Gut, dass es noch so früh ist, als ich in Bangkok lande: Die Hitze ist schon um halb acht kaum auszuhalten. Ich gebe den Bangkoker Taxifahrern noch eine Chance und – erwische einen netten und ehrlichen Kerl, der schon nach der ersten sanften Nachfrage sein Taxameter einschaltet.
Ich habe ein Guesthouse in Banglamphu gebucht, am Rande des Backpacker- und Halligalliviertels um die Khaosan- und Rambuttri Road. Wohlgemerkt am Rande, das hat sich bewährt. Denn Banglamphu ist ein Zwitter: hier gibt es besagte Ausgehviertel, wo es rund um die Uhr brummt und man alles findet, was das Touristenherz begehrt. Aber geht man auch nur eine Straße weiter, findet man da das alte Bangkok: unspektakulär, gar nicht chic, aber echt. Es ist wirklich verrückt: An einer Ecke tobt der Bär, zwei Ecken weiter ist davon gar nichts mehr zu spüren. Und mein Hotel Wild Orchid Villa lam Anfang der Rambuttri Rd. liegt genau an der Grenze. Es hat sogar einen kleinen Pool, was angesichts der Bangkoker Temperaturen toll ist.
Meinen ersten Tag beginne ich, leicht hitzeparalysiert im Hirn und motorisch verlangsamt, mit einem Mittagsschläfchen, nachdem ich mein Hotelzimmer (mit Fenster!) beziehen darf. Da Sonntag ist – der erste, den ich je in Bangkok erlebe – will ich unbedingt den berühmten Wochenendmarkt Chatuchak im Bezirk Phahonyothin, einem der 50 Bezirke von Bangkok, sehen. Er gilt als der größte Markt Thailands. Und ich will auch endlich wiedermal Tuktuk fahren. Ich liebe diese aberwitzigen, knallbunten Gefährte, in denen einem der Fahrtwind um die Ohren pfeifft, und sei es auch nur die abgasgesättigte Bangkoker Luft.
Nach erfolgreicher Preisfeilscherei geht’s dann eine halbe Stunde durch die Stadt in nördlicher Richtung. Ein großer Teil des Weges führt durch ein ausgedehntes Viertel, in dem lauter Militäreinrichtungen von Forschungsinstituten bis zu Verwaltungs-und Bildungseinrichtungen ihre ausgedehnten Sitze haben. Das heißt, es geht vorbei an endlosen weißen Mauern, Hecken, vielen Fahnen und jeder Menge Konterfeis des Regenten in majestätischen Posen.
Als Kontrastprogramm folgt dann eine ziemlich marode Straße an einem Klong (Kanal) entlang, vorbei an einem Slum. Endlich verkündet mein Fahrer, dass wir da seien. Ich stehe vor einer endlosen Umzäunung, die einige kleine Eingänge hat, an denen Straßenhändler Obst und Getränke verkaufen. Auf geht’s.
Schon nach wenigen Minuten ist mir klar, dass das höchstens eine Stippvisite werden kann, auch wenn ich mir noch so viel Zeit lasse. Endlose, wellblechüberdachte schmale Gänge, in denen sich ein Stand an den anderen reiht, ein Ende ist nirgends zu sehen, höchstens neue Abzweigungen. Menschenmassen, In-und Ausländer, schieben sich durch die Enge, Kaufrausch total. Über 5000 Stände. Im Angebot: eigentlich alles, außer Trödel und Ersatzteile.
Schon nach 15 Minuten bin ich kurz vor einem Koller als ich endlich um eine Ecke biege, die auf einen etwas breiteren, nicht überdachten Umgang führt. Endlich Luft zum ATMEN und ein kleines bisschen mehr Platz! Viele Suppenküchen und Grillstände, selbstgemachtes Kokoseis, Obst, Getränke. Kleine Stände und richtige Restaurants. Sogar eine Cocktailbar mit einem total aufgedrehten DJ liegt an meinem Weg. Zwei ältere thailändische Soulman machen richtig gute Musik, kaum beachtet von den Massen. Seifenblasen, ein Chor der Heilsarmee (?), Sammlungen für ein soziales Kinderprojekt . Nur – wie überall auf thailändischen Märkten: Fast keine Abfallbehälter. Wer etwas zu sich nimmt, wird den Müll nicht los, irgendwann stellt man ihn dann genervt an den Boden.
In einer Halle dreht sich alles um Kunst, die Bangkoker Künstlerszene präsentiert hier seine Werke oder arbeitet vor Ort – von richtig künstlerisch wertvoll bis zum spontanen Aquarellportrait des kleinen Kläffers der Kundschaft. Oder man chillt einfach schlafend vor seiner Kunst. Musiker sorgen für den handgemachten Soundtrack.
Über 5000 Stände sollen es sein – wenn mal nicht noch mehr. Nach zweieinhalb Stunden bis ich fertig. Ich pflüge noch weitere zehn Minuten durch die Massen, auf der Suche nach einem Ausgang. Ein pink-grün-metallicfarbenes Tuktuk bringt mich zurück, mit Blick auf die gruselig schöne untergehende Sonne, die hier dank Smog immer von einer knallorangen diffusen Wolke umgeben ist.
Zum Essen streife ich erst durch das Ausgehviertel, ist mir aber irgendwie alles zu rummelig. Ich biege ab in die eher glanzlosen Nebenstraßen, esse eine köstliche Entensuppe für 90 Baht, und ein paar chinesische Dimsum und mache mich auf den Heimweg.
Unterwegs auf der Pra Arthid komme ich an einem besonders schönen, blumenüberhäuften Altar vorbei. Als ich ein Foto mache, spricht mich ein englisch sprechender Farang (Ausländer) an, der mit seiner französischen Frau gerade am Straßenstand nebenan zu Abend isst. Er erklärt mir, das sei besonderer Ort, hier habe der berühmte alte Baum von Banglamphu als Wahrzeichen gestanden, bevor er eines Nachts aus Alterschwäche umgefallen sei. Nun steht hier der Altar, mit einer Spendenbox für Futter für die Straßenkatzen von Bangkok daneben, von denen es tausende gibt. Zwei Katzenbabies mit Stummelschwänzen und Mama tummeln sich wie bestellt davor.
Der Mann lädt mich ein, mich zu ihnen zu setzen. Irgendwie finde ich die beiden ganz interessant, was sich sogleich bestätigen soll. Sie haben 14 Jahre in Thailand gelebt, jetzt kommen sie regelmäßig zu Besuch. Er ist gebürtiger Texaner, sie Südfranzösin. Der Mann fasziniert mich vom ersten Moment an, weil er mit ausgeprägtem Südstaatenslang und tiefer Krächzstimme spricht, so wie mein liebster Musiker-Freund Freund aus New Orleans, der inzwischen leider nicht mehr lebt.
Ich setze mich und erfahre viele Geschichten aus Thailand und ihrem Leben. Er heißt Bill Bloomer und ist tatsächlich professioneller Musiker, eine Weile hat er in New Orleans gelebt. Zum Abschied geben mir die beiden den Tipp, einen kleinen Bluesclub im angrenzenden Bezirk Phra Nakhon zu besuchen. Ein Geheimtipp. Aber für heute bin ich restlos erledigt und falle nur noch ins Bett.