17 Vietnam: Naturerbe Ha Long Bay

Zu unserem Erstaunen bietet das kleine Frühstücksbuffet im Hotel Brot, Butter (!) und Marmelade, neben Obst, Pfannkuchen, Bacon, gebratenem Reis und Eiern nach Wunsch. Ist ja schon fast wie zu Hause.

Um Punkt acht Uhr  hetzt der Hotelboy an unseren Tisch und zerrt uns hektisch zur Tür: Der Tourbus wartet und der darf hier offiziell nirgends anhalten. Schwupp-di-wupp ist unser ganzes Gepäck verstaut und wir werden in einen kleinen Bus verfrachtet. Hier empfängt uns eine ebenso hübsche wie charmante Reiseleiterin, sie heißt Lan, was Orchidee bedeutet.

Der Bus dreht noch eine halbe Stunde Runden durch das Gewirr der großen Altstadt und sammelt unsere Mitreisenden für Ha Long in den verschiedenen Hotels ein, immer auf der Flucht vor der gefürchteten Polizei. Eine echt sportliche Übung: Lan springt schon jeweils eine Ecke vorher aus dem Bus. Während der sich noch durch das Chaos drängelt sprintet sie zum Hotel, flitzt mit den Touristen im Schlepptau und deren Gepäck Richtung Bus, damit der möglichst nur ein paar Sekunden halten muss. Wenn die Polizei sie erwischt, muss der Busfahrer sie aus eigener Tasche schmieren, um üblere Strafmaßnahmen abzuwenden. Ein täglich tausendfach gespieltes Spielchen hier. So bekommen wir quasi noch eine gratis Stadtrundfahrt.

Wir sind 20 Leute aus sechs Ländern, alle Altersklassen, aber irgendwie eine passende Zusammenstellung: keine party people, keine Schnösel, keine unerzogenen Kinder, nur ein süßes adopotiertes vietnamesisches Mädchen. Das ist ja schon mal was.

Auf der viereinhalbstündigen Fahrt gibt es eine Pause. Wir haben an einer schicken neuen Halle auf einem großen Gelände gehalten, vor der kunstvolle Steinstatuen stehen. Innen gibt es Kunst, Kunsthandwerk, Schmuck und handgenähte Kleidung von bester Qualität und mit viel Stil. Es sind wunderschöne Dinge dabei. Hergestellt wird alles vor Ort zum Zuschauen – von körperbehinderten jungen Menschen. Und jetzt kommt der gruselige Teil: Sie alle sind in dritten Generation Opfer von Agent Orange, mit dem die Amerikaner im Krieg die Wälder entlaubt haben, um die Vietnamesen besser aus der Luft orten und bombardieren zu können. Das Zeug hat das Erbgut geschädigt.

Endlich sind wir an der Ha Long Bay. Allzuviel sieht man vom Hafen noch nicht, es ist zu neblig für eine weite Sicht, aber wenigstens fällt kein Regen und es ist auch nicht tiefgrau. Immerhin können wir schon etwas weiter draußen einige der Karstberge sehen, die so ungewöhnlich aus dem Meer aufsteigen. Wir sind sehr gespannt, die Ha Long Bay war für uns einer der Orte, die wir unbedingt sehen wollten. Eine klapperige Barkasse bringt uns schließlich zu unserem Schiff: Alle aus unserer Gruppe gucken zunächst ziemlich entgeistert auf das scheußliche alte Schiff mit der blätternden Farbe, das sich unter den Dutzenden als unseres herausstellt. Mit dem strahlenden weißen Schiff aus dem Prospekt hat dieser alte Kahn überhaupt nichts zu tun. Aber es gibt noch üblere Kähne, auch wenn das nur ein kleiner Trost ist.

Unser Schock neutralisiert sich aber etwas als wir das Innere sehen, das sieht noch ganz passabel aus. Die junge Schiffscrew gibt sich wirklich alle Mühe, die Schiffsmängel durch Service, gutes Essen und Freundlichkeit wettzumachen. Unsere Kabine ist ganz kuschelig, abgesehen vom Geräusch des Schiffsgenerators, aber das ist auszuhalten.

Je tiefer wir in das Archipel der hohen grünen Felsinseln von Ha Long fahren, desto schöner wird es. Die Formen der so unvermittelt hoch aus dem Meer aufsteigenden Berge sind so ungewöhnlich, dass man sich nicht satt sehen kann. Zwischen den Inseln und auf ihren dicht bewaldeten Wipfeln wabern Nebelschwaden – wie eine japanische Tuschzeichnung.

Wir sind längst versöhnt mit der Tatsache, dass wir keinen strahlenden Sonnenschein und kein türkises Meer sehen werden. Das hier ist genauso schön, anders schön. Mysteriös und geheimnisvoll. Keine Frage, warum die Ha Long Bucht zum Weltnaturerbe gehört, sie ist wirklich einmalig. Viele der Berge sind haben große Höhlen, in denen teilweise Fischer gelebt haben – und es in einigen Fällen vielleicht noch tun.

Der Name der Bucht bedeutet auf vietnamesisch „Der landende Drache“. Der Legende nach wollten die Chinesen, die Vietnam ohnehin über 1000 Jahre lang beherrscht haben, wieder einmal die Küste überfallen. Der Drache, der hier lebte, war darüber sehr böse und ließ über tausend Juwelen vom Himmel ins Meer fallen, die sich unten in diese Inseln verwandelt haben. Mit diesem Schutzwall konnten sich die Vietnamesen dann besser gegen Angriffe verteidigen. Die geologische Erklärung vom Auf und Ab der Erdteile ist mir zu prosaisch, als dass ich sie hier weiter ausführe.

Nach einem Lunch an Bord fahren wir noch etwas tiefer in die Bucht, dann bringt uns die mitgeschleppte Barkasse ans Ufer einer der Inseln. Von unten sehen wir durch einige freie Stellen im dichten Grün am Berg, dass ein Weg bzw. Treppe nach oben führt. Er endet am Eingang zur Höhle „Amazing Cave“, denn auch dieser Berg ist hohl. Sie ist riesig und erinnert an eine Tropfsteinhöhle, obwohl sie damit nichts zu tun hat. Das Wasser hat diese Formen in die Kreidefelsen gespült. Eine bizarre Schönheit! Früher haben die Fischer auch hier gelebt. Dann wurden diese Höhlen für die Öffentlichkeit freigegeben und seither leben sie in ziemlich ärmlichen schwimmenden Häusern in der Bucht zwischen den Inseln.

Nach dem Höhlenbesuch können die, die wollen mit Kayaks die Stunde bis zur anbrechenden Dunkelheit zwischen den Inseln herumpaddeln. Ein feuchtes Vergnügen, vor allem angesichts des wenig sommerlichen Wetters. Aber die meisten nutzen die Chance – wie wir auch.

Die Barkasse bringt und an Bord unserer Imperial Junk zurück, die inzwischen mitten in einer der „Schlafbuchten“ geankert hat, wo wir, wie Dutzende anderer Schiffe, übernachten werden. Wir hatten uns das einigermaßen schrecklich vorgestellt, wegen der vielen Schiffe und des Massenbetriebs. Aber es gibt viel Platz und so ist es doch sehr friedlich und in der Dunkelheit sogar richtig idyllisch und richtig stimmungsvoll mit all den erleuchteten Schiffen zwischen den nächtlichen Inseln. Ganz ohne Motorradgeknatter! Ein sehr leckeres, mehrgängiges Dinner und nette Gespräche auf und unter Deck beschließen unseren Tag an Bord. Von unserem Bett in der Kabine am Oberdeck können wir auf Ha Long Bay blicken, bevor uns die Augen zufallen.

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