23 – Das große Ereignis: Hochzeit Java Style


Es ist einfach toll, irgendwo auf der Welt Menschen zu treffen, die so ganz anders leben als man selbst und trotzdem ist da eine Verbindung. So geht es uns mit unseren Guides – speziell Dieki. Wir haben nicht nur das Glück, dass er ein kluger und kundiger Führer im Dschungel ist, sondern da ist außerdem eine ganz Menge Sympathie im Spiel, Altersunterschied hin oder her. Und so kann ich auch immer wieder neugierige Fragen – auch zur Religion – stellen.


Das Leben hier in Sumatra ist ganz anders als in Bali. Wieder eine neue fremde Welt. Wäre da nicht dieselbe Sprache, könnte es ein anderes Land sein . Was die Menschen gemeinsam haben, ist ihre ehrliche Freundlichkeit, das Lächeln den respektvollen Umgang. Den Unterschied aber macht eindeutig die Religion: waren in Bali die allermeisten Menschen Hindus, ist die absolut überwiegende Mehrheit hier muslimisch.

Das wird sofort am Flughafen in Medan augenfällig und auch das Straßenbild ist ein ganz anderes, nicht nur wegen der vielen kleinen und größeren Moscheen überall. Am augenscheinlichsten wird es bei den Frauen: Fast alle tragen ein Hidjab und einfarbige Kleidung, die Arme und Beine bedeckt. Manchmal sogar schon die kleinen Mädchen. Es gibt hier sogar etliche Frauen, die sogar den schwarzen Tschador tragen, der nur die Augen freilässt. Viermal am Tag wird von den Muezzin der umliegenden Moscheen lautstark Allah gepriesen.


Es gibt natürlich kein Schweinefleisch und in etlichen Restaurants auch keinerlei Alkohol. In unserem Jungle Inn Guesthouse ist sogar das Trinken von Alkohol im Zimmer verboten. Das geht uns dann doch zu weit… abends auf unserem herrlichen Balkon, mit Blick auf Dschungel und den Fluss, erlauben wir ins dann doch ein eingeschmuggeltes Bier.

Dennoch wird man als Nicht-Muslim überall ganz selbstverständlich respektiert und freundlich behandelt, das soll hier unbedingt gesagt werden.
Auch „unsere Jungs“ sind Muslime, selbstbewußt, locker und souverän beantworten sie auch meine Fragen nach religiösen Dingen. Diese Symphatie füreinander ist sicher der Grund dafür, dass wir etwas Besonderes erleben: Wir werden zu Diekis Hochzeit eingeladen. Offiziell geheiratet hat er schon ein paar Tage zuvor, aber die Feierlichkeiten stehen noch aus. Also – spannend! Und… um es vorwegzunehmen, meine nun kommende Erzählung ist – das ist mir bewusst – unbedarft, fehler- und lückenhaft und so wohl auch oberflächlich. Aber es ist so ein tolles Erlebnis, dass ich es einfach weitererzählen möchte und sei es auf diese unbedarfte Weise.


Pünktlich halb zehn werden wir von zwei Freunden von Dieki mit Motorrädern abgeholt und zum Sammelpunkt von Dikies Familienmitgliedern – dem Restaurant seines Vaters im oberen Dorf – gefahren. Hier tummeln sich jede Menge Leute aus der Verwandschaft: Männer, Frauen, Kinder in festlichen Kleidern – Muslimstyle. Alle warten wohl darauf, dass es losgeht.

Dann bekommen wir kurz Dieki zu sehen, der umwerfend aussieht: Er hat wunderschöne traditionelle Kleidung an mit viel Gold, Rot, Gelb und Schwarz, die Fingernägel sind rot lackiert. Er zeigt nun doch Nerven, wirkt ganz ungewohnt ernst und wird kurz darauf irgendwohin gebracht. Nun wird ein Konvoi aus überfüllten Autos und Motorrädern zusammengestellt, in den alle hier versammelten Gäste verfrachtet werden. Los geht s ins untere Dorf von Bukit Lawang.


Hier gibt es einen freien Platz an der Straße – Lehmboden von einem Blechdach überdeckt -für alle möglichen Anlässe, vorallem Hochzeiten.Bei Bedarf wird er jeweils von den Familien hergerichtet. Diesmal wurde er mit Dutzenden Plastiktischen und Stühlen ausgestattet und hat ein festliches Eingangsportal mit wunderschönen weißen Blumenketten erhalten, durch das später die Brautleute und ihre Familien schreiten werden. An der hinteren Wand gibt es eine schmale Bühne , die Wand ist geschmückt und mit den Namen des Brautpaares beschriftet. Zwei thronartige Sessel warten auf das Brautpaar, flankiert von vier weiteren Lehnstühlen. Schalen mit Blütenblättern, Reis und Räucherstäbchen stehen bereit. Alles sehr oppulent.

So ganz im Gegensatz zu dem eher schmucklosen, super schlichten Platz mit den Tischen für die Gäste. Einfache weiße Plastiktische und Stühle und zwei Essensausgaben, ebenfalls aus Plastikmöbeln, mit Plastiktellern und Bestecken. Ein paar Plastikblumen – das war dann auch schon alles an Tischschmuck.
Es wuselt nur so von Menschen, die meisten Gäste tragen traditionelle Kleidung, fast alle Frauenlange hellgrüne, hellblaue oder rosa Kunsseidekleider mit Pailleten oder oerlen, dazu das Kopftuch – machen auch mit strenge Tschador, der nur die Augenfreilässt. Aber das sind die wenigsten.. Außer uns „Ausländern“ ist nur noch eine Amerikanerin eingeladen. Alle hier sind offen und freundlich zu uns, helfen, wenn wir nicht weiterwissen .

Wir dürfen auch hinter der Bühne in den „Arbeitsbereich“ , wo von vielen fleißigen Frauen und einigen Männern den ganzen Tag über das Essen zubereitet wird – über viele Stunden, immer wieder Nachschub. Dutzende Frauen sitzen auf Planen am Boden und schnibbeln Kräuter und Gemüse, machen Salat, andere kochen, die Männer schüren das Feuer und tragen schwere Sachen herum.

Drei Kühe wurden gekauft – ein besonderes Essen, denn Rindfleisch ist für die Menschen hier ein Luxus. Es gibt geschmortes Ríndfleisch, Gemüse, Reis, Suppe, Krupuk und einen sehr leckeren Obstsalat mit frischem Chili – alles auf einem Teller, dazu Löffel und Gabel – wie üblich. Einige essen auch mit der blanken rechten Hand. Für uns ein ungewohnter Anblick – oder – wie der Berliner sagen würde: Mit alle Fünfe inner Pampe… Dazu gibt’s natürlich Wasserschälchen für die Finger. Für unsere Vorstellung von Hochzeitsmenü ein eher bescheidenes Essen. Holen muss es sich jeder selbst, hier gibt keine Bedienung. Dazu gibt’s Wasser und als Variante dasselbe zuckersüß in rot oder grün.


Aber ich greife vor – das Essen beginnt natürlich erst nach dem festlichen Einzug der Brautleute. Die Hochzeit findet nach traditionellem javanischen Ritual statt, Diekies Familie kommt aus Java.

Die Braut, Kethrin, ist zuerst da, mit ihrer Familie. Sie ist ein Kunstwerk! Nicht nur wegen des unglaublich aufwendigen Kleides mit Hose und einem glitzernden Kopfschmuck mit goldenen Strahlen. Ihr Gesicht selbst ist geschminkz, wie ich es von den berühmten klassischen Tänzerinnen kenne. Einfach ein Gesamtkunstwerk. Unglaublich! Ich hätte sie nie wiedererkannt!


Schließlich trifft Dikie mit seinem Gefolge ein. Auch er in wunderschönen Kleidern aus Brokatstoffen und einer tollen Kappe. In einer Zeremonie, die von einer Hochzeitssängerin unablässig besungen wird, werden die Brautleute ´von den Eltern zusammengeführt – was genau alles geschieht und gesungen wird, verstehen wir leider so gar nicht. Außer der häufigen Wiederholung des Namens des Propheten . Gesehen habe ich aber, dass die Brautleute niderknien und sich u.a. gegenseitig die Füsse waschen.

Dann geht’s zur Bühne. Auf den Stühlen rechts und links haben die Eltern Platz genommen, anstelle von Diekis Mutter , die schon tot ist, eine Tante. Die Brautleute knien jeweils vor beiden Elternpaaren nieder und küssen ihnen die Hände und bedanken sich bei ihnen. Dazu singt die ganze Zeit die Hochzeitssängerin mit einem Frauenchor – ehrlich gesagt für unsre Ohren sehr anstrengend . Und das geht noch zwei Stunden so weiter…


Anschließend nehmen die Brautleute auf den „Thronen“ Platz . Über Stunden treten nun immer neue Gratulanten zu ihnen, die ewig anstehen und das Paar mit Blumen und Wasser und Räucherstäbchen segnen und ihnen ihre guten Wünsche vortragen. Das arme Brautpaar muss jedes Mal danach aufstehen für die unvermeidlichen Fotos. Ich weiß nicht, wie die das aushalten in dieser Hitze! Geschenke werden irgendwo anonym geammelt, gern auch Geld, um das alles hier zu bezahlen.

Ich trage nur ein leichtes Sommerkleid und bin völlig erledigt, das Wasser rinnt nur so am Körper runter. Die Brautleute haben fünf Outfits im Laufe der Stunden zu präsentieren – alle so kunstvoll und wärmend. Erst am Abend dürfen sie etwas Moderneres, Lockeres anziehen – das erleben wir nicht mehr, wir sind nach vier Stunden fix und fertig bei der Gluthitze.


Diekie ist offensichtlich besonders bekannt und beliebt – entsprechend groß die Zahl der Gratulanten, allerdings hatte selbst er wohl nicht mit -letztendlich- 2200 Menschen gerechnet!! Er ist noch Tage später beeindruckt.


Am Nachmittag tritt auch der Bürgermeister und ein weiterer Sänger auf einer zweiten Bühne auf. Am Abend dann – im lockeren Teil – hat eine Band gespielt. Die letzten Stunden feiert aber die (immer noch große) Familie im engeren Kreis. Wir hätten wiederkommen können, aber ehrlich gesagt , waren wir völlig erledigt. Diekies Freunde, Dedek und Kittin, haben uns die ganze Zeit betreut und den Fahrdienst gespielt.

Ein tolles Erlebnis! Aber ich bin froh, dass ich mit „nur“ einem Kleid und 10 Gästen heiraten durfte….
Den Rest des Tages verbringen wir erschöpft und inspiriert in unseren Hängematten auf dem Balkon mit Blick auf Fluss, Urwald und dem Besuch des Affen, der schon ein paarmal unser Obst geklaut hat. Aus dramaturgischen Gründen habe ich diesen Tag vorgezogen, der umrahmt war von zwei weiteren Trekkíngs, von denen ich im nächsten Block erzählen werde…