24 Vietnam: Abenteuer Delta 2

Am nächsten Morgen verlassen wir fast ungesehen das nette Hotel, der Typ hinter dem Tresen schläft wie ein Bär – auf dem Boden – und winkt bloß verschlafen ab. Wir stellen unser Gepäck einfach neben ihm ab und gehen – zum Busbahnhof. Schließlich schaffe ich es, die Mädels am Ticketschalter und die Wachmänner nach längeren Ausspracheübungen fröhlich aufmerken zu lassen – sie haben endlich Mekong verstanden! Hatte ich schon erwähnt, dass im Vietnamesischen jeder Vokal sechs verschiedene Tonhöhen hat, die alle etwas anderes bedeuten?!

Ohne alle weiteren Irrungen und Wirrungen, die noch folgten, näher aufzuführen: Irgendwann sitzen wir tatsächlich auf dem Sozius von zwei Motorrädern , die von einem Wachmann herbeitelefoniert und offensichtlich instruiert wurden. Jetzt beginnt der Tag langsam schön zu werden! Der Weg führt etliche Kilometer auf schmalen, von allen möglichen Obstbäumen und Palmen beschatteten Wegen an kleineren Nebenarmen des Mekong entlang. Richtig idyllisch, so wie man sich den Obst-und Gemüsegarten Vietnams vorstellt.

Allerdings scheint das ganze von den unzähligen Neben- und zwei Hauptarmen des Mekong durchzogene Delta durchgängig besiedelt, das ist uns schon gestern auf der Busfahrt aufgefallen. Endlose Siedlungen entlang der Straßen und Kanäle, unterbrochen nur gelegentlich von Reisfeldern oder Obstplantagen, auf denen Früchte wie Bananen oder Litschis wachsen, Gemüsefelder, Lotus-Zuchtteiche mit ihren wunderbaren lila Seerosenblüten. Doch trotz der Zersiedelung ist alles leuchtend grün und tropisch üppig. Ein großartiger Anblick nach soviel Trockenheit auf Phu Quoc! Hier gibt es endlich wieder blühende Bäume und Sträucher außerhalb von Blumentöpfen und Hotelgärten. Auch scheint es den Bewohnern vergleichsweise gut zu gehen, der Handel floriert. Auch die ärmlichen Blechhütten wirken in der schönen Umgebung längst nicht so trostlos wie anderswo.

Fast 4800 Kilometer und vier Länder hat der Mekong – von den Vietnamesen auch Fluß der neun Drachen genannt – hinter sich, wenn er sich hier ins Südchinesische Meer ergießt. Das Delta ist fast 75.000 Quadratkilometer groß und für Vietnam unglaublich wichtig. Allerdings hochgradig gefährdet vor allem dadurch, dass das Wasser stetig zurückgeht, weil China bereits zwei riesige Staudämme gebaut hat und sechs weitere im Bau oder geplant sind. Die Proteste der anderen Länder, für die der Mekong riesige Bedeutung hat, beeindrucken die Chinesen nicht. Auch Laos hat zwei solcher Bauwerke zu verantworten.

Tätsächlich landen wir nun an einer Anlegestelle, wo einige größere und kleiner Sampangs liegen, wie die flachen, überdachten Holzboote hier heißen. Ein smartes Bürschchen, das Englisch spricht (schon das macht uns glücklich!), verspricht und verkauft uns eine drei Stunden dauernde Tour zum schwimmenden Markt, auf den riesigen, schlammgelben Mekong inklusive einer Runde in einem ganz kleinen, einbaumähnlichen Böötchen auf einem schmalen Nebenfluß. Nur wir alleine! Ja! Geschafft! Unsere Stimmung ist eindeutig gestiegen mit der Überzeugung, dass uns unser Spürsinn für die Abenteuer jenseits des ganz dicken Mainstreams doch nicht verlassen hat.

Der schwimmende Markt hier ist leider nicht mehr allzu groß, auch hier übernehmen immer mehr moderne Großmärkte das Geschäft. Die Frachtschiffe sind schwer beladen mit Reis, Obst, Gemüse – und heute auch eins mit schnatternden Gänsen auf zwei Etagen unter Deck. Wenn ein Kunde interssiert ist, fährt er seitlich heran und die Fracht wird per Muskelkraft, oder mit eher kleinen Maschinchen von einem Schiff auf das andere umgeladen. Die Meisten leben auf ihren Schiffen, hinter dem Führerstand (wie heißt das eigentlich bei solchen Frachtkähnen?) hängt oft die Wäsche der Familie. Zwischen den Frachtkähnen schippern einige schwimmende Versorger herum, wie kleine Cafés oder Garküchen, die uns und die arbeitenden Menschen auf den Schiffen mit heißen und kalten Getränken und eben auch Eseen versorgen. Die meisten Kähne haben auf ihrem stumpfen Bug Augen aufgemalt. Lauter Flußgeister …

Na schön, zugegeben, so ganz ohne Tourikram haben wir es auch nicht hinbekommen. Nach der Fahrt über den schwimmenden Markt werden wir hilflos von unserem nichts verstehenden Käpt´n ein bisschen kaffeefahrtmäßig an verkaufsstrategisch günstigen Punkten zum Landgang aufgefordert. Aber es ist alles noch ganz spannend: ein Imker, eine Pop-Reis-Herstellung, eine Kokosbonbon-Manufaktur, ein paar Galerien daneben von einheimischen Künstlern. Und eine große , sehr vielfältige Plantage, in deren Mittelpunkt ein ansehnliches modernes Marmorhäuschen steht. Dort bekommen wir Tee und Obst serviert – und dann geht das Kulturprogramm der erweiterten Familie los, nur für uns. Volksliedchen mit typischen Instrumenten und eine wunderbar absurde laienspielmäßig untermalte Moritat aus dem fröhlichen Bauernleben. Großartig, diese Mischung aus Folklore-Kitsch und völlig überzogener Stand up Comedy!

In Rage versetzt hat uns dann allerdings zunächst die versprochene Fahrt mit dem kleinen Boot – sie ist 400 Meter und zehn Minuten lang. Bei unserer Rückkehr proben wir ein bisschen Aufstand bei unserem Bürschlein am Kai, so wenig haben wir nämlich für hiesige Verhältnisse nicht bezahlt, um uns widerspruchslos veräppeln zu lassen. Smartie ist entsetzt und reuig, wir weden noch einmal per Sampang zum Nebenflüsschen gefahren und nunmehr wenigstens eine halbe Stunde von einer Frau mit Kegelhut (den tragen hier tatsächlich noch ganz viele Frauen) durch den wirklich malerischen kleinen Wasserlauf gestakt. Friedlich, tropisch, idyllisch! (Man traut es sich kaum zu sagen: echt romantisch.)

Jetzt sind wir zufrieden, zumal Smartie uns nun auch noch zwei weitere bezahlbare Motorradtaxis vermittelt und abspricht, dass die Burschen mit uns das Gepäck aus dem Hotel holen und uns dann zum Busbahnhof bringen. Danke, Mekong, es war sehr schön, aber Saigon wartet!

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