Nachdem uns der Nachtbus, den man wie jeden Überlandbus 24 Stunden vorher in der jeweiligen Agentur reservieren muss, direkt am Hotel abgeholt hat, richten wir uns auf den letzten freien Plätzen ein. Ich habe meinen Computer, meinen e-reader und benötigten Kleinkram in einer Tüte direkt an/unter meinem Körper, der kleine Rucksack hängt neben mir, der große ist unten im Gepäckraum. Eng, aber immerhin kann man liegen. Ich bin todmüde, denn es ist fast zwei Uhr nachts und so schlafe ich erstaunlich bald ein. Trotz des Geruckels und des ewigen Gehupes wegen der Motorräder, die der Busfahrer irgendwie an den Straßenrand „bittet“, um zu überholen. Autos sind hier eben eine (noch) untergeordnete Spezies.
Vor dem Einschlafen gehen mir allerdings noch einige Gedanken durch den Kopf, wie es hier wohl weitergeht mit dem Touristenboom, der für Vietnam so wichtig ist. Wir haben im Hotel eine nette Frau aus Finnland getroffen, die hier auch herumreist. Sie hat erzählt, dass sie das letzte Mal vor fünf Jahren in Mui Ne war und es damals zehn Hotels gab, mehr nicht. Jetzt sind es bestimmt hundert oder mehr. Obwohl der Strand nur sehr klein ist. Man kompensiert das mit Pools und schönen Hotelgärten, aber das hat seine Grenzen. Es gibt Massen von Restaurants unterschiedlichster Qualität und viele Läden. Aus einem Küstendorf ist eine kleine Stadt geworden. In fünf Jahren ….
Miki weckt mich als wir in Nha Trang ankommen. Wir fahren durch eine moderne quirlige Großstadt mit Strandflair in Küstennähe. Und wieder – alles auf russisch. Diesmal sogar offensichtlich mit russisch geführten Unternehmen: Swetlanas Nagel- und Kosmetikstudio, Sergejs Juwelenshop etc. … sehr sehr seltsam. Irgendwie wie die Deutschen auf Mallorca. Das Unangenehme ist, dass die Klientel, die hierherkommt eine Mischung aus Ballermannmentalität und Kolonialistengebahren an den Tag legt.
Als wir aussteigen, bricht Miki kurz in Panik aus, sein Rucksack ist offen. Aber er packt alles aus, das Geld war ganz unten – nichts fehlt. Paranoia? Wohl nicht, denn Minuten später bekommen wir im Busbüro mit, wie eine alleinreisende Frau versucht, Anzeige zu erstatten. Ihr sind im Bus in der Nacht, Geld, Kreditkarte und Pass aus dem Rucksack unter ihrem Sitz gestohlen worden. Polizei? Nicht zuständig, ist ja im Bus passiert. Die Busgesellschaft ist zuständig. Aber der Angestellte wirkt auch eher hilflos. So ist das eben mit zunehmendem Tourismus, da gibt es auch mehr Kriminalität in diesem bisher noch sehr sicheren Land.
Es ist halb sieben am Morgen, wir frühstücken eine Kleinigkeit und marschieren samt Gepäck 500 Meter weiter. Da ist ein Café in dem eine Tauchschule ihr Quartier hat. Eigentlich wollen wir erstmal nur Informationen. Dazu muss man wissen, dass mir unsere Kinder samt ihren fast zur Familie gehörenden Freunden zum Geburtstag einen Tauchkurs geschenkt haben!!! Ich, tauchen? Miki will ein Upgrade zur Open-Water-Diver-Lizenz drauflegen, falls ich mich überhaupt unter Wasser traue und dann auch noch tiefer als 12 Meter. Bisher sind mein Sohn und seine Freundin die einzigen ausgebildeten Taucher in der Familie, aber die Faszination ist so groß, dass Mama nun auch daran teilhaben soll. Und in Vietnam kann man das eben noch bezahlen, in den meisten Teilen der Welt ist es eher Luxus. Sehr, sehr süß, dieses Geschenk. Aber auch eine echte Herausforderung. Noch dazu in unserem fortgeschrittenen Jugendalter. Wahrscheinlich werden wir von einer Tauchschule als Referenzprojekt für Härtefälle eingestuft …
Keine Stunde später hat uns der enthusiastische junge Engländer endgültig überzeugt und wir unterschreiben den Vertrag bei Rainbow Divers, einer Schule, die nach dem international anerkannten PADI-System unterrichtet und die entsprechende Lizenz vergeben kann. Miki natürlich auch, im Vorgriff auf seinen Geburtstag. Und der Kerl ist ein Überredungskünstler wie Kah die Schlange und so haben wir gleich einen Open Diver Vertrag unterschrieben mit der Option, nach der ersten Stufe (12 Meter) aufzuhören, wenn´s zu heftig wird oder ich/wir dass gar nicht erst packen. Aber als Miki plötzlich zu dem jungen, smarten Kerlchen sagt, dass er mir die 18 Meter Tiefe eigentlich nicht unbedingt zutraut, ist mein Stolz verletzt und ich gehe auf´s Ganze. Wir werden ja mal sehen, wer hier was packt! Hören solche Kraftmeiereien eigentlich nie auf? Wie war das mit „alt, weise und gelassen“?
Wir haben uns für einen Kurs auf Whale Island entschlossen, zwei Stunden nördlich von Nha Trang. Man kann zwar wohl auch in Nha Trang gut tauchen, aber da es für uns gleichzeitig ein paar schöne Strandtage sein sollen, wollen wir nicht in der Großstadt bleiben. Obwohl die Hotels in der Stadt auch am Strand verführerisch billig sind im Gegensatz zu einem eher exklusiven Inselaufenthalt im einzigen Öko-Ressort, das dort als Übernachtung möglich ist. Aber im Vergleich ist alles immer noch sehr gut bezahlbar.
Vier Stunden müssen wir warten, dann schickt uns das Hotel ein Shuttle-Taxi, das uns zum Hafen bringt, von wo uns dann nur noch eine 15 minütige Überfahrt von der erhofften Paradiesinsel trennt. Der vietnamesische Fahrer hält uns ein laminiertes Foto von der Insel unter die Nase, das uns Willkommen heißt und uns verkündet, wenn wir Fragen haben, sollen wir das signalisieren, wir werden dann telefonisch mit dem Hotel verbunden, wo man Englisch spricht … charming. Also auf nach Whale Island!