1. Hallo Afrika! Welcome to Capetown!

Unterwegs nach AFRIKA! Wie aufregend! Aber erstmal ist der Preis zu entrichten, den der reiselustige Abenteurer zu zahlen hat: ein langer, enger Flug in der Economy-Class … Immerhin dürfen wir Turkish Airlines fliegen, es könnte wahrhaft schlechter kommen. Als wir in Istanbul aus dem Flieger steigen, wünscht die Crew „Happy New Year!“ Ach ja: die Zeitverschiebung! In Deutschland trinken sich alle noch dem Jahreswechsel entgegen, hier ist es schon längst soweit. Wir trödeln durch das nächtliche Gewimmel des Atatürk-Flughafens, Menschenmassen aus aller Welt warten hier auf ihre Nachtflüge, modisch besonders ansprechend fallen uns einige Orientalen auf, deren Frauen tiefschwarz ganzkörperbedeckt sind, während die Männer in weiße Frotteebadetücher gehüllt, barfuß in weissen Badelatschen flanieren – perfekt gestylt für einen Saunagang. Irgendwann ist genug Zeit vertrödelt und wir holen unsere Piccolos pünktlich zu deutscher Mitternacht heraus und stoßen auf ein gutes neues Jahr an, nicht ahnend, dass gerade ein Irrer ein paar Kilometer entfernt in einem Nachtclub um sich schießt und dabei 39 Menschen tötet und über 50 verletzt! Was für ein Irrsinn!

Nach elf langen Stunden auf gefühlten 50 qcm  ist es dann soweit: Geräuschvoll und kräftig setzt der Flieger auf der Rollbahn in Kapstadt auf: Hallo Mama Afrika, da sind wir!

Um den Flughafen: weite graugrüne Flächen und am Horizont hohe Berge, ein strahlend blauer Himmel mit weißen Wölkchen und extrem helles Licht.

Wir werden abgeholt von Nathalie, einer guten Freundin, die für ein Jahr hier als Freiwillige mit Kindern in einer Township arbeitet. Sie hat uns zu dieser Reise überredet, wenn man davon überhaupt reden kann, so neugierig wie wir auf dieses Abenteuer sind.

Wir haben ein Zimmer im Stadtteil Woodstock gemietet – nicht schön und wohlsituiert, aber wohl lebendig, spannend und ziemlich angesagt – oder aufstrebend, wie es der lonely planet nennt: Stufe Eins der Gentrifizierung. Eine Mischung aus alten kleinen Kolonialhäusern, die überwiegend, aber nicht ausschließlich, Weißen gehören, und ein bis zweistöckigen Geschäftshäusern mit schmucklosen Kolonaden. Immer wieder aber auch rotte Abriss-Grundstücke und Baulücken, auf denen in Schrottautos und winzigen Hütten aus Brettern, Blech und Lumpen, die hier Shacks heißen, Schwarze hausen. Schon ein einigermaßen verstörender Anblick, auch für uns, die wir einigermaßen weit in der Welt herumgekommen sind.

Auf den Straßen spielen kleine schwarze Kinder mit selbstgebauten Spielzeugen oder irgendwelchen Fundstücken. Fast so wie wie früher, als auch deutsche Kinder noch keine Computer und Spielkonsolen hatten … Die winzigen Gärtchen sind dichtbeflanzt, meist von Mauern und Eisenzäunen umgeben. Inzwischen leben hier auch viele Studenten, Künstler und Alternative. Angesagter Hip-Treffpunkt ist das Woodstock Exchange – ein großes altes Gebäude mit Shops, Ateliers und Streetart. Samstags soll es einen sehr spannenden Markt hier geben – leider sind wir da schon nicht mehr in town …

Das Leben in Woodstock fühlt sich trotz der wilden Mischung ziemlich relaxt an , man wird gelegentlich freundlich gegrüßt. Neben kleinen, billigen Lebensmittelläden und schäbigen Internetcafés gibt es inzwischen auch ein paar angesagte Cafés und Restaurants. Allerdings sehen wir die an den ersten beiden Tagen nur von außen , denn es sind Feiertage und da ist fast alles geschlossen. Der benachbarte 6th District war wohl der einzige, der noch zu Apartheitzeiten von Schwarzen und Weißen gleichermaßen bewohnt und deshalb ziemlich zerstört wurde.

Unser Zimmer in einem von einer WG bewohnten kleinen Kolonialhaus in der Beyer Street ist schlicht, geräumig und angenehm. Von unseren Mitbewohner sehen wir nicht viel, sie sind meist unterwegs.

Immerhin bekommen wir von Mitbewohner Jon noch ein paar Infos: Das Viertel ist tagsüber sicher und ruhig, wogegen es keine gute Idee sei, nachts zu Fuß durch die Straßen zu laufen.

Und aufgepasst: Energie muss hier jeder Haushalt im Supermarkt kaufen – prepaid, so wie bei uns Handyguthaben. Der Pin wird in den häuslichen Zähler eingegeben und schon kann man kochen und heiß duschen. Auch eine Variante, unbezahlte Stromrechnungen zu verhindern.

Wir sind ziemlich geschafft von der Reise und planen nur noch einen Ausflug zum Strand, nach Clifton Beach. Wir fahren durch das schicke, touristische und eher langweilige Hafenviertel Waterfront mit all seinen Malls und Shops und schlängeln uns durch einige Wohnviertel , mal eher ärmlich und öde, mal kuschelig grün, mit sich endlos am Berg entlangschlängelnden Straßen, weißen Mauern, Stacheldraht und schönen Häusern.

Das Schönste und Beeindruckendste an Kapstadt aber sind zweifellos die gigantisch aufragenden Tafelberge, die Table Mountains. Kahle graugrüne Granit- und Sandstein-Felsen, die zum Teil über 1000 Meter aufragen. Ein 220 Quadratkilometer großer Nationalpark. Meist schlängeln sich weiße Wolkenbänder wie wabernde Schals um die Bergkuppen. Dahinter meist strahlend blauer Himmel . Was für ein Anblick! Und irgendwie scheint man ständig darauf zu oder daran entlang zu fahren. Die Tafelberge auf der einen Seite und das glitzernde Meer aus der anderen – kein Wunder, dass diese Stadt eine der Perlen der Welt ist, was sie als Stadt an sich niemals schaffen würde.

Clifton Beach, unser Ziel an diesem ersten Tag, liegt an einer Bucht im Südwesten der Stadt. Von riesigen Granitblöcken, die in einen steilen Berg übergehen, werden vier Strände geteilt. Sie sind besonders beliebt, weil hier der ewig frische, manchmal richtig heftige Kapstädter Wind nicht so kalt und stark bläst.

Dieser Teil der Stadt ist schick, ziemlich neu und weiss. Teure Appartmenthäuser, die Walhalla oder La Corniche heißen, sind an den Berg gebaut und machen es einem nicht leicht, einen der wenigen schmalen und steilen Durchgänge zum Strand zu finden.

Der Strand ist weiß, schön, aber wegen des Feiertages rammelvoll mit gemischtem Publikum aller Hautfarben. Wir freuen uns auf ein erfrischendes Bad nach verschwitzter Flugnacht und ersten Autofahrten quer durch Kapstadt. Kalt? Pah, kein Problem, wie baden immer im kalten Meer von Galizien … denkste! Wir stehen das Bad im Atlantik hier keine einzige Minuten durch, das eisige Wasser schneidet in Arme und Beine und nimmt einem die Luft! Und das soll nun Afrika sein! Jetzt müssen Kalorien her!

Inzwischen sind wir so übermüdet, dass wir keinerlei Müdigkeit mehr spüren. Nathalie, unsere Freundin, lotst uns zu einem typisch südafrikanischen Braai (Grill) in Woodstock, von dem sie Gutes gehört hat. Das Amadoda liegt an der etwas finsteren Strandstreet versteckt. Orangegelb leuchtet die ausgebaute Garage am Ende einer dunklen Straße. Als wir aus dem Auto steigen, dröhnt uns laute afrikanische Musik entgegen und wie sehen Billiard spielende und tanzende Männer. Alle schwarz.

Sieht genauso aus wie ein Laden, der uns gefallen wird. Keine Touristenfalle.

Wir spazieren hinein, werden diskret beäugt und freundlich gegrüßt. Die einzigen Bleichgesichter. Die Betonwände leuchten orange und sind zum Teil mit Straßenszenen bemalt. Die Musik aus einer riesigen Lautsprecheranlage ist eigentlich viel zu laut, aber mitreißend. Ein paar Leute springen immer wieder auf und tanzen am Tisch oder um den Billiardtisch, alles swingt und strahlt gute Laune aus.

Die freundliche Wirtin gibt uns ihre gezapften Biere zum kosten, wir wählen verschiedene Grillplatten mit Brot und Pap aus, ein weißer, zäher Maisbrei, der mit den Fingern gegessen wird, nachdem man ihn in eine würzige Soße getunkt hat. Alles wird frisch zubereitet, in aller Ruhe – will sagen, es dauert. Aber das macht nichts, das Programm um uns herum lässt keine Langeweile aufkommen.

Beim Gang zum Tresen greift ein junger Schwarzer nach meinen Händen und fängt an, mit mir zu tanzen. Er will mir ein paar Moves beibringen, bis ihn ein anderer vorsichtshalber freundlich wegzieht. Vielleicht besser so, der Bursche hat schon einiges getrunken. War aber lustig.

Die Grillplatten sind riesig und lecker, es ist wirklich nicht zu schaffen. Das Bier schmeckt prima dazu. Die Laune ist prächtig – aber wir müssen dringend ins Bett, es geht auf Mitternacht zu.

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