Thailand 8: Nichts für Weicheier

Ziemlich pünktlich hält ein kleiner Pickup vor dem Hotel und ein junger Thai hält Ausschau nach…dem potentiellen Trekking-Buddy ….naja, zuerst mal nicht nach mir. Ich will jetzt keine Überlegungen darüber anstellen, wieso er erstmal verwundert ist, als ich ihn anspreche….

Nach über einer Stunde Herumgekurve kreuz und quer durch Chiang Mai haben wir endlich alle Teilnehmer beisammen und mir fällt ein Stein vorm Herzen: Es sieht nach einer wirklich netten Truppe aus: vier Franzosen, zwei Spanier, eine Schwedin, ein Engländer und ein Slowene. Wir sitzen auf den Minibänken des Pickups, ein bisschen hat das was von Transport zur Sträflingsarbeit. Wir sind bei dem endlos erscheinenden Trip stadtauswärts, vorbei an unzähligen Baustellen schön in einer Art Dämmerzustand, es sind schon 35 Grad.

Stopp in einer Provinzstadt, deren Namen niemand lesen kann, auf einem Markt, letzte Einkäufe: Wasser, Obst,ein letzter Cappuccino, ein paar Socken für meine Trekkingschuhe. Nach zwei Stunden haben wir unser erstes Ziel erreicht. In einem Dörfchen in den Bergen gibt es einen leckeren einfachen Lunch. Wir sitzen unter einem Holzdach auf dem Boden eines Podestes, wo wir nach dem Leeren der Teller auch gleich nach hinten umkippen und ein Nickerchen halten können oder die kleinen Katzen des Hauses krabbeln. Katzen lieben die Thais übrigens, denen geht es hier gut.

Bee heißt unser Guide und er ruft zum Aufbruch. Drei Stunden Marsch kündigt er an, wie sich herausstellt ist das eindeutig psychologisch modifiziert: es sind gut vier Stunden. Und was für welche. Nach einem harmlosen ersten Kilometer geht´s hoch in den Berg. Wir passieren noch ein paar Lichi- und Rambutan-Plantagen mit Bananenstauden als Unkraut und dann beginnt der Wald und damit der wirklich harte Teil. Es ist Trockenzeit und anders als im Regenwald heißt das hier wirklich trocken. Der Boden ist hart und staubig, voller trockener Blätter der Laubbäume und des Bambus. Die Bäume sind allesamt sehr hoch und oben noch grün. Für mich einen ganz neue Art von Urwald. Anders als in Südamerika strotzt das hier nicht von Üppigkeit und Farben, es ist eine ganz andere Kategorie von Wildnis. Der Weg wird immer steiler, wir stapfen tapfer unserem hüpfenden voranhüpfenden Bee hinterher, der immer noch Zeit findet, nebenbei Fächer aus alten Blättern und Zweigen zu bauen.

Bei unseren regelmäßigen Verschnaufpausen trinken wir wie die Rindviecher und Bee eilt von einem zum anderen, um uns Luft zuzufächeln, damit unsere Körpertemperatur und Atmung wieder unter dem roten Bereich sinkt. Er ist sehr besorgt, denn wie wir später erfahren, ist er ganz allein verantwortlich und musste schon manchen zusammengebrochenen Koloss hier auf dem Rücken hochschleppen. Leider verschweigen die Booking-Agenturen, wie hart die Anforderungen sind. Unverantwortlich, finden wir alle. Unvorstellbar, hier noch jemanden tragen zu müssen, wir kommen gerade so allein hier hoch und wir haben alle eine sehr gute Kondition. Oft müssen wir über Felsbrocken, Wurzeln und Baumstämme klettern und uns hochziehen.Das Wasser läuft an uns herunter und tropft beim Laufen, das Wischen haben wir längst aufgegeben.Ich habe wohl in meinem ganzen Leben noch nicht so geschwitzt!

Aber die großartigen Aussichten entschädigen uns für vieles. Und auch irgendwie die Befriedigung, seinen Körper an die Grenze zu treiben, sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren und bei jedem Stopp mit sich zufrieden sein zu können. Die Laune ist prächtig, Bees Späße bringen alle zum Lachen, oft baut er etwas aus Blättern, Hüte und Kronen zum Beispiel. Aber er erzählt auch viel über die Natur und beantwortet alle Fragen.

Immer wieder kommen wir durch verbrannte Gebiete, zumindest was den Boden und das Unterholz betrifft. Schließlich müssen wir sogar an Flammen vorbeihechten. Bee versucht immer wieder mit Ästen zu löschen. Viele dieser Brände sind gelegt, um die bei Einsetzen des Regens wachsenden Pilze besser zu sehen, die man gut verkaufen kann – und dabei nicht von versteckten Schlangen gebissen zu werden. Die Menschen die das tun zählen darauf, dass das Feuer hier meist am Boden bleibt.

Plötzlich stehen wir vor einer Höhle. Wie die Kinder rennen wir alle hinein, lassen die verdreckten, schweissnassen Rucksäcke draußen fallen und freuen uns über 10 Grad weniger. Es ist eine Fledermaushöhle.

Noch zwanzig Minuten Aufstieg. Zum Schluss bin ich am Ende und beginne zu stolpern und kann mich kaum noch hochziehen, den meisten geht es genauso. Oben!!!! 1000 Meter Höhe und Ausblick auf die anderen Berggipfel. Dann noch zwei Kilometer freundliches Spazieren und wir stehen vor einem Black-Karen-Dorf. Eines der vielen Bergvölker hier. Zwei Dutzend Häuser in zwei Gruppen: die Buddhisten und die Christen, getrennt, aber in Freundschaft miteinander lebend. Rund herum Felder mit Kohl und Gemüse, bewässert mit Wasser aus den Flüssen hier oben. Gerade eben erschallt das Singsang der buddhistischen Messe über den Bergrücken. Irgendwie völlig entrückt, das Ganze. Es gibt einen Steintisch, eine Art Kiosk, kaltes Bier, Wasser und süßen, eisgekühlten Espresso in Dosen. Herrlich!

Ein weiterer Spaziergang bringt uns bis zu unserem Nacht-Camp ganz oben auf der Bergkuppe. Die Aussicht ist mindestens sechs Sterne wert, die Bambusbarracke mit den Schlafkabinen und alten Matratzen am Boden sehr „basic“. Die drei schmuddeligen, Klo-Kabinen, mit einem einfachen Wasserrohr statt Dusche an der Wand, erscheinen uns jetzt als Luxus. Ich bin aber nicht so sicher, ob alle anderen Touristen auch so reagieren. Man muss das alles schon wollen…

Den Rest des Abends entspannen wir uns einfach mit nichts tun, der Sonne beim Untergehen zuschauen, die Aussicht bewundern und plaudern. Bee hat unterwegs Feuerholz gesammelt und macht Feuer, um in einem großen alten Wok unser Essen zu kochen. Die Dorfbewohner verdienen an den Fremden, indem sie für Getränke und die Zutaten zum Essen sorgen. Es ist verrückt, aber binnen kürzester Zeit ist man völlig entspannt und zufrieden. Hühner, Katzen und Hunde laufen hier herum, letztere sehr zutraulich, aber leider höllisch verlaust.

Nachdem wir mit dem Essen fertig sind, kommt eine Großsippe und nutzt die Feuerstelle, um ihr eigenes Essen zuzubereiten, vorher werden noch zwei Hühnern kurz die Hälse umgedreht. Das neuste Baby der Gemeinschaft wird uns stolz vorgeführt, die Kinder wuseln um uns herum. Die Männer trinken Thai-Whiskey. Alkohol ist in Thailand sehr teuer, außer eben der aus Reis gebrannt Thai-Whiskey. Die Männer sollen kosten, wir Frauen wollen zum Vergnügen der Dörfler auch kosten. Schmeckt gar nicht schlecht. Flugs ist ein Junge per Moped ins Dorf geschickt worden und nun steht eine große Flasche auf dem Tisch…Gespräche, Zaubertricks, Rätsel , Feuer und die lauten Rufe der Nachttiere.

In der Nacht wache ich oft auf, weil wieder Vogel laut und manchmal fremd und unheimlich ruft oder ein Riesengecko direkt auf dem offenen Dach über mir lautstark mit entfernten Artgenossen telefoniert. Es klingt irgendwie so, wie ich mit die Urzeit vorstelle. Um drei beginnen die Hähne zu krähen. Auch die Anderen haben unruhig geschlafen angesichts von soviel Natur auf Tuchfühlung , trotzdem sind alle erstaunlich entspannt und ausgeruht. Das Feuer brennt schon wieder, es gibt Rührei mit Gemüse und Chilisoße. Dazu über dem Feuer getoastetes Brot und Orangenmarmelade.

Der nächste Treck steht an. Heute nicht so viel….Nur gut zwei Stunden, angeblich. Ziel ist ein kleiner Wasserfall. Allerdings ist der Weg an sich noch anstrengender als gestern. Klettern, rutschen, versuchen, nicht zu fallen. Aber wieder schön. Bee turnt gelegentlich wie ein Äffchen in den Lianen herum und sorgt für gute Laune. Gestern Nacht hat er uns nach einigen Schlückchen, ganz entgegen asiatischer Zurückhaltung , erklärt, wie toll er unsre Gruppe findet: alle laufen super, meckern und beklagen sich nicht ständig, sind guter Laune und packen alles. Er war geradezu euphorisch. Das lässt so einige Rückschlüsse auf andere Erfahrungen zu.

Nach einem halsbrecherischen Abstieg, bei dem Lianen und Wurzeln die einzige Chance sind nicht abzurutschen, erreichen wir den kleinen Wasserfall. Wir stürzen uns ins eisige Wasser – endlich Abkühlung. Das Thermometer zeigt wieder 36 Grad. Schön blau und klar sieht das Wasser hier allerdings nicht aus. Es reißt dunkelbraune Erde aus dem Berg mit sich und sieht eher aus wie ein etwas dünnes Schokoladen- Fondue. Egal, es ist kalt und nass. Allerdings ist es ziemlich traurig, dass das Ufer von Plastikmüll – Hinterlassenschaften andere Gruppen übersät ist und sich offensichtlich auch niemand bemüßigt fühlt, hier irgendwas aufzusammeln. Es ist wirklich eine Schande.

Für mich und die beiden Spanier heißt es nun Abschied nehmen, die anderen haben drei Tage gebucht, ich ärgere mich, dass ich schon gehen muss. Nach einem kleinen Aufstieg erreichen wir eine Art Strasse, wo ein Jeep auf uns wartet. Ein bisschen traurig verabschieden wir uns.

Was folgt ist nach einer blaue Flecken verursachenden Fahrt ins Tal, eine Fahrt auf einem Bambus-Floß. Ganz nett und entspannt, wenn da nicht diese ununterbrochen laut plappernde dänische Familie mit dem dozierenden Papi gewesen wäre. Das schönste an dieser Fahrt ist, dass wir an badenden Elefanten aus einem der zahlreichen Elephant Camps in dieser Gegend vorbeifahren. Die haben echt Spaß und wir bekommen auch noch eine ordentliche Rüsseldusche ab.

Die Diskussion um den Elephanten-Tourismus in Thailand hält wohl an, entnehme ich meinen schlauen lonely planet. Ich kann mich aber ganz gut der Meinung anschließen, dass das in einem gewissen Maß, bei guter Behandlung der Tiere nicht unbedingt schlecht ist. Die Dickhäuter sind ja hier immer noch Transport-Tiere, aber viel weniger als noch vor einigen Jahren, und so stehen die Mahouts vor einem echten Einkommensproblem, denn die Haltung der Tiere ist wohl durchaus nicht so billig. Der Tourismus bietet ihnen eine Chance. Ich habe gelernt, dass man darauf achten soll, ob es im Camp Jungtiere gibt, da sich Elefanten nur vermehren, wenn es ihnen gut geht.

So bin ich auch einigermaßen beruhigt, als wir für den Ausritt in ein Camp mit zwei Jungtieren gebracht werden, aber so richtig gut gefällt es mir hier trotzdem nicht, da ich finde, dass die Tiere an zu kurzen Ketten auf der Koppel stehen. Angeblich, weil sie aus Eifersucht sonst aufeinander losgehen. Keine Ahnung, aber meine Begeisterung für diesem Programmpunkt in diesem speziellen Camp hält sich in Grenzen. Wenngleich ich zugeben muss, dass es ganz spannend ist, auf so einem Riesen zu sitzen und zu sehen, wie geschickt der sogar steile Böschungen bezwingt und dabei noch mit dem Rüssel Grün von den Zweigen zupft, für später.

Anderthalb Stunden später sind wir wieder in Chiang Mai. Adiós, companeros, die beiden Spanier fliegen noch am Abend nach Bangkok. Ich bin wirklich ein bisschen traurig, das die beiden Tage schon vorbei sind und mit ihnen nette Begegnungen mit neuen Bekannten, die auf diese spezielle Art sehr schnell auch sehr intensiv waren. Als Trost bleibt mir ein Bad im kleinen Hotelpool. Ich habe für diese eine Nacht in einem der ganz wenigen bezahlbaren Häuser in der Altstadt mit Pool ergattert. Das Awana Guest House steht leider im lonely planet an erster Stelle. Man kann einen nicht abreißenden Treck vergeblich nach Zimmern fragender Menschen beobachten, wenn man hier am Pool sitzt. Immer ausgebucht. So ist das halt mit den tollen Tipps, leider wissen dann alle davon.

Noch ein scharfes Curry für einen Euro auf dem Nachtmarkt und ein Chang in der Bar an der Straßenecke und dann muss ich meine Nacht im Awana auskosten, der Pool wartet ab sieben Uhr morgen früh…

 

Schreibe einen Kommentar