05 Verspätet: An die Küste

Uups, da ist wohl was durcheinandergegangen. Der böse Computer hat nicht gmacht, was die zugegebenermaßen etwas chaotische Autorin wollte…So habe ich gerade diesen Artikel entdeckt, der nur als Entwurf gespeichert war, aber irgendwie nicht veröffentlicht wurde, Dabei sollte er doch schon nach dem Kapitel Sao Paulo zu lesen sein! Sorry, nehmt´s mir  und dem Computer nicht übel. Also, einfach weiter im Text…Ao litoral do Sao Paulo! Auf ans Meer, an die Küste des Staates Sao Paulo! Ein komfortabler Überlandbus – das verbreitetste Verkehrsmittel innerhalb von Brasilien, oft sogar mit 1. und 2. Klasse – bringt einen vom Busbahnhof Tietê, der so groß ist wie ein ganzes Stadtviertel und mit Restaurants, Läden und den Schaltern der verschiedenen Busunternehmen ausgestattet ist, in alle Teile des Landes.

Das Kaufen eines Bustickets ist übrigens ein langwieriger, sehr bürokratischer Vorgang. Entsprechend lange steht man an den Kassen an. Fragt mich nicht, was da alles in die Computer eingegeben werden muß und warum jedes Ticket in dreifacher Ausführung ausgestellt und abgestempelt werden oder wieso vor dem Einsteigen Name und Ausweisnummer eingetragen werden muss, bevor der Fahrer alles gewissenhaft kontrolliert, ehe man einsteigen und den gebuchten Sessel in Beschlag nehmen darf. Wenn auch sonst alles chaotisch ist, das Busfahren ist in diesem Land eine höchst durchorganisierte, ernste Sache. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Busfahrer picobello-schnieke Uniformen tragen, Kellner vornehmer Restaurants dagegen durchaus in bunten Shorts und Badelatschen antreten…

Noch ein Tipp: wer in der üblichen sommerlichen Bekleidung einen Bus besteigt, sollte mindestens ein langärmliges Shirt greifbar haben, denn oft verwandeln die Klimanalagen den Bus in eine fahrende Kühltruhe, und wenn die nicht angestellt ist, werden die Fenster aufgerissen und man sitzt stundenlang im Zug. Aber darüber hinaus ist eine Fahrt im Überlandbus hier äußerst bequem und darüber hinaus lassen einen die Fahrer, wenn man schweres Gepäck hat, auch an einem x-beliebigen Punkt aussteigen und bestehen nicht auf offizielle Haltestellen. Zwischendurch gibt´s übrigens regelmäßige Kaffee- und Snackpausen an entsprechenden Restaurants.

Um der Chronistenpflicht aber Rechnung zu tragen sei gesagt, dass wir dieses Mal von einem Freund abgeholt wurden, was wir sehr zu schätzen wissen, denn wir sind nach 16 Reisestunden erst am Abend angekommen und hätten Probleme gehabt, noch einen Bus zu erreichen. Außerdem war die Aussicht auf 3 Stunden Fahrt in Romarios Klapperkiste bei halsbrecherischem Tempo und netten Gesprächen wesentlich angenehmer als die teure Busfahrt vom Flughafen nach Tietê, das Anstehen an der Kasse, Warten auf den nächsten Bus und anschließende 4,5 Fahrstunden.

Kurz vor Mitternacht erreichen wir Camburi, hier ist sowas wie unser Hauptquartier, auch wenn wir dieses Mal im Nachbardorf bei unsrer Freundin Corrin wohnen. Sie hat ihr Rrestaurant Cantinetta an der Strandstrasse von Camburizinho, dem teuersten Ortsteil dieses zum gefragten Badeort aufgestiegenen Dorfes.

In Camburi gibt es zwei Strände: eine kleinere, sehr pitoreske Bucht, Camburiszinho und durch eine Flußmündung und eine kleine, palmenbewachsene Felsinsel davon abgetrennt, der ca einen Kilometer langen Strand von Camburi. Den Strand von Camburizinho begrenzen ausschließlich superteure, gutbewachte Residenzen der Superreichen, Multimillionäre eingeschlossen. Einige haben auch Häuser oder Conduminums-Appartments in Camburi, aber die meisten eben in Camburizinho.

Da flitzen auf Handzeichen der Herrschaften schon mal die Angestellten mit den gekühlten Getränken oder kleinen Erfrischungen über den Strand, um die Herrschaften in ihrem Sonnenzelt am Strand zu bedienen. Weißgekleidete Nannis betreuen die kleinen Erben derweil 24 Stunden am Tag, damit Mutti und Vati nicht gestört werden. Gelegentlich darf man zusehen, wie mit einem kleinen Traktor mal eben ein Wassermotorrad im Wert eines Mittelklassewagens für eine kleine Runde um die Bucht angekarrt wird…Nicht selten werden die Herrschaften auch per Hubschrauber aus Sao Paulo ein- und ausgeflogen. Reich sein in Brasilien bedeutet meistens superreich, Geld spielt überhaupt keine Rolle mehr.

Nichtsdestotrotz sind die Strände hier aber auch für arme Schlucker oder schmalbudgetierte reisende Europäer offen und einfach traumhaft: weißer Sand, ein meist recht bewegtes Meer (die Wellen können an manchen Tagen schon mal bis zu 3m hoch werden), das je nach Tageszeit mal dunkelblau, mal helltürkis strahlt. Den Strand säumen tropische Bäume und Sträucher mit herrlichen Blüten. Rollende Imbisskarren, Barracas genannt, versorgen die Strandbesucher mit kostenlosen Stühlen und Sonnenschirmen im Gegenzug für mindestens eine Bestellung: frische Fruchtsäfte, Bier, Caipirinha, grüne Kokosnüsse und Snacks. Wir haben seit Jahren unseren persönlichen „Saftfranz“, der uns notfalls auch Kredit gibt oder und gelegentlich einen Schlag aus seinem Leben erzählt. Allerdings sind die Preise in den vergangenen 10 Jahren explodiert, wie überall in Brasilien: kostete anfangs ein frischer Saft noch 2 Real, so muss man heute dafür 7 Real hinlegen.

Circa drei Kilometer vom Strand entfernt erheben sich majestätische Berge mit dem atlantischen Regenwald, die mata atlântica. In den Sommermonaten ist es meistens tagsüber heiß und sonnig, am Nachmittag schieben sie dann regelmäßig mal weiße, mal bedrohlich dunkle Wolkenberge über die Bergkuppen. Manchmal bleiben sie dort hängen und verpassen den Bergen flauschige Zipfelmützen. Oft aber kriechen sie die Berghänge hinab und bescheren der Küste heftige Regenschauer, die sich schnell zu Überschwemmungen auswachsen können, das ist hier Alltag und interessiert erst ab sintflutartigen Zuständen. (Siehe Sintflut; die Ereignisse haben sich überstürz, bevor ich dieses Kapitel veröffentlichen konnte). Unsereins flüchtet sich meist rechtzeitig ins nahe Cantinetta zum nachmittäglichen Cappuccino, der sich schon mal zur abendlichen Caipiroska ausweiten kann….

Die geneigte Leserschaft möge mir diese vorgezogenen Einlassungen zum Strandleben von Camburi verzeihen, aber da wir schon oft hier waren und einige meiner Leser manches bereits aus nichtöffentlichen Reisemails der letzten Jahre kennen, wollte ich die Gelegenheit nutzen, hier glech noch einmal Wesentliches zu unserem Zielort und „Hauptquartier“ zu erzählen für all die, die neu dazugekommen sind. Dafür werde ich dieses Mal nicht jeden hier verbrachten Tag kolportieren.

Dieses Mal jedenfalls wohnen wir im Nachbarort Boicucanga, 3 km und einen Berg      rücken dazwischen entfernt. Corrin hat hier ein Häuschen in einem Condominium gemietet. Das sind geschlossene, oft bewachte Wohnanlagen, wie sie inzwischen auch in Südeuropa verbreitet sind. Das, in dem Corrin wohnt, ist allerdings eher eine eingezäunt Nachbarschaft ohne Wache mit ewig kaputtem Tor. Trotzdem achtet man etwas aufeinander und es gibt einen Hausmeister, der sich um das Anwesen kümmern soll.

Hier stehen noch einige alte kleine Holzbungalows und immer mehr neue kleine zweistöckige Steinhäuser um einen parkähnlichen Innenraum verteilt. Insgesamt etwa 20 Häuschen, in denen ganz normale Leute wohnen. Gemütlich, nett. Und mit vielen herrlichen Obstbäumen von denen man sich bedienen kann wie z.b. bei den Limonen, Bananen und Carambolas. Da lacht das Herz des wintergebeutelten europäischen Flüchtling, der sich sonst auf wenig aromatische Supermarktfrüchte beschränken muss.

Das Häuschen und die Umgebung in all ihrer Schönheit können wir allerdings erst am nächsten Morgen in Augenschein nehmen, denn bei unserer Ankunft ist das ganze Viertel stockfinster: Stromausfall für mehrere Stunden. Kofferausladen bei Kerzenschein. Mal was anderes als die kniehohen Überschwemmungen in den vergangenen zwei Jahren…Willkommen in Brasilien!

Zur Bildergalerie Camburi/Boicucanga

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