05 Vietnam: Von Tunneln und Tempeln 1

Ein neuer Tag für Entdeckungen. Der Plan: ein Tagesausflug, der zwei Extreme kombiniert: die Tunnel von Cu Chi und den Cao Dai-Tempel in Tay Ninh. Ersteres gehe ich mit extrem gemischten Gefühlen an ( im Gegensatz zu Miki, der es unbedingt will), letzteres mit viel Neugier, dazu später.

Wir haben uns entschlossen, uns nicht einer geballten Busladung Touristen anzuschließen, angesichts des Programms, das wir planen, haben wir beide kein Bedürfnis, dies mit Menschenmassen zu tun. Also haben wir einen Privatwagen samt Fahrer gebucht (Mietautos darf man hier nicht allein fahren, nur mit Chauffeur). Brav stehen wir um halb sieben auf. Aber leider ist was schiefgelaufen und wir warten zwei Stunden umsonst. Das Positive daran ist die erzwungene Planänderung: erst ins 60km entfernte Cu Chi und dann erst am Abend Es war im Nachhinein sehr zur Cao-Dai Zeremonie (noch 80km weiter). Auch gut. Oder besser!

Saigon scheint kein Ende zu nehmen – doch es ist spannend, auf diese Weise alle äußeren Stadtviertel zu sehen. Die Straßen sind teilweise viel zu schmal für den wahsinnigen Verkehr und schlecht dazu, der Motorradstrom ungebrochen – es dauert ewig.

Die Gegend außerhalb der Stadt ist extrem zersiedelt, nur Zuckerrohr-, Reis- und Maniokfelder bieten grüne Enklaven, später Kautschukplantagen. Aber hier wird bereits eines der größten Probleme Vietnams sichtbar: Müll, Müll, Müll überall! Einfach in die Landschaft oder hinter die Häuser geworfen, niemanden schert das. Da dürfte sich ein riesiges Problem für die Zukunft aufbauen!

Endlich erreichen wir Cu Chi. Wir haben keinen Führer gebucht, also verkoppelt man uns einfach mit zwei Engländern und einem älteren Führer in Vietkong-Uniform. Gott sei Dank nicht mit einer großen Gruppe, angesichts der Kriecherei durch die superengen, niedrigen Tunnel!

Als Kind des alten Ostens gehört der Vietnam-Krieg zu meinen eindrücklichsten Erinnerungen in puncto Weltgeschichte. Ich sehe noch an all die schrecklichen Bilder und Nachrichten der Massaker von Son My und My Lai und höre noch die „breaking news“ am 1. Mai 1975: Saigon ist gefallen, die Amerikaner besiegt. Insofern finde ich diesen Ort Cu Chi mit dem legendären Tunnelsystem der Vietkong wirklich interessant und beeindruckend. Trotz Dauerbombardements und Entlaubung der Wälder mit Agent Orange ist es hier den Amerikanern nicht gelungen, die eher schlecht ausgerüsteten Vietkong zu finden und zu besiegen. Die Vietnamesen sind noch heute stolz auf den Sieg – klar. Noch immer begegnen einem auf Schritt und Tritt die verkrüppelten Kriegsinvaliden. Die Tunnel von Cuchi sind eine Art nationaler Gedenkstätte.

Mein Problem ist es, dass das Gelände heute zu einer Touristenattraktion mit Tunnelbegehung, uniformierten Schaufensterpuppen, original Bombenresten, Waffen und einführendem Heldenfilm geworden sind – für einen Aufpreis kann sogar mit den alten MPs geballert werden. Ein bisschen wie Disneyland – nur, dass ich dabei die Gänsehaut und den Kloß im Hals nicht loswerde. Zuerst versuche ich mich noch zu entziehen, wenn unser stolzer Führer nach unserem Fotoapparat greift, um tolle Erinnerungsfotos davon zu machen, wie wir uns in das unterirdische Bunkersystem mit eingebauten Schlaf- Versammlungs, Sanitäts und Küchenräumen zwängen (20 km, bis zu 8 m tief!), aber dann gebe ich auf, er würde es nicht verstehen. Stolz zeigt er uns die Tigerfallen und andere gruselige Erfindungen, mit denen die Feinde getötet wurden. So ist das eben im Krieg, das ist mir klar, aber es macht die Vorstellung nicht ertäglicher. Wie geht man angemessen mit einer solchen Geschichte um? Keine Ahnung. Wir Deutschen sind ja da nicht gerade die Erfinder des Patents.

Denkpause.

Schreibe einen Kommentar