Thailand 6: Auf nach Norden

Am liebsten hätte ich um 5 Uhr morgens noch mal zum Abschied gebadet, zumal es schon jetzt verdammt warm ist. Kanchanaburi gehört zu den heissesten Gegenden Thailands. Aber das traue ich mich doch nicht. Ich würge noch ein letztes Mal an meinem Gepäck herum, das auf wunderbare Weise plötzlich über drei Kilo schwerer geworden ist, obwohl ich bis auf eine kurze Hose nichts gekauft habe. Es hilft nichts,ich muss mehr in meinen Handgepäck-Rucksack stopfen, trotzdem bleiben es zwei Kilo zuviel. Hoffentlich macht Asia-Air keinen Stress.

Meine tapfere Fahrerin wartet schon, los geht´s durch die noch dunkle Stadt. Sie setzt mich eine Ecke vor dem Busbahnhof ab, hier stehen schon zwei Busse und es gibt einen Ticketschalter. Allerdings stellt sich heraus, dass diese Busse nur Bangkok Süd anfahren, ich muss aber zum Flughafen Don Muang im Norden und am Busbahnhof Morchit umsteigen. Also schleife ich meinen Ballast zum Busbahnhof. Aha, hier stehen die großen Busse der Linie 81, die im Internet genannt werden. Morchit? Nö, fahren sie nicht an. Ich werde zu einem popligen Tischchen geschickt, da gibt es Karten für den Minibus, der dahin fährt. Leider ist dieser Minibus super eng und der Fahrer übel gelaunt. Hier sind soviele Sitze wie nur irgendmöglich eingebaut, kein Platz für Gepäck, was man nicht auf dem Schoß hat. Also darf ich eine zweite Fahrkarte kaufen, damit meine Tsche auf einen Sitz gequetscht wird. Und dann geht´s noch lange nicht los, weil der Typ noch wartet bis auch der letzte Platz verkauft ist.Gut, dass ich sehr viel Zeit eingeplant habe, trotzdem wird es langsam knapp.

Wir rasen Richtung Bangkok. Von der Landschaft bekomme ich nicht viel mit, die Gardinen sind halb zu und ich dämmere vor mich hin. Nach zwei Stunden ist Pinkelpause. Als ich vom Klo komme, ist mein halbes Gepäck in einen anderen vollen Bus verfrachtet worden, ich schaffe es gerade noch, mein Handgepäck aus dem alten Bus zu zerren, da geht es schon weiter, ich darf mir nicht mal was zu essen holen. Die haben untereinander irgendeinen Deal gemacht. Offenbar hat keiner Lust nach Morchit zu fahren. Warum wird mir klar, als wir nach Bangkok kommen. Wir müssen quer durch die Stadt und es ist Rush Hour. Totalstau. Es wird immer später. Da hilft nur Fatalismus. Dann endlich sind wir in Morchit.

Ein Mega-Bus-Terminal, dagegen ist der ZOB in Berlin ein Schlüsselanhänger. Hunderte von Bussen, nichts in lateinischen Buchstaben, keiner versteht mich. Ich kämpfe mich zu einem riesigen Gebäude vor und dann endlich zu einem Info-Schalter mit einem dösenden Menschen. Aber immerhin sagt er mir, welchen Bus ich suchen muss. Und der fährt sogar gleich ab. Super, denke ich…Nach drei Minuten aber fahren wir auf einen Parkplatz an einer Tankstelle und der Fahrer verschwindet. Ich frage die Schaffnerin, wie lange es dauern wird, die zuckt nur die Schultern. Nach 10 Minuten ist mir alles egal. Wenn ich schon womöglich den Flug verpasse, dann möchte ich wenigstens nach fünf Stunden endlich was essen. Ich steige aus, mit derselben Selbstverständlichkeit wie der Busfahrer, zeige auf meinen Magen und finde ein paar Meter weiter eine Garküche. Mit einer Portion scharfem Schweinefleisch mit viel Ingwer einem undefinierbaren, ebenso scharfen wie leckeren kleinen frittierten Fladen und Reis kehre ich zurück und frühstücke trotzig in aller Ruhe. Inzwischen ist der Fahrer zurück, 25 Minuten später sind wir da.

Jedenfalls muss ich aussteigen am Rand einer riesigen achtspurigen Strasse. Die Zufahrt zum Flughafen liegt auf der anderen Seite. Dahin kommt man nur über eine hohe alte Fussgängerbrücke mit einer steilen Metalltreppe. Ich zerre meine 22-Kilo-Tasche mit beiden Händen die Stufen hoch, falle fast die Treppe herunter, an mir quetschen sich Männe vorbei, grinsen blöd und nicken mitleidig. Super. Asiatische Zurückhaltung in allen Ehren, aber ich hätte wirklich nichts gegen Gentlemen. Völlig erledigt erreiche ich die andere Seite und hetze die verbleibenden dreihundert Meter die Autozufahrt hoch, einen Fussgängerweg gibt es von hier nicht. Von behindertengerecht und Gepäckrampe und ähnlich überflüssigem Luxus haben die hier sowieso noch nichts gehört.Ich habe schon ein paar Mal gedacht, ich möchte hier kein Rollstuhlfahrer sein. Als ich endlich auf der Abflugsebene gelandet bin, blinkt mir „Last call for Chang Mai“ entgegen. Ich rase mit meinem Hackenpanzer durch die Halle und finde einen proppevollen Schalter vor, wo in aller Ruhe gerade erst abgefertigt wird. War wohl vorbeugend, der last call. Hurra; ich habe es geschafft und nicht mal mein Übergepäck wird beanstandet!

Als wir zur Landung ansetzen, staune ich wie riesig Chiang Mai ist. Ich habe zwar gelesen, dass sie Stadt einen riesigen Sprung gemacht hat und groß geworden ist, aber dem Gebiet nach scheint sie zu exlodieren. Dabei sollen hier nicht einmal 130.000 Menschen leben.Die berühmten hohen Berge und der Fluß sind schön anzusehen. Früher einmal war Chiang Mai eine Königsstadt , sie war die Hauptstadt des Königreiches mit dem schönen Namen Lan Na, was soviel bedeutet wie „Land der Millionen Reisfelder“. Ich bin sehr gespannt darauf.

Chiang Mai empfängt mich,im Gegensatz zum grauen, nieseligen Bangkok, mit brennender Sonne. Am Taxistand eine wartende und meckerndeTouristenmeute. Der unfreundliche Typ am Schalter erklärt, dass gerade alle Taxameter der Flotte neu geeicht werden und in der Werkstatt sind, es kostet jetzt alles 200 Baht und ich müsse sowieso eine halbe Stunde warten. Das werde ich nicht, um dann einen unverschämten Wucherpreis zu bezahlen. Ich verlasse das Flughafengelände, feilsche mit einem Tuktukfahrer und werde für 80 Baht in mein Guesthouse gefahren, das ich reserviert habe. Geht doch.

Das Zimmer ist sehr einfach, aber sauber, der junge Besitzers sehr nett. Er hat aber nur eine Nacht frei. Bei einem ersten Spaziergang ist mir Chiang Mai sofort symphatisch. Städtisch, turistisch, aber auf eine relaxte Art. Alles ist ein bisschen kleiner, gelassener. Wieder reichverzierte rotgolden Buddhisten-Tempel ohne Ende.

Ich genehmige mir einen großen Eiscappuccino und rufe der Einfachheit halber im lonely planet empfohlene Hotels an, die in Frage kommen, denn irgendwie bin ich verwirrt und weiss nicht wo ich suchen kann. Und morgen Mittag muss ich schließlich ausziehen. Eigentlich sollte ich relaxter sein. Aber die wirklich reichlich verwirrende Stadt und die plötzliche Mitteilung, dass ich in 20 Stunden versorgt sein muss, hat mich aus dem Konzept gebracht. Vielleicht ist es auch nur die Müdigkeit nach dem Stress. Schließlich buche ich etwas. Egal. Ist ja nicht wirklich teuer mit 11 Euro.

Jetzt bin ich beruhigt. Ich mache mich frisch und unternehme einen ausgedehnten Abendbummel durch das Altstadtviertel .Ich mäandere durch die Straßen unendlosen verzweigten kleinen Gassen, denn irgendwie fehlt mir immer noch total die Orientierung. Es war schon schwierig herauszufinden, ob ich nun in der Altstadt bin. Aber wo ich genau bin, kann mir keiner erklären, offenbar können die meisten hier keine Karten lesen, schon gar nicht mit lateinischen Buchstaben. Und Thai-Schrift kann ich nicht lesen.

Ich besichtige zwei schöne Tempel und lasse mich treiben. Irgendwann lande ich im Restaurant- und Ausgehviertel. Es ist relativ ruhig zur Zeit. Ich lasse mir bei meinem Spaziergang nebenbei in einigen der unzähligen kleinen Agenturen noch ein paar Angebote für Trekking-Touren machen. Ich habe schon dieselbe Tour für Preise angeboten bekommen, die fast 1000 Baht auseinanderliegen. Ich vertage die Entscheidung, ob und was ich machen will. Anschließend verzichte ich auf die schicken und teilweise von Ausländern geführten hippen Restaurants und esse in einem sehr authentischen, einfachen Lokal ohne jeden Schnickschnack unter Einheimischen. Ich wadere noch eine Weile weiter durch die dunklen, aber meist belebten Straßen und lande an dem alten Kanal, der zusammen mit vier alten Stadttoren die Altstadt quadratisch vom Rest der Stadt trennt. Irgendwann finde ich auch mein Hotelchen wieder. Fußlahm und totmüde falle ich schließlich ins Bett.

Schreibe einen Kommentar