25 – Schlangen, Loris und Fledermäuse zum Abschied

Und ewig lockt der Dschungel… Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, wie könnten wir sie besser nutzen als nochmal abzutauchen ins tiefe Grün! Obwohl Großstadtkinder müssen wir nicht darüber diskutieren, ob und wieviel Dschungel noch sein muss…:-)

Night-Trekking in den Urwald! Wir bekommen ein extra Briefing, damit wir gut vorbereitet sind: unbedingt eine Kappe, falls sich Tierchen von oben aus den Bäumen auf uns fallen lassen oder Frösche auf uns zu springen. Unbedingt lange Socken über die Hosen, vor allem wegen der Blutegel. Und natürlich hat jeder seine Lampe, denn der Urwald ist wirklich schwarz bei Nacht.

Dieki hat diesmal die Führung einem Freund überlassen und macht den Schlussläufer. Der Führer ist ein echter Dschungelspezialist für die Nachttrecks. Ipol ist alles andere als ein Durchschnittstyp…eher ein schräger Freak und das findet er wohl auch ganz gut. Aber: Niemand soll hier den Wald bei Nacht so gut kennen wie er – spezialisiert vor allem auf Schlangen und Reptilien.

Ipol ist ein eher schmächtiger kleiner Mann, der schon äußerlich Aufmerksamkeit erregt. Mit Gummistiefeln und Muskelshirt bekleidet, trägt er ein großes selbstgefertigtes Messer am Gürtel: eine scharfe, ziemlich gefährlich aussehende Eisenklinge an einem Knochengriff in einem Fellschaft. Um den Hals trägt er eine Kette mit verschiedenen Knochen, Kiefern und getrockneten Köpfen von Reptilien – er sieht aus wie ein Medizinmann mit seinen langen Haaren. Aber das klingt sehr nach Show – ist es aber nur zum kleinen Teil: Der Dschungel ist seine Welt, das spürt man sofort. Er hat sein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Ipol, the Snake, arbeitet als Tierretter. Und er wird öfter als Spezialist angeheuert für Filmdokumentationen und Projekte – zuletzt für die Animal Rescuer auf Netflix.

Wir marschieren am Hotel los und sofort fängt Ipol an, die Tiere der Nacht zu suchen. Er leuchtet fast jeden Baum am Weg ab, und tatsächlich entdeckt er schon nach 15 Minuten die erste Schlange auf einem Baum. Nachdem wir eine der ziemlich wackeligen Hängebrücken über den rund 50m breiten Fluss überquert haben, um auf die Dschungelseite zu kommen, zeigt er uns alle paar Minuten Schlangen, Frösche, Chamäleons, Fledermäuse und anderes Getier in den Bäumen und Büschen, die wir wohl nie bemerkt hätten in der Finsternis mit ungeübtem Blick.

Als besonderen Vorführgag steckt Ipol sich eine zusammengerollte Viper in den Mund und lässt sie wieder herausschlängeln – ich kann´s nicht fassen, mir graust es. Er lacht und auf meine Frage, ob die Viper nicht giftig sei, antwortet er: Yes, but not so much!  Und grinst. Aber bei allem Unfug ist er wirklich ein Spezialist. Und er passt auf uns auf

Die gefährlichste und tödliche Schlange hier ist die Königskobra. Man hat nach einem Biss nur wenig Zeit, um zu überleben. Hier in der Gegend gibt es kein Gegengift – erst im 4 Stunden entfernten Medan. Vorher nur eine 1. Hilfe-Station, die den betroffenen Körperteil abbindet. Ipol weiß wovon er spricht. Er wäre vor einigen Jahren fast gestorben, als er gebissen wurde. Er konnte nichts mehr sehen, nicht mehr atmen, war bewusstlos – aber es gab nirgends das teure Gegengift. Ein beherzter Arzt hat ihm ein Stück aus dem betroffenen Arm herausgeschnitten und wunderbarer Weise hat Ipol überlebt – mit einer großen Narbe als Andenken.

Also – auch wenn es zuerst nicht den Anschein hat bei seinen Mätzchen, wird sehr schnell klar, dass er die Gefahren ernst nimmt und sehr genau schaut, wenn er vor uns durch den schwarzen Dschungel streift. Und er sieht alles! Wir profitieren davon. Wir treffen unterwegs eine andere Gruppe, als wir uns während eines Regengusses unterstellen müssen, die hat kaum etwas gesehen. Wir haben zu diesem Zeitpunkt bereits 22 Schlangen gesehen, ein paar FröscheEidechsen, Geckos und ein Chamäleon bewundert. Die Orang Utan schlafen allerdings nachts oben in ihren Nestern in den Baumkronen. Die anderen Affen haben sich auch unsichtbar gemacht. Es ist ein verrücktes Gefühl – man ist in der absoluten Dunkelheit, sieht nur, was man anleuchtet, aber da ist der Sound des Dschungels, der Geruch und die absolute Gewissheit, dass man niemals allein ist.

Mein größter Wunsch war es, Loris zu sehen, diese katzenartigen Halbaffen mit den riesigen, im Dunklen leuchtenden Augen. Ipol sagt, dass das nur noch selten klappt, weil sie sich tief in den Dschungel zurückgezogen haben. Grund dafür ist, dass es einen Markt für die possierlichen Lori-Jungen gibt, die manche Leute als Haustier haben wollen. Ein business … Die Jäger knallen die Mütter ab, um an die Jungtiere zu kommen, der Schwarzmarkt blüht….

Es ist schon spät, als Ipol plötzlich doch ein Lori hoch oben in einer Baumkrone entdeckt. Ohne seine Augen könnte man es kaum sehen. Wenn es in unsere Richtung schaut, ist es, als würden zwei kleine Scheinwerfer eingeschaltet! Unglaublich. Die Loris bewegen sich extrem langsam. Da wir es einmal entdeckt haben, können wir auch seine eigenartige Art sich fortzubewegen erkennen. Ich bin total glücklich! Mein Traum: Ich habe ein Lori gesehen! Alle sind happy, Ipol ist stolz!

Nach rund vier Stunden machen wir uns auf den Rückweg. Aber Ipol nimmt uns vorher noch mit zu seinem Haus im oberen Dorf, um uns eine Kobra zu zeigen, die er gefangen hat.  Alle im Dorf kennen den Schlangenmann und seit er hier ist, erschlagen sie die Tiere, die sich aus dem Urwald hierher verirren, nicht mehr, sondern holen ihn. Er fängt die Tiere und setzt sie dann wieder im Dschungel aus. Das neuste Fundstück hat er in zwei dicken Plastiksäcken eingesperrt. Er lässt die wütende Kobra auf der nächtlichen Dorfstraße frei, damit wir sie sehen können. Stinksauer zischt sie und richtet sich auf! Unheimlich! Aber geschickt fängt Ipol sie wieder und sie verschwindet im Sack. Puh.

Es ist nach Mitternacht, als wir wieder in unsrem Zimmer sind. Noch ein kleines Weilchen auf dem dunklen Balkon dem Sound des Dschungels lauschen und alles revue passieren lassen… So ein spannender Abend!

Unser letzter Ausflug führt uns zur Fledermaushöhle, Bat Cave, die auch im Dschungel liegt, aber nicht sehr tief. Eine knappe, schweisstreibende Stunde zu Fuss, zunächst durch das Dorf, das sich endlos am Fluss entlang schlängelt. Wieder einmal wundere ich mich, dass bei den schmalen Wegen, die das Dorf durchziehen, nicht mehr Unfälle passieren. Ewig brummen die Motorräder hier entlang, mitten durch spielende Kinder, Hühner, Katzen, Hunde, Fußgänger. Viele kleine Restaurants hoffen auf Kundschaft – allerdings ist die Auswahl an Speisen sehr begrenzt – fast überall dasselbe Angebot. Und in vielen Auslagen steht ungekühlt das fertige Essen. 

Am anderen Ufer geht es dann weiter – durch Palmöl-Plantagen. Kurz bevor der Dschungel beginnt, indem der Höhleneingang liegt, gabelt uns ein Führer auf – der Kampf um Kundschaft ist hart , vorallem jetzt in der Regenzeit, wo es nicht so viele Touristen gibt. Da man nicht allein in die Höhlen darf, die zum Nationalpark gehören, engagieren wir ihn. Eine gute Entscheidung, er ist ein guter und sehr sympathischer Führer.

Um in die Höhlen zu kommen, müssen wir einen kurzen, aber steilen Anstieg über Felsen, Wurzeln und grobe Stufen bewältigen. Prima Chance, sich am letzten Tag noch ein Bein zu brechen. Aber alles geht gut und wir erleben noch eine spannende, nicht ganz einfache Klettertour durch die drei Fledermaushöhlen. Klaustrophobie darf man nicht haben. Es ist zum Teil stockfinster, ohne Lampe ginge nichts, aber zwischendurch fällt immer wieder man von oben Licht aus Felsöffnungen herein. Es sind herrliche Ausblicke in den Dschungel über uns.

Hunderte von Fledermäusen verschlafen hier den Tag, wie es sich für Drakulas Familie gehört. Sie flattern ein bisschen genervt, wenn man sie anleuchtet. Die Klettertour führt zum Teil durch sehr enge Spalten und über spitze Felsen, aber unser Führer zeigt genau, wo welcher Fuß aufgesetzt werden muss – das macht er super. Nur nicht einfach mit der Hand an den Wänden abstützen ohne vorher genau zu leuchten, es gibt Spinnen und Skorpione! Klingt aber gruseliger als es sich angefühlt hat. Es hat wirklich Spaß gemacht!

Eine Woche Bukit Lawang. Es ist unser letzter Abend und wir wollen mit Dieki & Friends zusammen essen. Wir haben uns gewünscht, zusammen mit ihnen in dem Restaurant zu essen, wo unser Obstkünstler Dedek kocht. Es liegt einige Kilometer entfernt am anderen Dorfende. Wieder werden wir mit den unverzichtbaren Feuerstühlen abgeholt, in diesem Falle ist es beruhigend, dass die Jungs nicht trinken. Es ist schon so ein wilder Ritt durch die Nacht. 

Wir essen Curry mit Huhn und Kokossoße, Chicken Satè mit Erdnusssoße und Gado Gado (scharfes Gemüse). Und ehrlich – es ist das beste Essen, was wir in Bukit Lawang bekommen haben! Wir bekommen sogar Bier dazu. Und wir haben jede Menge Spaß zusammen! Was für ein schöner Abschied nach einer spannenden Woche im Urwald von Bukit Lawang, Sumatra, Indonesia!

Selamat tinggal – Auf Wiedersehen!?

24 – … und ewig fasziniert der Dschungel

Schon beim Aufwachen ist der Dschungel einfach da: es riecht anders, der Fluss rauscht, die Affen sind zu hören, es ist schwül-heiss und alles ist klamm. Klingt nicht so romantisch, aber – ich liebe es. Zumindest eine Zeit lang.

Die größte Blume der Welt – ist in Sumatra zu Hause. Der Titanwurz. Eine Pflanze, bei der alles nach Superlativ klingt: die ausgewachsene Wurzel kann es auf über 100 Kilo bringen, die größte Blüte auf 3,5 Meter. Und obwohl die Blütezeit im Januar und Februar liegt, haben wir Glück – wir können sie noch sehen. Sie blüht in einiger Entfernung von Bukit Lawang, rund eine Stunde mit dem Motorrad und dann noch eine knapp dreiviertelstündige Wanderung durch den Dschungel.

Diesmal überlässt uns Diekie seinen Freunden Dedek und Kittin, er hat familiäre Verpflichtungen. Die Fahrt zum Dschungel am Fluss Lau Berkail, wo die Blume wächst, bewältigen wir natürlich auf dem Rücksitz der Motorräder. Wenn man hier irgendwohin will – abgesehen von echten Entfernungen wie nach Medan – fährt man Motorrad.

Hier allerdings würde ich auf keinen Fall allein fahren und auch nicht bei Miki auf dem Rücksitz. Zu gefährlich, zu abenteuerlich, zu halsbrecherisch sind schon allein die kleinen Wege, die unseren Ortsteil mit der nächsten Landstraße verbinden. Kaum 2 Meter breit, haben sie meist eine schmale Beton-Spur, die aber eher eine Stolperfalle darstellt, so kaputt wie sie ist. Es geht teilweise richtig steil hoch und runter und außer Passanten, spielenden Kindern, Hunden, Katzen und Hühnern teilt man die paar Zentimeter dann noch mit entgegenkommenden Motorrädern. Es ist unglaublich, dass es hier nicht mehr Unfälle gibt!

Zurück zum Thema. Eine gute Stunde dauert die Anfahrt, sie führt durch das langgestreckte Bukit Lawang und Pekan Bahorok, eine eher graue, wenig attraktive, chaotische Kleinstadt, bevor es über Schotterpisten Richtung Urwald geht. Zum Glück bemerken wir noch auf den letzten Metern vor der Wildnis, dass der Hinterreifen fast platt ist. Ein paar Meter weiter ist eine winzige chaotische Werkstatt – die Sache ist nach 15 Minuten erledigt. Das Motorrad hat ohnehin schon bessere Tage gesehen, Rückspiegel und Startautomatik sind Theorie, aber wenn man eine Weile hier ist, gibt man es auf, sich wegen solcher Dinge zu beschweren, die hier keiner versteht.

Der Weg führt durch endlose Palmöl-Plantagen. Eigentlich sehr schön anzusehen, wüsste man nicht, dass dafür tausende Hektar Urwald gerodet wurden (und immer noch werden)- unwiederbringlich- und hier nichts anderes mehr wächst und lebt. Das natürliche Biotop für die Orang Utan, Tiger, Rhinos, Elefanten und Tiger ist für immer  zerstört. Die Menschen hier sind arm, die Konzerne haben es leicht, die Bauern hacken auch noch ihre ökologische weniger schädlichen Kautschukbäume um, um das doppelte bis Dreifache zu verdienen – was immer noch ein Witz ist in absoluten Zahlen.

Unsere Fahrt endet am Ufer des breiten Dschungelstroms Lau Berkai. Hier übernimmt ein lokaler Guide die Führung. Die Ranger kennen die verborgenen Standorte der Blumen im Dschungel, die immer nur maximal drei Tage blühen. Nur sie wissen, ob und wo es noch eine Blume gibt. Wir haben großes Glück, dass es eine Blüte gibt.

Die Wanderung führt zunächst am Flussufer entlang, das noch die Spuren eines großen  Hochwassers im vergangenen November trägt – hier sprechen sie von einem Tsunami. Dann geht´s noch durch Wald und wilde Limonen- und Kautschukbäume eine Weile bergauf, bevor der tiefe Dschungel beginnt. Aber da sind wir auch schon am Ziel: Eine fast künstlich aussehende Blüte, die direkt am Boden beginnt: ein rotes Kelchblatt mit einem grüngelben hochaufragendem Laubblatt in der Mitte. Ein toller Anblick – der Aasgeruch, der sie vor Fressfeinden schützt und sie für Insekten anziehend macht, ist hier zum Glück nicht so sehr zu riechen. Aber der Anblick ist wirklich verrückt – die Blume sieht künstlich aus. Die Natur ist ein Zauberer…

Unser Exemplar ist ca 1,50 m groß, aber längst nicht so groß, wie eine alte Pflanze, die schon mal eine 5 Meter hohe Blüte haben kann. Eine alte Wurzelknolle kann über hundert Kilo wiegen. Eine Blüte bildet sie nur alle paar 3 bis 7 Jahre, sie blüht nur ein paar Tage. Toll, dass wir soviel Glück haben. Unser Guide weiß auch, dass der Berliner Botanische Garten ein Titanenwurz besitzt.

Keine Pause ohne Dedeks Fruit Special….

Bleibt der Rückweg und eine Erholungspause an einem kleinen Restaurant am Flussufer mitten im Wald, das mit einer Holzterrasse an der Böschung klebt. Auf der Rückfahrt danach gibts ein spätes Mittagessen in einem der einfachen Restaurants, Warun, von Pekan Bahorok, das Padang-Küche anbietet – sie gilt als eine der schärfsten und leckersten in Indonesien. Die Guides essen begeistert mit, es stehen verschiedene kleine Schüsseln mit Gerichten aus Huhn; Gemüsen, Fisch und Kräutern auf dem Tisch und jeder hat eine Schale Reis.

Man kann mit dem Löffel essen – oder eben mit dem Fingern, was die Jungs auch tun. Immer wieder gewöhnungsbedürftig. Es werden nicht elegant die Fingerspitzen benutzt, da werden schon die halben Finger mit Reis in die Näpfe mit Fleisch und Soße gesteckt und dann in den Mund. Völlig ok, nur für uns einigermaßen befremdlich. Wir nehmen dann doch die Löffel. Nur Miki hat ein Problem hier – er ist Linkshänder und das geht in Indonesien eigentlich gar nicht. Links ist die „schmutzige Hand“, mit der man weder isst, noch etwas gibt oder annimmt.

Als Nachtisch machen wir noch eine Pause unterwegs am Fluss bei frischer Kokosnuss-Milch und dann geht es zurück nach Bukit Lawang, unser Dorf am Fluss mit den 5 Hängebrücken. Ich mag das Dorf mit seinen engen Straßen und seinen freundlichen Bewohnern.

Hier ist das Leben zwar in vieler Hinsicht muslimisch geprägt, aber das Verbot  von westlicher kufr  Musik scheint nicht zu gelten. Die Youngsters hier lieben Blues-, Rock-, Pop- und Countrymusik! Überall sieht man sie Gitarre und Bongo spielen und dazu singen. Dedek, auf dessen Rücksitz ich heute fahre, singt die ganze Zeit laut vor sich hin. Schließlich fragt er mich, ob ich nicht mitsingen will. Wir einigen uns schließlichcauf unsere Adaption von „West Virginia“ und schmettern zu zweit bei der wilden Fahrt durch die Palmölplantagen John Denvers alten Hit zum Knattern des Motorrads. Absurd und total lustig!

Morgen ist Night-Treck in den Dschungel – wie aufregend!

23 – Das große Ereignis: Hochzeit Java Style

Es ist einfach toll, irgendwo auf der Welt Menschen zu treffen, die so ganz anders leben als man selbst und trotzdem eine Verbindung zu spüren. So geht es uns mit unseren Guides – speziell Dieki. Wir haben nicht nur das Glück, dass er ein kluger und kundiger Führer im Dschungel ist, sondern da ist außerdem viel Sympathie im Spiel, Altersunterschied hin oder her. Außer über das  Leben im Dschungel haben wir auch viel über unsere Leben geredet.

Das Leben hier in Sumatra ist anders als in Bali. Wieder eine neue fremde Welt. Wäre da nicht dieselbe Sprache, könnte es ein anderes Land sein. Was die Menschen gemeinsam haben, ist ihre ehrliche Freundlichkeit, das Lächeln, den respektvollen Umgang. Den Unterschied aber macht die Religion: Waren in Bali die meisten Menschen Hindus, ist die absolut überwiegende Mehrheit hier muslimisch.

Das wird sofort am Flughafen in Medan augenfällig und auch das Straßenbild ist ein ganz anderes, nicht nur wegen der vielen kleinen und größeren Moscheen überall. Am augenscheinlichsten wird es bei den Frauen: Fast alle tragen ein Hidjab und einfarbige Kleidung, die Arme und Beine bedeckt. Manchmal sogar schon die kleinen Mädchen. Es gibt hier auch Frauen, die den bodenlagen schwarzen Tschador tragen, der nur die Augen freilässt. Viermal am Tag wird von den Muezzin der umliegenden Moscheen lautstark Allah gepriesen.


Auf den Speisekarten steht natürlich kein Schweinefleisch und in etlichen Restaurants auch keinerlei Alkohol. In unserem Jungle Inn Guesthouse ist sogar das Trinken von Alkohol im Zimmer verboten. Das geht uns dann doch zu weit… abends auf unserem herrlichen Balkon, mit Blick auf Dschungel und den Fluss, erlauben wir ins dann doch ein eingeschmuggeltes Bier.

Dennoch wird man als Nicht-Muslim überall ganz selbstverständlich respektiert und freundlich behandelt, das soll hier unbedingt gesagt werden.
Auch „unsere Jungs“ sind Muslime, selbstbewusst, locker und souverän beantworten sie auch Fragen nach religiösen Dingen. Diese gegenseitige Sympathie ist sicher der Grund dafür, dass wir etwas Besonderes erleben dürfen: Wir werden zu Diekis Hochzeit eingeladen. Offiziell geheiratet hat er schon ein paar Tage zuvor, aber die Feierlichkeiten stehen noch aus. Also – spannend! Und… um es vorwegzunehmen, was ich nun im Folgenden erzähle – das ist mir bewusst – ist unbedarft, fehler- und lückenhaft und oberflächlich. Aber ich kann nur beschreiben, was ich sehe oder höre – bruchstückhaft. Aber es ist so ein tolles Erlebnis, dass ich es einfach weitererzählen möchte und sei es auf diese schlichte Weise.

Pünktlich halb zehn werden wir von zwei Freunden von Dieki mit Motorrädern abgeholt und zum Sammelpunkt von Dikies Familienmitgliedern – dem Restaurant seines Vaters im oberen Dorf – gefahren. Hier tummeln sich jede Menge Leute aus der Verwandtschaft: Männer, Frauen, Kinder in festlichen Kleidern – Muslimstyle. Alle warten essend, Tee trinkend und schwatzend darauf, dass es losgeht.

Nun bekommen wir kurz Dieki zu sehen, der umwerfend aussieht: Er hat wunderschöne traditionelle Kleidung an mit viel Gold, Rot, Gelb und Schwarz, die Fingernägel sind rot lackiert. Er zeigt nun doch Nerven, wirkt ganz ungewohnt ernst und wird kurz darauf, nach einem Foto im Kreise seiner Tanten, weggebracht. Nun wird ein Konvoi aus überfüllten Autos und Motorrädern zusammengestellt, in den alle hier versammelten Gäste verfrachtet werden. Los geht s ins untere Dorf von Bukit Lawang.


Hier gibt es einen großen freien Platz an der Straße – Lehmboden von einem Blechdach überdeckt: Festplatz für alle Anlässe, vor allem Hochzeiten. Bei Bedarf wird er dann von den Familien hergerichtet. Diesmal wurde er mit Dutzenden Plastiktischen und Stühlen ausgestattet und hat ein festliches Eingangsportal mit wunderschönen weißen Blumenketten erhalten, durch das später die Brautleute und ihre Familien schreiten werden. An der hinteren Wand gibt es eine lange, schmale Bühne, die Wand ist geschmückt und mit den Namen des Brautpaares beschriftet: Dieki & Kethlin. Zwei thronartige Sessel warten auf das Brautpaar, flankiert von vier weiteren Lehnstühlen. Schalen mit Blütenblättern, Reis und Räucherstäbchen stehen bereit. Alles sehr oppulent.

So ganz im Gegensatz zu dem eher super schlichten Platz mit den Tischen für die Gäste. Einfache weiße Plastiktische und Stühle und zwei improvisierte Essensausgaben, ebenfalls aus Plastikmöbeln, mit Plastiktellern und Bestecken. Ein paar Plastikblumen – das war dann auch schon alles an Tischschmuck.
Es wuselt nur so von Menschen, die meisten Gäste tragen traditionelle Kleidung, fast alle Frauenlange hellgrüne, hellblaue oder rosa Kunstseide-Kleider mit Pailletten oder Perlen, dazu das Kopftuch – manche auch ganz verhüllt in Schwarz. Aber das sind die wenigsten. Außer uns „Ausländern“ ist nur noch eine Amerikanerin eingeladen. Alle hier sind offen und freundlich zu uns, helfen, erklären, wenn wir nicht weiterwissen.

Wir dürfen auch hinter der Bühne in den „Arbeitsbereich“, wo von vielen fleißigen Frauen und einigen Männern den ganzen Tag über das Essen zubereitet wird – über viele Stunden, immer wieder Nachschub. Dutzende Frauen sitzen auf Planen am Boden und schnibbeln Kräuter und Gemüse, machen Salat, andere kochen, die Männer schüren das Feuer und tragen schwere Sachen herum.

Drei Kühe wurden gekauft – ein sehr besonderes Essen, denn Rindfleisch ist für die Menschen hier ein Luxus. Es gibt geschmortes Rindfleisch, Gemüse, Reis, Suppe, Krupuk und einen sehr leckeren Obstsalat mit frischem Chili – alles auf einem Teller, dazu Löffel und Gabel – wie üblich. Einige essen auch mit der Hand. Für uns immer ein ungewohnter Anblick – oder – wie der Berliner sagen würde: Mit alle Fünfe inner Pampe… Dazu gibt’s natürlich Wasserschälchen für die Finger. Für unsere Vorstellung von Hochzeitsmenü ist es ein eher bescheidenes Essen. Holen muss es sich jeder selbst, hier gibt keine Bedienung. Dazu gibt’s klares Wasser und als Variante Wasser zuckersüß in rot oder grün. Nicht mal Saft oder Cola.


Aber ich greife vor – das Essen beginnt natürlich erst nach dem festlichen Einzug der Brautleute. Die Hochzeit wurde nach traditionellem javanischen Ritual ausgerichtet, Diekies Familie kommt aus Java.

Die Braut, Kethrin, ist zuerst da mit ihrer Familie. Sie selbst ist ein Kunstwerk! Nicht nur wegen des unglaublich aufwendigen Kleides aus besticktem Brokat, mit Hose und einem glitzernden Kopfschmuck mit goldenen Strahlen. Ihr Gesicht ist extrem stark und exotisch geschminkt, wie sonst bei den berühmten klassischen Tänzerinnen. Einfach ein Gesamtkunstwerk. Unglaublich! Ich hätte sie nie wiedererkannt! 

Dann geht’s zur Bühne. Auf den Stühlen rechts und links haben die Eltern Platz genommen, anstelle von Diekis Mutter, die schon tot ist, eine Tante. Die Brautleute knien abwechselnd vor beiden Elternpaaren nieder, küssen ihnen die Hände, lassen sich segnen und bedanken sich bei ihnen. Dazu singt, die ganze Zeit über eine Lautsprecheranlage verstärkt, die Hochzeitssängerin mit einem Frauenchor – ehrlich gesagt für unsre Ohren sehr anstrengend. Und das geht noch Stunden so weiter…


Anschließend nehmen die Brautleute auf den „Thronen“ Platz. Über Stunden treten nun immer neue Gratulanten zu ihnen, die ewig anstehen und das Paar mit Blumen und Wasser und Räucherstäbchen segnen und ihnen ihre guten Wünsche vortragen. Das arme Brautpaar muss jedes Mal danach aufstehen für die unvermeidlichen Fotos. Ich weiß nicht, wie die das aushalten in dieser Hitze! Geschenke werden irgendwo anonym gesammelt, gern auch Geld, um das alles hier zu bezahlen.

Ich trage nur ein leichtes Sommerkleid und bin völlig erledigt. Die Brautleute haben fünf opulente Outfits im Laufe der Stunden zu präsentieren – alle so kunstvoll und wärmend. Erst am Abend dürfen sie etwas Moderneres, Lockeres anziehen – das erleben wir nicht mehr, wir sind nach vier Stunden fix und fertig bei der Gluthitze und ziehen uns diskret, aber verständnisvoll entschuldigt, zurück.


Diekie ist offensichtlich besonders bekannt und beliebt hier– entsprechend groß die Zahl der Gratulanten, allerdings hatte selbst er wohl nicht mit -letztendlich- 2200 Menschen gerechnet!! Er ist noch Tage später beeindruckt.


Am Nachmittag treten auf einer zweiten Bühne auch der Bürgermeister und ein weiterer Sänger auf. Am Abend dann – im lockeren Teil – hat eine Band gespielt, Freunde von Diekie, extra aus Medan angereist. Die letzten Stunden feiert die Familie (immer noch groß) im engeren Kreis. Wir hätten wiederkommen dürfen, aber ehrlich gesagt, waren wir völlig kaputt. Diekies Freunde, Dedek und Kittin, haben uns die ganze Zeit betreut und den Fahrdienst gespielt.

Ein tolles Erlebnis! Aber ich bin froh, dass ich dereinst mit „nur“ einem Kleid und 10 Gästen heiraten durfte…
Den Rest des Tages verbringen wir erschöpft und inspiriert in unseren Hängematten auf dem Balkon mit Blick auf Fluss, Urwald und dem Besuch des alten Affen mit dem furchteinflößenden Gebiss, der schon ein paarmal unser Obst geklaut hat. Aus dramaturgischen Gründen habe ich diesen Tag vorgezogen, der umrahmt war von zwei weiteren Trekkings, von denen ich im nächsten Block erzählen werde…

22 – Hallo Sumatra!

Indonesien ist so verdammt groß! Unsere Reise nach Sumatra dauert den ganzen Tag. Die zwei Stunden nach Denpasar zu Flughafen nicht mitgerechnet. Der erste Flug geht nach Jakarta, Java, also nur eine (große) Insel weiter, er allein dauert zweieinhalb Stunden. Dann Transit nach Medan, Nordsumatra. Und vom Flughafen Kuala Namu in Medan noch eine gefühlt endlose Fahrt von fast vier Stunden in den Dschungel, nach Bukit Lawang. Es sind gerade anderthalb Stunden übrig vom ganzen Tag.

Anfangs überrascht mich eine gute mehrspurige Autobahn um Medan, aber nach einer Stunde kommt das dicke Ende: eine schmale, z.T. sehr marode, regennasse Straße, die sich erst durch die Palmöl-Plantagen, dann durch den nächtlichen Dschungel in die Berge quält. Die Orte am Straßenrand sind kaum zu erkennen, es ist zu dunkel, und die Lichter dann blendend hell. Die Straße zwingt manchmal zum Schritttempo, obendrein kommen noch mit dicken Baumstämmen beladene LKW entgegen. Überall Pfützen – es hat geregnet. Die letzten 4 km legen wir dann samt Reisetaschen und Rucksäcken auf dem Rücksitz zweier Motorräder zurück… Eine schmale, abgebröckelte Betonspur von nicht mal 2 Meter Breite windet sich über kurze steile Hügel mitten in den Urwald, ganz ans Ende von Bukit Lawang, das in einem Flusstal im Urwald liegt.

Das Garden Inn ist unsere erste Herberge, später wechseln wir 100 Meter weiter ins Jungle Inn, das allerletzte Haus vor dem Dschungel. Erwähnenswert ist das Garden Inn an dieser Stelle, nicht nur, weil das Zimmer mit Naturstein und Holz sehr originell eingerichtet ist und der Blick aus dem Fenster auf einen rauschenden Fluss mit einer grünen, hohen Wand aus Dickicht dahinter schon sehr speziell und beeindruckend, sondern, weil gleich auf dem Tisch ein Hinweis steht, dass alle Lebensmittel in eine verschließbare Blechtonne gepackt werden müssen….

Wie ernst zu nehmen das ist, stellt sich am nächsten Morgen um fünf heraus, als ich nach wenigen Stunden Schlaf hochfahre, weil ich denke, dass ein betrunkener Nachbar randaliert. Nix Nachbar: Auf dem Dach, dem Balkon, am Fenster, unter dem Vordach – überall tollt eine Horde Affen herum und feiert Party! So ein Lärm! Nach einer knappen Stunde haben sie sich ausgetobt und ziehen weiter. Welcome to the Jungle!

Noch nach unserer Ankunft in der Nacht ist der junge Guide, den uns Johanna empfohlen hat, im Hotel aufgetaucht, um über eventuelle Trekking-Touren zu reden. Eigentlich war ich total fertig und wollte nur noch schlafen und einen faulen Tag dranhängen. Aber Dieki, ein sympathischer, fröhlicher junger Kerl, meinte, wir sollten uns das überlegen, es seien gerade Orang Utan in der Nähe, und man wisse nicht, wie lange.

Also, nix mit Jammern und Schlaf nachholen, um acht Uhr geht´s los zur Tagestour in den Dschungel. Lange Hosen, in die Socken gestopft (damit keine Insekten und Blutegel in die Hosen krabbeln), Trekkingschuhe aus Gummi, pro Kopf einen Liter Wasser, Insektenspray und Sonnencreme. Wir sind allein mit zwei guides.  Diekie gehört zu 10 guides, die eine offizielle Lizenz als Führer im Gunung Leuser Nationalpark haben einem der besterhaltenen natürlichen Dschungelbiotope der Welt.

Es sind über 30 Grad, aber immerhin sind es unter dem dichten grünen Blätterdach zwei, drei Grad weniger und der Schatten ist wohltuend. Es ist eine Orgie von Grün in allen Formen und Schattierungen, fast vergisst man, auf den Weg zu achten, weil man immer nur schauen möchte. Jeder Schritt will überlegt sein, auf dem steinigen, von Wurzeln und Lianen bedeckten Pfad. Dieki scannt mit geübtem Blick die Baumkronen.

Plötzlich treffen wir auf ein paar andere Wanderer, aber ein größerer Gecko und ein paar freche Makaken sind zunächst das Einzige, was wir zu sehen bekommen. Kurz darauf turnen noch ein paar andere Affenarten um uns herum, am hübschesten sind die Thomas Blatt Affen, die sehr auffällig sind mit ihrer ungewöhnlichen schwarz-weißen Frisur. Sehr schön anzusehen.

Die Guides sind untereinander in Kontakt, um sich austauschen zu können, falls jemand die Orang Utan sieht – das, worauf alle hoffen. Nur noch hier und in Borneo gibt es wilde Orang Utan in Indonesien. Orang Utan bedeutet „Wald-Mensch“, lernen wir in einer Warte-Pause. Affen (monkeys) haben Schwänze, Orang Utan, Schimpansen und Gorillas nicht. Wir haben die Orang Utan an einer Stelle offenbar knapp verpasst und müssen nun Geduld haben, warten und hoffen, so Diekis Methode.

Die Orang Utan von Sumatra sind kleiner als die auf Borneo, da es hier Tiger gibt und die Orangs sich auf den Bäumen aufhalten müssen, um vor ihnen sicher zu sein. In Borneo sind die Orang Utan viel größer, aber mit ihrem Gewicht, können sie nicht in die Baumkronen klettern – ohne Feinde müssen sie das auch nicht. Allerdings leben die meisten Orang Utan auf Borneo in Auffang-Stationen, wo sie gesund gepflegt und aufgepäppelt werden, um möglichst wieder ausgewildert zu werden. Der Lebensraum unserer rotbraunen Verwandten ist auf ein Minimum zusammengeschrumpft, Wilderei, Abholzung und andere Sauereien haben die Bestände drastisch reduziert.

Während wir mitten im Wald -wieder allein- auf Orang-Glück warten, erzählt Dieki die erschreckende Geschichte der Tiere während der Pandemie. Vorher gab es auf Sumatra eine Population von rund 6000 Tieren, jetzt sind es noch etwa 5000, hier in Bukit Lavang nur noch 400-600. Viele Tiere sind an Covid gestorben. Aber viele sind auch durch Wilderer verschwunden, die, zu jener Zeit ungestört, die Tiere gejagt und gefangen haben, um sie für lächerliche Summen zu verkaufen. Viele angeblich an reiche Chinesen. Es wurden auch Tiger geschossen, nur, um ihr Fell für lächerliche 150 Euro zu verkaufen. Es ist eine traurige Geschichte.

Dann endlich – ein Orang Utan-Weibchen gibt sich die Ehre! Sie turnt zunächst hoch über uns durch die Baumkronen. Doch mit der Zeit kommt sie immer näher und gibt eine echte Vorstellung. Großartig! Was für tolle Tiere! Sie bleibt fast eine halbe Stunde, bevor sie sich wieder in die Tiefen des Waldes verzieht. Wir streifen weiter auf unserer Suche. Oben in den hohen Baumwipfeln hängen die Nester der Orang. Jeden Tag bauen sie ein neues Schlafnest an einem anderen Ort, damit Feinde ihnen nicht auflauern können. Sie sind Einzelgänger, nur die Mütter behalten ihre Jungtiere ein paar Jahre in der Nähe.

Obstpause. Dedek entpuppt sich als wahrer Künstler: Er hat verschiedene Obstsorten im Rucksack. Auf riesigen Blättern richtet er die geschnittenen Früchte zu einem wahren Kunstwerk an, verziert mit Blüten aus dem Urwald. Es erinnert mich an die Gabenkörbchen auf Bali. – nur viel größer! Aber das kann eigentlich nicht sein, denn unsere Guides sind, wie fast alle hier, Muslime. Aber Dedek meint, die Geister des Waldes mögen das. Und wir dürfen es essen!

Langweilig wird das Wandern hier nie, zu faszinierend ist diese Wildnis. Wir beobachten verschiedene Affen, Insekten, Riesenameisen, Eidechsen, Geckos. Unsere Guides sind ständig auf der Lauer, Dikie ahmt den Ruf der Orang nach, aber wir scheinen kein Glück mehr zu haben. Aber wir hatten schließlich schon welches, wir dürfen uns wahrlich nicht beschweren.

Wir klettern einen steilen Pfad in ein Tal hinab – und auf der anderen Seite wieder hoch, dankbar für jede Liane, an der man sich festhalten kann – nicht, ohne vorher hinzusehen, ob eine der Riesenameisen oder womöglich eine Schlange draufsitzt. Endlich oben angekommen, brauchen wir eine Pause – und bekommen sie! Wir sehen inzwischen etwas mitgenommen aus, im Gegensatz zu den beiden Jungs.

Hokus Pokus kommt aus Dedeks Rucksack nun ein komplettes Mittagessen für vier zum Vorschein. Einzelne Portionen, jeweils in ein Bananenblatt gerollt: Nasi Goreng, Hühnchen, Krupuk und Ei – und natürlich scharfe Soße. Zum Nachtisch Ananas.

Kaum haben wir eingepackt und rüsten zum Weiterwandern, raschelt es über uns: Eine Orang Utan-Dame und in ihrer Nähe ein Baby! Es dauert nicht lange und sie kommt immer näher, bis sie direkt vor uns auf dem Weg sitzt, einen Meter Abstand höchstens. Das Baby turnt über uns durch die Bäume. Madame Orang scheint uns besonders zu mögen, denn sie beschließt, nach ausgiebigem Beäugen, uns zu begleiten, manchmal nur einen Meter neben oder vor uns – fast 20 Minuten lang. Was für ein Glück!

Am faszinierendsten sind die Gesichter dieser Tiere! Sie sind so ausdrucksstark, das man immer erwartet, dass sie gleich anfangen zu erzählen. So schöne Tiere! Und so friedlich. War mir die Nähe anfangs noch etwas unheimlich, habe ich schon kurz darauf überhaupt keine Angst mehr. Friedlich, neugierig, zum Spielen aufgelegt. Ich kann´s nicht glauben, dass wir soviel Glück haben! Sogar Diekie stellt fest, das würde nicht oft passieren.

Den Rest des Weges schwelgen wir noch im Glück. Wir erreichen den Fluss Bohorok, der auch an unserem Hotel vorbeifließt. Kleine Ananaspause und dann taucht von der anderen Flusseite ein anderer junger Kerl auf, mit drei riesigen Reifen auf dem Kopf: Rafting! Der Fluss ist breit, voller Felsen und Steine unter Wasser und hat eine kräftige Strömung. Es ist ein echter Spaß: 5 erwachsene Menschen in drei aneinander hängenden alten Reifen! Rasant gehts flussabwärts, wir bleiben oft an Felssteinen hängen, sind pudelnass – und haben Spass. Was für ein großartiger Tag!

21 – Abschied von Bali, bevor es nach Sumatra geht

21 – Abschied von Bali

Die Tage in Candidasa neigen sich dem Ende zu und damit die Bali-Zeit. An unserem Abschiedstag zieht es uns nochmal in die Wildnis. Der Wasserfall Terjun Jagasatru liegt rund 40 Minuten auf dem Motorrad in den Bergen.

Auf dem Weg dorthin fahren wir durch einige Dörfer, die sich für den Feiertag am 28. Februar herausgeputzt haben. Riesige Palmwedel werden von ihren Blättern befreit, die dann gerollt, geflochten, mit bunten und goldenen Bändern und anderem Schmuck verwoben, wieder am kahlen Blattrücken befestigt werden. Diese hohen Schmuckwedel werden dann an der Straße aufgestellt. Es sieht sehr schön und festlich aus, eine Straße entlangzuschauen, in der sich vor jedem Haus ein solcher Schmuck im Wind wiegt. Die meisten Menschen fertigen diese kleinen Kunstwerke selbst an.

Hari Raya Galungan heißt der hinduistische Feiertag, der alle 210 Tage stattfindet und den balinesischen Kalender bestimmt. Die Feierlichkeiten beginnen 3 Tage vor dem eigentlichen Feiertag und enden 11 Tage danach. Die Zeit ist gefüllt mit Dekorationen, Opfergaben und Gebeten. Galungan feiert den Sieg der Tugend (Dharma) über das Übel (Adharma) und die Niederkunft der Geister der Verstorbenen und der Götter. Wieder was gelernt.

Einen Tag vor Galungan haben sich die Ortschaften festlich herausgeputzt. Richtig idyllisch wirken die drei Bergdörfer, die wir passieren. Was mich immer wieder fasziniert ist, wie winzig viele Häuser tatsächlich sind, auch für ganze Familien. Meist ein Raum, und der auch noch klein, oft ohne Fenster.

Die Straße schlängelt sich in wilden Serpentinen steil in die Berge, immer durch den saftig grünen Urwald. Der tut sich immer wiedermal auf und lässt einen tief Luft holen, angesichts der die großartigen Panoramen zum Meer.

Nachdem wir in rund 500 Metern Höhe angekommen sind, zweigt die Straße zum Wasserfall ab und führt zunehmend steil in aberwitzigen Kurven in die Tiefe. Angesichts des Zustandes der Straße und der plötzlich um die Ecke brausenden, entgegenkommenden Motorräder, die niemals links auf ihrer Spur fahren, bin ich selbst auf dem Rücksitz etwas angespannt…

Noch angespannter, um nicht zu sagen: panisch, wäre ich gewesen, hätte mein tapferer Fahrer mir nicht verschwiegen, dass auf dem letzten und steilsten Stück die rechte Bremse versagt hat! Aber wir landen heil auf dem Parkplatz oberhalb des Wasserfalls und beschließen später zu überlegen, wie wir in eine Werkstatt bzw. zurückkommen.

Mitten am grünen Hang thront ein riesiger Buddha, denn auch dieser Wasserfall gilt als Tempel – mit geweihten Neben-Becken, die Nichtgläubige nicht betreten dürfen. Anstrengende 15 Minuten später sind wir ans untere Ende des Wasserfalls Terjun Jagasatru geklettert, der sich nur dem auftut, der tapfer trotz unaufhörlich rinnenden Schweißes, die steilen Stufen hinunterklettert. Der Wasserfall versteckt sich hinter der letzten steilen Kurve, nur sein Rauschen ist lange vorher zu hören.

… Und ewig grüßt das Murmeltier – ich wiederhole mich nun …. – aber tatsächlich ist es immer wunderschön: Laut rauschend stürzt das glitzernde Wasser aus dem Berg malerisch in ein kleines Felsenbecken, bevor ein Flüsschen es weiter ins Tal trägt. So etwas viermal zu lesen ist ein wenig öde, es viermal zu sehen ist immer wieder großes Kino:

Sogar hier unten, weitab des nächsten Dorfes, klebt an der Felswand ein von einem Schirmchen geschützter Altar mit frischen Opferkörbchen. Das heißt, dass hier – weitab des Dorfes- jeden Tag mindestens ein- bis zweimal jemand herunterklettert, nur für das offering.

Ein Bad unter dem sprudelnden Wasser und eine andächtige halbe Stunde später klettern wir wieder nach oben – von der Erfrischung ist oben so gar nichts mehr übrig. Aber: die Bremsen sind abgekühlt und auch die rechte Bremse greift wieder. Wohlwissend, dass dies ein fragiler Friede ist, tuckern wir gemütlich, mit kleinen Pausen wieder talwärts, einem faulen Restnachmittag am Pool des Rama Shinta und einem rosa Sonnenuntergang am Strand von Candidasa -hinter dem Seerosen-See-  entgegen.

Morgen früh bringt uns Zacharias – der Fahrer, der uns aus Amed nach Candidasa gefahren hat- zum Flughafen von Denpasar. Das haben wir schon auf der Fahrt nach Candidasa vereinbart, als er uns erzählt hat, dass er Katholik ist. Denn morgen am Galungan einen hinduistischen Fahrer zu finden, ist schwierig. Übrigens: gut, dass wir nicht am 11. März fliegen: Da ist hier Nyepi, der Tag der Stille: 24 Stunden alles geschlossen, kein Strom, keine Musik, keine Feste, kein Essen, kein Verkehr, nicht mal Flugzeuge!

So allerdings können wir problemlos in unseren Flieger steigen – via Jakarta nach Kuala Namu, Medan.  Der Jungle wartet!

20 – Markt, Meer & More

20 – Markt, Meer & More

Irgendwie auch ganz schön, mal ein paar Tage nicht ständig packen und umziehen zu müssen. Die Tage gemächlich angehen und trotzdem immer wieder Neues zu erleben.

Ein letztes Mal den Bleigurt umschnallen und den Regulator in den Mund… Danke, Indischer Ozean, für deine Gastfreundschaft, Danke Yemanjá, Göttin des Meeres, für deinen Schutz.

Eigentlich wollte ich bei einem Freund von Tauchbasis-Chef Mike aus Koh Kood tauchen. Aber wie sich herausstellt, ist der auf Heimatbesuch in Spanien. Und sonst sehe ich keinen zwingenden Grund, mit dem Benthos Dive Center zu tauchen. Es ist teuer und das nicht lebenswichtige Equipment wie Anzug, Booties etc sind derart alt und zerschlissen, dass mir die Lust vergeht.

Also – give locals a chance! Ich suche mir ein ganz kleines Unternehmen – genaugenommen ein Ein-Mann-plus-Familie-Unternehmen, das mir auf Anhieb gefällt. Der Chef heißt tatsächlich Gusti – nein, kein Bayer, echter Balinese! Ich werde hier keine weiteren Unterwasser-Geschichten erzählen, aber vom Drumherum. Die Blue Lagoon ist mein letztes Tauchziel: Stachelrochen, Hai, große Tintenfische und eine riesige Schildkröte sind meine besonderen Abschiedsgeschenke von Yemanjá, inmitten der wimmelnden Vielfalt.

Aber spannend waren auch die tollen Gespräche, die wir mit Gusti in den Pausen und beim anschließenden Lunch – der immer inklusive ist – geführt haben. So haben wir zum Beispiel über die Unterschiede der Religionen und meine freundliche Sympathie für den Buddhismus und Hinduismus geredet. Gusti strahlt stolz und merkt an, ja , sie freuen sich über Interesse an ihrer Religion, aber sie hätten es nicht nötig, andere davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Das sei Privatsache. Gesunde Ansicht!

Ich frage ihm Löcher in den Bauch, unter anderem auch noch mal über die offerings, diese kleinen bunten, gabengefüllten Körbchen, die den Göttern überall kredenzt werden. Jetzt weiß ich mehr: Sie enthalten deshalb Früchte, Kräuter, Gemüse, Blüten, Reis, manchmal Fleisch und werden mit Wasser besprüht – weil das alles für das steht, was die Natur den Menschen zum Leben schenkt. Einen Teil davon wird den Göttern zurückgegeben, als Dank und Bitte, dass der Kreislauf weitergehen möge.

Auch über die Zeiten von Covid haben wir gesprochen – eine schlimme Zeit für die meisten hier, die vom Tourismus leben. Die Zahl der Toten hier ist vergleichsweise gering gewesen. Es besteht Impfpflicht und die Maßnahmen waren ziemlich strikt. Für Kinder bis 6 Jahren gab es gute Finanz-Hilfen vom Staat, das war für viele eine Rettung. Und die Zeiten, in denen die Schulen immer mal geöffnet waren, waren wichtig, da bekamen die Kinder Essen.

Insgesamt war die Zeit für viele extrem. Gusti hatte 11 Jahre für eine Tauchschule in russischer Hand gearbeitet, und sie haben ihn mit einem einzigen Monatsgehalt in die Wüste geschickt. Er hat drei Kinder. Aber er hat alles auf eine Karte gesetzt, sich seine Pensionsansprüche auszahlen lassen und damit in Zeiten des Nichtstuns die Dive-Instructor-Prüfung gemacht. Damit konnte er dann sein eigenes kleines Unternehmen gründen. Bali Dive Shop. Die Familie macht die Arbeit im Hintergrund, er taucht und macht Kurse und sein Schwager fährt das Boot. Super Typ – super Laden. Nette family.

Wir hatten noch jede Menge andere Themen – vom Umgang mit Teenagern und Alten oder die Bedeutung der lokalen Feiertage. Wir hätten sicher noch Gesprächsstoff für etliche Tauchtage gehabt, aber es war nun mal mein letzter.

Für den nächsten Tag haben wir einen Ausflug geplant. Mit dem Bike fahren wir Richtung Norden in das Städtchen Amlapura. Dort gibt es den großen Markt. Auf dem Weg dorthin passieren wir auf einem Berg Pura Lempujang – eins der bekanntesten Fotomotive Balis, das „Tor zum Himmel“. Die offenen aufstrebenden Stelen rechts und links scheinen tatsächlich in den Himmel zu führen – zumindest auf Fotos. Dennoch sparen wir uns den Eintritt – man sieht das schöne Bauwerk auch so. Und an Affen jeden Alters mangelt es rund um den Tempel auch nicht. Ein Wunder, dass nicht mehr davon überfahren werden, so frech wie die an der vielbefahrenen Straße herumspringen. Die Aussicht von hier oben über die dschungelbewachsenen Berge auf das Meer ist toll.

Dann müssen wir zweimal eine Zwangspause einlegen: Der Himmel schüttet wieder Wassermassen über uns aus. Schließlich schaffen wir es, mit ein bisschen Nieselregen, in das Provinzstädtchen Amlapula. Den Blick auf die Google Wegbeschreibung kann man sich sparen – da, wo hunderte Bikes und ein paar Autos jeden Zentimeter zuparken, ist das Ziel nicht weit: Pasar Amlapura Timur – der zentrale Markt, untergebracht in riesigen, ziemlich baufälligen Hallen, die aus alles Nähten platzen, sodass etliche Stände noch außen herum angesiedelt sind.

Jede Nacht um Eins öffnet der Markt und schließt am Mittag. Hier versorgen sich die Restaurants und Hotels, aber auch viele Einzelkunden. Das Gewimmel ist riesig, die Farben, Gerüche und Geräusche überwältigend. Hier gibt es auf zwei Etagen alles: Unten die Lebensmittel, Gewürze und Blumen, oben billige Kleidung, Elektronik und Haushaltwaren. Es erinnert mich sehr an den Markt in Bangkoks Chinatown. An den Seiten quillt der Markt unter dem seitlich offenen Dach hinaus, verbogene Bleche und Schirme haben den Regen nicht abgehalten. So kann man nur – meist eher erfolglos – versuchen, die schmutzigen Pfützen zu umgehen. Meine Füße sind schwarz und schmierig, ich rutsche ständig aus den Flipflops. Der Markt ist ein Erlebnis, aber allzu lange halten wir den Wahnsinn nicht aus. Schnell noch ein paar Mangosteen-Früchte gekauft und raus!

Ist mir alles ein bisschen zu viel. Und irgendwie kommen mir die Zementfiguren auch recht neuzeitlich vor – was sich bestätigt, als ich höre, dass der Originaltempel vor einigen Jahrzehnten durch ein Erdbeben zerstört worden war. Trotzdem eine hübsche Anlage, die ich aber nicht in die Liste meiner Favoriten aufnehmen kann.

Zu guter Letzt treibt es uns ans Meer – ein bisschen entspannen. Eine gute halbe Stunde auf dem Motorrad und einen schönen Sonnenbrand auf den Armen mehr, wartet das große kühle Blau. Auf dem Weg dorthin passieren wir zum ersten Mal eine bessere Wohngegend. Schöne Häuser, Mauern, Gärten, verschlossene Tore und sogar einige Security Guards auf einigen Grundstücken. Schilder verraten, dass hier etliche Anwälte und Notare ihr bescheidenes Lager aufgeschlagen haben… Aber idyllisch ist es wirklich!

Virgin Beach ist unser Ziel. Über eine etwas beängstigende Piste kommen wir schließlich auf einem Bergrücken an, jetzt geht es zu Fuß weiter. Auch hier müssen wir wieder mal Eintritt in die Natur zahlen – in Form von donations, Spenden, die nicht wirklich freiwillig sind. Eintritt, selbst wenn es um Quellen oder Strandabschnitte geht. Aber klar – viele Einkommensquellen haben die Einheimischen hier nicht und so werden wenigstens die Wege etwas in Ordnung gehalten und der schlimmste Müll eingesammelt. Und wirklich teuer ist es selten.

Die Bucht von Virgin Beach liegt an Dschungelbewachsenen Hängen und ist ein paar hundert Meter lang, mit feinem Sand sogar. Allerdings kann man von jungfräulich (wie der Name verheißt) nicht wirklich reden, denn zumindest an zwei Dritteln des Strandes steht eine Restauranthütte neben der anderen. Hier gibts Strandliegen, gratis  zum Drink oder Imbiss. Am hinteren Ende liegen unzählige Sampans auf dem Strand, die traditionellen balinesischen Boote. Sie sind lang, sehr schmal, tiefer als ein normales Motorboot und haben links und rechts breite Ausleger, die sie wie eine Mischung aus Heuschrecke und Wasserflugzeug aussehen lassen. Wir sind zweimal damit gefahren – sie können erstaunlich gut auf dem aufgewühlten Meer manövrieren.

Leider haben wir nicht so viel vom Strand, denn erstens ist die Brandung so hoch, dass baden etwas beängstigent ist, und außerdem fängt es kurz darauf an zu regnen. Egal, schön war es trotzdem! Ein langer Tag, der nach Relaxen am Pool und Abendessen an eben jenem schreit… Die Seerosen warten!

18 – One more Amed day

Nach dem Frühstück sind die Amed Jepun Divers unser erstes Ziel – eine Kanadisch-Dänische Tauchschule, die uns in Permuteran ans Herz gelegt wurde. Gute Tipps von guten Leuten sind immer Gold wert, erspart viel Herumgesuche. Ich bin froh, dass es mir wieder gut geht und ich wieder unter Wasser kann, denn hier gibt es ein Wrack, das als DIE Location für Taucher gilt. Und ich hätte mich schon gegrämt, hier gewesen zu sein ohne ebenda zu tauchen.

Es ist eine kleine Tauchschule ohne viel Schnickschnack, aber mit einer sympathischen Crew. Unsere Ansprechpartnerin ist Johanna, eine Schwedin. Wir haben gleich einen guten Draht zueinander, auch den jungen Dive Guide für morgen lerne ich gleich kennen. Miki braucht keinen Guide, denn er kann vom Strand aus schnorcheln. Morgen früh geht´s los.

Für den Nachmittag haben wir uns einen Strandtipp geben lassen. Lipah Beach, ein paar Kilometer ostwärts von unserem Quartier. Wir mieten ein Motorrad, in mäßig vertrauenerweckendem Zustand. Immer noch besser als die Schrotthelme…meinen kann man gar nicht schließen. Also lasse ich ihn gleich ganz weg, so wie die meisten hier.

Lipah Beach schmiegt sich an eine langgezogene Bucht, der Strand ist nicht allzu breit und an der Wasserkante dunkel, was den ahnungslosen Badewilligen zum Hüpfen bringt, denn der Sand ist glühend heiß. Gemütlich im Schatten eines großen Baumes dösen wir vor uns hin. Johanna hat schnorcheln empfohlen, manchmal gibt es wohl sogar Schildkröten. Die haben sich zwar nicht blicken lassen, aber tatsächlich ist das Wasser glasklar und auf dem Korallenriff ist ein wahres Gewimmel kleiner und mittelgroßer Fische unterwegs – mir haben es besonders ein paar Baby-Kofferfische angetan, die sehen aus wie aus einem Trickfilm!

So vergeht der Nachmittag zwischen faul herumliegen, schnorcheln und einem Snack auf der angrenzenden Hotelterrasse, wo ich in Ruhe Blogschreiben kann mit Blick aufs Meer. Man kann es schlechter treffen 😉

Am nächsten Morgen werden wir vor acht abgeholt . Mit dem offenen Pick Up geht es eine knappe halbe Stunde westwärts nach Tulamben, wo das Wrack liegt. Die USS Liberty war ein amerikanisches Militär- Frachtschiff, 1918 gebaut und schließlich 1942 von einem japanischen U- Boot torpediert worden ist. Es war nicht mehr manövrierfähig. Die Amerikaner und Holländer versuchten, das Schiff in die Hafenstadt Singaraja zu schleppen, aber es war zu stark beschädigt. Deshalb blieb es vor Tulamben liegen und rutschte 1963 während eines Ausbruchs des Vulkans Agung ins Meer. Da ließ man es dann endgültig, als neue Heimat für Korallen.

Korallen, Fische und Tourismus-Industrie danken – es ist DER Spot, der in jedem Reiseführer steht, zumal jeder einfach from shore, vom Strand aus, zum Wrack kann. Knappe 30 Meter, schon hat man es erreicht. Die liegen an einer Riffkante, deshalb sollen Schnorchler nur im vorderen Bereich herumschwimmen, Taucher müssen fortgeschritten sein, denn es geht auf ca 30 Meter hinunter.

Hier herrscht trotz Nicht-Saison ein regelrechtes Gewimmel. Ganz ohne Boot geht es vom Strand aus ins Wasser, es ist ganz schön schwierig mit dem schweren Equipment über die Steine zu balancieren ohne hinzufallen.

Das Wrack ist vollkommen auseinandergefallen, die einzelnen Teile liegen auf dem Meeresboden verteilt – umschwommen von allerhand Flossenvieh, besiedelt von noch nicht allzu alten Korallen, Schwämmen und Muscheln. Es macht natürlich Spaß, aber da ich zuvor schon ein viel aufregenderes Wrack in Thailand getaucht habe und noch im Menjangan-Korallenfieber glühe, ist es ehrlich gesagt, für mich nicht so aufregend, wie für die meisten hier.

Zurück am Strand beobachte ich, wie sich Einheimische um die Chance drängeln, ein bisschen was auf die Hand zu verdienen, indem sie die schweren Ausrüstungen zurück zu den Pickups schleppen. Niemand beachtet sie wirklich. Es sind extrem viele Frauen dabei, die die wirklich schweren Tanks auf dem Kopf (!) balancieren. Mir ist es mir kaum gelungen, fehlerfrei mit nur einem Tank auf dem Rücken ins Wasser zu laufen. Wenn so ein Ding runterfällt. explodiert es. Ich bewundere diese Frauen und zeige ihnen das auch. Ungläubig und überrascht lächeln die unsichtbaren Hilfsgeister zurück.

Zurück in der Tauchschule werden die Logbücher geschrieben und noch ein bisschen Taucherlatein geschnackt. Johanna ist da und wir kommen wieder ins schwatzen. Wir erzählen ihr, dass wir uns nicht so recht entscheiden können, was wir nach unserer nächsten und letzten Station auf Bali noch machen wollen. Ohne hier mit langweiligen Hin – und Her, Für – und Wider von Orten und Inseln langweilen zu wollen – hier entscheidet sich der Rest unseres Urlaubs nach Bali: Johanna lebt seit 7 Jahren hier und ist viel gereist – sie plädiert für Sumatra. Diese Idee hatten wir eigentlich schon verworfen, aber ihre Schilderungen sind so begeistert, das wir uns jetzt endlich sicher sind, dass wir genau dahin wollen. Bukit Lavang in Nord-Sumatra, da, wo es noch Orang Utans gibt – die man mit Glück auch sieht.

Versorgt mit jeder Menge Tipps, Telefonnummern und Adressen verlassen wir zufrieden das Tauchcenter – mit einem Plan. Zum Buchen setzen wir uns in ein neuentdecktes kleines Café, das außer Espresso sogar Croissants und Pain aux Chocolat führt : Kopi di Tymor.

So schnell kommen wir hier nicht weg, außerhalb des schützenden Sonnensegels, versinkt die Welt in einem anhaltenden Wolkenbruch. So lernen wir den jungen Besitzer näher kennen. Eigentlich ist er Erdölingenieur. Trotz guten Abschlusses findet er nirgends Arbeit, alle Unternehmen stellen nur Leute mit Berufserfahrung ein – ein Teufelskreis. Plan B: ein nicht genutztes kleines Familiengrundstück hier in Amed und die Idee, die Europäer mit französischem Gebäck und italienischem Kaffee zu versorgen. Croissant backen kann er schon, nächster Plan ist Baguette. Viel Glück!

Wir machen Nägel mit Köpfen und buchen Flüge nach Medan auf Sumatra und auch gleich noch die Unterkunft in Bukit Lavang dazu. Fünf Stunden Flug, mit einer Zwischenlandung. Was für ein Riesenland! Wir fliegen doch nur auf die übernächste Insel…

Für´s Abendessen noch ein Johanna-Geheim-Tipp : Restaurant Galanga. Ein wunderschöner tropischer Garten, ein geschmackvoller Gastraum mit gehobener balinesischer Küche, französisch unterwandert. Lecker! Abschiedsabend in Amed

17 – Go east: Amed

Mit einem Knockout-Tag Verspätung (wären wir in Südamerika, könnte ich sagen: Montezumas Rache…) ist meine Reisefähigkeit wieder halbwegs hergestellt. Auf geht´s, immer (mehr oder weniger) an der Küste lang, nach Südosten. Wieder mit einem Fahrer, mangels eines öffentlichen Verkehrsnetzes, das den Namen verdient.

Aber das hat, außer persönlichem Komfort auch Vorteile – da die Fahrten auch immer eine Quelle der Erkenntnis in Sachen Landeskunde sind. Die Fahrer und dive guides haben mich viel über Land und Leute gelehrt, so hatten die langen Fahrten viel Gutes. Und- ich glaube ich habe es schon erwähnt- die meisten Menschen hier sind ausgesprochen kommunikativ.

Außerdem machen die Fahrer oft Vorschläge, was es unterwegs noch zu entdecken und besichtigen gäbe. Und es gibt Restaurant-Tipps (wo sie vermutlich einen Imbiss dafür bekommen). Außerdem sind diese hilfreichen Menschen –zumindest in unserem Falle- nie genervt von Sonderwünschen wie „Können Sie mich bitte zu einer Apotheke bringen…ich muss noch mal zum dive center“, etc pp. Auch durchaus etwas zeitaufwändige extra Abstecher zu interessanten Orten sind gratis, der Gesamtpreis, der ausgemacht ist, gilt.

Diesmal habe ich es wirklich unabsichtlich ausgereizt – beim Zwischenstopp im Tauch Center wegen vergessener Stempel, habe ich meine Tasche mit Pass und Kreditkarte (!) liegen lassen… Gemerkt habe ich es bei einem spontanen Abstecher zu einer Perlenfarm, 10 km und eine gute halbe Fahrtstunde später… Ohne jedes Zeichen von Genervtheit lässt uns der Fahrer im Schatten der Farm zurück und fährt allein die Tasche holen – er ist mein Held!

Die Verzögerung hält ihn auch nicht davon ab, uns später einen weiteren Abstecher vorzuschlagen: Es gibt hier heiße Quellen! In der Nähe der Küstenstadt Lovina sind die Banjar Hot Springs von Buleleng. Inmitten des blühenden Dschungels liegen diese heißen – natürlich „Holy“- und sehr schwefelhaltigen Quellen, was das Atmen in der brütenden Hitze nicht unbedingt angenehmer macht. Bewacht von Göttern und Geistern am Beckenrand, dreht mein Tandempartner beherzt ein paar Runden, dann wird es auch ihm zu heiß.

A propos Küstenstädte, bzw. Ortschaften im Allgemeinen: Abgesehen von besonderen Städten wie Ubud oder Denpasar, sehen die meisten Ortschaften hier anders aus, als in unseren Breiten. Ein Stadtzentrum, Plätze, Viertel findet man hier kaum. Meist zieht sich die endlose Ansammlung von Häusern kilometerweit an der Straße entlang, selten gibt es mal eine Nebenstraße und sowas ähnliches wie klassische Wohnviertel mit Quer-und Nebenstraßen.

Für die 124 Kilometer, die Banjuvedan von Amed trennen, haben wir fast fünf Stunden gebraucht. Auch Amed gehört zu den Orten, die sich kilometerlang an der Straße entlangziehen. Immerhin ist es hügelig und man sieht immer wieder das Meer. Der Ort macht einen entspannten Eindruck. Etwas überrascht lese ich Wörter wie work space… Wie sich später herausstellen soll, haben auch die Hipster und mobile office– Leute aus aller Welt den Ort für sich entdeckt. Hier lässt es sich angenehm leben mit ein paar Stunden am PC oder Mac – neben beachen und tauchen…

Unsere hiesige Unterkunft, das Ary Warung & Homestay, liegt direkt an der Straße, was allerdings nicht weiter schlimm ist. Die einzelnen Zimmer sind terrassenartig an den Berg gebaut, unseres hat sogar noch ein extra Sonnendeck, von dem aus man den wunderbaren Sonnenaufgang über dem Meer sehen kann… Ich schäme mich zu sagen, dass wir den jedes Mal verpasst haben… Aber auch so ist die Aussicht herrlich, das Zimmer gr0ßzügig, samt mitgeliefertem Kuscheltier…

Vor uns hat eine Amerikanerin hier vier Jahre Covid-Exil gesucht. Sie hat eine kleine, von Geburt an schwanzlose Katze adoptiert, die sie dann zurückgelassen hat. Die sitzt nun jeden Tag mehrmals vor dem Zimmer und jault nach Mama… Da wir ja bekennende cat lovers sind, sagen wir den Vermietern, sie darf ruhig zu uns kommen. Seelig schläft Miez nun ein paar Tage in unserem Zimmer…

Miki geht zum Sonnenuntergangschauen in ein Hipster-Lokal auf dem Berg, ich muss noch meinen Magen schonen. Eine Hühnersuppe mit Reis ist aber immerhin schon möglich und ein fauler Abend tut auch gut. Ein Gecko singt das Schlaflied – ich weiß jetzt schon, dass ich diese seltsamen Ge-cko  Ge-cko- Rufe vermissen werde.

16 – Nach den Bergen kommt das Meer

Unser Ziel ist der Nationalpark im Nordwesten Balis – Bali Barat. Je westlicher wir kommen, desto öfter tragen die Frauen draußen einen Hidjab, das muslimische Kopftuch. Allerdings flattern die Tücher oft bei flott cruisenden Motorradfahrerinnen – so streng sind die Sitten hier dann wohl nicht – wie in einigen anderen muslimischen Ländern. Die Bevölkerung an der nordwestlichen Küste ist gemischt, denn das angrenzende Java ist fast durchweg muslimisch und viele Javanesen sind nach Bali gekommen, weil sie hier mehr Geld verdienen können als auf der überbevölkerten, ärmeren Nachbarinsel. Es ist beruhigend zu sehen, wie selbstverständlich und locker das Zusammenleben der HindusMuslims und Christen – hier zumindest – funktioniert.

Gefühlte 10 000 Kurven und 1001 waghalsige Bali-Überholmanöver sind wir nach zweieinhalb Stunden am Ziel, in Banyuwedang. Unsere neue Bleibe, das Odiyana Bali Retreat, liegt ein bisschen abseits versteckt, aber dafür ist es herrlich ruhig. Zumindest, wenn der nahe Muezzin die Rechtgläubigen nicht gerade ausdauernd zum Gebet ruft und die Sonne noch nicht untergeht… denn dann ist Froschkonzert forte bis die Hähne krähen. Aber hallo…!!!

Ein großer goldener Buddha im grünen Garten wacht über uns. Außer einem Pool gibt es auch eine natürliche heiße Quelle in einem extra Becken – ich habe schon Schweißausbrüche bekommen, als ich bei diesen Temperaturen nur meinen Fuss eingetaucht habe… Alles ist sehr ruhig, es ist eben rainseason und es gibt nur wenige Gäste. Sehr angenehm. Ich muss nach meinem bisherigen Bali-Erlebnis sagen: Ich würde nie in der Hauptsaison herfahren…viel zu viel Leute.  So aber ist sehr angenehm.

Wir mieten uns ein Motorrad – das bietet hier fast jede Unterkunft an – für 6 Euro pro Tag, damit wir ein wenig die Gegend erkunden können. Wir suchen am ersten  Morgen den einzigen feinsandigen, weißen Strand hier – laut lonely planetGerokdak White Sand Beach. Wir finden ihn auch… aber meine Nerven und körpereigenen Stoßdämpfer sind ausgereizt, so übel ist die Fahrt über eine endlose Schotter-Piste hierher.

Der Strand selbst liegt an einer sehr schönen türkisen Bucht, allerdings ist er weder besonders breit, noch besonders lang. Dafür gibts ein paar schattenspendende Bäume und am Ende die feine Strandbar eines oberhalb liegenden Edelressorts. Egal, nach der Tortur muss was Gutes her: Ein edles nicht-Bali-Sandwich und italienische Bruschetta. Auch mal lecker – denn Brot gibt´s hier sonst in Form von ekligem Toastbrot, was immer pappig serviert wird. Laune wiederhergestellt. Noch ein schönes Bad – das erste im Meer seit Thailand. Yeah!

Nun gilt es, ein gutes Tauchzentrum zu finden, denn im Nationalpark soll es spektakuläre Tauchspots geben. Ich halte nicht viel von Internetsuche, ich muss die Leute sehen und sprechen, da vertraue ich auf meinen Radar. Also brausen wir auf der zweispurigen Straße (ich habe hier bisher kaum eine mehrspurige gesehen) im üblichen traffic jam in den Nachbarort Permuteran. Hier gibts mehr Touristen und jede Menge Tauchcenter.

Mein Radar geleitet uns ins Abyss Ocean World Dive Center. Und nach 10 Minuten ist meine Wahl auch schon gefallen: Super-Eindruck, super Leute, super Equipment. Umgekehrt funktioniert auch mein Nein-Danke-Radar ziemlich gut – dann bin ich ganz schnell weg. Tauchen ist Vertrauenssache. Morgen früh gehts los: Tauchen für mich, Schnorcheln für Miki – in einem der besten Tauchgründe der Welt!!

dank Naturschutz im Nationalpark 100 Prozent gesund und -so der Ruf- spektakulär sind. Zum 1947 gegründeten Nationalpark Bali Barat gehören neben Regenwald und dichten Mangroven, Sümpfen, trockenen Savannen, Bergwäldern und Vulkanen auch Sandstrände und kleine Inseln . Die bekannteste davon ist Menjangan, auf der auch die namengebenden Menjangan-Hirsche leben und etliche seltene Vogelarten.

Abendessen im Guesthouse – nicht aufregend, aber sättigend, ein bisschen faulenzen in meiner Hängematte am Pool und ein bisschen mehr Kakophonie aus Koranversen und den nimmermüden Fröschen…. Buddha nimmt alles mit goldenem Lächeln…Gute Nacht!

An dieser Stelle könnte das Kapitel enden… wenn ich mich dafür entscheiden würde, nicht schon wieder vom Tauchen zu erzählen. Aber das geht hier gar nicht! Ein legendäres Unterwasserparadies! Ich verspreche mich kurz zu fassen.  Bitte stark bleiben…

Was soll ich sagen: Es war ein Tag, den ich bestimmt nicht vergessen werde! Wir sind nur drei Taucher(innen), eine davon erst im Fortgeschrittenen-Kurs mit eigener Tauchlehrerin (übrigens die kanadische Mitbesitzerin des Dive Centers). Bessere Bedingungen kann man sich nicht wünschen:  Wir sind ein gemischtes Taucher Duo plus Ary, unser supernetter, entspannter, sehr aufmerksamer junger Guide.

Mit dem Motorboot geht es zwanzig Minuten Richtung Insel Menjangan, in deren Umgebung die besten Tauchgründe liegen. Das Meer ist ruhig und kristallklar, also beste Bedingungen. Wären da nur nicht die Ansammlungen von Plastikmüll, die in der Regenzeit von den Bergen und von Java aus ins Meer geschwemmt werden. Sie werden von Rangern und Freiwilligen fast täglich eingesammelt, aber sie nehmen kein Ende. Aber das Wasser selbst ist zum Glück sauber.

Mein kanadischer dive buddy und ich sind beide erfahrene Advanced Taucher, dürfen also die volle Rifftiefe von 30 Metern ausnutzen. Gleich zu Beginn begrüßen uns zwei Meeresschildkröten und wünschen Gute Reise!

Was nun kommt – geht einfach nicht wirklich zu beschreiben: Die Sicht ist klar und es ist eine Orgie von Farben, Formen und Bewegungen! Es ist das schönste Korallenriff, was ich je gesehen habe, nicht mal Südafrika reicht da ran! Natürlich gibt es auch viele Fische, bunte Schnecken (Nudy Branches), Anemonen und Muscheln in jeder Größe bis zu fast einem Meter Durchmesser – aber die Vielfalt der Korallen und Schwämme hier ist einfach unfassbar! Dazwischen in den Spalten finden wir noch ein paar rot flimmernde electric clams, Skorpionfische und jede Menge anderer Flossen- und Meeresgetier.

Sorry, mir fehlen die Worte, um das zu beschreiben, was ich gaesehen habe. Ich würde die trockenschwimmenden Leser nur langweilen. Also belasse ich es dabei: Es war eines der großartigsten Taucherlebnisse, das ich hatte. Und das zu meinem 80. und 81. Tauchgang! Hallelujah!