2. Von Pinguinen und Meer

Lange schlafen …und dann los, allerdings mit Starthemmung: Alle Cafés der Umgebung sind geschlossen. Erst nach anderthalb Stunden finden wir ein Frühstückscafé in einer kleinen Edel-Mall. Ein bisschen snobby und eindeutig weiß (das Publikum, die Angestellten natürlich schwarz), aber lecker.

Dann machen wir uns endlich auf. Die Pinguine in Boulder´s Beach stehen auf dem Programm. Zuerst fahren wir durch Muizenberg, dem netten Küstenvorort, wo Nathalie wohnt. Eine liebenswerte Kleinstadt für Mittelstandsfamilien und  Surfer.

Eigentlich dauert die Autofahrt von dort keine 45 Minuten nach Simon´s Town und Boulder´s Beach – wenn nicht immer noch Feiertag wäre und alle Kapstädter an den Strand oder zu den Pinguinen fahren wollten … Kaum losgefahren stehen wir in einem endlosen Stau. Genug Zeit, um jede Auslage der kleinen Läden im anschließenden idyllischen Kalk Bay und Fishhoek vom Auto aus zu bewundern. Das Meer glitzert knallblau neben der Straße, die sich endlos an der Küstenlinie entlang windet. Auf der anderen Seite steigt die Landschaft in die steilen Berge an. Neben der Straße die Bahnlinie, die Kapstadt mit den Außenbezirken verbindet, und ein paar kleine überfüllte Strände mit bunten Häuschen und geschützten Meeresbassins für die Nichtschwimmer.

Geduld tut Not– und es wird immer mehr klar – die müssen wir hier kultivieren, denn man braucht sie hier reichlich. Es heißt nicht umsonst: Die Europäer haben die Uhr, die Afrikaner die Zeit. Hier geht alles gemächlich.

Endlich: Simon´s Town. Ein hübscher Küstenort mit einigen ansehnlichen Grundstücken und hübschen Häusern – fast alle haben einen Meeresblick. Aber wie so vieles hier erzählt auch dieser Ort wieder eine hässliche Geschichte, die ich allerdings auch nur aus dem schlauen Reiseführer erfahren habe: Weil es hier so schön und der Ort so idyllisch ist, musste das ehemalige schwarze Township hier weg. Die Bewohner wurden einfach samt und sonders an die Westküste zwangsumgesiedelt. So einfach.

In Boulder´s Beach angekommen, stehen wir mit gefühlten tausend Besuchern Schlange am Eingang zum Nationalpark. Ziemlich dumme Idee, gerade heute hierher zu kommen. Und angesichts der vielen Besucher bin ich richtig froh für die Pinguine, dass es entgegen der Information im letzten lonely planet eine Veränderung gibt: Man kann nicht mehr am Strand zwischen den Vögeln herumlaufen, sondern die Besucher werden auf Holzwegen vom Strand und damit auch von den wildlebenden, kleinen gefiederten Oberkellnern ferngehalten. So haben die immerhin nicht mehr die rücksichtslos herumtrampelnden Selfie-Irren in ihrem Lebensraum zu ertragen. Für diese Neuzeitspezies sollte man ohnehin einfach 3D Fotowände in der Stadt aufstellen, dann bräuchten sie den Weg in die Natur nicht mehr auf sich nehmen, die ihnen ohnehin nur als fancy Fotohintergrund dient.

Aber die lustigen Vögel sind wirklich toll anzuschauen, egal ob auf den Felsen herumhopsend, stoisch am Strand dem Wind trotzend oder im Wasser herumtollend. Die jungen Brillenpinguine sehen reichlich zerzaust aus, denn sie verlieren gerade ihre braunen Babyfedern. Das Verrückteste aber sind die Schreie: Diese Vögel brüllen wie Esel!

Dennoch machen wir uns relativ bald wieder auf und verlassen diesen etwas zu bevölkerten Ort. Wir können unsere Zeit selbst einteilen, denn wir genießen den Vorzug, das dauergemietete Auto unserer Freundin benutzen zu können. Aber nicht ohne Abenteuerfaktor! Ein uralter klappriger VW, der alle nur erdenkbaren Geräusche im unpassendsten Moment von sich gibt. Die Kupplung ist eine Mischung aus Lotterie, Geschicklichkeitsspiel und Kraftakt. Die Beleuchtung funktioniert nur zur Hälfte, das Fernlicht liefert ein interessantes Lichtspektakel in den nächtlichen Baumkronen, es blendet dafür keine entgegenkommenden Fahrzeuge. Das hellblaue Kistchen ist eine echte Klapperkiste, die jede deutsche Verkehrskontrolle sprachlos machen würde.

Über das Innendekor schweige ich diskret. Übrigens scheint in der Lüftung auch noch irgendwo ein kleines Tier zu leben, das ab und zu lautstark klopft und kratzt. Es lässt sich aber nicht blicken. Alles in allem – es passt schon: Warum sollen wir hier ein besseres Auto fahren, als viele andere auch! Und – wir dürfen es immerhin gratis benutzen! Also – alles bestens und wir haben Spaß.

Weiter geht’s zum Kap der guten Hoffnung, Cape of Good Hope. Auch das liegt wieder in einem Schutzgebiet, das ordentlich Eintritt kostet, aber das geht in Ordnung. So wird der Besucherstrom kontrolliert, die Landschaft geschützt und sauber gehalten. Der Weg zum Kap führt durch eine beeindruckende weite Landschaft, leicht hügelig, felsig, begrenzt von plötzlich hoch aufragenden Bergkuppen. Der Horizont erscheint hier irgendwie weiter als sonst. Die Vegetation ist niedrig, höchstens hüfthoch, buschige Stauden schmiegen sich an den Boden, sonst hätten sie wohl auch kaum Überlebenschancen bei so viel starkem Wind und Sonne.

Wer mehr Zeit mitbringt, kann hier stundenlang wandern über die Hochebene, auf die Berge oder zu menschenleeren riesigen Stränden absteigen. Leider haben wir nur ein paar Stunden. Auf der Hälfte des Weges müssen die Autos abgestellt werden, von hier aus geht es mit Mini-Shuttle-Bussen oder zu Fuß weiter bergauf.

Die Wartezeit am Parkplatz wird durch ein lustiges Spektakel verkürzt: echtes Affentheater. Schon an den Straßen stehen überall Warnschilder vor den wilden Baboons – den Affen. Aber hier treten sie in Horden auf. Eine Pavianart, mit der man sich besser nicht anlegt. Die Biester können böse hauen und beißen. Aber zum Anschauen sind sie wirklich lustig. Sie springen auf den Autos herum und wehe, sie finden ein halboffenes Fenster oder eine offenstehende Autotür. Zack – sind sie drin und filzen das Auto nach Essbarem. Erfrischungsgetränke werden auch gern genommen. Und die entsetzten oder amüsierten Gesichter der Autobesitzer sind auch noch mal ein unterhaltsames Element … Schlau sind diese Viecher! Wenn sie auf den Berg wollen, nehmen sie auch schon mal ein Taxi: auf dem Dach eines PKW.

Die letzte Etappe legen wir aus Zeitgründen mit der Seilbahn zurück, zumindest bergan. Oben angekommen führen verschiedene Wege zum berühmten Leuchtturm auf der Kuppe, und wirklich jeder bietet spektakuläre Ausblicke auf die felsige Küste, herrliche Buchten und den endlosen Ozean. Es ist der südwestlichste Punkt Afrikas, 170 km südlicher ist nur noch Kap Agulhas zu sehen, dann kommt die Antarktis. Man fühlt sich verdammt klein hier oben.

Für die Fahrt in den Sonnenuntergang haben wir eine besonders schöne Küstenstrecke ausgesucht: nach Norden, den Chapmans Peak Drive. Immer wieder imposante Aussichten auf schroffe Granit- und Sandsteinbergwände einerseits, schneeweiße Strände, grüne Buchten und tief unter uns das aufgewühlte Meer auf der anderen Seite. Schließlich tut sich neben uns die malerische Hout Bay auf. Tief ins Land gehend, von hohen Bergen eingefasst. Schneeweiße Dünen und Strände. Und am Ende glitzern in der hereinbrechenden Dunkelheit die Lichter des Ortes Hout Bay, offiziell einem Ortsteil von Kapstadt. De facto – janz schön weit weg davon. Was für eine wunderbare Landschaft.

Nur ein Problem werde ich nicht los: Irgendwie habe ich immer noch nicht wirklich das Gefühl in Afrika zu sein. Eher eine Mischung aus Schottland, Galizien und Südamerika. Nix heiß, Dschungel, Savanne und Wüste. Soviel zu falschen Vorstellungen …

Nach einigen Irrungen und einem unfreiwilligen Ausflug in eine finstere Ecke am Ende des Hafengebietes, der uns verstohlen die Türen verriegeln lässt, landen wir im Wharfside Grill, einem Restaurant am Hafen und beschließen den Abend zufrieden mit leckerem Fisch und einem Pint Lager Beer.

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