Thailand 16: Nachtzug nach Bangkok

Es ist schon lustig – da reist man allein und dann macht man, nach zehn Tagen Aufenthalt an einem Ort am anderen Ende der Welt, eine Abschiedsrunde, um all denen Auf Wiedersehen zu sagen, die einen in einem winzigen Abschnitt des Lebens ein wenig Gesellschaft geleistet haben: die Leute von der Tauchschule, andere Reisende, nette Kellner und Restaurantbesitzer. Es ist mir ein Bedürfnis alle noch mal zu sehen, denn es war eine gute Zeit: allein, aber eben nicht immer allein in der kleinen Welt der Tanote Bay.

Meine taffe Hotelbesitzerin, die nichts anderes tut als rund um die Uhr von ihrem Stammplatz auf der Terrasse aus ihre Leute zu kontrollieren sowie Taxi-, Ausflugs- und Reisewünsche der Gäste zu organisieren, hat auch mir meine Reise nach Bangkok perfekt organisiert – auch nicht teurer als wenn ich es selbst getan hätte. Taxi zum Pier, Fähre nach Chumphong auf dem Festland, Zubringer-Bus in die Stadt und Nachtzug nach Bangkok. Genauso geschieht es dann auch – sogar planmäßig, was bei der thailändischen Eisenbahn eher selten der Fall ist. Dafür ist sie aber auch unschlagbar billig.

Die Fahrt im Nachtzug, die immerhin neun Stunden dauert, ist für mich nochmal ein kleines Abenteuer. Ich fahre 2. Klasse Nachtzug. Schon beim Einsteigen in den endlos langen lila Zug mit goldenen Wappen un dem unvermeidlichen strahlenden König drauf, kommt mir alles ganz unwirklich vor. Ich befinde in einem endlos langen Waggon, alles scheint in grünes Licht getaucht, was davon kommt, dass ich inmitten grüner, glänzender Vorhänge stehe.

Diese Züge sind so gebaut, dass sich an jedem Fenster tagsüber je zwei Menschen gegenübersitzen – auf jeder Seite des Gangs. Abends verwandeln dann die Schaffner hokuspokus alles in einen Großraumschlafwagen mit Privatsphäre. Sie zaubern oben Liegen aus Kästen an der Decke, und die unteren gegenüberliegenden Sitze werden ausgeklappt, so dass jeweils zwei übereinanderliegende Betten in Fahrtrichtung entstehen. Jedes Bett bekommt dann noch rundherum Gardinchen. Die unteren Betten sind teurer, da höher, hier kann man auch sitzen. Irgendwie skurril, aber echt gemütlich. Wenn man mal davon absieht, dass die Züge alt und die Gleise noch älter sind und es ununterbrochen ruckelt und rattert. Übrigens wird hier noch auf jedem Bahnhof mindestens zu zweit oder zu dritt abgefertigt: einer macht die Ansage, auf dem Bahnsteig wird eine große, tolle glänzende Glocke per Hand geläutet und dann wedelt da noch ein Kerl mit einer grünen Fahne zum Abschied dem ausfahrenden Zug hinterher.

Ich komme wohlbehalten zu Sonnenaufgang in Bangkok an und lasse mich von einem Tuktuk in die Nähe meines Hotels in der Fussgängerzone des Viertels Banglamphu absetzen. Die Fahrt durch die erwachende Stadt ist sehr schön. Die Restaurants bekommen ihre bunten Gemüselieferungen und die Köche beginnen draussen zu schnippeln und zu brutzeln. Unzählige orange Mönche sind mit ihren großen runden Metalltöpfen unterwegs auf der Suche nach gespendetem Essen. Denn sie leben von Gespendetem, da sie nichts verdienen. Geld dürfen sie nicht anfassen. Aber sie haben im Allgemeinen kein Problem genug Essen aufzutreiben, denn hier gehört das Spenden zum Leben dazu. Da die meisten Buddhisten an Wiedergeburt und Karma glauben, ist es besonders wichtig, demütig zu sein und Gutes zu tun. Oft geben die Besitzer der Restaurants oder Suppenküchen selbst den Mönchen Essen, manchmal kaufen Passanten Essensportionen oder Früchte.

Die allgegenwärtigen kleinen und großen Altäre werden mit frischen Blumen, Räucherstäbchen, Früchten und Süssigkeiten versorgt, und Menschen beten und verbeugen sich davor. Die Katzen und Hunde schlafen noch überall dazwischen. Tiere gehören hier überall zum Leben dazu. Die Sonne glitzert auf den unzähligen Tempeln, die hier im Norden Thailands vorallem in Gold erstrahlen, im Gegensatz zum Süden des Landes, wo die meisten Tempel und Altäre eher bunt sind. Aus den Ritzen kriecht langsam die Hitze des Tages.

Als das Tuktuk mich an der Straße Phra Artit am Rande des Viertels Banglaphu absetzt, kenne ich mich schon genau aus und weiss. Wohin ich gehen muss- gar nicht mehr fremd Für meine letzte Nacht habe ich mir ein Hotel mit Pool auf dem Dach gegönnt, das Rambuttri Village Plaza. Nach anderthalb Stunden Wartezeit kann ich schon weit vor der Zeit einchecken. Ich mache noch ein Nickerchen und beginne dann die letzte Phase der Reise: Bummeln und Geschenke kaufen in Bangkok.

Einen Tempel will ich allerdings noch anschauen,Wat Pho mit dem größten liegenden Buddha, den ich schon vom Fluß aus lächeln gesehen habe. Ich nehme ein Motorradtaxi. Ich finde es großartig, auf diese etwas halsbrecherische Art mit dem Fahrtwind um die Ohren durch diese verrückte Stadt zu düsen. Leider kommen wir nicht sehr weit. Es wird plötzlich dunkel und ein Unwetter bricht los. Der Fahrer findet erst nach einigen Minuten eine Möglichkeit, von der Straße unter die Treppe einer schmalen Fußgängerbrücke zu flüchten.

Weltuntergang. Solche Wassermassen kommen einfach nur in tropischen Ländern vom Himmel. Plötzlich stürmt es auch noch, so dass kaum noch ein trockener Platz in unserer schmalen Schutzzone unter der Treppe ist, in der wir dicht gedrängt mit anderen Motorradfahrern stehen. Über uns lassen gewaltige Gewitter den Himmel explodieren– fünf sollen es werden in den nächsten unendlich langen siebzig Minuten. Man kann einfach nirgendwo hin und es ist nicht mal ein Restaurant oder ähnliches in der Nähe, wo man Unterschlupf fände. So stehen wir alle schicksalsergeben und triefend eng beieinander und starren in den nicht nachlassenden Wolkenbruch und das Verkehrschaos neben uns.

Plötzlich scheint bei einem jungen Kerl neben mir Veitstanz auszubrechen. Er hüpft und springt und schlägt um sich. Ehe wir wirklich verstehen was passiert, fangen die nächsten an und – auch an meinen Beinen krabbeln plötzlich irgendwelche Wanzen und Schaben hoch, die zu Hunderten aus der überschwemmten Kanalisation hochkommen. I Gitt! Aber ich mit meinen nackten Füßen und Beinen habe bei dieser Attacke sogar die besseren Karten, denn ich spüer die Viecher sofort, wenn sie den Aufstieg beginnen und kann umgehend schütteln, während die Männer mit langen Hosen die Biester oft erst bemerken, wenn sie ihnen in den Nacken krabbeln…

Ja, man kann zwar Pläne machen, aber nicht immer funktionieren sie. Nach langer Zeit steigen wir bei abnehmendem Regen wieder auf das Motorrad. Aber es ist bereits ein bisschen spät geworden und außerdem kann ich so triefend mit am Körper klebenden Kleidern nicht in den Tempel. Ich lasse mich stattdessen in ein großes Shoppingcenter bringen, da ist es wenigstens trocken. Die Straßen sind teilweise total überschwemmt, die Kreuzungen sind tiefe Seen, manchmal rauschen meine Füße auf den Fußrasten knöcheltief durch´s Wasser. Zum Glück ist der Spuk nach ein paar Stunden wieder vergessen.

Nach meiner längeren Shopping – und Trockenrunde im MBK Center, habe ich aber immerhin wieder soviel Unternehmungslust, mich in Bangkoks Berufsverkehr zu stürzen und per Skytrain und Boot zurückzufahren. Ganz schön verwirrend, immer wieder erschwert es die Situation, dass nur sehr selten etwas in lateinischen Buchstaben zu lesen ist und man sich nicht orientieren kann. Sehr lustig, wenn man versucht herauszufinden, wie man zur richtigen Fahrkarte kommt. Schlange Infostand- Ansage des Preises, Kleingeldwechsel. Aber Ticket kaufen? Nein, da muss man zum Automaten, der nur Thai spricht. Viele kleine Verwirrspiele, aber ich bin stolz auf mich, denn ich schaffe es, fehlerfrei den Weg durch die Stadt „nach Hause“ zu finden.

Am Abend bummle ich noch lange herum und sauge alles in mich auf. Die quirligen Straßen am Rande des Viertels mit ihren schmalen Bürgersteige, in denen vor allem Bangkoker unterwegs sind, die zu allem genutzt zu werden scheinen, außer zum Laufen. Dafür ist da kaum Platz. Die unzähligen Suppenküchen verbreiten verführerische Düfte, die Restaurants und Bars für jüngeres Publikum dröhnen ohrenbetäubend, denn die jungen Thais lieben es laut – möglichst noch mit live-Musik.

Ich spaziere auch noch einmal durch die unsägliche Khao San – die Bangkoker Variante von Ballermann und Bourbon Street in New Orleans. Hier tobt der völlig außer Rand und Band geratene Backpacker mit dem Pauschaltouri Seite an Seite saufend durch die Nacht. Straßenverkäufer können hier so ziemlich alles an den Mann bringen: Gegrillte Skorpione am Spieß als Mutprobe liegen im Ranking ganz weit vorn. Mir reicht eine Portion süßer Kürbis in Kokosmilch als Dessert nach einigen gegrillten Fleisch-Spießenmit scharfer Soße und ein Absacker-Bier in meiner auch touristischen, aber nicht so durchgeknallten Rambuttri Road. Mir flirrt der Kopf nach ein paar Stunden uns tausenden von Eindrücken auch an diesem letzten Tag, aber mir geht es –richtig gut. Last Night in Bangkok.

Meinen nun wirklich unwiderruflich letzten darauffolgenden Tag (bis zum Abflug am späten Abend) verbringe ich mit einem letzten Reis-Frühstück auf der Straße, einem ausgedehnten Spaziergang, einer Massage, Blog schreiben am Hotelpool und einer letzten leckeren Suppe in einem Einheimischen-Lokal.

Es fällt mir richtig schwer, dieses freundliche Land zu verlassen, in dem man sich voreinander verbeugt, ehe man seine Suppe bestellt oder jemanden nach dem Weg fragt. Ich gehe dieselben Wege wie am ersten Abend, aber mit einem sehr anderen Empfinden. Nicht nur, dass mir die Straßenzüge jetzt vertraut sind, ich nehme nach diesem Monat alles doch anders wahr, denn ich konnte inzwischen zumindest ein Gefühl für diesen Teil der Welt entwickeln – mehr sicher nicht. Alles andere wäre vermessen, so fremd wie dieser Teil der Welt ist – vor allem im Denken. Es war eine aufregende und gute Zeit, in der ich viel über das Land, das Leben und auch mich selbst gelernt habe – ich empfehle es ausdrücklich zur Nachahmung!

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