Thailand 4: Irgendwann geht alles vorbei…

Kurz nach fünf hat mein Wecker geklingelt – auf zum River Kwai. Der Mann an der Rezeption hat mir geraten, ein Tuktuk zum Bahnhof Bangkok Noi zu nehmen, das wäre am einfachsten. Theoretisch. Nur dass die Tuktuk-Fahrer wohl noch schlafen. Kein einziger ist zu finden. Und mit den ersten beiden Taxifahrern gibt es wiedermal Stress wegen des Taxameters. Der dritte macht´s. Wir müssen ein bis zwei Stunden früher da sein, um sicher sein zu können, ein Ticket zu bekommen, und es gibt nur zwei Züge am Tag.

Direkt neben dem Bahnhof ist ein riesiger offener Großmarkt. Die Erleuchtete Sszenerie vor Sonenaufgang wurkt völlig surreal. Es herrscht riesiges Getümmel und allein das kurze Anhalten zum Aussteigen und Tasche aus dem Kofferraum hieven verursacht fast einen Tumult und Verkehrsstau. Knut kommt kurz nach mir an, wir kaufen Ticktes und beschließen, auf den Markt zu gehen und zu frühstücken. Ich zerre meine Reisetasche durch das Chaos und wir finden wieder einen Suppenstand. Reissuppe mit verschiedenen Fleischsorten und Gemüse. Ich koste alles, esse fast alles mit großem Appetit – außer den Hühnerblutpudding, der ist dann doch nicht so ganz mein Geschmack, den verzehrt mein junger hungriger Begleiter (der übrigens Koch ist). Gesättigt zuckeln wir durch das Gewusel zurück.

Der 2. Klasse-Zug ist tatsächlich kurios anzuschauen mit seinen Holzsitzen und der dritten Klasse, die Sitze überhaupt nur an den Längsseiten hat, sonst nur Halteschlaufen. Und das für einige Stunden Fahrt. Alle Fenster sind offen und lassen sich auch nicht schließen, aber die Hitze ist schon jetzt um kurz vor acht enorm. Eigentlich wollen wir nach Kanchanaburi und in zwei Nationalparks. Aber da die spannende und steile Strecke der sogenannten Todesbahn vom River Kwai erst hinter Kanchanaburi liegt, haben wir beschlossen,zunächst bis zur Endstation Nam Tok zu fahren. Sieht auf der Karte aus wie ein Stündchen mehr und liegt in der Nähe eines derNationalparks, Sai Yok.

Es ist ziemlich voll, die Touristen sind in der Unterzahl. Immer wieder kommen Händler durch den Zug und bieten Essen an: Gebäck, mundgerecht geschnipseltes Obst mit gewürztem Salz in kleinen Tütchen(schmeckt schrecklich), Tapioka – Chips und komplette Gerichte, pfiffig verpackt in-Kokos- oder Bananenblätter oder einfach in Plastiktütchen oder Plastikfolie mit Zeitungspapier. Es ist verrückt, wie die Thais es schaffen, das alles so zu verpacken- und jeder ist das gewohnt und futtert mit Holzspießen, Stäbchen oder einfach den Fingern. Und die meisten kaufen ständig etwas Neues! Sie kauen fast die ganze Fahrt über.

Uns genügt ein bisschen Obst und Wasser, Wasser, Wasser. Wir sitzen schweissgebadet mit schmerzenden Gliedern auf den unbequemen Holzsitzen und unsere Hoffung auf baldige Erlösung schwindet zusehens. Erstens erfahren wir, dass es bis Nam Tok gut fünf Stunden dauert und zweitens – soll sogar das ein großer Traum bleiben. Irgendwas, was wir nicht erfahren und verstehen, ist passiert, der Zug steht viermal eine Ewigkeit auf der Strecke. Auf den Bahnhöfen wuseln Militärs und Bahnangestellte wichtig herum, aber eigentlich tun sie nichts, außer ständig in ihre WalkieTalkies zu quasseln.

Die Thais bleiben gelassen, kaufen sich noch was zu essen und dösen. Uns tut inzwischen alles weh. Kurz zusammengefasst: wir sitzen fast neun Stunden in diesem Holzbackofen! Wehe, mir erzählt noch einer, dass das eine schöne Fahrt ist! Die überwiegend unspektakuläre Landschaft wechselt wenigstens zum Schluss ein bisschen, am Horizont zeichnen sich beeindruckende Berge ab, aber wirklich aufregend ist es nicht. Bis auf die paar Kilometer am River Kwai, wo der schuckelndeZug wirklich auf den alten Wackelschienen an einem steilen Abgrund entlang fährt. Bilder aus dem Filmklassiker fallen mir ein. 100.000 Häftlinge sind bei Bau dieser Trasse durch die Japaner 1943 gestorben.

Beim letzten endlosen Halt in einem Dorf springe ich über die Gleise, wie die Einheimischen, hoffe, das der Zug nicht gerade weiterfährt und hole uns wenigstens ein Eis als Psycho-Tranquilizer. Wir sind mittlerweile klatschnass, haben auf dem jeweiligen Fenster-Arm Sonnenbrand und eigentlich ist schon alles egal. Ein paar mitreisende Teenies holen sich Cola mit Eis: der Verkäufer nimmt eine warme Cola, schüttet sie in eine Plastiktüte, schippt Eis aus einer Kiste dazu, Strohhalm rein – fertig. Oma neben uns gräbt mit beiden Händen in einer anderen Plastiktüte und isst ganzhändig Reis mit fettiger Soße, gebratenes Gemüse und Hühnerfüße. Keiner scheint sich dafür zu interessieren, wann es weiter geht. Nach fast neun Stunden fahren wir dann tatsächlich in Nam Tok ein. Wir sind da!

Ja…Wo eigentlich? In einem verschlafenen, entspannten Provinznest, wo sich die Hähne ankrähen. Das ist eigentlich nicht das Problem, denn von hier aus wollten wir ja in den Sai Yok Nationalpark weiter. Aber um 17 Uhr ist der geschlossen und jetzt ist es 16:30 Uhr und es fehlen noch 40 km. Wir sondieren die Lage bei einem Eiskaffee und finden eigentlich allesso absurd, dass es schon wieder lustig ist. Immerhin sind wir die hölzernen, ach so nostalgischen Folterinstrumente los…Schließlich schnappen wir unser Gepäck, und spazieren einen guten Kilometer durchs Dorf zu Hauptstraße, um da irgendwann einen Bus zu erwischen. Zurück nach Kanchanaburi, wo wir vor vier Stunden durchgefahren sind.So kann man den Urlaub auch ausfüllen!

Alles wird gut!! Ein Stündchen später sammelt uns der klapprige Lokalbus ein und bringt uns für 1,30 Euro in anderthalb Stunden an Ziel. Auf dem Busbahnhof telefonieren wir dann mit möglichen Unterkünften. Ohne viel Erfolg.

Dann treffen wir die Entscheidung: Im lonely planet steht hinter einer Empfehlung das Zauberwort: Pool!!!! Wir haben es uns verdient! Nobel geht die Welt zugrunde. Es klappt. Zwischen uns und dem Paradies liegen nur noch vier Kilometer und das Problem, dass es hier keine Taxis zu geben scheint. Nicht eins ist zu sehen. Auch TukTuks kommen keine vorbei. Wir stehen vor einem Problem. Kurzentschlossen gehe ich zur Polizei. Und nun passierts: ein Motorrad-Polizist schwingt sich aufs ein Bike und kommt wenig später mit einem Taxifahrer im Schlepptau wieder! Die Polizei dein Freund und Helfer!

Eine halbe Stunde später liegen wir im Mondenschein unter dem Sternenhimmel verträumt im Pool des ruhigen und hübschen Hotels „Pong Phen“ und genießen. Ein Bummel durch eine etwas ballermannähnliche Straße beschert uns noch ein nettes Essen und einen Drink zum Mitnehmen. Uns geht´s gut!

Thailand 3: Von Märkten und Tempeln

Seit nunmehr bald acht statt fünf Stunden schmoren wir in der Holzklasse des historischen Zuges, der nach wie vor fahrplanmäßig zwischen Bangkok und Kanchanaburi – River Kwai – Nam Tok verkehrt. Ende ungewiss. Es gibt Leute, die behaupten, diese Eisenbahnfahrt von Bangkok zum River Kwai sei eine besonders schöne Fahrt. Ich weiß gerade ziemlich sicher, dass ich mich dieser Meinung nicht anschließe. Bei stundenlanger Verspätung, steifem Nacken und schmerzenden Sitzteilen auf den tollen nostalgischen Holzbänken und gefühlten 40 Grad. Holzklasse….Die Busfahrt hätte drei Stunden gedauert…

Aber ich will den Geschehnissen nicht vorgreifen, es gibt schließlich einen Anspruch auf Chronologie. Und dementsprechend fehlt noch ein Tag bis zum Leben in der Holzklasse.

Tag 3 in Bangkok beginnt trotz extremen Schlafmangels mit pünktlichem Aufstehen und sofortigem Abmarsch zum Boot. Unterwegs noch einen frischen Saft kaufen – nun trage ich endlich auch eines dieser kleinen Plastiktütchen mit etwas Ess- oder Trinkbarem in der Hand, wie 80 Prozent aller Thais unterwegs. Überhaupt scheinen sie den größten Teil des Tages damit zu verbringen am Wegesrand , im Bus, auf dem Boot oder wo sie sonst gerade unterwegs sind zu essen und zu trinken.

Aber ich schweife ab. Ich kaufe mir ein 15 Baht-Ticket für das Orange-Flag –Boot und fahre diesmal nach Norden ein halbe Stunde flußaufwärts. Mein Ziel ist der Markt in Thonanburi. Wenn ich mir vorher noch Gedanken gemacht hatte, ihn vielleicht nicht gleich zu finden, scheint das nun lächerlich, denn die ganze Stadt – zumindest ab Hafen – ist in einen Markt eingebettet, scheint es mir, nicht umgekehrt.

Alle Bürgersteige sind überdacht und darunter Stände, Stände, Stände. Und ein paar Straßenzüge weiter endlich beginnen auch die Gänge mit den Obst-, Gemüse-, Fleisch-, Fisch- und Gewürzständen, von denen ich gelesen habe. Großartig, was es hier alles gibt. Nicht, dass ich alles essen möchte und ich erkenne nicht mal die Hälfte, aber es ist toll. Und dass in Asien so ziemlich alles Kaubare gegessen wird, habe ich ja schon in Vietnam gelernt, also wundert mich nicht, welche Fleischsorten ich hier so sehe.

Aber dann wird mir doch noch schlecht. Ich sehe ja nicht besonders gut ohne Brille und so brauche ich einen Moment, um zu erkennen, warum sich der Fleischberg in einer Riesenschüssel bewegt…Es sind dicke, bereits aufgeschlitzte Frösche, die noch leben, während die Eingeweide herausquellen! Ich musste einen Moment beiseite gehen und mich darauf konzentrieren, nicht zu kotzen. Das geht nun doch zu weit für mein ethisches Empfinden.

Aber dann erfreue ich mich an Blumen und Gemüseständen ohne Ende, schnuppere an allerhand Kräutern …und eine halbe Stunde später erinnert mich mein Magen, dass er noch kein Frühstück hatte. Aber all die Snacks am Wegesrand kenne ich nicht – bis auf ein paar Fleischspieße und Gebäckteile und außerdem will ich nicht im Stehen essen. Schließlich finde ich den „Foodcort“ wie das in den USA heißen würde. Hier ist das eine Ecke im Markt, wo es ein paar Tische und Stühle gibt, und mobile Küchen mit dampfenden Kesseln und Grills.

Ich schnüre an den Ständen vorbei mit großen Augen und knurrendem Magen. Außer mir sehe ich keinen einzigen Touristen und ich schaue wohl ziemlich unsicher drein. Da ruft mich eine junge Suppenköchin, lädt mich ein, zeigt auf alle möglichen Zutaten, von denen ich zumindest Reisnudeln, Lauch, Möhren und Fleischklöschen identifizieren kann. OK, dann soll´s so sein, denke ich und setze mich. Anerkennendes Kopfnicken und Lachen von allen Seiten, eine alte Frau klopft mir fröhlich auf die Schulter. Langnasen haben sie hier offensichtlich nicht oft. Die Suppe mit 12 verschiedenen Einlagen kommt, ich habe sie gezählt. Da ist alles dabei von Gemüse über verschiedene Fleischscheibchen unbekannter Herkunft, Klöschen und Fischbällchen. Und – es schmeckt sehr lecker.Die Suppe ist sehr heiss, aber seltsamerweise lässt mich das nicht mehr schwitzen als vorher. Es sind mittlerweile 33 Grad. Morgens um neun. Ich schlendere zum Boot zurück und bin sehr zufrieden.

Mein Smartphone verrät mir, das ich nun Gesellschaft bekomme. Knut alias Gerret, der Sohn von meinemn Freund Thorsten, reist gerade ei n paar Monate durch Asien. Wir treffen uns zur gemeinsamen Besichtigung des Großen Palastes und des Smaragd-Buddha-Tempels (heute rechtzeitig). Ich habe mir extra wadenlange Hosen angezogen und einen breiten Schal mitgenommen, um meine Oberarme zu bedecken und so der Tempe-Etikette zu entsprechen. Knut kommt in kurzen Hosen…Prompt werden wir aufgehalten, eine gestrenge Dame befindet mich für…ok undschickt Knut umgehend zur „Kostümausleihe“. Es dauert eine heiße Viertelstunde Wartezeit und plötzlich bin auch ich nicht mehr genügend bedeckt und werde genötigt, mir unter Protest ein häßliches, verschwitztes Herrenhemd auszuleihen. Mann, wenn Buddha hier was zu sagen hätte…Die Hemdsärmel lassen übrigens mehr Arm frei als mein Schal.

Aber der Stress ist schnell vergessen, angesichts der Pracht, die uns hier erwartet. Es funkelt, glitzert und strahlt, wohin man nur schaut. Schon die dem Himmel zustrebenden wunderbaren Formen der Pagoden und anderen Gebäude sind wunderschön anzuschauen mit ihren spitzen, schwanenhalsförmigen Giebeln. Und dann diese gigantischen Mosaike! In allen Farben und immer wieder mit Gold und Silber. Was für eine Pracht! Irgendwie kann man es nicht beschreiben, man muss einfach nur schauen. Es ist so brütend heiss, dass wir uns fast die nackten Füße auf dem Marmor verbrennen, die Schuhe müssen natürlich an den Gebäuden schon im Vorfeld ausgezogen werden. Der Smaragd-Buddha, der eigentlich aus Jade besteht, ist ebenfalls in goldene Gewänder gehüllt und gar nicht auf den ersten Blick zu erkennen, in all dem ihn umgebenden Zierrat und den tanzenden Gottheiten und Fabelwesen.

Wir streifen eine Weile kreuz und quer und staunen, wobei für mich letztlich die Tempelanlagen wesentlich beeindruckender waren, als der Große Palast des Königs. Am Ende des ausgieben Rundgangs erscheint uns das Eis im geschäftstechnisch perfekt plazierten Café wie die Krönung des Ganzen. Nach soviel Sonne pur in diesen Mauern sind wir einfach – gar. Also, abkühlen, denn nach einem Erholungspäuschen haben wir schließlich noch mehr vor.

Chinatown. Wieder by boat.Und noch mehr Markt. Aber der findet hier in den eher schmucklosen, schmuddeligen Straßen immer statt, das ist hier Alltag. Die Athmosphäre ist schon etwas anders als in anderen Vierteln Bangkoks, es wird chinesisch gesprochen und geschrieben und sicher auch gedacht. Hier dreht sich alles ums Geschäftemachen, man spürt in allem, dass das hier das oberste Gesetz ist.

Nur schwer finden wir überhaupt ein Café, wo man sich auch mal hinsetzen kann, es gibt kaum Orte zum ausruhen. Die letzte Spazierrunde gilt dann dem Lebensmittelmarkt, hier wollen wir uns etwas zum Abendessen aussuchen. Aber das ist viel schwerer als gedacht, wenn man nichts versteht und fast nichts identifizieren kann.Es gibt wiederum eine solche Fülle von Essen, das wie fast noch eine Stunde im Kreis irren, bis wir uns entschließen, in eines der wenigen Restaurants zu gehen. Erstens kann man hier richtig sitzen und zweitens gibt es eine Karte in Englisch. Wir merken schnell, dass wir ein gute Wahl getroffen haben und stopfen uns zufrieden auch noch den letzten Reiskrümel in den Bauch, bevor wir unseren gemeinsamen Tag beenden. Dummerweise wohnen wir ziemlich entgegengesetzt.

Ich versuche, ein Taxi zu bekommen, aber entgegen dem, was mein lonely planet versprochen hat, wollen die meisten Taxifahrer hier eben doch nicht nach Taxameter fahren. Meine bisherige Statistik steht 9:1. Dann fahre ich eben wieder Tuktuk, das ist dann auch nicht teurer und viel netter, so mit Wind um die Ohren durch das nächtliche Bangkok.

Morgen heißt es erstmal Abschied von Bangkok. Knut und ich werden noch zwei weitere Tage gemeinsam verbringen und zur Brücke am River Kwai und in zwei Nationalparks fahren. So der Plan…

12 Vietnam: Abgetaucht 3

6.15 Uhr – mein einsames Verwöhnbad in „unserer“ Bucht. Diesmal ist sogar meine alte Schnarchbacke dabei, obwohl der nichts vom allmorgendlichen Defilee der Tuckerbote mitbekommt – heute hat es um 4:45 Uhr begonnen. Miki ist so in Trance, dass er gleich wieder Kontakt zu seinen Freunden, den Seeigeln aufnimmt – langsam sieht er selbst wie ein Igel aus, denn die Stacheln gehen erst nach Tagen gutwillig wieder aus dem Körper.

Hopp hopp zum Frühstück. Miki hat langsam seinen Sättigungsgrad an Instant-Nudelsuppe mit wechselnden Frischfleischeinlagen erreicht. Aber da er Eier in keiner Form essen mag, mangelt es an Alternativen. Immerhin gibt es aber immer frischen Kuchen und ein Schälchen Obst. Und Kalorien müssen ´rein, bei drei Stunden Wasser am Stück.

Vivi wartet schon, wieder vollziehen wir unser Ritual und verwandeln uns in die Teletubbies in Neopren. Dann das ganze Procedere von vorn: Ausrüstung zusammenbauen, Merksätze und Abläufe wiederholen. Miki wird noch Alpträume davon bekommen, die Tauchlehrerin aber auch. Ich bin zwar schneller, aber dafür manchmal chaotischer. Nun noch ein paar neue Erklärungen, damit das Lernen nicht zu langweilig wird und die tägliche Vergatterung, bei der wir erfahren, welche Heldentaten wir heute schaffen müssen: z.B. Druck und Tiefenkontrolle auf Aufforderung, „Ansagen“ der Füllstände, Safety-Stopp auf der angezeigten Meter-Zahl und lauter lustige Sachen, die eigentlich nicht schwierig sind, wäre da nur nicht die Masse an Zeichen, Ge- und Verboten. Bevor das nicht sitzt, geht´s nicht auf das Boot bzw. dann von da runter. Was für ein Glück haben wir doch mit unserem Exclusiv-Unterricht, der mal locker einen Tag verlängert wurde! Tja, der Altersbonus hat eben auch mal sein Gutes, Vivi bewundert unsere Courage, genau wie der Ressort-Manager, der sich täglich nach unseren Fortschritten erkundigt. Wir sind jetzt halt Inselprominenz!

Übrigens ist das Tauchenlernen zwar als großartiges Abenteuer und ganz neue Selbsterfahrung ausgesprochen geeignet, reziprok dazu verhält es sich allerdings mit dem gegenseitigen Attraktivitäts-Faktor. Denn merke: Unter Wasser sieht alles VIEL größer aus. Hat eigentlich irgendjemand da draußen eine Ahnung, welchen Schock der lupenartig vergrößerte Anblick der geliebten Runzeln und Tränensäcke in dem durch die Taucherbrille verzerrten und vom riesigen Mundstück entstellten Gesicht des langjährigen Liebsten verursacht? Kein Wunder, dass sich kein Fisch traut, uns anzugreifen – ich hätte auch Angst vor diesen Monstern.

Unser Tauchvormittag endet wieder mit einer kleinen Spaßrunde auf zwölf Metern zum Fische-Erschrecken. Danach ist mein Ego endlich mal im Aufwind. Als wir aus dem Wasser steigen, meint Vivi (erleichtert)  zu mir: „Ok, I can see, that it made click in your had. Now I think, you will do it.“ Mit Miki soll ich noch atmen üben, er hat ewig Probleme mit Wasser in der Brille, weil er nicht zwischen Mund- und Nasenatmung switchen kann. Und das wiederum ist ganz schlecht für die buoyancy-control (wir haben auch eine Weile gebraucht, um herauszubekommen, dass das die Auftriebskontrolle ist … so ganz nebenbei). Deshalb schwebt er immer mal wieder als putziger See-Elefant über unseren Köpfen herum, statt Seite an Seite mit uns Nixen auf Groundcontrol zu gehen.

Aber dann plötzlich, als er grad so schön am Meeresboden Inventur macht, zweifle ich an meinem Verstand. Ich müßte mal ein bisschen Luft ablassen, nur leider ist plötzlich mein deflator verschwunden, der aber gar nicht weg sein kann, weil er gleich doppelt mit dem Tank verkoppelt ist und außerdem an der Schulter mit meiner Weste verclipt ist. Immer schön ruhig bleiben, das ist lächerlich. Ich drehe und wende mich und mache einen auf Ringelwurm, um meine Schulter und Seite abzusuchen – das Ding bleibt verschwunden. Quatsch, gibt´s doch gar nicht. Aber plötzlich fällt mir ein – ohne das Ding darf ich nicht nach oben, das wäre sehr wenig gesund … Uahh! Ich werde nun doch etwas hektisch, die beiden sind vor mir und haben noch nichts von meinem Ballett bemerkt. Ich hechte hinter meinem Buddy her, wie sich das PADI bei Problemen so vorstellt und erwische ihn an der Flosse. Und es klappt, er versteht sogar, was mein Problem ist. Und wie steht´s in den Regeln: Der Buddy, der kein Problem hat, beruhigt den anderen und agiert ganz überlegt und ruhig. Klar, genauso machte er es: Er lässt sich überhaupt nicht von meinem hektischen Gewedel anstecken! Nur warum reißt er mir fast die Maske vom Kopfe als er das gesuchte Teil hinter meinem Ohr ortet, wo es sich im Schnorchel verfangen hat? Natürlich nur aus Liebe und Sorge! PADI ist doof und Miki liebt mich! Dafür hätte ich locker auf´s Atmen verzichtet! Und Vivi sieht, wie sehr uns alles schon in Fleisch und Blut übergegangen ist …

Nach dem Mittagessen müssen wir ein paar Schwimmtests ohne große Ausrüstung absolvieren (= skin swimming). Alles erst ganz einfach für einigermaßen gute Schwimmer. Und zehn Minuten bewegungslos auf dem Wasser liegen ist ja mein liebstes Steckenpferd. Aber es kommt natürlich sogar hier wieder ein Pferdefuß am Schluss: Tauchübungen mit Schnorchel! Die treiben mich noch an den Rand der Verzweiflung. Dive-Duck-Abtauchen bis zum Grund, auftauchen und Weiterschwimmen ohne den Kopf aus dem Wasser zu nehmen, sprich den vollgelaufenen Schnorchel per Atemstoß leeren. Wieder zwei Liter Salzwasser geschluckt, bevor meine Leistung akzeptiert wird. Und das mit dem Entendingsda soll ich weiter üben. Klar, alle Badegäste lachen gern! Miki hat den besseren Entenarsch. Er packts ohne Probleme.

Dann raus aus dem Wasser, wir haben noch zwei weitere Kapitel Theorie zu absolvieren. Den Stoff für die erste Zwölf-Meter-Tauchlizenz haben wir schon inhaliert, aber nun werden wir den Teufel tun und uns mit dem Grundkurs zufrieden geben – nach all der Schinderei: Wir wollen Open Divers werden, die dürfen auf auf 18 Meter tauchen. Und dazu muss man eben noch mehr Theoriekram lernen.

Mein Waterloo naht: der „Recreational Diving Planner“! Hätte ich gewusst, was ich da alles für gruselige, schwer nach Statistik und Mathematik aussehende Tabellen lesen und danach Berechnungen anstellen muss, wäre ich womöglich schreiend davongerannt, anstatt immer nur zu glauben, 18 Meter Wasser über mir seien die Mutprobe … Jetzt hat Miki seinen großen Auftritt! Und zugegeben, darin ist er wirklich besser als ich. Er blüht förmlich auf! Angeber! Pah, ich hab dafür sonst mehr Fragen in der Abschlussprüfung richtig …

Mit mehr Glück als … haben wir es gepackt und das 50 Aufgaben umfassende Final Exam geschafft! Neptun, wir kommen! Stell schon mal den Schampus kalt! Morgen sind die beiden großen Boat-Dives angesagt. Da kann man sich heute nicht mal ordentlich ein Gläschen auf die bestandene Theorie genehmigen. Wir müssen früh raus und sehr fit sein!