06 Sintflut II

Und noch mehr breaking news: Wir sitzen immer noch in Sao Sebastiao fest. Nachdem die Straße nach Camburi gestern wieder einspurig geöffnet war, ist nun eine zweite Stelle abgerutscht und es wieder alles gesperrt. Darüberhinaus haben wir erfahren, dass die Überschwemmungen viel schlimmer waren, als wir anfangs gehört haben: Fast 2000 Menschen sind ganz oder zeitweise obdachlos, natürlich vorallem die Habenichtse in den miesen Vierteln, die besonders tief liegende und schlecht gebaute Häuser haben bzw hatten. Ob es Tote gibt, ist unklar. Es war wohl bis heute der Ausnahmezustand verhängt. Jetzt ist das Wasser einigermaßen weg, aber der Schlamm und die abgebrochenen Äste und Bäume, sowie Schutt und Müll liegen noch weitgehend herum. Unsere Freundin sagt, immer noch gibt es zeitweise Unterbrechungen der Strom- und Wasserversorgung, obwohl sich die Situation schon weitgehend entspannt hat.

Etwas nördlicher, im Staat Rio des Janeiro, war alles noch schlimmer, da sind 17 Menschen gestorben.

Die Regierung des Staates Sao Paulo hat 1,5 Millionen Real Soforthilfe bewilligt, was hier als Witz empfunden wird, weil das vielleicht 150-200 Euro für die Betroffenen bedeutet. Und das bei den Preisen hier!

Um die Sache noch absurder zu machen, macht der Regen jetzt auch noch Politik. Wieder ein Kapitel aus der Geschichte der Korruption hier: Der Prefekt/Bürgermeister von Sao Sebastiao (das ist nicht nur die Stadt selbst, sondern der ganze Verwaltungsbezirk mit vielen Orten) musste vor 3 Tagen zurücktreten, weil er der Korruption angeklagt wurde. Grund war, dass er sich für seine Wiederwahl die nötigen Wählerstimmen erkauft hat, indem er einer Gemeinde neues Land zur Urbanisierung versprochen hat – wenn er wieder gewählt wird. Er hat gegen 3 Gegenkandidaten mit 39 % der Stimmen gewonnen. Nun wurde er abgesetzt – vor drei Tagen. Gestern nun kam die Nachricht, dass der Richter über´s Wochenende seine Meinung geändert hat: in Anbetracht der Situation mit dem Regen und blablabla, sowie der ausstehenden höheren Instanzen in Sao Paulo und der Landeshauptstadt Brasilia, die der Mann für eine Revision der Entscheidung anrufen kann, befindet der Richter nunmehr, dass es der Region vielleicht mehr schaden als nutzen würde….und hat ihn wieder ins Amt gehoben. Ganz böse Zungen munkeln, dass der Richter jetzt etwas reicher ist. Er nimmt also seine eigene Entscheidung zurück. Der nachrückende Kandidat Nr 2 der Wahl hatte schon seinen Amtsantritt mit Feuerwerk gefeiert…Alles total gaga.

Hier in Sao Sebasiao ist alles ruhig, es nieselt, aber es gibt keine Probleme, außer dass das Supermarktangebot an Obst und Gemüse immer mieser wird, die Lieferungen bleiben aus. All unseren Freunden in Camburi und Boicucanga geht es gut. Allerdings ist der schöne, neuangelegte Garten von Corrin vollkommen platt – begraben unter Schlamm und einem großen umgestürzten Baum. Ihr Haus hat nichts abbekommen, wie auch die Behausungen aller anderen Bekannten nicht oder zumindest vergleichsweise nur wenig. Belen und Euro freien sich, dass wir noch länger bleiben. Aber wir würden uns wohl auch nicht wohl fühlen, jetzt in Camburi fröhliches Strandleben zu feiern…Also bleiben wir noch ein bisschen und warten ab.

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