13 Meditieren in Fort Myers

Dies wir ein kurzes Runners Special, denn nicht überall sind morgendliche Läufe so schön wie in New Orleans. Aber ich will Euch trotzem teilhaben lassen.

Also, ich wollte unbedingt mal zu Fuß in dieser Nicht-Stadt Fort Myers unterwegs sein, wo ich kaum mal Menschen außerhalb ihrer Autos oder von Gebäuden gesehen habe. Nun wäre es toll gewesen, am Meer zu laufen, aber das hätte den zeitlichen Rahmen eines Morgenlaufes völlig gesprengt, denn die kürzeste Entfernung zum Meer war 8,6 Meilen und dann weiß man ja noch nicht, wo und ob gerade da eine geeignete Laufstrecke gewesen wäre. Um unser Hotel herum war es aber allzu trist.

Als Kompromiss setzen wir uns Sonntag früh ins Auto und fahren über die Brücke über den breiten Caloosahatchee-Fluss, an dessen Ufer die Stadt liegt. Auf einem einsamen Parkplatz an einer verwaisten Dampferanlegestelle steigen wir aus. Neben uns parkt ein Opi, hightechmäßig zum Radfahren ausgerüstet. Er ist begeistert, noch andere sportsmen zu treffen und führt uns sogleich den kleinen Rückspiegel an seinem Helm vor, mit dem er alles hinter sich beobachten kann. Dann wünscht er uns „Have a nice day“. Wir machen uns bei herrlichem Sonnenschein und noch frischen Temperaturen auf und laufen zunächst an einem kleinen Park und einer schön hergerichteten Uferpromenade entlang. Hier liegt der Yachthafen. Ziemlich dicke Boote schaukeln in den Wellen, Menschen sind nicht zu sehen. Dann führt uns der Weg am äußeren Rand der „Altstadt“ vorbei, hier begegnet uns tatsächlich eine verkniffen dreinschauende Walkerin. Also gibt es hier wohl doch Menschen …

Irgendwann geht es nicht weiter und wir biegen in ein feines Wohnviertel mit einigen historischen Villen ab. Davor stehen Tafeln, die über die historischen Persönlichkeiten der Stadt Auskunft geben, von denen wir nur einen einzigen Namen kennen : Edison. Der Kerl, der das Telefon erfunden hat und somit Schuld daran ist, dass die Menschen jetzt in der Öffentlichkeit weniger miteinander als mit dem Kasten an ihrem Ohr reden. Und das auch noch laut. Die Amerikaner sind da übrigens noch schlimmer als die Deutschen. Sie führen ständig und überall diese nervenden Autistengespräche: im Auto, Restaurant, Supermarkt, selbst, wenn sie etwas bestellen oder kaufen, reden sie kaum mit dem Menschen, der sie bedient, sondern zeigen nur genervt, was sie wollen und telefonieren weiter. Wir haben Läden gesehen, an denen geschrieben steht, dass Kunden am Handy nicht mehr bedient werden. Reine Notwehr!

Unser Weg führt eine gepflegte, fast künstlich wirkende Allee mit großen Grundstücken entlang. Vorallem Seniorenresidenzen und –wohnanlagen en masse, dazwischen völlig unvermittelt einzelne Hochhäuser. Schließlich ist Florida, besonders dieser Teil, das Ruheständlerparadies schlechthin. Die Alten ziehen aus allen Teilen des Landes hierhin – wegen des schönen Wetters. Würden die mal lieber zu Hause bleiben, hier gibts nämlich außer der Sonne nichts, mit dem sie sich beschäftigen könnten. Soziale Kontakte haben sie wohl bestenfalls mit dem nächsten Nachbarn. Wenn sie nicht mehr Autofahren können, wird´s ganz finster bei den Enrfernungen. Immer wieder haben wir hier Alte gesehen, die sich kaum noch bewegen können, die aber trotzdem – teilweise verwirrt oder mit Beatmungsgeräten – zu ihrem Auto wanken und sich unter die Verkehrsteilnehmer mischen. Übrigens – noch eine Beobachtung: hier in Fort Myers, wie auch in Naples  und ähnlichen Orten hier an der Westküste, gibt es fast keine dunkelhäutigen Menschen. Die weiße Welt ist fast unter sich, das fällt echt auf. Und wenn schwarz, dann meist als Tankwart, Tellerabräumer oder Straßenreiniger.

Aber weiter auf der Strecke: Unser Lauf ist äußerst kontemplativ, denn wir begegnen kilometerweit keiner Seele. Wir biegen ins nächste Wohnviertel ab – wieder keiner. Alles ist picobello sauber, es gibt blühende Hibiskussträucher, lila Bougainvilla, gelbe Büsche – alles bestens beschnitten. Der Rasen ist frisch geputzt. Plötzlich ein Eckgrundstück mit alten Bäumen, unter denen sich Schrott stapelt, aber auch eine Kinderschaukel und Spielzeuge – und Hühner!! Hier wohnt wohl Familie Flodders von Fort Myers. Zu sehen ist sie allerdings auch nicht, dabei ist es mittlerweile schon nach neun. Ein Wunder, das hier noch keiner eingeschritten ist, so wie die das Bild der perfekten US-Vorabendserien-Idylle stören!

Nach sechs oder sieben Kilometern habe ich vier Eichhörnchen, zwei überfahrene Waschbären, eine Katze und zwei Menschen gesehen. Wir kommen in die „Innenstadt“, den historic district. Dort gibt es in paar ältere Straßenzüge mit Kirchen und Restaurants. Da! Plötzlich eine Handvoll echter Menschen – und das Edison-Theater. Auf dem Spielplan steht: „The most wonderful time of the year“ – Drama. Ah ja, das sagt einiges, oder? Seit Thanksgiving ist hier überall der totale Weihnachtswahnsinn ausgebrochen: Im Radio gibt´s ständig Weihnachtslieder, in den Geschäften dröhnt es einem entgegen und in den meisten Restaurants ebenfalls. Weihnachtsmänner allerorten, sie klettern sogar Palmen hoch, Rentiere samt Schlitten sind in Horden unterwegs, manchmal ist sogar künstlicher Schnee ausgelegt. Bäume und Straßenmasten,  alles ist weihnachtlich beleuchtet, dass das Festival of Lights blass dagegen aussieht. Und das alles bei schönstem Sommerwetter. Nachdem wir nun die vor Leben förmlich vibrierende Innenstadt (300 x 300 Meter groß) durchquert haben, nähern wir uns im Bogen wieder dem Fluss und damit dem Parkplatz.

Es war ein sehr einsamer Sonntagmorgen – ich will zurück nach New Orleans!!!

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