14. Bye bye Pai, hallo Chiang Mai

Ich bin super pünktlich am Busbahnhof, weil ich noch frühstücken will, wenn das Gepäck verstaut ist. Und endlich weiß ich wieder, warum ich Minibusfahrer nicht ausstehen kann (der von der Herfahrt war allerdings so nett, dass es mich ganz verwirrt hat, auch das soll gesagt werden): Kaum sieht der Mann meine Tasche, zieht er ein Gesicht, stellt sich auf  das Dach und erwartet, dass ich 19 Kilo über den Kopf stemme….seine Kollegen von den anderen Bussen stehen mit verschränkten Armen neben mir und starren mich an. Danke, Mr. Backpacker, der du mich gerettet hast!

Die vier Busse sind krachend voll. Und noch einmal heißt es Karrusselfahren ohne Ende, ab ins Tal. Am Weg passieren wir etliche größere Altäre und verschiedene goldene Gottheiten. Plötzlich lässt der Fahrer das Lenkrad los, faltet die Hände vor dem Gesicht und verbeugt sich! Also, mir ist Buddha ja durchaus sympathisch, aber ob er auch Busse lenkt?? So viel Gottvertrauen habe ich dann doch nicht und muss mich erstmal von dem Schreck erholen, als der Fahrer gerade noch die nächste Kurve kriegt.

Gute drei Stunden später sind wir in Chiang Mai. Ein Linien-Taxi, ein Song Taew, setzt mich vor meinem schönen Guesthouse Awana ab, das ich mir nach dem Reinfall auf der Herfahrt gegönnt habe. Kannte ich noch vom letzten Mal. Diesmal habe ich ein Upgrade bekommen und darf in ein richtig tolles Zimmer mit alter Fußbodenmalerei und viel Licht einziehen.

Ich vertrödele aber keine Zeit, schließlich habe ich nur einen halben Tag, bevor ich morgen in aller Herrgottsfrühe nach Bangkok fliege. Im benachbarten Hotel miete ich mir ein Fahrrad und los geht es. Ich staune, wie gut ich mich noch zurechtfinde in den vielen, verwirrenden kleinen Straßen der Altstadt. Als wäre es erst gestern gewesen: Hier habe ich Kaffee getrunken, hier gefühstückt, dort gesessen und Blog geschrieben… Alles wie gestern. Nur mein Lieblingsfrühstückscafé ist abgerissen. Anything goes.

Um sich überhaupt zu orientieren, muss man erstmal das thailändische Straßenbennungssystem verstehen: Der Name stammt immer von einer großen Straße, nach ihr heißen dann aber abgehenden Nebenstraßen, immer mit einem kleinen Zusatz: Soi1, Soi2… Bevor ich das herausgefunden hatte, habe ich überhaupt nichts gefunden, weil ich das Gefühl hatte, dass alles gleich heißt.

Die Altstadt von Chiang Mai liegt in einem von vier Kanälen umflossenen Quadrat, an jeder Seite gibt es noch die Ruinen eines historischen Stadttores, mal mehr erhalten, mal sehr wenig. Der Verkehr umfließt die Altstadt innerhalb der Mauer nur in einer Richtung, will man sich in die andere bewegen, muss man den Kanal kreuzen. Und das ist bei dem Verkehr ganz schön schwierig!

Die Stadt ist extrem quirlig, geschäftig und trotzdem gelassen und charmant. Die Menschen sind überwiegend sehr freundlich und hilfsbereit. Mein erster Weg führt mich zum Massage-Studio der weiblichen Ex-Häftlinge, eine Einrichtung, die ich schon beim letzten Mal entdeckt habe. Die Frauen erhalten im Gefängnis die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen und arbeiten dann unterschiedlich lange in diesem Zentrum. Sie erhalten dafür oft eine Haftverkürzung, und die Arbeit hier funktioniert gut als Resozialisierungsmaßnahme, denn so haben sie gleich einen ordentlichen Job. Ich finde das erstens eine sehr gute Idee und zweitens habe ich die Massagekünste der Damen das letzte Mal schätzen gelernt. Also mache ich einen Termin für den Abend vor dem Essen.

Dann gondle ich den Rest des Nachmittags mit weniger PS als bisher, dafür aber gelassen, kreuz und quer durch die Straßen. Ich schlendere über einen kleinen Markt, auf dem alles von Fisch über Obst und Tee bis zum Maßanzug verkauft wird. Die Schneiderin sitzt mitten an ihrem Stand an einer alten Nähmaschine. Mein Weg führt vorbei an den schier unzähligen goldenen Tempeln von Chiang Mai, immer wieder schön anzusehen. Wollte ich in jeden hineingehen, wäre ich tagelang beschäftigt.

Die Zeit vergeht wie im Flug, schon ist es Zeit für meine Massage. Die traditionelle Thaimassage ist ja bekanntlich nichts für Weicheier, aber sie tut so gut! Anschließend wurstele ich mich mit einigem Herumgefahre durch das abendliche Verkehrschaos zur richtige Seite der Altstadt durch, wo ich auf dem abendlichen Food Mart essen will.

Das Chaos ist unglaublich. Unzählige Stände wurden auf beiden Seiten der Straße aufgebaut, zum Teil noch mit Tischen und Stühlen, und mittendurch führt die immer verstopfte Straße um die Altstadt. Teilweise können die Kunden gar nicht anders, als vor einem Stand auf der Straße zu stehen, da wird man schon mal angehupt, wenn die Verkehrslawine direkt am Allerwertesten vorbeigeht. Aber gemessen an dem Chaos wird nur sehr wenig gehupt, Gelassenheit und gegenseitiges Aufpassen ist der Tenor. Autos, Tuktuks, Motorräder und Fahrräder drängeln sich irgendwie durch die Menge. Hier und da steht ein Polizist in dem Gewirr und pfeifft wild, aber niemand kümmert sich darum. Und das jeden Abend.

Der Markt befindet sich an einem gut erhaltenen Stadttor, wo sogar noch ein ganzes Stück der Stadtmauer erhalten ist, dem Tha Phae Gate. Direkt daneben ist die Markthalle der Altstadt, die ist aber am Abend geschlossen, wenn das große Fressen beginnt. Es gibt wieder einfach alles und man kann sich kaum entscheiden. Die Einwohner von Chiang Mai sind besonders stolz auf ihre vielen Wurstsorten, die mir aber irgendwie zu fettig aussehen. Und kunstvoll aufgefädelte gegrillte Därme oder Hühnerköpfe möchte ich auch nicht.

Ich gönne mir einen kompletten Snapper. gedünstet mit Gemüse und Reis. Ganz schön schwierig, einen Platz zum Essen zu finden, denn ich will das Essen weder Mitnehmen, wie viele Einheimische, noch kann man einen Fisch im Stehen essen, noch dazu mit Stäbchen. Die Standbesitzer finden einen kleinen wackligen Campingtisch für mich, der steht allerdings genau neben einem Müllhaufen. Ist halt so, da stört sich hier keiner dran. Es schmeckt großartig und ich habe den Tisch einfach so verschoben, dass ich den tobenden Wahnsinn beobachten kann, statt des Müllhaufens.

Danach bin ich ziemlich geschafft und will auch schnell das Fahrrad abgeben, denn ich habe keine Ahnung, wie lange die Rezeption besetzt ist (einige schließen um neun oder zehn) und in Thailand muss man bei allen Ausleihen seinen Pass hinterlegen. Wäre ungünstig, wenn ich den heute abend nicht wiederbekommmen würde, denn morgen früh um 5 muss ich zum Flughafen.

Ausgerechnet jetzt verlässt mich mein Orientierungssinn, dank Dunkelheit, Lichtern und Gewusel habe ich keine Ahnung, wohin ich muss. Aber ein paar nette Thais, die gerade vor dem Haus sitzen und essen, können mir weiterhelfen, danach finde ich nach ein paar kleinen Extraschleifen durch die Gassen auch zurück. Schade, dass die Zeit hier so kurz war! Aber es ist fast Mitternacht und ich muss um 4:30 Uhr aufstehen…Gute Nacht, quirliges, symphatisches Chiang Mai!

Schreibe einen Kommentar