12 Vietnam: Abgetaucht 3

6.15 Uhr – mein einsames Verwöhnbad in „unserer“ Bucht. Diesmal ist sogar meine alte Schnarchbacke dabei, obwohl der nichts vom allmorgendlichen Defilee der Tuckerbote mitbekommt – heute hat es um 4:45 Uhr begonnen. Miki ist so in Trance, dass er gleich wieder Kontakt zu seinen Freunden, den Seeigeln aufnimmt – langsam sieht er selbst wie ein Igel aus, denn die Stacheln gehen erst nach Tagen gutwillig wieder aus dem Körper.

Hopp hopp zum Frühstück. Miki hat langsam seinen Sättigungsgrad an Instant-Nudelsuppe mit wechselnden Frischfleischeinlagen erreicht. Aber da er Eier in keiner Form essen mag, mangelt es an Alternativen. Immerhin gibt es aber immer frischen Kuchen und ein Schälchen Obst. Und Kalorien müssen ´rein, bei drei Stunden Wasser am Stück.

Vivi wartet schon, wieder vollziehen wir unser Ritual und verwandeln uns in die Teletubbies in Neopren. Dann das ganze Procedere von vorn: Ausrüstung zusammenbauen, Merksätze und Abläufe wiederholen. Miki wird noch Alpträume davon bekommen, die Tauchlehrerin aber auch. Ich bin zwar schneller, aber dafür manchmal chaotischer. Nun noch ein paar neue Erklärungen, damit das Lernen nicht zu langweilig wird und die tägliche Vergatterung, bei der wir erfahren, welche Heldentaten wir heute schaffen müssen: z.B. Druck und Tiefenkontrolle auf Aufforderung, „Ansagen“ der Füllstände, Safety-Stopp auf der angezeigten Meter-Zahl und lauter lustige Sachen, die eigentlich nicht schwierig sind, wäre da nur nicht die Masse an Zeichen, Ge- und Verboten. Bevor das nicht sitzt, geht´s nicht auf das Boot bzw. dann von da runter. Was für ein Glück haben wir doch mit unserem Exclusiv-Unterricht, der mal locker einen Tag verlängert wurde! Tja, der Altersbonus hat eben auch mal sein Gutes, Vivi bewundert unsere Courage, genau wie der Ressort-Manager, der sich täglich nach unseren Fortschritten erkundigt. Wir sind jetzt halt Inselprominenz!

Übrigens ist das Tauchenlernen zwar als großartiges Abenteuer und ganz neue Selbsterfahrung ausgesprochen geeignet, reziprok dazu verhält es sich allerdings mit dem gegenseitigen Attraktivitäts-Faktor. Denn merke: Unter Wasser sieht alles VIEL größer aus. Hat eigentlich irgendjemand da draußen eine Ahnung, welchen Schock der lupenartig vergrößerte Anblick der geliebten Runzeln und Tränensäcke in dem durch die Taucherbrille verzerrten und vom riesigen Mundstück entstellten Gesicht des langjährigen Liebsten verursacht? Kein Wunder, dass sich kein Fisch traut, uns anzugreifen – ich hätte auch Angst vor diesen Monstern.

Unser Tauchvormittag endet wieder mit einer kleinen Spaßrunde auf zwölf Metern zum Fische-Erschrecken. Danach ist mein Ego endlich mal im Aufwind. Als wir aus dem Wasser steigen, meint Vivi (erleichtert)  zu mir: „Ok, I can see, that it made click in your had. Now I think, you will do it.“ Mit Miki soll ich noch atmen üben, er hat ewig Probleme mit Wasser in der Brille, weil er nicht zwischen Mund- und Nasenatmung switchen kann. Und das wiederum ist ganz schlecht für die buoyancy-control (wir haben auch eine Weile gebraucht, um herauszubekommen, dass das die Auftriebskontrolle ist … so ganz nebenbei). Deshalb schwebt er immer mal wieder als putziger See-Elefant über unseren Köpfen herum, statt Seite an Seite mit uns Nixen auf Groundcontrol zu gehen.

Aber dann plötzlich, als er grad so schön am Meeresboden Inventur macht, zweifle ich an meinem Verstand. Ich müßte mal ein bisschen Luft ablassen, nur leider ist plötzlich mein deflator verschwunden, der aber gar nicht weg sein kann, weil er gleich doppelt mit dem Tank verkoppelt ist und außerdem an der Schulter mit meiner Weste verclipt ist. Immer schön ruhig bleiben, das ist lächerlich. Ich drehe und wende mich und mache einen auf Ringelwurm, um meine Schulter und Seite abzusuchen – das Ding bleibt verschwunden. Quatsch, gibt´s doch gar nicht. Aber plötzlich fällt mir ein – ohne das Ding darf ich nicht nach oben, das wäre sehr wenig gesund … Uahh! Ich werde nun doch etwas hektisch, die beiden sind vor mir und haben noch nichts von meinem Ballett bemerkt. Ich hechte hinter meinem Buddy her, wie sich das PADI bei Problemen so vorstellt und erwische ihn an der Flosse. Und es klappt, er versteht sogar, was mein Problem ist. Und wie steht´s in den Regeln: Der Buddy, der kein Problem hat, beruhigt den anderen und agiert ganz überlegt und ruhig. Klar, genauso machte er es: Er lässt sich überhaupt nicht von meinem hektischen Gewedel anstecken! Nur warum reißt er mir fast die Maske vom Kopfe als er das gesuchte Teil hinter meinem Ohr ortet, wo es sich im Schnorchel verfangen hat? Natürlich nur aus Liebe und Sorge! PADI ist doof und Miki liebt mich! Dafür hätte ich locker auf´s Atmen verzichtet! Und Vivi sieht, wie sehr uns alles schon in Fleisch und Blut übergegangen ist …

Nach dem Mittagessen müssen wir ein paar Schwimmtests ohne große Ausrüstung absolvieren (= skin swimming). Alles erst ganz einfach für einigermaßen gute Schwimmer. Und zehn Minuten bewegungslos auf dem Wasser liegen ist ja mein liebstes Steckenpferd. Aber es kommt natürlich sogar hier wieder ein Pferdefuß am Schluss: Tauchübungen mit Schnorchel! Die treiben mich noch an den Rand der Verzweiflung. Dive-Duck-Abtauchen bis zum Grund, auftauchen und Weiterschwimmen ohne den Kopf aus dem Wasser zu nehmen, sprich den vollgelaufenen Schnorchel per Atemstoß leeren. Wieder zwei Liter Salzwasser geschluckt, bevor meine Leistung akzeptiert wird. Und das mit dem Entendingsda soll ich weiter üben. Klar, alle Badegäste lachen gern! Miki hat den besseren Entenarsch. Er packts ohne Probleme.

Dann raus aus dem Wasser, wir haben noch zwei weitere Kapitel Theorie zu absolvieren. Den Stoff für die erste Zwölf-Meter-Tauchlizenz haben wir schon inhaliert, aber nun werden wir den Teufel tun und uns mit dem Grundkurs zufrieden geben – nach all der Schinderei: Wir wollen Open Divers werden, die dürfen auf auf 18 Meter tauchen. Und dazu muss man eben noch mehr Theoriekram lernen.

Mein Waterloo naht: der „Recreational Diving Planner“! Hätte ich gewusst, was ich da alles für gruselige, schwer nach Statistik und Mathematik aussehende Tabellen lesen und danach Berechnungen anstellen muss, wäre ich womöglich schreiend davongerannt, anstatt immer nur zu glauben, 18 Meter Wasser über mir seien die Mutprobe … Jetzt hat Miki seinen großen Auftritt! Und zugegeben, darin ist er wirklich besser als ich. Er blüht förmlich auf! Angeber! Pah, ich hab dafür sonst mehr Fragen in der Abschlussprüfung richtig …

Mit mehr Glück als … haben wir es gepackt und das 50 Aufgaben umfassende Final Exam geschafft! Neptun, wir kommen! Stell schon mal den Schampus kalt! Morgen sind die beiden großen Boat-Dives angesagt. Da kann man sich heute nicht mal ordentlich ein Gläschen auf die bestandene Theorie genehmigen. Wir müssen früh raus und sehr fit sein!

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