Es ist einfach toll, irgendwo auf der Welt Menschen zu treffen, die so ganz anders leben als man selbst und trotzdem eine Verbindung zu spüren. So geht es uns mit unseren Guides – speziell Dieki. Wir haben nicht nur das Glück, dass er ein kluger und kundiger Führer im Dschungel ist, sondern da ist außerdem viel Sympathie im Spiel, Altersunterschied hin oder her. Außer über das Leben im Dschungel haben wir auch viel über unsere Leben geredet.
Das Leben hier in Sumatra ist anders als in Bali. Wieder eine neue fremde Welt. Wäre da nicht dieselbe Sprache, könnte es ein anderes Land sein. Was die Menschen gemeinsam haben, ist ihre ehrliche Freundlichkeit, das Lächeln, den respektvollen Umgang. Den Unterschied aber macht die Religion: Waren in Bali die meisten Menschen Hindus, ist die absolut überwiegende Mehrheit hier muslimisch.
Das wird sofort am Flughafen in Medan augenfällig und auch das Straßenbild ist ein ganz anderes, nicht nur wegen der vielen kleinen und größeren Moscheen überall. Am augenscheinlichsten wird es bei den Frauen: Fast alle tragen ein Hidjab und einfarbige Kleidung, die Arme und Beine bedeckt. Manchmal sogar schon die kleinen Mädchen. Es gibt hier auch Frauen, die den bodenlagen schwarzen Tschador tragen, der nur die Augen freilässt. Viermal am Tag wird von den Muezzin der umliegenden Moscheen lautstark Allah gepriesen.
Auf den Speisekarten steht natürlich kein Schweinefleisch und in etlichen Restaurants auch keinerlei Alkohol. In unserem Jungle Inn Guesthouse ist sogar das Trinken von Alkohol im Zimmer verboten. Das geht uns dann doch zu weit… abends auf unserem herrlichen Balkon, mit Blick auf Dschungel und den Fluss, erlauben wir ins dann doch ein eingeschmuggeltes Bier.
Dennoch wird man als Nicht-Muslim überall ganz selbstverständlich respektiert und freundlich behandelt, das soll hier unbedingt gesagt werden.
Auch „unsere Jungs“ sind Muslime, selbstbewusst, locker und souverän beantworten sie auch Fragen nach religiösen Dingen. Diese gegenseitige Sympathie ist sicher der Grund dafür, dass wir etwas Besonderes erleben dürfen: Wir werden zu Diekis Hochzeit eingeladen. Offiziell geheiratet hat er schon ein paar Tage zuvor, aber die Feierlichkeiten stehen noch aus. Also – spannend! Und… um es vorwegzunehmen, was ich nun im Folgenden erzähle – das ist mir bewusst – ist unbedarft, fehler- und lückenhaft und oberflächlich. Aber ich kann nur beschreiben, was ich sehe oder höre – bruchstückhaft. Aber es ist so ein tolles Erlebnis, dass ich es einfach weitererzählen möchte und sei es auf diese schlichte Weise.
Pünktlich halb zehn werden wir von zwei Freunden von Dieki mit Motorrädern abgeholt und zum Sammelpunkt von Dikies Familienmitgliedern – dem Restaurant seines Vaters im oberen Dorf – gefahren. Hier tummeln sich jede Menge Leute aus der Verwandtschaft: Männer, Frauen, Kinder in festlichen Kleidern – Muslimstyle. Alle warten essend, Tee trinkend und schwatzend darauf, dass es losgeht.
Nun bekommen wir kurz Dieki zu sehen, der umwerfend aussieht: Er hat wunderschöne traditionelle Kleidung an mit viel Gold, Rot, Gelb und Schwarz, die Fingernägel sind rot lackiert. Er zeigt nun doch Nerven, wirkt ganz ungewohnt ernst und wird kurz darauf, nach einem Foto im Kreise seiner Tanten, weggebracht. Nun wird ein Konvoi aus überfüllten Autos und Motorrädern zusammengestellt, in den alle hier versammelten Gäste verfrachtet werden. Los geht s ins untere Dorf von Bukit Lawang.
Hier gibt es einen großen freien Platz an der Straße – Lehmboden von einem Blechdach überdeckt: Festplatz für alle Anlässe, vor allem Hochzeiten. Bei Bedarf wird er dann von den Familien hergerichtet. Diesmal wurde er mit Dutzenden Plastiktischen und Stühlen ausgestattet und hat ein festliches Eingangsportal mit wunderschönen weißen Blumenketten erhalten, durch das später die Brautleute und ihre Familien schreiten werden. An der hinteren Wand gibt es eine lange, schmale Bühne, die Wand ist geschmückt und mit den Namen des Brautpaares beschriftet: Dieki & Kethlin. Zwei thronartige Sessel warten auf das Brautpaar, flankiert von vier weiteren Lehnstühlen. Schalen mit Blütenblättern, Reis und Räucherstäbchen stehen bereit. Alles sehr oppulent.
So ganz im Gegensatz zu dem eher super schlichten Platz mit den Tischen für die Gäste. Einfache weiße Plastiktische und Stühle und zwei improvisierte Essensausgaben, ebenfalls aus Plastikmöbeln, mit Plastiktellern und Bestecken. Ein paar Plastikblumen – das war dann auch schon alles an Tischschmuck.
Es wuselt nur so von Menschen, die meisten Gäste tragen traditionelle Kleidung, fast alle Frauenlange hellgrüne, hellblaue oder rosa Kunstseide-Kleider mit Pailletten oder Perlen, dazu das Kopftuch – manche auch ganz verhüllt in Schwarz. Aber das sind die wenigsten. Außer uns „Ausländern“ ist nur noch eine Amerikanerin eingeladen. Alle hier sind offen und freundlich zu uns, helfen, erklären, wenn wir nicht weiterwissen.
Wir dürfen auch hinter der Bühne in den „Arbeitsbereich“, wo von vielen fleißigen Frauen und einigen Männern den ganzen Tag über das Essen zubereitet wird – über viele Stunden, immer wieder Nachschub. Dutzende Frauen sitzen auf Planen am Boden und schnibbeln Kräuter und Gemüse, machen Salat, andere kochen, die Männer schüren das Feuer und tragen schwere Sachen herum.
Drei Kühe wurden gekauft – ein sehr besonderes Essen, denn Rindfleisch ist für die Menschen hier ein Luxus. Es gibt geschmortes Rindfleisch, Gemüse, Reis, Suppe, Krupuk und einen sehr leckeren Obstsalat mit frischem Chili – alles auf einem Teller, dazu Löffel und Gabel – wie üblich. Einige essen auch mit der Hand. Für uns immer ein ungewohnter Anblick – oder – wie der Berliner sagen würde: Mit alle Fünfe inner Pampe… Dazu gibt’s natürlich Wasserschälchen für die Finger. Für unsere Vorstellung von Hochzeitsmenü ist es ein eher bescheidenes Essen. Holen muss es sich jeder selbst, hier gibt keine Bedienung. Dazu gibt’s klares Wasser und als Variante Wasser zuckersüß in rot oder grün. Nicht mal Saft oder Cola.
Aber ich greife vor – das Essen beginnt natürlich erst nach dem festlichen Einzug der Brautleute. Die Hochzeit wurde nach traditionellem javanischen Ritual ausgerichtet, Diekies Familie kommt aus Java.
Die Braut, Kethrin, ist zuerst da mit ihrer Familie. Sie selbst ist ein Kunstwerk! Nicht nur wegen des unglaublich aufwendigen Kleides aus besticktem Brokat, mit Hose und einem glitzernden Kopfschmuck mit goldenen Strahlen. Ihr Gesicht ist extrem stark und exotisch geschminkt, wie sonst bei den berühmten klassischen Tänzerinnen. Einfach ein Gesamtkunstwerk. Unglaublich! Ich hätte sie nie wiedererkannt!
Dann geht’s zur Bühne. Auf den Stühlen rechts und links haben die Eltern Platz genommen, anstelle von Diekis Mutter, die schon tot ist, eine Tante. Die Brautleute knien abwechselnd vor beiden Elternpaaren nieder, küssen ihnen die Hände, lassen sich segnen und bedanken sich bei ihnen. Dazu singt, die ganze Zeit über eine Lautsprecheranlage verstärkt, die Hochzeitssängerin mit einem Frauenchor – ehrlich gesagt für unsre Ohren sehr anstrengend. Und das geht noch Stunden so weiter…
Anschließend nehmen die Brautleute auf den „Thronen“ Platz. Über Stunden treten nun immer neue Gratulanten zu ihnen, die ewig anstehen und das Paar mit Blumen und Wasser und Räucherstäbchen segnen und ihnen ihre guten Wünsche vortragen. Das arme Brautpaar muss jedes Mal danach aufstehen für die unvermeidlichen Fotos. Ich weiß nicht, wie die das aushalten in dieser Hitze! Geschenke werden irgendwo anonym gesammelt, gern auch Geld, um das alles hier zu bezahlen.
Ich trage nur ein leichtes Sommerkleid und bin völlig erledigt. Die Brautleute haben fünf opulente Outfits im Laufe der Stunden zu präsentieren – alle so kunstvoll und wärmend. Erst am Abend dürfen sie etwas Moderneres, Lockeres anziehen – das erleben wir nicht mehr, wir sind nach vier Stunden fix und fertig bei der Gluthitze und ziehen uns diskret, aber verständnisvoll entschuldigt, zurück.
Diekie ist offensichtlich besonders bekannt und beliebt hier– entsprechend groß die Zahl der Gratulanten, allerdings hatte selbst er wohl nicht mit -letztendlich- 2200 Menschen gerechnet!! Er ist noch Tage später beeindruckt.
Am Nachmittag treten auf einer zweiten Bühne auch der Bürgermeister und ein weiterer Sänger auf. Am Abend dann – im lockeren Teil – hat eine Band gespielt, Freunde von Diekie, extra aus Medan angereist. Die letzten Stunden feiert die Familie (immer noch groß) im engeren Kreis. Wir hätten wiederkommen dürfen, aber ehrlich gesagt, waren wir völlig kaputt. Diekies Freunde, Dedek und Kittin, haben uns die ganze Zeit betreut und den Fahrdienst gespielt.
Ein tolles Erlebnis! Aber ich bin froh, dass ich dereinst mit „nur“ einem Kleid und 10 Gästen heiraten durfte…
Den Rest des Tages verbringen wir erschöpft und inspiriert in unseren Hängematten auf dem Balkon mit Blick auf Fluss, Urwald und dem Besuch des alten Affen mit dem furchteinflößenden Gebiss, der schon ein paarmal unser Obst geklaut hat. Aus dramaturgischen Gründen habe ich diesen Tag vorgezogen, der umrahmt war von zwei weiteren Trekkings, von denen ich im nächsten Block erzählen werde…