19 – Let´s go south: Candidasa und die Aga

Da soll sie also enden… die Bali-Rundreise Nr. 1: In Candidasa, einem Küstenort im Süden. Ungefähr anderthalb Stunden Autofahrt von Amed entfernt. Langsam gewöhne ich mich an den Verkehrsstil hier und halte nicht mehr jedes Mal die Luft an oder mache die Augen zu bei den ständigen Überholmanövern – der eigenen oder der der anderen.

Es ist ganz normal, dass auf der schmalen Straße oft mehrere Fahrzeuge nebeneinander fahren – ein Auto, daneben zwei Bikes und von vorn kommt schon der Gegenverkehr beunruhigend nah, vielleicht sogar ein LKW…. Irgendwie klappt es immer in letzter Sekunde, dass alle aneinander vorbeikommen, ganz ohne Frontalzusammenstöße oder seitliches Touchieren. Und keinen beunruhigt dieser Wahnsinn: Da fahren Muttis mit 2 Kindern und Einkäufen einhändig, sehr alte Menschen mit einem frisch geschnittenen Grasballen oder zwei Hahnenkörben an der Hand, ebenso wie ungestüme junge Kerle mit jeder Art von Transportgut. Das würde in Europa nie klappen – da wird nach Recht und Regeln gefahren, hier auf Sicht und Rücksicht.

Die ohnehin grüne Kulisse der Insel legt noch mal einen Zahn zu: Je näher wir Candidasa kommen, desto dichter und höher wird das helle Grün um uns: Urwald. Kokospalmen, Fächerpalmen, Bananenstauden, Flamboya und vieles, was ich gar nicht benennen kann. Manchmal ist es wie ein grüner Tunnel, dann wieder gibt es Ausblicke auf die hohen Berge und Vulkane im Inland und gelegentlich mal ein Aufblitzen des Meeres linker Hand.

Candidasa, ein Küstenstädtchen, das sich zu einem entspannten Urlauberort entwickelt hat. Angeblich vor allem bei etwas älteren Reisenden beliebt (behauptet der Reiseführer) – die jungen Hippen gehen lieber nach Amed. Aber ganz ehrlich: Von Rentnerparadies kann keine Rede sein. Mir gefällt der Ort. Und erst recht erfreut mich das kleine Hotel, das wir gebucht haben, das Rama Shinta. Am Ende einer Sackgasse gelegen, 2 Minuten vom Meer entfernt.

Alle Zimmer haben eine Terrasse und sind um einen wunderschönen Innenhof mit Swimmingpool, tropischen Pflanzen und Bäumen gebaut. Dort gibt es auch ein kleines Restaurant. Und als besonderes Bonbon: Vor dem Hinterausgang Richtung Meer liegt ein großer See, der voller Lotusblumen ist! Jeden Abend gegen Neun öffnen sie ihre weißen und rosa Blüten bis zum nächsten Mittag. Es ist ein phantastischer Anblick! Fast ein wenig unwirklich. Und das alles wirklich zu einem sehr erschwinglichen Preis.

Der 1. Candidasa-Morgen beginnt mit einer sehr tollen Überraschung nach dem Frühstück: In unserem Zimmer wartet ein kunstvolles Mosaik aus Korallen, Muscheln und Blüten auf mich: Es ist mein Geburtstag und das ist meine Überraschung von Miki. So schön….

Wir mieten uns ein Motorrad, denn hier ist einfach alles weitläufig. Wir wollen den Ort und seine Umgebung erkunden. Es sind 33 Grad  und feuchtheiß. Ich frage mich immer wieder, warum die Menschen hier niemals einen Schweißtropfen sehen lassen  – wenigstens auf der Stirn-, während wir förmlich auslaufen.  Erstes Ziel ist ein altes Dorf, von dem wir erstmal nur wissen, dass es noch so erhalten ist, wie es war – ob als Museumsdorf oder was sonst, ist uns zunächst nicht ganz klar.

Das Aga-Dorf Tenganan. Wie sich herausstellt, hat das so gar nichts mit Museumsdorf oder Touristenshow zu tun: Es ist ein lebendiges Dorf, in dem die alten Traditionen und der Naturglauben gepflegt und gelebt werden. Die Bewohner sind Nachfahren der balinesischen Ureinwohner, der Bali Aga. Durch eine strikte Abschottung haben sie es bis heute geschafft, ihre Identität zu erhalten. Aber davon an anderer Stelle mehr. Als wir dort ankamen, stellten wir fest, dass eine festliche Zeremonie im Gange war, der wir als Fremde nur von außerhalb des Festgeländes zuschauen durften. Unter einem großen Dach saßen die traditionell gekleideten Männer mit Blick auf einen kleinen offenen Tempel. Von weiter hinten im Dorf kamen nach und nach wunderschön gekleidete Frauen mit Körben auf dem Kopf -voller Essen und Früchte- mit Blumen geschmückt. Die wurden auf der Tempelmauer abgesetzt, dazu spielte eine Musikergruppe im Tempel auf traditionellen Instrumenten.

Wir haben eine Weile zugesehen, ohne zu verstehen, was eigentlich vorgeht. Es dauerte ewig. Irgendwann sind wir hinter dem Festgeländeentlang  in das langgestreckte, rechteckig angelegte Dorf gelaufen. Es besteht aus einstöckigen Häusern, in denen hinten gewohnt wird, im vorderen Teil sind Webereien, Korbflechtereien und Kunsthandwerkstätten.

Viele Häuser durfte man im vorderen Teil betreten und es fand sich immer jemand, der einem freundlich erklärt hat, was hier genau gemacht wird – verbunden mit der Hoffnung, etwas zu verkaufen. Das bekannteste Produkt ist Stoff in einer besonderen traditionellen Webart hergestellt und gefärbt. Wie ich später nachgelesen habe, können sich die Aga diese Konzentration auf Künstlerisch-Handwerkliches leisten, weil sie eine clevere Methode haben, Geld zu verdienen: Ihnen gehört viel Land, zum Teil der ganze Dschungel rundum, aber auch große landwirtschaftliche Anbauflächen außerhalb des Dorfes, auf denen sie Balinesen gegen Entlohnung arbeiten lassen. Die Erlöse der Ernte ermöglichen dann diese künstlerische Beschäftigung.

In dem von Häusern umbauten, langgezogenen Innengelände scharren Hühner, watscheln Entenfamilien herum, und jede Menge friedliche Hunde und Katzen beäugen träge die Zweibeiner. Es duftet nach Basilikum und blühenden Bäumen. Aber auch hier die unverzichtbaren Motorräder neben jedem Haus. Irgendwie eine in sich abgeschlossene kleine Welt.

Wieder neben dem abgesperrten Festplatz angekommen, sehen wir, dass die Zeremonie fortgeschritten ist: Jetzt ziehen vom hinteren Dorfende die Frauen und Kinder erneut vor den Tempel und nehmen diesmal die Körbe wieder mit.

Wir haben Glück und kommen am Rande des Festplatzes mit einem der Ordner ins Gespräch, der ebenfalls zu den Dorfbewohnern gehört. Unsere Neugier freut ihn sichtlich und endlich haben wir jemanden, der uns erklärt, was wir hier eigentlich sehen -und nicht sehen.

Die Zeremonie findet das erste Mal seit acht Jahren statt- der kleine Tempel ist erneuert worden, das ist der Anlass. Wir haben also echtes Glück!

Die Gaben, die die Frauen zum Tempel getragen haben, werden nun- nach der Zeremonie- auf dem Dorfplatz gemeinsam verspeist. Ein Fest. Hier leben 680 Menschen, die zu 48 Familien gehören. Die Mädchen dürfen nur innerhalb der Dorfgemeinschaft heiraten, sonst müssen sie das Dorf verlassen und können auch nie mehr in die Gemeinschaft zurückkehren oder Unterstützung der Familie erwarten. Zu Besuch sind sie noch willkommen. Allerdings ist es hier streng verboten, innerhalb der Familien zu heiraten. Das Inzest-Problem ist erkannt.

Zum Abschluss des Feiertages finden außerhalb des Dorfes noch Hahnenkäpfe statt – die überall in Asien sehr beliebt sind. Es nehmen fast nur Männer an dem makabren Vergnügen teil.

Je zwei Hähne in Körben werden in den Ring getragen und die aufgeheizte Menge wettet auf den vermeintlichen Favoriten, Geld wird eingesammelt. Die Luft vibriert von seltsamen rhythmischen Kampfgesängen. Den Hähnen wurde jeweils an einen Fuß eine fiese, scharfe, gebogene Messerklinge gebunden. Schließlich werden wie Körbe geöffnet und das Gemetzel beginnt – oft dauert es keine Minute, bis das Blut spritzt und ein Tier tödlich verwundet oder tot ist. Ich halte das blutige Gemetzel nur Minuten aus, dann suche ich eilig das Weite.

Auf die letzte Erfahrung hätte ich gern verzichtet. Aber alles andere an diesem Tag war unglaublich spannend und hat mich sogar die brütende Schwüle vergessen lassen. Der Schweiss rinnt einfach überall. Der Motorradsitz ist so heiß, dass es fast Grillkeulen gibt, aber immerhin verschafft der Fahrtwind etwas Linderung.

Zum Abschluss des Tages gehen wir fein essen im Vincent´s. Keine Ahnung, was van Gogh mit Bali oder gutem Essen zu tun hat, aber das Restaurant lohnt einen Besuch. Wir lassen es uns schmecken. Zu guter Letzt gibt´s sogar noch eine Überraschung: Die Küchencrew überrascht mit einem fantastischen Schokoladendessert, auf den Teller ist mit Erdbeersoße ein „Happy Birthday“ samt Blümchen gemalt! Sehr, sehr süß!