15 Vietnam: Moloch Hanoi

Adieu Whale Island! Alle Pläne geändert, statt häppchenweise nach Norden, fliegen wir direkt nach Hanoi. Das erscheint schlau und einfach, zumal Flüge hier sehr billig sind. Truong, der smarte Junge an der Rezeption, hat es hinbekommen, dass wir kurzfristig einen Flug von Tuy Hoa, einer kleinen Stadt eine Stunde entfernt, bekommen haben. Alles bestens organisiert: Das Boot wartet um 7.30 Uhr auf uns, auf dem Festland ein Taxi mit instruiertem Taxifahrer. Wir erreichen überpünktlich den ziemlich neu wirkenden Flughafen und checken ein, das Gepäck und uns. Dann die Sicherheitkontrolle – und dann ist Schluss mit lustig. Ich werde aufgehalten, der junge Typ liest zum x-ten Mal mit zusammengekniffenen Augen Ticket und Pass und winkt den Vorgesetzten herbei, selbes Spiel. Es stellt sich schließlich heraus, dass sie über meinen Namen stolpern, weil zwar ganz korrekt Name, Geburtsname und Vorname im Ticket eingetragen sind, aber der Zusatz „geb.“ fehlt. Naja, kein Problem, denke ich und versuche zu erklären.

Das Problem ist nur, niemand versteht mich und alle zeigen alle immer wieder auf die Abkürzung und erklären: no full name ticket!!! Der Vorgesetzte gackert mich immer fröhlich an, wie ein Haifisch die Flunder, das soll wohl freundlich und beruhigend wirken. Jedenfalls kommen alle möglichen Menschen und mein Pass wandert von einem zum andern, immer wieder erkläre ich: vergebens. Gacker, gacker, grins, grins. Ich versuche mich auf jede erdenkliche Weise bis hin zur Pantomine zu erklären: former name, daddy´s name, now married – alles zwecklos. Langsam fange ich an zu schwitzen. Nun wird ein uniformierter Vorgesetzter mit vielen Sternen auf der Schulter gerufen, der guckt ganz streng in den Pass und mustert mich immer wieder wie etwas, was man unter seiner Stuhlkante kleben hat.

Endlich hält man mir Rechnung hin: Ich soll für über 3,4 Millionen Dong ein anderes Ticket kaufen: „Full Name“. Jetzt ist bei mir Ende mit der Gelassenheit, ich springe im Kreis. Kein Schwein spricht auf diesem Flughafen Englisch. Man bedeutet mir (grins grins) ich solle mich beruhigen, man wolle das Hotel anrufen. Wieder passiert ewig nix, mein Pass verschwindet, Grinsbacke kichert mich wieder an, ich gifte zurück. Der Uniformierte spricht angeregt über Funk, sein Atlatus telefoniert mehrfach. Langsam nähert sich die boarding time. Eine Stunde geht das Spielchen jetzt. Als wir schon langsam die Nerven verlieren, entschließt man sich dann wohl, doch lieber keine internationalen Probleme heraufzubeschwören, lichtet meinen Pass ab und winkt mich durch. Mit der strengen Ermahnung: „Next time nickname too!“. Neiiin! Das ist kein nickname!!!! (Kosename) Gacker gacker, „Yes yes, Nickname too!“ Nass geschwitzt und entnervt besteigen wir die kleine Propellermaschine nach Hanoi.

In Hanoi der Klimaschock. Nach 30 Grad und Sonnenschein nun 13°C, dunkelgrau, regennasse Straßen. Schon im Taxi sind meine nackten Füße Eis. Wir erreichen die klaustrophobisch enge, verwinkelte und nasse, schmutzstarrende Altstadt und das in der Nacht noch gebuchte Hotel – hier sitzen alle in Daunenanoracks im Haus! Ich fühle mich krank, mein Magen revoltiert wieder, es ist kalt, draußen regnet es und der Duschvorhang in unserem Zimmer sieht aus wie eine Pilz-Zuchtanlage. Ich habe mein ganz persönliches Reisetief. Ich will nur noch im – zum Glück sauberen – Bett liegen und schlafen, um mich hier wegzuträumen.

Später, die Klimaanlage ist auf 30 Grad gestellt, fange ich mich wieder ein bisschen und wir gehen auf einen ersten Spaziergang, um eine Apotheke und ein passables Abendessen zu suchen.

Unser Hotel ist eins von den hier ganz typischen Tunnel-Häusern: zimmerbreit, aber circa 80 Meter tief. Da reihen sich an die Rezeption hintereinander noch ein Reisebüro, ein Friseur, ein Brückchen mit Miniwasserfall, ein Treppenhaus, ein leeres Restaurant, ein Fahrstuhlflur, der Frühstücksraum und die Küche. Alles ziemlich alt und ziemlich abgeranzt. Aber die Hotelcrew ist super freundlich, das Zimmer relativ groß und das Bett sauber bezogen.

Mit allen vorhanden dicken Sachen eingemummelt machen wir uns auf in den Wahnsinn der Hanoier Altstadt. Es fällt mir schwer, den zu beschreiben! Ein Gewirr von engen Straßen, ehemals schöne, nun meist schimmelschwarze, alte Häuser drängeln sich neben halben Ruinen und dazwischengebauten schmalen Hotels aller Preislagen. Manche Häuser haben nur ein Stockwerk, andere bis zu zehn oder sogar mehr. Das ganze ist überspannt von einem Wust an Elektrokabeln, dass man sich wundert, dass hier noch nicht alles abgebrannt ist. In jedem Haus sind Läden, vollgestopft bis in den letzten Winkel, Werkstätten, Restaurants, Garküchen, Reiseagenturen. So viel, dass man kaum noch etwas einzeln wahrnimmt – es ist einfach zu viel, es gibt alles!

Auf den Straßen herrscht der totale Wahnsinn. Noch mehr Motorräder und –roller als in Saigon, Taxis, ein paar Privatautos, Radfahrer, Rikschas, Fußgänger und Straßenverkäufer. Die meist handtuchbreiten Straßen sind überwiegend in miserablem Zustand, bei dem Wetter dreckverschmiert, die Bürgersteige unbenutzbar, da völlig zugeparkt oder mit Waren zugestellt, wenn nicht gerade Menschen auf winzigen Stühlchen dort um eine Garküche sitzen und essen. Das Essen wird teilweise auf Tabletts auf dem Boden zubereitet, nur Millimeter vom Straßendreck entfernt. Als Fußgänger schlängelt man sich mitten durch den Verkehr auf der Fahrbahn. Es wird ununterbrochen gehupt, die Luft ist Abgas pur, das Geräusch der Motorräder bildet den permanenten Grundton unter allem anderen. Nach einer Weile hat einen der normale Wahnsinn absorbiert und man schwimmt fast unbewusst zwischen all den Motorrädern, Taxen und Menschenmassen herum – oder wird einfach geschoben.

Läden, Läden, Läden – ohne Ende! Hier und da am Straßenrand, in jedem Hotel und Geschäft, manchmal sogar auf den knorrigen Straßenbäumen mit bunten Lämpchen beleuchtete Buddha-Schreine mit Räucherstäbchen, frischem Obst, Blumen, Schokoladenkeksen, Coca Cola und Geldscheinen. Und dazwischen: Abfälle, günstigstenfalls in Plastiktüten verpackt.

Es gelingt uns nach einigen vergeblichen Versuchen eine Apothekerin zu finden, die versteht, was ich will. Wir besuchen verschiedene kleine Reisebüros, weil wir morgen in berühmte Ha Long Bucht fahren möchten und Preise vergleichen wollen. Die Angebote unterscheiden sich minimal, wir buchen schließlich einen Zweitagesausflug. Da das Wetter so mies ist, wollen wir lieber doch nicht drei Tage riskieren, wie zuerst geplant. Wir entscheiden uns für ein mittelgroßes, sehr geplegt aussehendes Schiff, auf dem wir schließlich ja auch schlafen müssen. Die Fotos sehen toll aus, die Kabine super, genau wie das Restaurant, in dem alle Mahlzeiten serviert werden. Wir handeln noch 30 Dollar Preisrabatt aus und sehen der Reise gespannt entgegen. Wir haben schon begeisterte Menschen getroffen wie auch alptraumhafte Geschichten gehört …

Dann die Suche nach einem passablen Restaurant, das ich meinem armen Bauch zumutem kann. Das von der Reiseagentin empfohlene Suppenrestaurant sieht suboptimal, aber passabel aus. Ich warte, Miki geht eine Etage höher auf die Toilette. Drei Minuten später zerrt er mich aus dem Restaurant. Direkt neben dem Klo lagen die Lebensmittel offen auf dem schmutzigen Fußboden im Dreck, Miki ist darin ausgerutscht …

Aber zum Glück herrscht ja hier kein Mangel an Restaurants. Keine Ahnung, ob ihre Zahl in die Hunderte oder Tausende geht. Wir finden eine Ecke weiter ein etwas Vertrauen erweckenderes, leicht europäisch anmutendes. Nach einer leckeren Hühnersuppe mit Reisnudeln geht es mir besser. Wir Kaufen noch ein paar Mangos und finden nach einigem Suchen sogar zurück ins Hotel Indochina Queen II und lassen uns erschöpft in die Kissen sinken. New York ist ein ruhiges Plätzchen und Berlin ein Öko-Dorf.

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