11. Frühstück im Bach

Die erste Handlung nach dem Frühstück: Umziehen. Ich war zu faul zum Klinkenputzen und habe für die verbleibende Nacht einfach online eine Pension gebucht, anderthalb Kilometer entfernt. Laufen? Nach 400 Metern mit Gepäck über steinigen, kaputten Asphalts neben den Autos bei brennender Sonne nehme ich dann doch ein Taxi.

Das Khao Lak Seafan B&B ist am Ende des Ortes und recht einfach. Aber immerhin gibt mir die Managerin gleich ein Zimmer mit Fenster. Ich hatte ganz vergessen, dass das hier nicht selbstverständlich ist. Sachen abwerfen und los. Roller leihen. Oh Gott: schweinchenrosa… es ist der Letzte.

Auf nach Norden: der erste Strand, an den ich nach etwa zwanzig Minuten Schussfahrt durch den Endlos-Ort abbiege, heißt Pakarang Beach. Hier ist es viel, viel ruhiger als in Nang Tong oder Bang Niang Beach, den beiden Hauptstränden. Der feine Sandstreifen ist nicht sehr breit, aber von schattigen Bäumen gesäumt. Ein paar kleine Restaurants bündeln sich am Ende der Straße, sonst gibt es nicht viel.

Außer dem Tsunami Center. Es gibt sogar ein Museum, aber das ist gerade geschlossen. Der Schock sitzt hier immer noch tief offensichtlich nach all den Jahren. Überall ist eine Evakuierungsroute ausgezeichnet und es gibt es Hinweisschilder, wie man sich im Falle eines Tsunami verhalten soll. Wie man allerdings höhere Regionen aufsuchen soll, wo es hier überall weiträumig flach ist, weiß ich nicht so recht.

Aber ich will weiter – irgendwie glaube ich der Coconut Beach ist das, wonach ich suche. Eine Ahnung, nicht mehr. Diesmal stimmt die Wegbeschreibung sogar – war auch nicht so schwer bei drei Kilometern. Ich rumple die letzten Kilometer über eine schmale, steinige Lehmpiste durch einen wunderbaren Palmenwald. Ich muss mich auf dem Weg konzentrieren, obwohl meine Augen immer in den Palmwedel verzauberten Himmel schauen wollen.

Was für ein wunderschöner Strand! Strahlend weiß, Palmen gesäumt und das Wasser strahlt ganz hellblau kristallklar. An dem mindestens zweieinhalb Kilometer langen sanft geschwungenen Strand, der am nördlichen Ende White Beach heißt, sind in Abständen etwa sechs Restaurants verteilt, die auch Sonnenliegen anbieten. Dazwischen gibt es immer wieder völlig freien Platz. das ist eher Urlaunsfeeling als die vollen Hauptstrände. Es ist schon fast zu viel Postkarte. Glaubt sicher jeder, die Fotos sind bearbeitet.

Das dritte Strandrestaurant gefällt mir, ich nehme mir eine Liege fast am Ende unter grünen Zweigen. Ein frischer Kokosmilchshake und die Welt kann schöner nicht sein….

Irgendwann höre ich hinter mir im Wald etwas rumoren. Als ich nachschauen gehe, sehe ich zunächst nur einen Thaibauern, der immer in den Himmel zu schauen scheint. Tatsächlich aber schaut er nach einem Affen, der an einer Leine gehalten in die bestimmt zwischen fünfzehn und zwanzig Meter hohe Palme geklettert ist. da oben erntet er die Kokosnüsse und wirft sie herunter.

Wie praktisch! Der Affe tut, was er mag, und das umfasst auch einige Turnübungen und lustige Affereien, und die Kokosnüssse bedrohen nicht länger zerbrechliche Touristenköpfe! Die Nüsse, die schon alt sind, kommen auf einem Haufen, die grünen auf einen anderen. Sie werden, wie ich höre, einmal die Woche nach Phuket und Krabi gefahren für die Restaurants.

Der Nachmittag neigt sich und ich mache mich auf den Rückweg. Duschen, umziehen und nochmal los. Schließlich habe ich noch nicht meine Pflichtinspektion des örtlichen Nachtmarktes unternommen. Der liegt im Nachbarort Bang Niang.

Ich habe Mühe einen winzigen Parkplatz zwischen den hunderten Rollern am Straßenrand zu find. Aber es duftet wunderbar. Ich streife einmal über das komplette Terrain, schließlich muss man die Speisekarte hier zu Fuß ablaufen, bevor man sich entscheidet. In der Mitte gibt es eine Traglufthalle mit Bars, an denen Cocktails ausgeschenkt werden und billige Kleider und Hüte auf Touristen warten. Hier ist auch die obligatorische Minibühne, auf der wie immer Laien für das Entertainment sorgen. Diesmal ist es eine junge Thai mit einer erstaunlich guten Bluesstimme, die amerikanische Songs darbietet.

Ich ende mit einer wilden Zusammenstellung von Salatdumplings, koreanischem Grillspießen, scharfer chinesischer Wurst, frittiertem Gemüse, einem Sommerrollenwrap mit Salat und rohem Lachs und Bratlingstalern aus grüner Kokosnuss in drei Farben als Nachtisch am Rand des Maktes. Hier finde ich sogar einen Tisch, an dem ich meine, leider jeweils in Plastik verpackten, Köstlichkeiten essen kann. Mit einem großen Chang Bier dazu. Lecker.

Das ist übrigens die Schattenseite der vielen Suppenküchen, Straßenimbisse und Nachtmärkte: der Müll. Aber leider haben sie wirklich nichts anderes im Programm wie z.b. Teller… Nicht ein einziger Stand hat hier Mehrweg-Geschirr. Das ist zum Glück nicht überall so auschließlich, aber meistens.

Am Morgen danach stehe ich früh auf, denn ich will meine verbleibende Zeit bis drei Uhr noch nutzen. Dann bringt mich ein Taxi für knapp dreißig Euro in anderthalb Stunden zum Flughafen Phuket. Die einzige Alternative wäre der zweimal täglich fahrende Bus nach Phuket Busbahnhof. Aber der braucht lange, fährt zu ungünstigen Zeiten und ich müsse am Ende doch noch ein Taxi zum Airport nehmen. Dann lieber mal Luxus.

Rauf auf mein rosa Gefährt und los, wieder Richtung Norden. Es gibt drei Wasserfälle in der Umgebung. Meine super nette Hotelfrau hat mir verraten, dass einer davon ohne Nationalparkgebühren zugänglich ist. Und ich werde auch gleich noch mit einem Restaurant-Tipp versorgt, wo „echtes“ Thai-Essen („not the Thaifood for tourists“) serviert wird.

Gute zwanzig Kilometer nördlich rumple ich in den Wald bis zum letzten Parkplatz vor dem Sai Rung Wasserfall – dem Regenbogenwasserfall. Ein paar freundliche Hunde beschnuppern mich, dann darf ich ihre Babies streicheln.

Auf dem Weg zum Wasserfall höre ich plötzlich wasser plätschern. Als ich den munteren Gebirgsbach zwischen all dem üppigen Grün endlich sehen kann, traue ich meinen Augen nicht: Lose verteilt stehen Tische und Stühle mitten in dem plätschernden Wasser. Sie gehören zu einem fast komplett mit Pflanzen überwachsenen Restaurant, das ein Stück zurückgesetzt im Wald steht: Suam Nam Riem. Genau das, was mir meine Wirtin wegen des guten Essens empfohlen hat!

Ich bin völlig aus dem Häuschen. Sowas habe ich hier nun wirklich nicht erwartet. Eine erfrischendere Einkehr kann man sich bei dieser Hitze wirklich nicht vorstellen. Das hat was von einer Fatamorgana!

Da fällt mir ein: Ich habe noch gar nicht gefrühstückt… Also wenn nicht hier, wo dann: Scharfes Grünes Curry und frischen Orangensaft und Espresso – mit Fußbad, Blätterdach und Sonnenflecken als Tischdeko. Es ist definitiv das tollste Frühstück meines Urlaubs. Und ja, die Küche ist extrem gut!

Derart gestärkt und bestens gelaunt wandere ich das kleine Stück bergauf zum Wasserfall. Gleich auf der anderen Uferseite im Wald stehen ein paar heruntergekommene Ruinen von Picknickpavillions. Wirklich Schandflecken in dieser Umgebung. Passt irgendwie so gar nicht zu dem liebevoll in die Natur eingefügten Restaurant.

Der Regenbogenwasserfall hat seinen Namen sicher vom Farbenspiel der einfallenden Sonnenstrahlen auf der Gischt des herabfallenden Wassers. Inmitten des Grüns ein schöner Anblick, auch wenn der Wasserfall nicht besonders hoch ist. Ungefähr zehn Meter. Die Vögel zwitschern tapfer gegen das laute Rauschen an und ein paar blaugelbe Schmetterlinge vervollständigen die Idylle.

Auf dem Rückweg entdecke ich noch einen besonders großen, goldenen Altar, mit Blumen und Räucherkerzen überhäuft, auf einer Lichtung neben dem Haus. Plötzlich steht ein Mann neben mir, verbeugt sich respektvoll und wünscht mir ein glückliches neues Jahr. Es ist der Besitzer. Ich lobe sein Restaurant und vor allem das Essen. Stolz erklärt er mir, dass der Koch auch früher Chefkoch in einem berühmten Hotel war, bevor er hierher gekommen ist.

Ich mache dem Mann auch Komplimente über den wunderbaren Ort und die kleinen Bach-Tische. Er erklärt mir, dass sie nur von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends da stehen dürfen wegen der Natur. Ich wage eine vorsichtige Frage, warum denn dann diese Ruinen da im Wald stehen… Er winkt empört ab und erzählt, dass das jemand ohne Erlaubnis gebaut hatte. Das Restaurant wurde aber geschlossen, da so nah am Wasser nichts gebaut werden darf. Aber das Land gehört ihm nicht und er muss warten, bis der Besitzer des anderen Ufergrundstücks die Ruinen abbaut. Wie verbeugen uns noch eine Runde voneinander und trennen uns in gegenseitiger Wertschätzung…

Mir bleibt noch Zeit, deshalb beschließe ich, noch ein wenig am Coconutbeach zu chillen, bevor ich mich wieder auf die Reise mache. Zurück in der Pension erlaubt mir Meo, die Chefin, in ihrem Zimmer zu duschen und mich umzuziehen. Danach haben wir vor meinem Abschied noch einen sehr interessanten Frauenplausch.

Die extrem attraktive und selbstbewußte Frau mit wallender Mähne bis zur Taille und einem sehr freizügigen Dekolleté erzählt mir, dass sie Muslimin sei. Aber trotzdem sei es hier in Thailand möglich, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Religion lebe. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder – in Krabi. Es würde zu weit führen, diese sehr persönliche Unterhaltung hier wiedergeben zu wollen. Aber fest steht, was ich über ihr Leben, gesellschaftliche Regeln, Moral und die Arrangements darin erfahren habe, hat mich ziemlich verwirrt und mein Bild vom Leben hier ganz schön durcheinandergewürfelt.

Aber einen Aspekt des Gespräches möchte ich doch wiedergeben: Meo arbeitet hier als Geschäftsführerin, obwohl ihre Familie und ihr Haus in Krabi sind, weil sie von dem Unternehmen darum gebeten wurde. Sie will nicht kündigen, weil sie dem Unternehmen dankbar ist, das ihr Studium bezahlt hat und jetzt Geld für ihren Sohn auf dem College dazugibt.

Das bedeutet konkret, dass sie ihre Familie acht Monate im Jahr nicht sieht, da sie während der Saison, von Oktober bis Mai, keinen freien Tag hat. In dieser Zeit beträgt ihr Gehalt 10.000 Baht (295 Euro). Danach braucht sie vier Monate nicht zu arbeiten und bekommt trotzdem 6000 Baht (180 Euro). Als Geschäftsführerin wohlgemerkt….Und so billig ist Thailand eigentlich auch nicht mehr, dass ich mir vorstellen könnte, wie das funktioniert…..