Georgetown (oder in Landessprache Tanjung) auf der Insel Penang, einer weiteren Insel an der Westküste Malaysias. Wir sind am späten Abend angekommen und hatten erst ein kleines Problem, weil wir das Haus des B&B Kimberly24 nicht finden konnten. Die Straße, die offensichtlich zum chinesischen Viertel gehört, hatte schon die Bürgersteige hochgezogen und viele Beleuchtungen ausgeschaltet. Vorallem war niemand mehr zu sehen, den man hätte fragen können. Spooky… Aber schließlich haben wir die etwas unscheinbare Tür doch noch gefunden und konnten uns per self check in einlassen.
Alles blitzsauber, allerdings unsere bisher ödeste Unterkunft: keine Fenster. Gibt´s hier in Asien immer wieder, ist für uns eher gewöhnungsbedürftig. Aber egal, es war nicht teuer und bei der ausgedehnten Reise schaut man schon auf das Budget. Außerdem haben wir nicht vor, mehr Zeit im Zimmer zu verbringen als zum Schlafen nötig, denn wir haben nur einen Tag Zeit und sind sehr neugierig auf diese als besonders geltende Stadt, deren Name auf die englische Kolonialzeit zurückgeht..
Bekannt ist Georgetown für seine schöne und geschichtsträchtige Altstadt und die ethnische Mischung. Umso überraschter und auch etwas erschrocken war ich, als das Taxi in der Nacht auf dem Weg vom Flughafen in die Altstadt endlos durch eine nicht enden wollende Kulisse von supermodernen, glitzernden Sky Scrapern fuhr. Manhatten ist altmodisch dagegen. Und bald schon rauschten neben den Namen teurer Hotels die Logos internationaler Konzerne vorbei: Bosch, Daimler Benz, Osram, IBM usw.
Eine nachgeholte Kurzrecherche ergibt, dass die Stadt der zweitwichtigste Wirtschaftsstandort in Malaysia ist, in der sich vorallem technische Unternehmen niederlassen. Hunderte internationale Technologiekonzerne sind hier aktiv. Hier werden acht Prozent des nationalen pro Kopf- Einkommens verdient. Mit anderen Worten: Hier wird viel Geld gemacht.
Aber nun zurück zu uns und der berühmten Altstadt. Also auf geht´s: Discover Georgetown! Im Gegensatz zu gestern abend geht es jetzt quirlig zu auf der Kimberly Street. Die Farben Rot und Gold dominieren im Straßenbild, wie wohl in jeder Chinatown. Eigentlich wollen wir gar nicht frühstücken, aber an der nächsten Ecke entdecken wir ein sehr einladend aussehendes Dim Sum – Lokal. Ich liebe Dim Sum, diese vielfältig gefüllten und gedämpften Reisteigtaschen – vor allem hausgemacht, echt chinesisch und nicht aus der Kühltruhe!
Wir können uns das unmöglich entgehen lassen. Es ist kaum ein Tisch frei in dem fast nur von Chinesen besuchten Restaurant. Wir haben keine Ahnung, was das alles für Köstlichkeiten sind, die da zur Auswahl stehen – alles sieht im wahrsten Sinne des Wortes zum Anbeißen aus. Es schmeckt wunderbar! Nur die Hühnerfüsse erscheinen uns weniger verlockend…
Mit einem Grab-Taxi, der hier meistverbreiteten, sehr preiswerten Beförderungsart, lassen wir uns zum Fuß der Seilbahn zum Gipfel des dschungelbewachsenen Penang Hill bringen. Leider scheint das DIE Attraktion zu sein und wir müssen eine kleine Ewigkeit anstehen, bis wir endlich an der Reihe sind einzusteigen.
Offensichtlich ist dies aber nicht nur für die Touristen ein Muss, malaysische Familien und Gruppen drängeln sich sogar in der Überzahl.
Endlich geschafft! Die schweißtreibende Wartezeit wird belohnt mit der schwungvollen Reise nach oben, in der über hundert Jahre alten Institution, die aber beruhigender Weise bereits die dritte Zuggeneration aus der Schweiz am Seil hängen hat. Der Blick auf Stadt und Meer ist, wie zu erwarten, sehr imposant. Oben angekommen, zerfließen wir in der schwülen Hitze. Es gibt einen Rundgang auf der Bergkuppe, aber leider ist es etwas diesig und so sind die Farben des Panoramas ziemlich abgeschwächt. Beeindruckend zu sehen sind die beiden Superbrücken, die die Insel mit dem Festland verbinden : die 13,5 km lange Penang Bridge (malayisch: Jambatan Pulau Pinang) oder die 24 km lange Second Penang Bridge (oder Jambatan Kedua Pulau Pinang Bridge).
Auch hier gibt es einen sogenannten Skywalk – eine freistehende Aussichtsterrasse. Nach einem Eis-Cappucino zum abkühlen, spazieren wir noch ein wenig auf der Bergkuppe herum, aber nutzen nicht alle Angebote aus, zu heiß, nicht so spannend für uns.
Nur den ganz oben auf die Bergspitze gebauten Hindutempel Thirumurugan schauen wir uns ausführlich an. Er ist so bunt und mit so vielen Gottheiten, mythologischen Wesen und Figuren geschmückt, dass es einen überfordert, alles bewußt anzuschauen. Innen im Tempel wacht ein gelbgewandeter Mönch darüber, dass niemand mit Schuhen den Raum betritt oder unangemessene Dinge tut. Ich genieße das bunte Fabelwesen- und Geistergetümmel rund herum, es stimmt trotz einiger furchteinflößender Gesellen fröhlich.
Eigentlich hätten wir uns noch die daneben gelegene Moschee angesehen, aber die Türen sind zu und ich habe zwar Arme und Knie bedeckt , aber kein Tuch….
Also beenden wir schweißgebadet unseren Ausflug in die Höhe. Um soviel wie möglich von der Altstadt sehen zu können, haben wir vor, einem interessant klingenden Stadtspaziergang aus dem Internet folgen. Sehr zu empfehlen: onpenang.com / Georgetown self guides walking tour.
Start ist am prunkvollen weißen Rathaus der Stadt, das gleich neben der Kaimauer zum Hafen liegt, der wir dann folgen. Hier ist der älteste bewohnte Teil von Georgetown – die Keimzelle. Die Ruinen und Kanonen des alten Fort Cornwallis zeugen davon. Mit Georgetown hat die britische Kolonialisierung in Asien 1786 ihren Anfang genommen. Erst 1957 erklärte Queen Elisabeth II die Stadt als unabhängig.
Dem empfohlenen Spaziergang folgend schlendern wir weiter durch die ältesten eleganten Straßen der Stadt., bevor wir wieder auf die weniger repräsentativen, aber nicht minder interessanten Straßen der verschiedenen Viertel abbiegen.
Am Weg liegt auch das knall grüne Chinese Herritage House, indem dereinst zusammengetragen wurde, was man in China und dem Empire als besonders schön empfunden hat. Eine Tafel samt Foto kündet stolz vom Besuch von King Charles & Queen Camilla vor einiger Zeit.
Es ist wirklich spannend, hier durch die Straßen zu schlendern, trotz Hitze und Schweiß. George Town ist für mich ein tolles Paradebeispiel des Zusammenlebens der verschiedenen Kulturen und Ethnien, um das überstrapazierte MultiKulti zu vermeiden… Es hat eine geschäftige, lebhafte und positive Atmosphäre. Natürlich gibt es auch hier verfallende alte Gebäude und Müllecken, aber insgesamt ist es eine trubelige, lebendige Altstadt.
Auf unserem Spaziergang kommen wir – gerade recht zur Mittagszeit – nach Little India. Modeläden, die vom Seidensari bis zum traditionellen indischen Anzug oder goldenenem, Juwelen besetzten Geschmeide und Bombay Style alles anbieten. Auch viel Billigplunder, Gewürze, Lebensmittel – alles. Indisch.
Schließlich stehen wir vor einem im Artikel empfohlenen Restaurant: Kapitan. Ein großes offenes Ecklokal mit Holztischen (kein Plastik!) und ca 20 herumwuselnden Männern. Köche, Kellner, Barleute . Ich bin dennoch etwas skeptisch, ob das keine Touristenfalle ist. Ein Blick auf die Gäste lässt allerdings eher auf das Gegenteil schließen: viele Einheimische. Eigentlich ist es zu heiß zum Mittagessen, aber da muss man jetzt durch. Ich entscheide mich für Madras Chicken – und bekomme das beste meines Lebens! Eine Orgie an Gewürzen!
Aber keine Gnade, der Tag verrinnt und der Spaziergang geht weiter. Georgetown hat noch etwas Besonderes zu bieten, jenseits der Historie: Streetart! Bekanntester Künstler ist der in Litauen geborene Ernest Zacharevic. Ein Motiv schmückt viele T-Shirts und Plakate: The Boy on the Motorbike. Zacharevic hat dazu ein an einer Mauer stehengelassenes Motorrad als Inspiration benutzt , um dann auf der alten Mauer den Jungen „darauf“ zu malen. Wirklich toll. In dieser besonderen Kombination aus realen Gegenständen oder Gebäudeteilen und gemalten und gesprayten Motiven gibt es im Viertel noch einige Kunstwerke zuentdecken und zu bewundern. Natürlich haben sich auch andere Künstler an den Mauern verewigt. Toll! Macht Spass!
Wir spazieren zum nächsten Point of interest: Chew Jetty . Ein besonderer Ort für das Erbe der Stadt. Es sind Holzhäuser, die auf Pfählen auf langen Stegen ins Meer hinaus gebaut wurden. Es sieht toll aus. Natürlich sind sie heute ein Touristenmagnet mit kleinen Läden und Cafés, aber daneben oder besser gesagt: Dahinter gibt es noch das ganz normale Alltagsleben der Bewohner.
Entweder unentdeckt oder als langweilig unbeachtet führt ein Parallelsteg durch das ursprüngliche alte Viertel mit normalen Wohnhäusern, wo Opa im Holzstuhl ein Nickerchen hält, ein Junge ein Fahrrad repariert oder Mutti die Wäsche aufhängt. Keine Souveniers, keine Softdrinks, kein Restaurant. Wir grüßen freundlich und ein bisschen schüchtern, weil wir uns ein bisschen wie Eindringlinge vorkommen. Aber die Menschen sind freundlich und sicher froh, dass wir kaum Fotos machen. Eine eigene Welt mit einer besonderen Atmosphäre: vergangen und doch auch wieder nicht. Blickt man von den Stegen über die Bucht auf die Stadt, dann scheinen sich am Horizont die modernen Hochhäuser bedrohlich aufzustellen. Drohkulisse.
Der weitere Spaziergang, bei dem wir zunehmend unseren Körper durch die Straßen schleppen, denn Hitze und das viele Pflasterlaufen fordern nun langsam ihren Tribut, führt uns noch in eine Straße, in der auf relativ kurzer Distanz so ziemlich alle großen Weltreligionen mit ihren Gotteshäusern in einträchtiger Nachbarschaft zu finden sind.
Runde 7 Kilometer haben wir zurückgelegt und leiter legen wir noch mal unnötig Distanz drauf, weil wir uns zu guter Letzt doch noch ein bisschen verlaufen… Puh.
Unsere kleine Straße hat sich zum Teil in einen der so beliebten Night Markets für Streetfood verwandelt. Wir essen eine Kleinigkeit, holen aus dem kleinen chinesischen Supermarkt sogar ein Bier dazu und lassen den tollen Tag erschöpft, aber glücklich Revue passieren. Georgetown ist toll!.
Eine Thaimassage in unserer Straße! Das hat uns nach diesem Tag noch zum Glücklichsein gefehlt. Und dann ab in die Federn, morgen früh um 4 klingelt der Wecker und es geht in eine ganz andere Welt des großen Landes Malaysia: die Urwaldinsel Borneo!