Schon beim Aufwachen ist der Dschungel einfach da: es riecht anders, der Fluss rauscht, die Affen sind zu hören, es ist schwül-heiss und alles ist klamm. Klingt nicht so romantisch, aber – ich liebe es. Zumindest eine Zeit lang.
Die größte Blume der Welt – ist in Sumatra zu Hause. Der Titanwurz. Eine Pflanze, bei der alles nach Superlativ klingt: die ausgewachsene Wurzel lkann es auf über 100 Kilo bringen, die größte Blüte auf 3,5 Meter. Und obwohl die Blütezeit im Januar und Februar liegt, haben wir Glück – wir können sie noch selbst sehen. Sie blüht in einiger Entfernung von Bukit Lawang, rund eine Stunde mit dem Motorrad und dann noch eine knapp dreiviertelstündige Wanderung durch den Dschungel.
Diesmal überlässt uns Diekie seinen Freunden Dedek und Kittin, er hat familiäre Verpflichtungen. Die Fahrt zum Dschungel am Fluß Lau Berkail, wo die Blume wächst, bewältigen wir natürlich auf dem Rücksitz der Motorräder . Wenn man hier irgendwohin will – abgesehen von echten Entfernungen wie nach Medan – fährt man Motorrad.
Hier allerdings würde ich auf keinen Fall allein fahren und auch nicht bei Miki auf dem Rücksitz. Zu gefährlich, zu abenteuerlich sind schon allein die kleinen Wege, die unseren Ortsteil mit der nächsten Landstraße verbinden. Kaum 2 Meter breit, haben sie meist eine schmale Beton-Spur, die aber eher eine Stolperfalle darstellt, so kaputt wie sie ist. Es geht teilweise richtig steil hoch und runter und außer Passanten, spielenden Kindern, Hunden, Katzen und Hühnern teilt man die paar Zentimeter dann noch mit entgegenkommenden Motorrädern. Es ist unglaublich, dass es hier nicht mehr Unfälle gibt!
Zurück zum Thema. Eine gute Stunde dauert die Anfahrt, sie führt durch das langgestreckte Bukit Lawang und Pekan Bahorok, eine eher graue, ärmlich wirkende, chaotische Kleinstadt, bevor es über Schotterpisten Richtung Urwald geht.
Zum Glück bemerken wir auf den letzten Metern des Ortes, dass der Hinterreifen fast platt ist. Ein paar Meter weiter ist eine winzige chaotische Werkstatt – die Sache ist nach 15 Minuten erledigt. Das Motorrad hat ohnehin schon bessere Tage gesehen, Rückspiegel und Startautomatik sind Theorie, aber wenn man eine Weile hier ist, gibt man es auf, sich wegen solcher Dinge zu beschweren, die hier keiner versteht.
Der Weg noch durch endlose Palmöl-Plantagen. Sie sind eigentlich sehr schön anzusehen, wüsste man nicht, dass dafür tausende Hektar Urwald gerodet wurden (und immer noch werden) und hier nichts anderes mehr wächst und lebt. Das natürliche Biotop für die Orang Utans, Tiger, Rhinos, Elefanten und Tiger ist unwiederbringlich zerstört. Aber die Menschen sind arm, und so haben es die Konzerne leicht und die Bauern hacken auch noch ihre ökologische weniger schädlichen Kautschukbäume um, um das doppelte bis dreifache zu verdienen – was immer noch ein Witz ist in absoluten Zahlen.
Unsere fahrt endet am Ufer des breiten Dschungelstroms Lau Berkai. Hier übernimmt ein lokaler Guide die Führung. Die Ranger kennen die Standorte der Blumen, die immer nur maximal drei Tage blühen, und wissen ob und wo es noch ein Blüte gibt. Wir haben großes Glück, dass es eine Blüte gibt.
Die Wanderung führt zunächst am Flussufer entlang, das noch die Spuren eines extremen Hochwassers im vergangenen November trägt – hier sprechen sie von einem Tsunami. Dann gehts noch durch Wald und wilde Limonen- und Kautschukbäume eine Weile bergauf, bevor der tiefe Dschungel beginnt. Aber da sind wir auch schon am Ziel: Eine fast künstlich aussehende Blüte, die direkt am Boden beginnt: ein rotes Kelchblatt mit einem grüngelben hochaufragendem Laubblatt in der Mitte. Ein toller Anblick – der Aasgeruch, der sie vor Fressfeinden schützt und sie für Insekten anziehend macht, ist hier zum Glück nicht so sehr zu riechen. Aber der Anblick ist wirklich verrückt – die Blume sieht künstlich aus.
Unser Exemplar ist groß, ca 1,50 m, aber längst nicht so groß, wie eine alte Pflanze, die schon mal eine 5 Meter hohe Blüte haben kann. Eine alte Wurzelknolle kann über hundert Kilo wiegen. Eine Blüte bildet sie nur alle paar 3 bis 7 Jahre, sie blüht nur ein paar Tage. Toll, dass wir soviel Glück haben. Unser Guide weiß auch, dass der Berliner Botanische Garten ein Titanenwurz besitzt.
Bleibt der Rückweg und eine Erholungspause an einem kleinen Restaurant am Flussufer mitten im Wald, das mit einer Holzterrasse an der Böschung klebt. Auf der Rückfahrt danach gibts ein spätes Mittagessen in einem der einfachen Restaurants, Warun, von Pekan Bahorok, das Padang-Küche anbietet – sie gilt als eine der schärfsten in Indonesien. Die Guides essen begeistert mit, es stehen verschiedene kleine Schüsseln mit Gerichten aus Huhn; Gemüsen, Fisch und Kräutern auf dem Tisch und jeder hat eine Schale Reis.
Man kann mit dem Löffel essen – oder eben mit dem Fingern, was die Jungs auch tun. Es sieht wirklich…gewöhnungsbedürftig aus. Es werden nicht elegant die Fingerspitzen benutzt, da werden schon die halben Finger mit Reis in die Näpfe mit Fleisch und Soße gesteckt und dann in den Mund. Völlig ok, nur für uns einigermaßen gewöhnungsbedürftig. Wir nehmen dann doch die Löffel. Nur Miki hat ein Problem hier – er ist Linkshänder und das geht in Indonesien eigentlich gar nicht. Links ist die „schmutzige Hand“, mit der man weder isst, noch etwas gibt oder annimmt.
Hier ist das Leben zwar in vieler Hinsicht muslimisch geprägt, aber der Musikgeschmack der jungen Leute ist davon in keiner Weise beschränkt: sie lieben Blues- , Rock-, Pop- und Countrymusik! Überall sieht man sie Gitarre spielen und dazu singen. Dedek, auf dessen Rücksitz ich heute Fahre, singt die ganze Zeit laut vor sich hin. Schließlich fragt er mich, ob ich nicht mitsingen will. Wir einigen uns auf unsere Adaption von „West Virginia“ und schmettern zu zweit bei der wilden Fahrt durch die Palmölplantagen John Denvers alten Hit zum Knattern des Motorrads. Absurd und total lustig!
Morgen ist Night-Treck in den Dschungel – wie aufregend!