Thailand 9: Relax & fest zugepackt

Der nächste Morgen fühlt sich ein bisschen nach Katerstimmung an, auch ohne Restalkohol. Nach all diesen Erlebnissen soll nun plötzlch nichts kommen? Ich bin kurz davor, ein Busticket nach Pai zu kaufen, einem Nest weit oben in den Bergen – Thermalquellen, ein alter Hippie-Ort mit Wellnessflair. Was mich noch zurückhält, ist die Überlegung, dass das wieder stundenlange Minibusfahrten mit Gepäck bedeuten würde, hin und zurück, bevor ich mich dann ab Chiang Mai auf den Weg Richtung Süden machen wil, wohin, weiss ich noch nicht. Zwei meiner neuen Trekkingfreunde sind unterwegs nach Pai. Ich ringe einen guten halben Tag mit mir, dann fällt mir auf, dass ich in eine Art Dauerbrennermodus verfalle. Die Einsicht erleichtert meine Entscheidung, zu verzichten und einfach einen Gang zurückzuschalten.

Ich miete mir wieder ein Fahrrad, suche mir ein nettes Guesthouse in einer kleinen Nebenstraße und lasse mich treiben. Ich fahre einfach planlos herum, umrunde die Altstadt, durchkreuze sie, trinke hier einen Kaffee, dort einen Saft und beobachte. Ich schaue einfach nur. Ich sehe den Touristen genauso zu, wie ein paar Straßen weiter denen, die immer hier leben. Und stelle fest, dass die Menschen hier in Chiang Mai trotz asiatischer Geschäftigkeit ungeheuer entspannt sind. Hier verfestigt sich mein erster Eindruck von der symphatischen Stadt.Ich streichle eine gefühlte Million Katzen, die Lieblinge der Chiang Maier und lerne mich ständig vor anderen Menschen zu verbeugen, so wie sie sich vor mir. Respekt vor dem Anderen, nicht die schlechteste Art des Umgangs.

Mein Guesthouse Rama fällt etwas aus dem Rahmen. Nicht wegen der annehmbaren, aber doch ziemlich abgewohnten Zimmer, sondern wegen des phantastischen Gartens, der mit Liegen und Stühlen zum Relaxen einlädt. Es gibt herrliche Orchideen an den Bäumen, blühende Sträucher, einen kleinen Brunnen, ein Kaninchen, zwei Katzen mit Hippie-Halsbändern, einen kleinen Hund und eine etwas abgedrehte, entweder telefonierende oder auf einer Garten- Liege schlafende Rezeptionsdame, die alle „my friend“ nennt. Besitzer des Ganzen ist ein dürrer, ganzkörpertätowierter Neuseeländer mit einem langen grauen Pferdeschwanz und einer Harley Davidson in der Einfahrt. Ein netter Typ, der sich zwar offensichtlich nicht weiter um den Zustand seiner Zimmer kümmert, dafür aber mit Inbrunst täglich um seine Pflanzen. Irgendwie ein netter Ort.

Zwar finde ich das Straßengewirr noch immer verwirrend, aber so langsam bekomme ich ein Gefühl für die Stadt und fange an, mich fast ein wenig heimisch zu fühlen. Mein Viertel, meine Straße, mein Lieblingsfrühstückslokal….A propos Frühstück: an dieser Stelle nun eine kleine Anekdote, die ein wenig das einfängt, was ich hier so angenehm finde. Ich gehe das erste Mal in diesem netten kleinen Lokal frühstücken, aber als ich bezahlen will, fällt mir ein, ich habe kein Geld abgehoben. Ich befürchte schon Übles und lege mit hochrotem Kopf meine letzten 30 baht auf den Tresen und erkläre, dass ich nicht bezahlen kann. Ein Lächeln, „don´t worry, come later“ und das Geld zurückgeschoben, damit ich wenigstens etwas in der Tasche habe. Das ist doch mal Vertrauen!

Zu meinen spannendsten Forschungen hier gehört das Massage-Angebot. Sicher kann man die überall in Thailand bekommen, mal professioneller, mal eher ambitionierte Hausfrau. Aber hier in Chiang Mai ist eine Hochburg dieser alten Heiltherapie, hier gibt es auch viele Schulen. Man kann übrigens auch selbst Kurse unterschiedlicher Länge bis hin zu Monaten belegen. Bei den Ex-Sträflingsfrauen war ich ja schon. Nun zu den blinden Masseuren, die dafür bekannt sind, ein ganz besonderes Feeling zu haben. In Vietnam war die entsprechende Erfahrung eine ganz großartige, wenn auch handfeste. Ich suche und finde die Chiang Mai Massage Association. Ein eher sehr bescheidenenes Haus, alles etwas abgeschrappt und wenig repräsentativ, anders als bei den Ex-Prisoners, die es dem Besucher richtig schön machen.

Ich bekomme einen sehr kräftigen korpulenten Masseur zugeteilt. Nach den ersten drei Minuten bin ich nicht mehr sicher, ob ich das ohne Abbruch schaffe. Ich habe das Gefühl, der Mann versucht mich zu zerquetschen, durchzubrechen oder seine Finger zwischen meinen Rippen auf die andere Seite durchzubohren. Jedesmal, wenn´s besonders schlimm wird, sagt er in einem zuckersüssen Singsang “Solly, lady, I´m vely solly!“ Ich lerne diese Worte zu fürchten. Dennoch bleibe ich tapfer, auch wenn ich manchmal aufquieke. Irgendwie bin ich sicher, der Mann weiss, was er tut. Er hat ganz verrückte Griffe und Stellen, wo er plötzlich drückt und zieht. Und immer, wenn auch es auch nur eine Minute sanfter zugeht, bin ich fast eingeschlafen. Ich, die ich so schlecht einschlafen kann! Am Ende der Stunde sagt er dann auch noch“ You will sleep vely good tonight!“ Und er soll recht behalten, ich werde die folgende Nacht wie ein Stein schlafen. Also, wer immer hierher kommt: der Leidenswille lohnt sich, ich habe mich danach bestens gefühlt, für fünf Euro die Stunde! Und übrigens – ich habe nicht einen einzigen blauen Fleck!

Ich bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung, noch zwei ruhige Tage in dieser schönen Stadt zu verbringen. Ich fühle, wie ich langsam beginne, tatsächlich zu entspannen. Oder zu entschleunigen, wie das wohl im Zeitgeist heisst…

Inzwischen habe ich mich auch entschieden, wo es als nächstes hingeht. Go south, ist die Parole. Ich habe einen Direktflug nach Surat Thani im Süden gebucht. Ich könnte vierzig Euro sparen, wenn ich mit dem Nachtbus nach Bangkok führe und von da aus flöge, aber der Gedanke an die letzte Ochsentour mit Gepäck in Bangkok schreckt mich ab. Gibt´s eben ein paar Eis-Capuccino weniger…

Am letzten Abend bin ich fast ein wenig wehmütig. Sollte ich wieder nach Thailand kommen, liegt Chiang Mai sicher auf meiner Route.

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