4. The Deep Blue

Viel geschlafen habe ich nicht. Vor meinem ersten Tieftauchgang vor einem Jahr in Südafrika war ich nicht halb so aufgeregt wie heute, denn diesmal kommt es darauf an. Außerdem weiß ich schon, dass man seinen Kopf im Griff haben muss, wenn man das macht, und das ist durchaus manchmal einfacher gesagt als getan, lehrt mich meine erste Erfahrung, die gut, aber auch schwierig war. Panik da unten kommt gar nicht gut. Schaffe ich das wieder? Außerdem haben im Nachhinein einige meiner Lieben mir eher Angst gemacht, wie gefährlich das sei… Sei s drum…ich pack das, yes, I can! (Lektion Deepdive aus meinem Leerbuch: „positive visualising in advance is very helpful“)

Die Gute-Laune-Einlage zum Tagesbeginn lässt nicht lange auf sich warten. In dem angebauten kleinen Beton-Kabuff, das als Duschklo dient, ist das Spitzdach an den Seiten offen. Seit ich angekommen bin, versucht eine kleine rote Katze in meine Hütte einzuziehen. Jetzt hat sie einen Weg gefunden. Glaubt sie. Sie sitzt triumphierend auf dem Mäuerchen, was ich just in dem Moment entdecke, als sie zu mir herunterspringt und ich im selben Moment die Dusche aufdrehe……Das wäre meine Gelegenheit gewesen, zum YouTube-Star zu avancieren: Eine kreischende Derwisch-Katze! Ich habe mich nicht mehr halten können vor lachen, auch wenn mir selbstverständlich mein Katzen-Mama-Herz anderes befohlen hat!

Und das um halb sechs in der Frühe. Aber die Einlage hat meinen Zeitplan durcheinandergebracht, ich haste ins Restaurant und hole mir schnell meinen Sticky Rice with Mango ab, den ich mir als Taucherfrühstück bestellt habe. Da der Dive Point für die nötige Tiefe weit entfernt liegt, geht es extrem früh los. Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt zum Wrack der HTMS Chang. Nu wartete schon im Auto auf mich, los gehtś.

Wir holen noch ein paar andere Mittaucher ab, darunter einen riesigen Amerikaner, der aussieht wie ein Kampftaucher. Heute sind wie zehn Taucher, zwei Dive-Instructors und eine kleine Horde Schnorchler. Und Mike, der Chef persönlich, der sich diesen besonderen Tauchgang nicht entgehen lassen will und dafür den Shop für einen Tag geschlossen hat. Ich habe Glück, weil ich den Kurs mache, muss ich nichts extra bezahlen, den heute müssen alle anderen ziemlich tief in die Tasche fassen.

Auf der langen Hinfahrt besprechen Vlad und ich noch das entsprechende Kapitel samt obligatorischem Wissenstest. Viel wichtiger aber wieder ist das lange Briefing, bei dem auch der Ami und eine nette junge deutsche Travellerin dabei sind, da wir zu viert tauchen werden. Die beiden haben ihren entsprechenden Tauchschein schon. Außerdem werden außerhalb des offiziellen Programms noch zwei junge Deutsche mit uns abtauchen, die gerade ihre Dive Master Ausbildung machen.

Eins kann ich mir jetzt an dieser Stelle nicht verkneifen, auch wenn es ziemlich eitel ist: Ich werde der Gruppe vorgestellt als: Bea, she is e very good and relaxed diver! Yeah!

Das Wetter ist super, die Stimmung entspannt, auch bei mir, wie immer, wenn es ernst wird. Ich freue mich jetzt auf den Tag, an dem ich in zwei tiefen Tauchgängen meinen obligatorischen Deep Dive-Part und meinen gewählten Wrack-Dive-Part absolvieren soll. Ehrlich gesagt, bin ich aber nicht so euphorisiert wie die anderen von der Aussicht auf das Wrack. Naja,  ein rostiger oller Pott eben…

Die HTMS Chang, lerne ich, ist ein großes amerikanische Kriegsschiff aus dem Koreakrieg, das die USA Thailand geschenkt hat. Und die thailändische Marine hat das gute Stück dann 25 Jahre später vor Koh Chang versenkt, um ein Taucherparadies daraus zu machen. Juter Verwendungszweck!

Ausrüstung anlegen, Buddy-Check, ab! Zuerst wollen wir ganz nach unten und uns dann spiralförmig, zum Teil durch das Wrack, wieder hocharbeiten. Wir tauchen ab und ich warte auf dem kritischen Moment, wenn es wirklich tief wird.  Meinem Gefühl nach sind wir auf etwa 18 Meter als Vlad anhält, hier unten verschlechtert sich die Sicht plötzlich rapide. Ich dachte schon, er bricht ab, als er mir seinen Tauchcomputer zeigt: 28, 5 Meter! Ich bin irritiert. Was …schon? Auf das Aufsetzen auf den Grund bei 30 Metern verzichtet er wegen der schlechten Sicht und der Verletzungsgefahr. Alles, ab 21 Metern ist als Tieftauchgang gültig, also kein Problem.

Ich bin total glücklich, wie gut alles läuft. Luftvergleich. Trotz Tiefe habe ich noch 150 bar, die zweite Deutsche auch, der Amerikaner und die angehenden Dive Master werden auf der Stelle hochgeschickt, sie haben viel zu viel Luft verbraucht und sind bereits auf 70 bar, was nicht viel ist für den langen langsamen Aufstieg.

Jetzt beginnt der richtige Genuss. Die Sicht wird besser und ich bin überwältigt. Millionen von Fischen kreisen in Schwärmen um das Wrack und umeinander. In Schichten und perfekten Choreographien. Blau, gelb, silber, gepunktet, gestreift, groß wie Tortenteller oder winzig wie ein Finger. Wir schwimmen mittendrin, manchmal lässt sich so ein Flossenträger sogar anfassen.

Da wir immer höher kommen, und ganz langsam nach oben schweben, verbrauchen wir extrem wenig Luft und können sogar 55 Minuten im Wasser bleiben. An Board begrüßt uns der amerikanische Superman etwas säuerlich mit: Youŕe marmaids! Tja….Gekonnt ist gekonnt.

Wir stürzen uns auf das warme Mittagessen, das es immer an Bord gibt: Reis mit irgendeiner Sorte Fleisch auf Thai-Art und Obst. Danach ein bisschen Müssiggang, denn eine Stunde Pause ist Pflicht bei der Tauchtiefe.

Für den zweiten Tauchgang  gibt es besonders viele Verhaltensregeln, denn diesmal geht es noch mehr an und in das Wrack, die Umgänge, die Brücke, Deck und mehrere Durchschwimmungen des Rumpfes. Das Schiff von 1944 hat drei Haupt- und sieben Zwischendecks. Ein seltsames Gefühl dort herumzuschwimmen, wo jahrelang Soldaten Krieg geführt haben. Am Mast weht sogar unter Wasser noch die Thailändische Fahne. Irgendwie waren die Geister noch dort und auch wieder nicht. Die Magie der Unterwasserwelt überlagert das Gruseln.

Bei diesem Tauchgang ist die Verletzungsgefahr groß, man muss höllisch aufpassen und genau tarieren, sonst knallt man ganz schnell irgendwo dagegen. Und meine neuen Flossentechniken sind Gold wert. Trotzdem gerate ich mit der Hand an der Reling an eine rostige Stelle und hole mir einen kleinen Schnitt.

Aaaaahh – was ist das? Ich blute grün! Ach ja, da war doch was…ab 10 Meter Tiefe fehlen die Rot-Töne. Das ist schon ziemlich irritierend. Der Schnitt ist harmlos, aber dass grüne Brühe aus mir läuft, ist sehr schräg.

Egal. Genießen!!!! Wieder dieses imposante Ballett der Fische auf x Ebenen. Phantastisch – etwas anderes fällt mir dazu nicht ein. Einfach wunderbar. Und im dunklen Bauch des Wracks und etwas weiter draußen, außerhalb der Schwärme, schwimmen ein paar ansehnliche Brocken herum: Zackenbarsche, Drückerfische, riesige Barracudas.

Diesmal sind wir marmaids mit Vlad und einem anderen guten Taucher allein im Team, weil wir, aller Voraussicht nach, länger tauchen als der Rest. Nach 59 Minuten ist der maritime Traum vorbei und wir ziehen uns erschöpft und tief zufrieden an Bord. Was für ein aufregender und gelungener Tauchtag!

Am Abend schlage ich mir bei Eve den Bauch am Grill voll und will mir ein Bier genehmigen. Nach zwei Schlucken stelle ich fest, dass die Welt zu schwanken beginnt. Ich habe wohl doch noch ein bisschen zuviel Stickstoff im Blut…

Vor meiner Hütte wacht mein Freund, der blinde Hund und auch die rote Mieze hat mir verziehen. Zufrieden und womöglich breit grinsend falle ich in mein Bett und schlafe das erste Mal richtig gut! Ich bin eben doch ein Fisch und Yemanja, die Schutzheilige aller Seeleute, Mutter der Menschheit und meine Lieblingsgöttin ist mir zugetan!

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