrestaurant aus alten Tagen, Le Tub! Es sieht aus wie vor 13 Jahren, nichts hat sich verändert. Es liegt nicht am Strand, sondern Bayside. Das heißt, parallel zum Meer fließt hier 150-250m landeinwärts ein Fluß, der sich zu zwei Seen verbreitert, bevor er später, weiter nördlich, ins Meer fließt. Und an seinem Ufer liegt das Restaurant, etwas versteckt mit einem schönen schmalen Holz-Dock. Man sitzt dort unter tropischen Bäumen am Wasser. Am tag kann man die Eidechsen, Camäleons und Vögel an den Bäumen und Sträuchern beobachten. Abends ist das Wasser von Unterwasserscheinwerfern stellenweise beleuchtet, so dass man jede Menge Fische sieht. Gleich am ersten Abend sehen wir richtig beeindruckende Burschen und einige ganz besonders schöne, ungewöhnliche Fische. Sie sind ca.20 bis 30cm lang, ganz dünn, haben lange Mäuler wie Nadeln, sie sind durchsichtig und haben Leuchtstreifen. Wow, das kommt gut! Romantisch und spannend. Und – es gibt sehr leckeres Essen!

Da mußte ich mir gleich mal einen kleinen Margarita-Schwips andröseln vor Begeisterung. Übrigens ist die Bevölkerung hier wieder ganz anders: hier leben unheimlich viele Kubaner und Latinos (es wird fast mehr spanisch als englisch gesprochen, und es gibt ganz viele spanischsprachige Sender mit guter Musik!) und sehr viele Afroamerikaner. Gute Mischung, zumindest, was so die vorherrschende Mentalität betrifft, die ist nämlich sehr fröhlich und offen. Ansonsten ist das aber auch nicht immer so ganz unproblematisch.

Am ersten Morgen dann machen wir noch eine gute Entdeckung. Man kann zwar überall an der Strandpromenade frühstücken, aber oft relativ teuer und nicht immer gut. So haben wir uns für Bayside entschieden. Rund 300m vom Hotel gibt es es italienisches Café. Auch hier sitzt man am Wasser. Und es gibt, endlich, nach etlichen Entzugs-Tagen, richtig guten Espresso. Als das gutaussehende Sonnenscheinchen, das unser Kellner ist, dann das Frühstück bringt, flippe ich fast aus: richtiges Baguette, echter Käse, nicht diese gelbe, geschmacklose Masse, frisches Gemüse, guter Schinken! „Richtiges Essen!“ Ich habe nämlich langsam, aber sicher das ewige Matsch-Brot und die pampigen Sandwiches satt, und immer nur Eier und Kartoffeln essen kann ich auch nicht. Also – tutto bene, molto bene, Beate ist glücklich.

Also, Verpflegung gesichert, erholsame Stunden am Strand auch. Er ist zwar einigermaßen gut besucht, aber nicht allzu voll, denn jetzt zwischen Thanksgiving und Weihnachten machen nicht so viele Leute Urlaub. Und der Atlantik strahlt nicht nur wunderschön hellblau, sondern ist auch noch angenehm warm! Seltsamerweise viel wärmer als der Golf von Mexiko. Ach ja, überhaupt herrschen hier nun endlich auch richtig hochsommerliche Temperaturen, sogar spätabends kann man in Sommersachen draussen sitzen. Das hatten wir in diesem Urlaub nur die ersten drei Tage, aber auch da nicht so warm wie hier. Ach, kann November schön sein!

Zur Bildergalerie Florida

12 Florida Westcoast

Clearwater, Florida, Westcoast. Welthauptquartier der Scientology-Sekte. Und ansonsten eine von vielen größeren amerikanischen Städten – will sagen, nichts besonderes. Das Stadtgebiet geht nahtlos über in das südlich gelegene Saint Petersburg und Tampa, auf der anderen Seite der Bucht. So gesehen eine Stadt ohne Ende oder ohne Grenzen, wie man lieber will. Jede der drei Städte hat eine downtown mit ein paar obligatorischen Wolkenkratzern und endlose Wohn-und Gewerbegebiete. Und wenn ich hier schreibe „endlos“, dann wissen wieder nur Menschen mit Amerikaerfahrung, die über New York hinausgeht, von welchen Dimensionen ich da rede.

Ok, Amerika ist ein großes Land und man kann sich leisten, großzügig und großräumig zu bauen. Aber so weitäufig, dass letztendlich große Bereiche des Landes völlig zersiedelt sind und man Stunden braucht, um in einer Durchschnittsgroßstadt von A nach B zu kommen, das ist irgendwie absurd und macht in meinen Augen wenig Sinn. Es lässt nirgends das europäische Gefühl von Ortschaft oder Stadt aufkommen. Beim ersten und zweiten Mal hier fand ich das ja zumindest noch kurios und „boah eh“, aber inzwischen finde ich es nur noch anstrengend und totlangweilig, Weil es da auch einfach nichts zu sehen gibt ausser weitläufigen Gebäuden, Parkplätzen und wieder Gebäuden. Dazwischen – nichts. Bei vielen dieser Städte gibt es nicht mal ein Stadtzentrum. Alles wirkt so isoliert, bezugslos.

Clearwater vorgelagert ist eine lange Halbinsel: Clearwater Beach. Eine lange Straße führt von einem Ende zu anderen, hier sind überwiegend kleinere Häuser, oft sogar Einfamilienhäuser, aber auch ein paar große Hotels und Appartmenthäuser. Das sieht schon alles etwas netter aus. Und hier gibt es auch endlich mal mehr als ein kleineres Restaurant, man kann sogar draußen sitzen, sehr erfreut. Nach unserer Nacht im Gruselkabinett genießen wir ein üppiges Frühstück in einem solchen Restaurantgarten und fühlen uns gleich besser. Wir fahren ein bisschen weiter und genehmigen uns zwei entspannte Stunden am Strand. Das Wetter ist herrlich, 24 Grad und ein frisches Windchen. Aber einige hier tun so, als ob gleich der Winter ausbricht und sitzen mit Anoraks und Wolldecken in der Sonne. Wir in Badesachen. Ich mache einen schönen Strandspaziergang, Miki lieber ein Nickerchen in den Mini-Dünen. Es gibt so tolle Muscheln hier! Auch weiße und schwarze Korallenstücke liegen im Sand. Das Wasser des Golfs ist ziemlich herbstlich frisch, aber wir sind uns natürlich unserer Verantwortung gegenüber unseren im nebligen Berlin frierenden Landsleuten bewußt, und gehen –als Einzige- baden, auch wenn´s erstmal eine kleine Überwindung ist. Aber einmal im Wasser, ist es richtig schön und gar nicht so kalt. Das Wasser ist helltürkis und wunderbar klar. Über uns kreisen Möwen und hin und wieder Pelikane. Mit ihrem eingezogenen Hals und dem langen, hohen, aber spitzen Schnabel sehen sie aus wie kleine Kampfjets. Plötzlich saust so ein Kampfflieger schnurstracks auf mich zu. Ich dachte schon, der hält mich für sein Riesen-Sushi, aber letztendlich stürzt er sich ein paar Meter weiter kopfüber in die Fluten und kommt mit einem anderen zappelnden Fisch wieder heraus. Ganz schön groß, diese Pelikane. Und wenn die so dasitzen und einen giftig anstarren, flößt das durchaus Respekt ein.

In einem netten kleinen Café verdrücken wir noch ein reichlich belegtes, gegrilltes Cuban Sandwich und ab geht´s, über die lange imposante Brücke quer über die große Tampa Bay mit Ziel Tampa. Heute ist der Tag nach Thanksgiving, das heißt, das wichtigste Einkaufswochende vor Weihnachten beginnt und zwar mit dem Black Friday. Alle Shopping Malls geben an diesem Tag Superrabatte. Und da wir immer noch heftig unterversorgt mit Hosen und Shirts für die kühlen Abende sind und Miki sowieso nur im Urlaub zum Einkaufen bereit ist, wollen wir noch eben in die International Mall in Tampa. Allerdings stellen wir bald fest, dass die eigentlich nicht so unser Umfeld ist: Gucci, Armani – Guess gehört noch zu den Billigläden. Und wir sehen mit unseren labberigen uralt Klamotten aus wie Penner in diesen Läden. Da aber einige 50-60 Prozent Rabatt geben und wir dringend etwas brauchen, bleiben wir doch und finden sogar ein paar Jeans. Inzwischen ist es 21.30 Uhr. Oh, oh, ich sehe schwarz für ein nettes Abendessen.

Wir hatten vor, ein einfaches, aber supergutes Sushi-Lokal im Norden der Stadt zu suchen, das ich mit meiner Freundin vor…17 Jahren entdeckt habe und wo wir ein paar Jahre später noch einmal, auf Reisen mit unseren Kindern, sehr lecker gegessen haben. Wir düsen quer durch die Stadt – hier kennen wir uns wenigstens noch ein bisschen aus und Miki macht das super. Um zehn nach zehn sind wir da – und es ist tatsächlich noch offen. Es sind aber keine Gäste mehr da und alles ist schon weggeräumt, aber: ein Wunder! Man erinnert sich tatsächlich noch an uns (allzu viele Deutsche hat´s offensichtlich noch nicht hierher verschlagen) und wir dürfen Platz nehmen und bekommen alles, was wir wollen. Es entsteht ein sehr lustiges Gespräch über alte und neue Zeiten mit allen, die hier arbeiten. Wir essen phantastisch und kaufen noch jeder ein witziges T-Shirt, das auch die Staff vom „Ichiban“ trägt: auf dem Rücken steht: Sushiholic. Das passt. Wir sollen es sofort anziehen und alle klatschen und lachen sich halbtot. „Welcome to the club!“ Es ist wirklich ein fröhlicher Tagesabschluss!

Allerdings haben wir noch gute zwei Stunden Fahrt vor uns, denn unser nächstes Ziel und Motel ist Fort Meyers. Um viertel nach eins nachts erreichen wir die Stadt und nach einer angespannten halben Stunde haben wir es sogar (schon!) geschafft, unser Days Inn zu finden. Ein ordentliches sauberes Zimmer!!!! Man sollte nicht glauben, wie glücklich das uns macht, nach drei schmuddeligen Nächten inklusive des letzten Drecklochs! Als wir endlich zur Ruhe kommen ist es halb vier.

Am nächsten Tag steht ein Ausflug nach Sanibel Island auf dem Programm. Diese Insel ist zwar eine von vielen vor der Westküste, aber insofern etwas besonderes, weil sie und die anschließende Nachbarinsel Captiva in Ost-West-Richtung verläuft, während alle anderen von Norden nach Süden ausgerichtet sind. Das hat zur Folge, dass es hier unglaublich viele, und zum Teil seltene Muscheln gibt, angeblich sind nur noch zwei Inseln in Afrika und Asien ähnlich ergiebig. Der größte Teil der Insel ist Naturschutzgebiet, der Rest mit feinen, teuren Villen bebaut, die an der Hauptstrasse stehen, aber größtenteils den Blicken Fremder durch die dichte Vegetation verborgen sind. Hauptsächlich wachsen hier Palmen und Mangroven. Die Strände sind wunderschön und da sie so lang sind, findet man immer auch einsame Plätze. Wir entscheiden uns für Bowmen´s Beach. Am Strandzugang selbst ist es ziemlich voll, aber schon 500m weiter sind kaum noch Leute. Wir haben ein Strandstück ganz für uns allein, nur gelegentlich kommt ein muschelsammelndes Exemplar Mensch vorbei. Es liegen wirklich Millionen von Muscheln am Strand, ein wunderschöner Anblick. Um allerdings besondere Exemplare zu finden, muss man wohl ganz früh kommen, bevor die Heerschaaren von Sammlern alles abgrasen.

Am späteren Nachmittag wird es wie immer zu kühl und wir sehen uns aus dem Auto noch die Nachbarinsel an und trinken einen Kaffee. Aber hier sind die Reichen unter sich, alles ist völlig überteuert (zwei große Espresso kosten 8,60 Dollar).

Da man mit den langen Abenden in Orten wie Fort Myers eigentlich nichts anfangen kann, wollen wir nochmal in eine Outlet-Mall, für die hier geworben wird, wie gesag,t vorallem Mikis Garderobe bedarf dringend einer Verjüngungskur. Wir sehen wohl auf dem mickrigen Stadtplan, dass es eine ganze Ecke zu fahren ist und haben ja auch so unsere Erfahrungen, was Entfernung hier heißt. Aber was wir dannn erleben, ist unglaublich. Alles ist so weitäufig und auswechselbar, dass wir uns völlig verirren, auch fragen hilf nichts, hier kann keiner was erklären. Wir sind letztendlich gut und gern 80km durchs nächtliche Fort Myers gefahren – alles sah gleich aus. Immer dieselben sechsspurigen Straßen ohne Fußwege, keine Fußgänger, ein paarmal dachten wir, die Stadt sei längst zu Ende, weil zwischendurch einfach nur Pampa war. Eine Alptraumstadt! Hier möchte ich niemals wohnen. Man ist völlig isoliert, jeder Restaurantbesuch wird zur Reise. Soziale Begegnungen muß man ausdrücklcih arrangieren, denn Gegenden, wo man sich trifft oder einfach nur herumläuft, gibt es nicht. Die Menschen haben ein Haus, wo sie wohnen, einen Arbeitsplatz und ansonsten sitzen sie im Auto.

Wir wollen eigentlich überhaupt nicht mehr in die Mall, aber wenigstens noch ein passables Restaurant irgendwo finden, bitte, bitte. Aber plötzlich sehen wir die Mall neben dem Highway. Aber was sage ich – es ist keine Mall wie ich sie kenne – ein großer Gebäudekomplex, der ein paar Kaufhäuser und viele Geschäfte beherrbergt- sondern eine ganze Shopping-Stadt! Wir haben sowas noch nie gesehen!! Die untereinander verbundenen Outlet-Tempel inklusive Restaurants und unendliche Parkplätze erstrecken sich auf dem Areal einer deutschen Kleinstadt. Der totale Irrsinn! Eine ganze Stadt nur zum Einkaufen! Das ist der Gipfel einer pervertierten Konsumgesellschaft. Millionen leben in Slums, kaum jemand hat eine Krankenversicherung, Bildung ist Luxus und dann das hier! Für diese Ansicht lasse ich mich gern auch Moralist nennen, ich kann nicht anders. Die Lust am Shopping ist uns eigentlich vergangen. Aber immerhin finden wir ein mexikanisches Restaurant und essen richtig leckere Fajitas! Das rettet den Abend. Danach schaffen wir die knappen 40km Heimweg tatsächlich ohne uns zu verirren. Es soll wirklich keiner sagen, dass wir hier nichts erleben!

Zur Bildergalerie Florida

11 On the Road Again: Louisiana – Florida

On the road again –diesmal tagelang, in Etappen, Richtung Miami. Vor drei Tagen haben wir uns von der swinging city verabschiedet, diesmal ist mir der Abschied verdammt schwer gefallen. Aber immerhin hatten wir noch einen richtig schönen letzten Tag. Noch einen kleinen Abschiedslauf mit etwas veränderter Route durch das morgendliche New Orleans, ein leckeres und reichliches Frühstück in Anita´s Grill, eine kleine Bummel- und Einkaufsrunde durch das French Quarter auf der Suche nach Gewürzen und als tröstlicher Abschluß Cajunpasta bei Coop´s. Als die Sonne über der Stadt untergegangen war, haben wir uns in unser großes weißes Auto gesetzt und nach Westen aufgemacht.

Noch einmal für ein paar Stunden links und rechts vorbeifliegende Sümpfe über zwei Staatsgrenzen hinweg: Mississippi und Alabama. Dabei auch die Fahrt durch das Pascagoula-Gebiet. Der Legende nach hört man hier immer noch das Weinen von tausenden Indianern des gleichnamigen Stammes. Sie wurden vom weißen Mann gejagt und besiegt, und um ihm nicht in die Hände zu fallen, hat sich der ganze Stamm in die Sümpfe gestürzt und ist ertrunken. Es ist ein großes, abfallendes Sumpfwaldgebiet, das man vom Highway aus sieht und irgendwie ist das eine ziemlich gruselige Vorstellung. Ansonsten erinnere ich mich von früheren Reisen, dass die Städte an der Strecke, Biloxi, Bay St. Louis und Mobile nicht wirklich viel Sehenswertes zu bieten haben. Bis auf so ein Kriegsschiff in Mobile – das reizt mich nun so gar nicht. Mag ja politisch nicht korrekt sein, aber bei mir kommen im Zusammenhang mit Mississippi und Alabama immer vorallem die Assoziationen Tom Sawyer und Ku Klux Klan…

Rund dreieinhalb Stunden später sind wir in Florida. An der Grenze ist inzwischen ein nagelneues, völlig überdimensioniertes Welcomecenter gebaut worden, allein die Anzahl der Toiletten wäre für mehrere Busladungen gleichzeitig geeignet, der weitäufige Parkplatz ist in Flutlicht getaucht, von bewaffneten Guards bewacht und über allem schwebt auf einer geschwungenen Konstruktion ein blauer „US-Navy“-Kampfjet, daneben die unvermeidliche Sternenflagge. Ich fühl mich eher unwohl bei dem Anblick als beeindruckt. Naja…gleich nebenan in Pensacola ist eine große Militärbasis. Proud to be american…Das völlig ungebrochene Verhältnis zum Militär und seinen heldenhaften Kampfeinsätzen werde ich wohl auch nie verstehen.

Wir übernachten in Pensacola in einem Motel 6, früher ziemlich clean, jetzt ein bisschen abgetakelt. Aber immerhin mit erhebendem Anblick als wir morgens die lichtundurchlässigen Vorhänge öffnen: GOD BLESS AMERICA ( plus Fahne) prangt da auf einer Werbe – Tafel in Größe eine Einfamilienhauses. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Wir frühstücken im Seville Quarter wie die Altstadt hier heißt (alles relativ, so alt ist sie nun auch nicht). Das Auto darf man nur zwei Stunden parken und Miki überlegt, wie das gehen soll, da wir nirgends Parkscheiben oder-uhren sehen. Da der Sheriff grade neben uns parkt, fragt er nach, ob das ein Problem ist. Und wieder lernen wir was über Hightech-Kontroll-Land: No problem! Da fährt regelmäßig ein Kontrollfahrzeug ´rum und scannt per GPS alle parkenden Autos und weiß somit ganz genau, wer wann wielange wo steht.

Danach fahren wir über eine ca anderhalb Meilen lange Brücke auf die erste der beiden großen vorgelagerten Halbinseln: Gulf Breeze und schließlich über eine zweite Brücke nach Santa Rosa Island, unser Ziel. Das ist endlos lange Insel, die der Küste parrallel vorgelagert ist. Hier gibt es einen der weissesten Strände der Welt. Ganz feiner Sand, der so strahlt, wenn die Sonne scheint, dass es in den Augen blendet und das Kameraobjektiv immer zuzieht. Der östliche Teil der Insel ist Naturschutzgebiet, hier gibt es auch die Ruinen von Fort Pickens. Aber dahin kommen wir diesmal nicht, weil die Durchfahrt dahin plötzlich acht Dollar kostet. So bleiben wir außerhalb des Naturschutzgebietes und fläzen und das erste Mal in diesem Urlaub an den Strand. Schööön, besonders bei der Vorstellung von November in Deutschland! So richtig heiss ist es nicht mehr, es sind um die 23°C und der Wind ist kühl, aber wir genießen es sehr. Am Nachmittag wird es plötzlich schlagartig kühl, das liegt an der Jahreszeit, und so flüchten wir in ein Strand-Restaurant im Zentrum der Insel und lassen uns bei untergehender Sonne mit Blick auf den Golf von Mexiko ein paar frittierte Jumbo-Shrimp schmecken. Allerdings irritiert uns einigermaßen die Beschallung: I´m dreaming of a White Christmas.

Als wir abfahren, haben sich plötzlich Bäume und Palmen in strahlend illuminierte Weihnachtsbäume verwandelt. Verrückt! 500 km liegen vor uns, wir wollen die langen Abende nutzen, um unserem Endziel Miami ein großes Stück näher zu kommen, damit wir an schönen Orten noch in Ruhe einen Stopp einlegen können. Die Universitätsstadt Gainsville im nördlichen Zentralflorida ist unser Ziel. Ich nutze die Zeit, um mit einer Stirnlampe ausgerüstet wie ein Grubenarbeiter, auf dem Beifahrersitz unsere Reisegeschichten aufzuschreiben. So vergehen die Stunden und eine kurz vor Mitternacht segeln wir in unser am selben Tage online gebuchtes Motel 6.

Hunger! Schnell setzen wir uns noch mal ins Auto, lange herumfahren wollen wir nicht, denn in Amerika kann die Suche nach dem, was man Innenstadt nennen könnte schon mal ziemlich schwierig werden. Und da Amerikaner früh essen, haben die vernünftigen Restaurants längst geschlossen, wie wir schnell feststellen. Das ist er also, der Abend ist gekommen, an dem auch wir mit einem Drivethru vorlieb nehmen müssen. Wir entscheiden uns für Checker´s, wegen der netten 50ies-Optik. Ein stirnackiger Manager nimmt unsere Bestellung auf, zwei genervte dicke schwarze Frauen bereiten unser Gourmetmahl zu: eine klatscht mit Gummibehandschuhten Händen Salat und Belag auf das Schwabbelbrot – mit Blick auf die über ihr hängende bildliche Anweisung, wie´s geht, die andere füllt ebenso nach der aufgemahlten Füllmenge Eis/Cola unsren Becker. Klatsch auf die Durchreiche, fertig. Ich erspare Euch unsere glücklich kauenden Gesichter. Zum Glück haben wir noch etwas Tequila im Gepäck, das verhindert schlechte Laune.

Am nächsten Morgen verbringen wir wieder etliche Zeit im Auto, wir wollten eigentlich bei einem wunderbaren Ort Pause machen: dort speisen Süsswasserquellen mitten im Sumpfwald knallig türkise Wasserlöcher, in denen man an einer Stelle sogar baden darf, wenn man Glück hat, schwimmt man neben einer netten, gemütlichen Seekuh. Bei letzten Mal allerdings bin ich dort ahnungslos neben einem großen Alligator geschwommen. Ein paar Typen haben es mir vom Ufer zugerufen, aber das habe ich für einen dämlichen Witz gehalten und bin seelenruhig weitergeschwommen. Am Ufer hat mich Miki dann gefragt, ob ich den fetten Gator gesehen habe… der Schock saß. Da wollen wir hin, weil es wunderschön dort ist. Irgendwo bei Crystal River.

Wir finden es nicht gleich, machen dafür aber erst einen Stopp in einem Schutzgebiet an einem traumhaften, aber gefährlichen See, in dem sich tatsächlich ein riesiger alter Alligator sonnt. Aus sicherer Entfernung beobachtet von einem blue heron, einem Reiher. Anschließend hängen wir noch einen sehr schönen, einsamen Spaziergang auf einem birding nature trail im state park dran. Gut drei Kilometer Wildnis, keine Menschenseele, dafür in ein paar kleine Gator in einem Sumpfloch und ein paar lustige Gürteltiere. Die giftige Cottonmouthschlange und ihre Freundin, die schwarze Klapperschlange, vor denen die Schilder warnen, bleiben uns erspart. Puh. Bis dahin ist es ein schöner Tag. Dann allerdings verlässt uns das Glück und wir verbringen den Rest des Nachmittags suchend nach den Quellen, die wir nicht mehr finden. Viele sinnlose Meilen, genervt brechen wir Stunden später die Suche ab, denn wir wollen Abends noch bis Clearwater an der SüdWest-Küste. Außerdem ist Thanksgiving und soviel Amerika muß sein, dass ich darauf bestehe, auch den traditionellen Turkey essen zu wollen. Das ist hier schließlich ein superwichtiger Feiertag. Und ich möchte ein nettes Restaurant.

Also fangen wir noch vor sechs an an zu suchen, da wir wissen, hier gibt´s ab acht kaum noch was zu essen. Aber das klingt so einfach: ein sechsspuriger Highway, immer geradeaus, immer dieselben Tankstellen, Ketten etc.pp. da muß man schon viel Glück und Adleraugen haben, um die wenigen versteckten anderen Restaurants zu entdecken. Einmal halten wir an, aber der Laden sieht so trostlos aus, das jede deutsche Kantine mithalten kann. Langsam wird es knapp: es ist halb acht. Viertel vor acht betreten wir in ein halbwegs erträgliches Familienrestaurant, gerade noch zur rechten Zeit. In verschiedensten Brauntönen gehalten, groß, ohne Tischdecken oder etwa Blumen. Die meisten Feiertagsgäste haben sich sogar chic gemacht, aber von festlich kann man wirklich nicht sprechen. Zumal die hier Versammelten fast alle unter Geschmacksverrenkung leiden. 60jährige Frauen in Leggings mit kurzem T-Shirt, die Golden Girls im Glitterlook, Papa im Anzug, der eigentlich mal ein Schlafanzug werden wollte, ein paar Westernhemden usw. Während der Boden des Nebentisches schon gestaubsaugt wird und auch sonst das große Putzen begonnen hat, bekommen unser Truthahn-Dinner…– immerhin es sättigt.

Irgendwie hatten wir uns das mit unserem Thanksgiving-Abend etwas anders vorgestellt. Nennen wir es halt eine weitere Milieustudie. Aber unsere Pechsträhne ist noch nicht beendet. Nach weiteren Stunden auf immer dem gleichen endlos geradeausführenden Highway mit exakt immer demselben ermüdenden Desfile von Kinoleinwandgroßen Reklametafeln für alles und jedes: Schmierig grinsende Anwälte, die gegen böse Chefs klagen wollen oder eine besonders aggressive Prozeßführung im Scheidungsfalle versprechen, Chirurgen, die alles ganz ohne Klinge und Nadel erledigen, Schlankheitsinstitute, bei denen man bei einem einmaligen 100-Dollarbesuch 5 kg abnimmt oder Waffenhändler, die darauf hinweisen, dass es zweierlei Menschen gibt: Opfer und Waffenbesitzer. So könnte ich das noch eine Weile weiter fortsetzen, manches klingt wie boshaft ausgedacht, aber leider habe ich all das und noch viel mehr gelesen. Neben den üblichen Produkt-und Unternehmenswerbungen, vor allem auf für Restaurants. Zu dem Thema ist mir in den letzten Tagen immer wieder durch den Kopf gegangen, dass sich hier inzwischen eine ganz andere gesellschaftliche Norm hinsichtlich der Ästhetik entwickelt haben muß, angesichts von Millionen extrem Übergewichtiger, die ungehemmt Berge verschlingen, obwohl sie ihre Beine nicht mal mehr tragen und die auf kleinen Wagen durch die Gegend fahren müssen. Wo sonst in der Welt könnte man Restaurantreklame machen für „Fat Boy´s Yummie Paradies“ oder „Fat Daddie´s Foodbowl“? Da läuft doch was falsch, oder? Damit will ich auf keinen Fall Menschen zu nahe treten, die von Natur aus Gewichtsprobleme haben, aber das hier, das geht einfach gar nicht. Wer noch nicht hier war, kann sich das einfach nicht vorstellen. All solche Gedanken kommen mir bei unserer ermüdenden stundenlagen Nachtfahrt.

Gegen 1 Uhr nachts sind wir dann endlich in Clearwater. Dei Stadt scheint endlos, nichts gibt einen Hinweis darauf, wo vielleicht ein Zentrum liegen könnte, oder die großen Straßen, an denen gewöhnlich die Motels und Hotels liegen. Alles sieht gleich aus – endlos, dunkel. Wir irren herum, entdecken endlich ein paar Motels, aber ein Blick in offenstehende Zimmertüren läßt uns mit Grausen weiterfahren. Dann endlich finden wir ein Budget Inn, von dem wir sogar einen Ermäßigungscoupon von 79 auf 59 Dollar haben. Der gilt aber an Feiertagen eigentlich nicht. Doch Miki diskutiert knallhart – mehr gibt unsre Reisekasse auf keinen Fall her. Wir kriegen das Zimmer. Muß mal ein netter Laden gewesen sein, sogar nachts erkennt man noch die rosa-grau gestrichenen Gebäude, die Grünanlagen, den Pool mit Palmen. Das Zimmer ist die Härteprobe: Schmierige Türen, ein nicht näher zu beschreibender uralt Teppich, kaputte, versiffte Möbel, kleine wilde Tiere und –zur Krönung schmutzige Laken. Gewaschen ja, aber mit ekelhaften Flecken. Alarm! Wir kriegen wenigstens ein Zimmer mit halbwegs sauberen Laken. Wir sind total fertig, weitersuchen schaffen wir nicht. Bloß nix anfassen oder berühren außer den Laken, mit diesem Gedanken schlafen wir ein. Der schwarze Tag dieser Reise. Jetzt kann´s nur wieder besser werden. Gute Nacht!

Zur Bildergalerie Florida