15 Abschied

Die letzten Tage haben wir in Boicucanga und Camburi verbracht: faulenzen, Freunde besuchen, baden – wenn es gerade mal nicht geregnet hat. Denn die schweren Regenfälle sind zwar vorbei, aber es hat täglich immer wieder geregnet. Was allerdings nicht so schlimm ist, weil es immer so warm ist, dass einen der Regen bis zu einem gewissen Maße nicht unbedingt stört.

Am Strand lagen bis kurz vor Ostern nunmehr fein zusammengetragene Haufen von Schwemmgut, aber es gab längst wieder sowas wie normales Strandleben. Zu Ostern war dann alles wieder chic- denn Ostern ist hier ein wichtiges Fest und vorallem eine sehr wichtige Einnahmequelle vor dem Saisonende für alle aus Gastgewerbe und Handel, denn da kommen Heerscharen von Paulistas (die Bewohner von Sao Paulo) und geben hier ihr Geld aus. Und selbst San Pedro schien das zu wissen, denn schlagartig zu Karfreitag war das Wetter besser und am Osterwochenende selbst war strahlend blauer Himmel, Hitze und perfektes Strandwetter.

Da fast all unsere Freunde hier in obengenannten Branchen arbeiten und noch dazu selbstständig sind, konnten sie mit uns nicht am Abschiedsabend feiern – also haben wir unser traditionelles gemeinsamen Abendessen vorgezogen und waren schon am Mittwoch aus.

Seit einigen Jahren treffen wir uns dazu in Boicucanga in -oder besser gesagt: vor einem winzigen bahianischen Restaurant. Das besteht nur aus einer besseren Hütte, die den Tresen und den Herd beherrbergt, die Tische und Stühle werden bei Bedarf auf dem kleinen Platz davor unter einem alten Baum aufgebaut. Es ist ein sehr hübscher kleiner Platz vor der alten Dorfkirche in Blau weiß – das Zentrum des alten Fischerdorfes.

Es gibt immer zwei bahianische Spezialitäten: Acaragé und Tapioca. Ersteres ist mein Favorit: Frische Sojabohnenkuchen, aufgeschitten und reichlich gefüllt mit zwei Sorten von Gemüsecremes (eine mit Okra, die andere weiss ich nicht, da haben auch alle Frauen ihre eigenen geheimen Rezepte), gebratenen Krabben und klein geschnittenen Tomaten und Zwiebeln mit Petersilie und Koriander. Dazu gibt´s dann bei Bedarf noch ein Schälchen mit höllenscharfer Sosse, die aus verschiedenen kleingekackten Chillischoten in Öl besteht. Superlecker!!! Das andere Gericht sind Tapiokafladen (besonders behandeltes Maniokmehl), die mit allem Möglichen von Huhn, über Fleisch, Fisch, Käse oder Gemüse gefüllt werden – oder als Nachtisch mit süssen Sachen wie Kokosflocken und gezuckerter Kondenzmilch etc. Auch sehr appetitlich!

Wenn man vorher Bescheid sagt, kocht einem Leda, die Chefin, auch andere, aufwändigere Gerichte, vorzugsweise mit Fisch und Krabben. Und das ist wirklich toll, denn erstens kocht die Dame sehr gut und zweitens kann man das hier noch bezahlen. Im Gegensatz zu vielen Restaurants hier, denn die haben inzwischen großteils Preise, die den armen europäischen Touristen die Augen ungläubig aufreissen lassen. Die Unterschiede im Brasilien des Wirtschaftsbooms sind wirklich extrem – wie ich bereits zu Anfang meiner Reise vermerkt hatte. Es gibt eine wachsende Mittelschicht, die erstaunlich gut verdient, eine reiche Oberschicht, bei der Geld überhaupt keine Rolle mehr spielt und dann eben die vielen ganz Armen, die niemals in ihrem Leben auch nur in einem ganz billigen Restaurant essen werden. Der Mindestlohn, der für viele Jobs hier gezahlt wird, beträgt mittlerweile 720 Real, das sind 230 Euro. Und das bei den gestiegenen Preisen!

Aber zurück zu unserem Abschiedsessen. Wir waren elf Personen und es hat leicht geregnet. Aber mit etwas gutem Willen haben wir einen langen Tisch unter das kleine Vordach gequetscht und so war das machbar. Die Caipirinhas hier sind – legendär stark. Ich habe über den Abend verteilt eine getrunken und immer wieder Eis nachgefüllt, nachdem ich im Vorjahr zwei getrunken hatte und danach in einem wild schwankenden Bett schlafen musste…

Es war ein netter Abend, es war spät und wir hatten die Rechnung bestellt. Nach einer Weile dachten wir, das sie vergessen wurde und haben erinnert. Nein, nein, hieß es, die sei in Arbeit. Und tatsächlich sahen wir Ledas Mann immer schwer arbeitend über Rechnung gebeugt, wenn wir hingeschaut haben. Fast eine Stunde später kam er und hat unseren Freund Edson gerufen, der hier sowas wie ein bunter Hund ist, den alle kennen. Als der wieder kam, war auch die Rechnung fertig. Das Problem war, dass der Mann zwar alle Bestellungen perfekt im Kopf hatte und auch den Preis korrekt ausgerechnet hat, aber nicht schreiben kann. Und das war ihm nicht nur peinlich, sondern er wollte auch bei Stammkunden wie uns nicht den Eindruck hinterlassen, das irgendwas nicht nachzuvollziehen ist. Da aber seine Enkel an dem Abend mal nicht da waren und Leda auch nicht schreiben kann, hat er sich nicht getraut, uns einfach nur den Preis zu sagen! Er wollte keinen schlechten Einbdruck machen und wusste nicht wie! Tja, auch das ist Brasilien.

Nach einem perfekten letzten Strandtag mit allen Genüssen von Acai bis gebratenem Käse, frischem Maracuja-Saft usw. Haben wir uns noch ein leckeres Essen im Cantinetta mit Corinn und einem Freund gegönnt und genug Caipi getrunken, um trotz Abschiedsschmerz schlafen zu können.

Am Sonntag wurden wir vom kreischen der Zwergpapageien vor dem Fenster im Kampf gegen die frechen Tukane geweckt und waren um sieben Uhr morgens noch mal im jungfräulichen Ozean schwimmen – kurz nach Sonnenaufgang. Der Anblick des einsamen Strandes in der ersten Morgensonne, die draussen im Ozean aufleuchtenden grünen Inseln, das sanfte Rauschen – das alles war so schön, dass ich fast Tränen in den Augen hatte bei dem Gedanken an den Abschied und Wintergrau in Berlin.

Nach einem meiner berühmten deutschen Frühstücke dann das große Abschiednehmen und schon gings mit Romarios Klapperkiste landeinwärts zurück nach Sao Paulo, wo vor einem Monat alles so schön angefangen hat. Über das Chaos am Flughafen will ich nun wirklich nicht noch schreiben – das ist öde und es war doch so eine tolle Zeit! Bis zum nächsten Abenteuer Brasilien – Até a próxima, Brasil!

Zur Bildergalerie Camburi/Boicucanga

Zur Bildergalerie Naturaleza

Schreibe einen Kommentar