21 – Abschied von Bali, bevor es nach Sumatra geht

21 – Abschied von Bali

Die Tage in Candidasa neigen sich dem Ende zu und damit die Bali-Zeit. An unserem Abschiedstag zieht es uns nochmal in die Wildnis. Der Wasserfall Terjun Jagasatru liegt rund 40 Minuten auf dem Motorrad in den Bergen.

Auf dem Weg dorthin fahren wir durch einige Dörfer, die sich für den Feiertag am 28. Februar herausgeputzt haben. Riesige Palmwedel werden von ihren Blättern befreit, die dann gerollt, geflochten, mit bunten und goldenen Bändern und anderem Schmuck verwoben, wieder am kahlen Blattrücken befestigt werden. Diese hohen Schmuckwedel werden dann an der Straße aufgestellt. Es sieht sehr schön und festlich aus, eine Straße entlangzuschauen, in der sich vor jedem Haus ein solcher Schmuck im Wind wiegt. Die meisten Menschen fertigen diese kleinen Kunstwerke selbst an.

Hari Raya Galungan heißt der hinduistische Feiertag, der alle 210 Tage stattfindet und den balinesischen Kalender bestimmt. Die Feierlichkeiten beginnen 3 Tage vor dem eigentlichen Feiertag und enden 11 Tage danach. Die Zeit ist gefüllt mit Dekorationen, Opfergaben und Gebeten. Galungan feiert den Sieg der Tugend (Dharma) über das Übel (Adharma) und die Niederkunft der Geister der Verstorbenen und der Götter. Wieder was gelernt.

Einen Tag vor Galungan haben sich die Ortschaften festlich herausgeputzt. Richtig idyllisch wirken die drei Bergdörfer, die wir passieren. Was mich immer wieder fasziniert ist, wie winzig viele Häuser tatsächlich sind, auch für ganze Familien. Meist ein Raum, und der auch noch klein, oft ohne Fenster.

Die Straße schlängelt sich in wilden Serpentinen steil in die Berge, immer durch den saftig grünen Urwald. Der tut sich immer wiedermal auf und lässt einen tief Luft holen, angesichts der die großartigen Panoramen zum Meer.

Nachdem wir in rund 500 Metern Höhe angekommen sind, zweigt die Straße zum Wasserfall ab und führt zunehmend steil in aberwitzigen Kurven in die Tiefe. Angesichts des Zustandes der Straße und der plötzlich um die Ecke brausenden, entgegenkommenden Motorräder, die niemals links auf ihrer Spur fahren, bin ich selbst auf dem Rücksitz etwas angespannt…

Noch angespannter, um nicht zu sagen: panisch, wäre ich gewesen, hätte mein tapferer Fahrer mir nicht verschwiegen, dass auf dem letzten und steilsten Stück die rechte Bremse versagt hat! Aber wir landen heil auf dem Parkplatz oberhalb des Wasserfalls und beschließen später zu überlegen, wie wir in eine Werkstatt bzw. zurückkommen.

Mitten am grünen Hang thront ein riesiger Buddha, denn auch dieser Wasserfall gilt als Tempel – mit geweihten Neben-Becken, die Nichtgläubige nicht betreten dürfen. Anstrengende 15 Minuten später sind wir ans untere Ende des Wasserfalls Terjun Jagasatru geklettert, der sich nur dem auftut, der tapfer trotz unaufhörlich rinnenden Schweißes, die steilen Stufen hinunterklettert. Der Wasserfall versteckt sich hinter der letzten steilen Kurve, nur sein Rauschen ist lange vorher zu hören.

… Und ewig grüßt das Murmeltier – ich wiederhole mich nun …. – aber tatsächlich ist es immer wunderschön: Laut rauschend stürzt das glitzernde Wasser aus dem Berg malerisch in ein kleines Felsenbecken, bevor ein Flüsschen es weiter ins Tal trägt. So etwas viermal zu lesen ist ein wenig öde, es viermal zu sehen ist immer wieder großes Kino:

Sogar hier unten, weitab des nächsten Dorfes, klebt an der Felswand ein von einem Schirmchen geschützter Altar mit frischen Opferkörbchen. Das heißt, dass hier – weitab des Dorfes- jeden Tag mindestens ein- bis zweimal jemand herunterklettert, nur für das offering.

Ein Bad unter dem sprudelnden Wasser und eine andächtige halbe Stunde später klettern wir wieder nach oben – von der Erfrischung ist oben so gar nichts mehr übrig. Aber: die Bremsen sind abgekühlt und auch die rechte Bremse greift wieder. Wohlwissend, dass dies ein fragiler Friede ist, tuckern wir gemütlich, mit kleinen Pausen wieder talwärts, einem faulen Restnachmittag am Pool des Rama Shinta und einem rosa Sonnenuntergang am Strand von Candidasa -hinter dem Seerosen-See-  entgegen.

Morgen früh bringt uns Zacharias – der Fahrer, der uns aus Amed nach Candidasa gefahren hat- zum Flughafen von Denpasar. Das haben wir schon auf der Fahrt nach Candidasa vereinbart, als er uns erzählt hat, dass er Katholik ist. Denn morgen am Galungan einen hinduistischen Fahrer zu finden, ist schwierig. Übrigens: gut, dass wir nicht am 11. März fliegen: Da ist hier Nyepi, der Tag der Stille: 24 Stunden alles geschlossen, kein Strom, keine Musik, keine Feste, kein Essen, kein Verkehr, nicht mal Flugzeuge!

So allerdings können wir problemlos in unseren Flieger steigen – via Jakarta nach Kuala Namu, Medan.  Der Jungle wartet!

20 – Markt, Meer & More

20 – Markt, Meer & More

Irgendwie auch ganz schön, mal ein paar Tage nicht ständig packen und umziehen zu müssen. Die Tage gemächlich angehen und trotzdem immer wieder Neues zu erleben.

Ein letztes Mal den Bleigurt umschnallen und den Regulator in den Mund… Danke, Indischer Ozean, für deine Gastfreundschaft, Danke Yemanjá, Göttin des Meeres, für deinen Schutz.

Eigentlich wollte ich bei einem Freund von Tauchbasis-Chef Mike aus Koh Kood tauchen. Aber wie sich herausstellt, ist der auf Heimatbesuch in Spanien. Und sonst sehe ich keinen zwingenden Grund, mit dem Benthos Dive Center zu tauchen. Es ist teuer und das nicht lebenswichtige Equipment wie Anzug, Booties etc sind derart alt und zerschlissen, dass mir die Lust vergeht.

Also – give locals a chance! Ich suche mir ein ganz kleines Unternehmen – genaugenommen ein Ein-Mann-plus-Familie-Unternehmen, das mir auf Anhieb gefällt. Der Chef heißt tatsächlich Gusti – nein, kein Bayer, echter Balinese! Ich werde hier keine weiteren Unterwasser-Geschichten erzählen, aber vom Drumherum. Die Blue Lagoon ist mein letztes Tauchziel: Stachelrochen, Hai, große Tintenfische und eine riesige Schildkröte sind meine besonderen Abschiedsgeschenke von Yemanjá, inmitten der wimmelnden Vielfalt.

Aber spannend waren auch die tollen Gespräche, die wir mit Gusti in den Pausen und beim anschließenden Lunch – der immer inklusive ist – geführt haben. So haben wir zum Beispiel über die Unterschiede der Religionen und meine freundliche Sympathie für den Buddhismus und Hinduismus geredet. Gusti strahlt stolz und merkt an, ja , sie freuen sich über Interesse an ihrer Religion, aber sie hätten es nicht nötig, andere davon zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen. Das sei Privatsache. Gesunde Ansicht!

Ich frage ihm Löcher in den Bauch, unter anderem auch noch mal über die offerings, diese kleinen bunten, gabengefüllten Körbchen, die den Göttern überall kredenzt werden. Jetzt weiß ich mehr: Sie enthalten deshalb Früchte, Kräuter, Gemüse, Blüten, Reis, manchmal Fleisch und werden mit Wasser besprüht – weil das alles für das steht, was die Natur den Menschen zum Leben schenkt. Einen Teil davon wird den Göttern zurückgegeben, als Dank und Bitte, dass der Kreislauf weitergehen möge.

Auch über die Zeiten von Covid haben wir gesprochen – eine schlimme Zeit für die meisten hier, die vom Tourismus leben. Die Zahl der Toten hier ist vergleichsweise gering gewesen. Es besteht Impfpflicht und die Maßnahmen waren ziemlich strikt. Für Kinder bis 6 Jahren gab es gute Finanz-Hilfen vom Staat, das war für viele eine Rettung. Und die Zeiten, in denen die Schulen immer mal geöffnet waren, waren wichtig, da bekamen die Kinder Essen.

Insgesamt war die Zeit für viele extrem. Gusti hatte 11 Jahre für eine Tauchschule in russischer Hand gearbeitet, und sie haben ihn mit einem einzigen Monatsgehalt in die Wüste geschickt. Er hat drei Kinder. Aber er hat alles auf eine Karte gesetzt, sich seine Pensionsansprüche auszahlen lassen und damit in Zeiten des Nichtstuns die Dive-Instructor-Prüfung gemacht. Damit konnte er dann sein eigenes kleines Unternehmen gründen. Bali Dive Shop. Die Familie macht die Arbeit im Hintergrund, er taucht und macht Kurse und sein Schwager fährt das Boot. Super Typ – super Laden. Nette family.

Wir hatten noch jede Menge andere Themen – vom Umgang mit Teenagern und Alten oder die Bedeutung der lokalen Feiertage. Wir hätten sicher noch Gesprächsstoff für etliche Tauchtage gehabt, aber es war nun mal mein letzter.

Für den nächsten Tag haben wir einen Ausflug geplant. Mit dem Bike fahren wir Richtung Norden in das Städtchen Amlapura. Dort gibt es den großen Markt. Auf dem Weg dorthin passieren wir auf einem Berg Pura Lempujang – eins der bekanntesten Fotomotive Balis, das „Tor zum Himmel“. Die offenen aufstrebenden Stelen rechts und links scheinen tatsächlich in den Himmel zu führen – zumindest auf Fotos. Dennoch sparen wir uns den Eintritt – man sieht das schöne Bauwerk auch so. Und an Affen jeden Alters mangelt es rund um den Tempel auch nicht. Ein Wunder, dass nicht mehr davon überfahren werden, so frech wie die an der vielbefahrenen Straße herumspringen. Die Aussicht von hier oben über die dschungelbewachsenen Berge auf das Meer ist toll.

Dann müssen wir zweimal eine Zwangspause einlegen: Der Himmel schüttet wieder Wassermassen über uns aus. Schließlich schaffen wir es, mit ein bisschen Nieselregen, in das Provinzstädtchen Amlapula. Den Blick auf die Google Wegbeschreibung kann man sich sparen – da, wo hunderte Bikes und ein paar Autos jeden Zentimeter zuparken, ist das Ziel nicht weit: Pasar Amlapura Timur – der zentrale Markt, untergebracht in riesigen, ziemlich baufälligen Hallen, die aus alles Nähten platzen, sodass etliche Stände noch außen herum angesiedelt sind.

Jede Nacht um Eins öffnet der Markt und schließt am Mittag. Hier versorgen sich die Restaurants und Hotels, aber auch viele Einzelkunden. Das Gewimmel ist riesig, die Farben, Gerüche und Geräusche überwältigend. Hier gibt es auf zwei Etagen alles: Unten die Lebensmittel, Gewürze und Blumen, oben billige Kleidung, Elektronik und Haushaltwaren. Es erinnert mich sehr an den Markt in Bangkoks Chinatown. An den Seiten quillt der Markt unter dem seitlich offenen Dach hinaus, verbogene Bleche und Schirme haben den Regen nicht abgehalten. So kann man nur – meist eher erfolglos – versuchen, die schmutzigen Pfützen zu umgehen. Meine Füße sind schwarz und schmierig, ich rutsche ständig aus den Flipflops. Der Markt ist ein Erlebnis, aber allzu lange halten wir den Wahnsinn nicht aus. Schnell noch ein paar Mangosteen-Früchte gekauft und raus!

Ist mir alles ein bisschen zu viel. Und irgendwie kommen mir die Zementfiguren auch recht neuzeitlich vor – was sich bestätigt, als ich höre, dass der Originaltempel vor einigen Jahrzehnten durch ein Erdbeben zerstört worden war. Trotzdem eine hübsche Anlage, die ich aber nicht in die Liste meiner Favoriten aufnehmen kann.

Zu guter Letzt treibt es uns ans Meer – ein bisschen entspannen. Eine gute halbe Stunde auf dem Motorrad und einen schönen Sonnenbrand auf den Armen mehr, wartet das große kühle Blau. Auf dem Weg dorthin passieren wir zum ersten Mal eine bessere Wohngegend. Schöne Häuser, Mauern, Gärten, verschlossene Tore und sogar einige Security Guards auf einigen Grundstücken. Schilder verraten, dass hier etliche Anwälte und Notare ihr bescheidenes Lager aufgeschlagen haben… Aber idyllisch ist es wirklich!

Virgin Beach ist unser Ziel. Über eine etwas beängstigende Piste kommen wir schließlich auf einem Bergrücken an, jetzt geht es zu Fuß weiter. Auch hier müssen wir wieder mal Eintritt in die Natur zahlen – in Form von donations, Spenden, die nicht wirklich freiwillig sind. Eintritt, selbst wenn es um Quellen oder Strandabschnitte geht. Aber klar – viele Einkommensquellen haben die Einheimischen hier nicht und so werden wenigstens die Wege etwas in Ordnung gehalten und der schlimmste Müll eingesammelt. Und wirklich teuer ist es selten.

Die Bucht von Virgin Beach liegt an Dschungelbewachsenen Hängen und ist ein paar hundert Meter lang, mit feinem Sand sogar. Allerdings kann man von jungfräulich (wie der Name verheißt) nicht wirklich reden, denn zumindest an zwei Dritteln des Strandes steht eine Restauranthütte neben der anderen. Hier gibts Strandliegen, gratis  zum Drink oder Imbiss. Am hinteren Ende liegen unzählige Sampans auf dem Strand, die traditionellen balinesischen Boote. Sie sind lang, sehr schmal, tiefer als ein normales Motorboot und haben links und rechts breite Ausleger, die sie wie eine Mischung aus Heuschrecke und Wasserflugzeug aussehen lassen. Wir sind zweimal damit gefahren – sie können erstaunlich gut auf dem aufgewühlten Meer manövrieren.

Leider haben wir nicht so viel vom Strand, denn erstens ist die Brandung so hoch, dass baden etwas beängstigent ist, und außerdem fängt es kurz darauf an zu regnen. Egal, schön war es trotzdem! Ein langer Tag, der nach Relaxen am Pool und Abendessen an eben jenem schreit… Die Seerosen warten!

19 – Let´s go south: Candidasa und die Aga

Da soll sie also enden… die Bali-Rundreise Nr. 1: In Candidasa, einem Küstenort im Süden. Ungefähr anderthalb Stunden Autofahrt von Amed entfernt. Langsam gewöhne ich mich an den Verkehrsstil hier und halte nicht mehr jedes Mal die Luft an oder mache die Augen zu bei den ständigen Überholmanövern – der eigenen oder der der anderen.

Es ist ganz normal, dass auf der schmalen Straße oft mehrere Fahrzeuge nebeneinander fahren – ein Auto, daneben zwei Bikes und von vorn kommt schon der Gegenverkehr beunruhigend nah, vielleicht sogar ein LKW…. Irgendwie klappt es immer in letzter Sekunde, dass alle aneinander vorbeikommen, ganz ohne Frontalzusammenstöße oder seitliches Touchieren. Und keinen beunruhigt dieser Wahnsinn: Da fahren Muttis mit 2 Kindern und Einkäufen einhändig, sehr alte Menschen mit einem frisch geschnittenen Grasballen oder zwei Hahnenkörben an der Hand, ebenso wie ungestüme junge Kerle mit jeder Art von Transportgut. Das würde in Europa nie klappen – da wird nach Recht und Regeln gefahren, hier auf Sicht und Rücksicht.

Die ohnehin grüne Kulisse der Insel legt noch mal einen Zahn zu: Je näher wir Candidasa kommen, desto dichter und höher wird das helle Grün um uns: Urwald. Kokospalmen, Fächerpalmen, Bananenstauden, Flamboya und vieles, was ich gar nicht benennen kann. Manchmal ist es wie ein grüner Tunnel, dann wieder gibt es Ausblicke auf die hohen Berge und Vulkane im Inland und gelegentlich mal ein Aufblitzen des Meeres linker Hand.

Candidasa, ein Küstenstädtchen, das sich zu einem entspannten Urlauberort entwickelt hat. Angeblich vor allem bei etwas älteren Reisenden beliebt (behauptet der Reiseführer) – die jungen Hippen gehen lieber nach Amed. Aber ganz ehrlich: Von Rentnerparadies kann keine Rede sein. Mir gefällt der Ort. Und erst recht erfreut mich das kleine Hotel, das wir gebucht haben, das Rama Shinta. Am Ende einer Sackgasse gelegen, 2 Minuten vom Meer entfernt.

Alle Zimmer haben eine Terrasse und sind um einen wunderschönen Innenhof mit Swimmingpool, tropischen Pflanzen und Bäumen gebaut. Dort gibt es auch ein kleines Restaurant. Und als besonderes Bonbon: Vor dem Hinterausgang Richtung Meer liegt ein großer See, der voller Lotusblumen ist! Jeden Abend gegen Neun öffnen sie ihre weißen und rosa Blüten bis zum nächsten Mittag. Es ist ein phantastischer Anblick! Fast ein wenig unwirklich. Und das alles wirklich zu einem sehr erschwinglichen Preis.

Der 1. Candidasa-Morgen beginnt mit einer sehr tollen Überraschung nach dem Frühstück: In unserem Zimmer wartet ein kunstvolles Mosaik aus Korallen, Muscheln und Blüten auf mich: Es ist mein Geburtstag und das ist meine Überraschung von Miki. So schön….

Wir mieten uns ein Motorrad, denn hier ist einfach alles weitläufig. Wir wollen den Ort und seine Umgebung erkunden. Es sind 33 Grad  und feuchtheiß. Ich frage mich immer wieder, warum die Menschen hier niemals einen Schweißtropfen sehen lassen  – wenigstens auf der Stirn-, während wir förmlich auslaufen.  Erstes Ziel ist ein altes Dorf, von dem wir erstmal nur wissen, dass es noch so erhalten ist, wie es war – ob als Museumsdorf oder was sonst, ist uns zunächst nicht ganz klar.

Das Aga-Dorf Tenganan. Wie sich herausstellt, hat das so gar nichts mit Museumsdorf oder Touristenshow zu tun: Es ist ein lebendiges Dorf, in dem die alten Traditionen und der Naturglauben gepflegt und gelebt werden. Die Bewohner sind Nachfahren der balinesischen Ureinwohner, der Bali Aga. Durch eine strikte Abschottung haben sie es bis heute geschafft, ihre Identität zu erhalten. Aber davon an anderer Stelle mehr. Als wir dort ankamen, stellten wir fest, dass eine festliche Zeremonie im Gange war, der wir als Fremde nur von außerhalb des Festgeländes zuschauen durften. Unter einem großen Dach saßen die traditionell gekleideten Männer mit Blick auf einen kleinen offenen Tempel. Von weiter hinten im Dorf kamen nach und nach wunderschön gekleidete Frauen mit Körben auf dem Kopf -voller Essen und Früchte- mit Blumen geschmückt. Die wurden auf der Tempelmauer abgesetzt, dazu spielte eine Musikergruppe im Tempel auf traditionellen Instrumenten.

Wir haben eine Weile zugesehen, ohne zu verstehen, was eigentlich vorgeht. Es dauerte ewig. Irgendwann sind wir hinter dem Festgeländeentlang  in das langgestreckte, rechteckig angelegte Dorf gelaufen. Es besteht aus einstöckigen Häusern, in denen hinten gewohnt wird, im vorderen Teil sind Webereien, Korbflechtereien und Kunsthandwerkstätten.

Viele Häuser durfte man im vorderen Teil betreten und es fand sich immer jemand, der einem freundlich erklärt hat, was hier genau gemacht wird – verbunden mit der Hoffnung, etwas zu verkaufen. Das bekannteste Produkt ist Stoff in einer besonderen traditionellen Webart hergestellt und gefärbt. Wie ich später nachgelesen habe, können sich die Aga diese Konzentration auf Künstlerisch-Handwerkliches leisten, weil sie eine clevere Methode haben, Geld zu verdienen: Ihnen gehört viel Land, zum Teil der ganze Dschungel rundum, aber auch große landwirtschaftliche Anbauflächen außerhalb des Dorfes, auf denen sie Balinesen gegen Entlohnung arbeiten lassen. Die Erlöse der Ernte ermöglichen dann diese künstlerische Beschäftigung.

In dem von Häusern umbauten, langgezogenen Innengelände scharren Hühner, watscheln Entenfamilien herum, und jede Menge friedliche Hunde und Katzen beäugen träge die Zweibeiner. Es duftet nach Basilikum und blühenden Bäumen. Aber auch hier die unverzichtbaren Motorräder neben jedem Haus. Irgendwie eine in sich abgeschlossene kleine Welt.

Wieder neben dem abgesperrten Festplatz angekommen, sehen wir, dass die Zeremonie fortgeschritten ist: Jetzt ziehen vom hinteren Dorfende die Frauen und Kinder erneut vor den Tempel und nehmen diesmal die Körbe wieder mit.

Wir haben Glück und kommen am Rande des Festplatzes mit einem der Ordner ins Gespräch, der ebenfalls zu den Dorfbewohnern gehört. Unsere Neugier freut ihn sichtlich und endlich haben wir jemanden, der uns erklärt, was wir hier eigentlich sehen -und nicht sehen.

Die Zeremonie findet das erste Mal seit acht Jahren statt- der kleine Tempel ist erneuert worden, das ist der Anlass. Wir haben also echtes Glück!

Die Gaben, die die Frauen zum Tempel getragen haben, werden nun- nach der Zeremonie- auf dem Dorfplatz gemeinsam verspeist. Ein Fest. Hier leben 680 Menschen, die zu 48 Familien gehören. Die Mädchen dürfen nur innerhalb der Dorfgemeinschaft heiraten, sonst müssen sie das Dorf verlassen und können auch nie mehr in die Gemeinschaft zurückkehren oder Unterstützung der Familie erwarten. Zu Besuch sind sie noch willkommen. Allerdings ist es hier streng verboten, innerhalb der Familien zu heiraten. Das Inzest-Problem ist erkannt.

Zum Abschluss des Feiertages finden außerhalb des Dorfes noch Hahnenkäpfe statt – die überall in Asien sehr beliebt sind. Es nehmen fast nur Männer an dem makabren Vergnügen teil.

Je zwei Hähne in Körben werden in den Ring getragen und die aufgeheizte Menge wettet auf den vermeintlichen Favoriten, Geld wird eingesammelt. Die Luft vibriert von seltsamen rhythmischen Kampfgesängen. Den Hähnen wurde jeweils an einen Fuß eine fiese, scharfe, gebogene Messerklinge gebunden. Schließlich werden wie Körbe geöffnet und das Gemetzel beginnt – oft dauert es keine Minute, bis das Blut spritzt und ein Tier tödlich verwundet oder tot ist. Ich halte das blutige Gemetzel nur Minuten aus, dann suche ich eilig das Weite.

Auf die letzte Erfahrung hätte ich gern verzichtet. Aber alles andere an diesem Tag war unglaublich spannend und hat mich sogar die brütende Schwüle vergessen lassen. Der Schweiss rinnt einfach überall. Der Motorradsitz ist so heiß, dass es fast Grillkeulen gibt, aber immerhin verschafft der Fahrtwind etwas Linderung.

Zum Abschluss des Tages gehen wir fein essen im Vincent´s. Keine Ahnung, was van Gogh mit Bali oder gutem Essen zu tun hat, aber das Restaurant lohnt einen Besuch. Wir lassen es uns schmecken. Zu guter Letzt gibt´s sogar noch eine Überraschung: Die Küchencrew überrascht mit einem fantastischen Schokoladendessert, auf den Teller ist mit Erdbeersoße ein „Happy Birthday“ samt Blümchen gemalt! Sehr, sehr süß!