06 Vietnam: Von Tunneln und Tempeln 2

Weiter geht´s. Cu Chi liegt hinter uns, in der Mittagshitze kriechen wir weiter in unserem klimatisierten Auto durch Kautschukplantagen und Reisfelder. Unser Fahrer macht Halt in einem der unzähligen einfachen Familienlokale in einem Dorf am Straßenrand. Wir schauen uns in der Vitrine die vorbereiteten Speisen an – ich erkenne nur Hühnerbeine, Schweinefleisch, Nudelsuppe, Bohnen und Fische. Und darüber hinaus vermute ich bei allem anderen manches, was ich lieber nicht zu Ende denke. All die kleinen komischen Knochen … bei einem Topf macht unser Fahrer „hopp hopp“ und freut sich. Aber unser Essen ist lecker und reichlich, inklusive eines erfrischenden grünen Gemüsesaftes – woraus auch immer er ist. Neben uns ist ein kleiner Affe als Haustier angekettet, immerhin nicht als Vorspeise.

Gestärkt und dickbäuchig hieven wir uns wieder ins Auto und erreichen nach einer weiteren halben Stunde die 200.000 Seelenstadt Tay Ninh und das riesige Tempelareal. Es ist wegen seiner prunkvollen, farbenprächtigen Tore und Pagoden nicht zu übersehen.

Hier also hat der Cao Daismus seinen Ausgang genommen. Einer der drei Gründer dieser Mischreligion aus Buddhismus, Konfuziuanischer Lehren Katholizismus ist übrigens der Schriftsteller Victor Hugo. Erklärtes Ziel: Liebe und Gerechtigkeit. Zwei Millionen Anhänger gibt es heute weiltweit, ob Sekte oder Religionsgemeinschaft ist strittig. Auf alle Fälle sind die Anhänger freundliche, unaggressive Menschen, die sich das Missionieren nicht unbedingt auf die Fahne geschrieben haben.

Die Kirche – oder der Tempel? – ist ein imposantes Bauwerk, das so knallbunt und mit Säulen, Drachenköpfen, Blüten, Sternenhimmeln überladen ist, dass sich Stilpuristen sicher unter Grausen abwenden. Aber es ist trotzdem schön anzusehen und hat so gar nichts von der Düsterkeit und Leidensgeschichte Christi wie wir es kennen. In bestimmte Bereiche dürfen wir als Nichtgläubige nicht betreten, begleitet von aufmerksamen stummen Tempelwächtern können wir aber alles ausgiebig bestaunen und fotografieren.

Auch die zahlreichen anderen Gebäude auf dem weitläufigen Gelände, deren Funktion sich uns nicht erschließt, sind in demselben farbenfrohen Kitsch- und Prachtstil errichtet, inklusive bunter Zäune, Mauern und einer Schar von grinsenden Keramikwachhunden, Schlangen, Drachen und allem möglichen anderen Getier. Wirklich wunderschön aber sind die verschiedenen Gärten!

Da uns bis zur nächsten der alle 6 Stunden stattfindenden Zeremonie noch Zeit bleibt, kutschiert uns unser netter Fahrer, der leider auch wieder fast überhaupt nichts versteht, zum heiligen Berg, der sich wie hingepflanzt aus der flachen Landschaft erhebt. Am Fuße ist eine Art Veregnügungspark entstanden, ein Ausflug hierher ist für viele Familien oofenbar ein echtes Spaßereignis. Seltsam, dieses Nebeneinander von wenig sozialistischer Religion, Kult, Rummel und – einem Heldendenkmal für mit Maschinengewehren bewaffnete heldenhafte Vietkong-Kämpfer!

Pünktlich sind wir zurück am Tempel und lösen erstmal Verwirrung aus, weil offenbar nur die Mittagszeremonie von Touristen beobachtet werden darf. Aber schließlich scheint man sich geeinigt zu haben, dass wiwr bleiben dürfen und geleitet uns zur geöffneten Tür zum Innenraum, von wo aus wir zuschauen dürfen. Pünktlich und in strenger Reihenfolge und Choreografie betreten einige hundert Priester und Nonnen in weißen, blauen, roten und gelben Gewändern den Tempel. Eine Stunde lang wird, begleitet von fremdartigen Instrumenten, gesungen, getrommelt, geklingelt und verbeugt. Es hat tatsächlich eine seltsam beruhigende, meditative Wirkung, ohne dass wir ein einziges Wort von dem Endlosgesang verstehen. Keine Predigt, nix. Aber ein spannendes Erlebnis.

Für die 150 km Rückfahrt im Slalom um die Motos auf den miesen Straßen brauchen wir drei Stunden. Gegen 10 Uhr abends erreichen wir müde und zufrieden unser freundliches Hotel.

Fast schon „wie zu Hause“ flitze ich durch den nächtlichen Trubel des nächtlichen Viertels und organisiere hier und da die einzelnen Gänge für ein Abendessen zum Mitnehmen. Ich fühle mich absolut sicher allein in dieser verrückten Stadt – ein verblüffendes Gefühl für jemanden mit USA- und Brasilienerfahrung. Sehr angenehm!

Ein Gedanke zu „06 Vietnam: Von Tunneln und Tempeln 2“

  1. Liebe Beate, Dein Bericht lässt mich vor Erinnerungsfreude und Wiedersehenssehnsucht hoch an die Decke hopsen! Meine Devise: Immer wieder dorthin zu einem großen Abenteuer! Bleibt gesund , viel Spaß.. und ich folge weiter Euren Spuren. Gruß, Gaby

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