26: Good Bye, Vietnam!

Zurück in Saigon! Es ist schön, wieder hier zu sein, nicht nur, weil es der erste Ort unserer Begegnung mit diesem schönen und manchmal verwirrenden Land war. Ich fühle mich einfach wohl hier in Vietnams südlichster Metropole, es ist meine Southern Belle: charmant, chaotisch, lächelnd und liebenswert. Da sind sie wieder die Millionen Rollerfahrer, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun scheinen als auf ihren brummenden Zweirädern im Kreis zu fahren, die lächelnden Menschen, die Cafés auf den Bürgersteigen, in denen man stundenlang sitzen und einfach nur schauen kann, ohne dass es langweilig wird.

Wir wohnen wieder im Silk Path Hotel zum Dumpingpreis, den wir bei unserer Abreise schon ausgehandelt hatten, in einem schönen Zimmer mit Blick über die Dächer und den Ben Tranh Markt auf das futuristische Finanzcenter. Endlich mal wieder ein schönes Zimmer mit sauberem Bad ohne Schimmel. Wir genießen den Trubel bei einigen Stadtspaziergängen und mit vietnamesischem Eiskaffee auf dem Bürgersteig – Zeit nochmal alles Revue passieren zu lassen.

Es war meine erste Reise nach Asien. Vieles war neu und fremd, anders als erwartet. Was bleibt, sind Mosaiksteine für ein Bild in der Erinnerung, das vielleicht darauf wartet, irgendwann noch einmal ergänzt zu werden. Obwohl wir über 4000 Kilometer durch´s Land gereist sind, haben wir längst nicht alles gesehen. Was ganz fehlt – und das bedauern wir beide sehr – sind die Berge. Wir haben viel darüber gehört, von Reisebekanntschaften und Vietnamesen, aber die Zeit hat nicht mehr gereicht.

Ein Bild, das ich immer im Kopf behalten werde, ist das bunter, quirliger Betriebsamkeit, viel quirliger, als man sich das als Europäer vorstellen kann. Und Gelassenheit im Chaos: Da wird mitten im laufenden Verkehr mal locker alles für den Nachtmarkt vorbereitet – Kabel werden über die Köpfe der Menschen und die fahrenden und parkenden Fahrzeuge gezogen, niemand nimmt Notiz davon. Kurze Zeit später entsteht da, wo gerade noch der Verkehr rauschte, eine kleine Stadt von Marktständen und Restaurants – völlig unaufgeregt und perfekt – jeden Tag wieder.
In unserem Hotel über uns auf dem Dach platzt einer der großen Wasserbehälter, das Wasser läuft durch das komplette Treppenhaus und ein paar angrenzende Bäder über sieben Stockwerke bis ins Erdgeschoss: Da wird von unten nach oben eifrig gewischt, aber sonst passiert gar nichts – es ist Sonntag.
Oder all die Menschen, die in all dem abendlichen Lärm und Chaos auf den Straßen einfach friedlich auf einer Liege, einem alten Sessel oder auch auf ihrem Motorroller schlafen. Da flitzen schon mal kleine Kinder im Schlafanzug auf dem nächtlichen Bürgersteig herum und spielen, weil sie natürlich neben dem Geschäft, wo die Eltern arbeiten, später schlafen gelegt werden.

Selten habe ich gesehen, dass jemand die Ruhe verliert, irgendwie scheint immer alles zu gehen. Was nicht heißt, das die Vietnamesen nicht gern mal genüßlich Hektik veranstalten: am Hafen zum Beispiel oder am Busbahnhof. Da wuseln und palavern sie laut durcheinander wie ein wildgewordener Hünherhof, aber das ist wohl eher Ritual.

Reden – das ist ein ganz wichtiger Volkssport. Die Menschen hier schnattern in jeder Situation leidenschaftlich und viel – in allem Tonarten. Was gelegentlich durch diese lustig klingende Sprache mit allen emotionalen Färbungen ausgesprochen lustig klingen kann. Und eben ziemlich laut! Nicht zu vergessen, das ewige Gekicher! Ich kenne kein Volk, das so viel und gern lacht, und so freundlich und hilfsbereit ist! Und wenn es ein Problem gibt, kommt man meistens mit einer lächelnd vorgetragenen Beschwerde wesentlich weiter als mit lauten Worten. In der ganzen Zeit hier sind uns gerade mal eine Handvoll unfreundlicher Gesellen begegnet.

A propos Sport: Der muss hier auch unbedingt nochmal gewürdigt werden. Weder Smog noch lange Arbeitszeiten oder fehlende freie Tage halten die Vietnamesen davon ab, sich in irgendeiner Weise sportlich zu betätigen. Und das eben vorzugweise an der frischen Luft, morgens und abends in Parks, am Strand, auf Plätzen. Laufen, Turnen, Tennis, Skateboard, Fußball, Volleyball, Tai Chi und noch ein paar andere lustige Sportarten, die ich nur hier gesehen habe.

Die Arbeitszeiten hier sind lang und meistens schließen sie auch das Wochende mit ein, aber man bleibt dabei ganz entspannt, ohne faul zu sein, das fällt auf. Viele einfache Restaurants (außerhalb der Innenstädte von Saigon und Hanoi), in denen Leute Mittagspause machen, haben mindestens genau soviele Hängematten wie Stühle – für das Schläfchen danach. Schlafen kann man aber auch auf dem Boden liegend hinter der Hotelrezeption oder dem Bartresen, auf einer Decke am Straßenrand – überall da, wo Platz ist.

Auch Essen ist ein spezielles Thema. Selbst wenn die hygienischen Bedingungen oft Grenzen überschreiten, ist ein voller Magen hier von großer Bedeutung und man kann Vietnamesen wirklich in jeder Situation essen sehen: vor und nach der Arbeit am Straßenrand, bei der Arbeit auf dem Boden, auf dem Rücksitz ihres Mopeds, auf der Bordsteinkante – auch wenn kaum Platz für den Teller ist.

Hauptnahrungsmittel sind Reis und Nudeln in tausend Variationen. Wobei der Reis ziemlich trocken mit Beilagen gegessen wird, die oft ebenfalls eher trocken sind. Daneben steht aber öfter ein Schälchen mit irgendeiner Soße zum einstippen. Die Beilagen sind Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte und Gemüse. Aber so gern und viel die Vietnamesen auch Fleisch essen, es ist selten weichgekocht, keine Ahnung, warum. Nudeln werden in jeder Form angeboten: gekocht, gebraten und vorallem im wichtigsten vietnamesischen Gericht: Phó, Nudelsuppe. Die ist für die meisten hier das Frühstück, vorzugsweise mit Stäbchen und Löffel gegessen, wegen der Einlagen. Viele Gerichte der einheimischen Küche, die sicher lecker sind, haben wir nicht kosten können. Niemand hier kann genug englisch – außer vielleicht, um den Preis zu verhandeln – also kann man auch nicht fragen. Angesichts der Fleischsorten, die so ziemlich die gesamte Fauna einzubeziehen scheinen (vorallem im Norden) und all der verwendeten Körperteile, ist der prüde Mitteleuropäer dann doch etwas mißtrauisch.

Mit Salz und Zucker geizt die hiesige Küche etwas, außer beim Kaffee, der ist pappsüß. Und er wird auf eine ganz eigene Weise gekocht, wenn man nicht gerade Eiskaffee trinkt: In einem kleinen Aluminiumfilter, der auf die Tasse aufgesetzt wird, ist der Kaffee unter einem Deckelchen, darauf wird das kochende Wasser gegossen. Der Kaffee läuft dann tropfenweise in die Tasse durch, in der bereits eine ordentliche Portion süßer Kondenzmilch wartet. Speziell, aber nicht unlecker.

Unbedingt erwähnt werden sollten noch gewisse modische Aspekte. Dabei fällt die männliche Seite eher knapp aus: Wie überall in heißen Ländern dominieren Bermudashorts oder leichte lange Hosen, Basecap oder auch eine Art Tropenhelm in verschiedenen Materialausführungen. Bei den alten Herren findet sich dann auch schon mal ein traditionell-vietnamesischer Stoffanzug oder ein Judoanzug im Jeanslook.

Interessanter ist natürlich die Damenwelt. Zuerst muss hier erwähnt werden, dass die meist schlanken und sehr graziösen Vietnamesinnen sogar im strengen Businesskostüm ausgesprochen toll und elegant aussehen. Aber das ist natürlich der kleinere Teil. Bei den jungen Wilden überwiegt Supermini oder kurze Hose, niemals aber bauchfrei. Bei der Fußbekleidung gibt es generell bei allen Frauen nur zweierlei: flache Zehensandalen oder Ballerinas oder – mit Vorliebe: Highheels, so hoch es geht! Das muss besonders unter dem Aspekt der hier nicht stolperfrei zu begehenden Straßen erwähnt werden. Und das gilt auch für die zwar kleinere, aber immer noch gut vertretene Gruppe der jungen Frauen, die oft das wunderschöne klassische Ao Dai, dieses feminine lange Seidenkleid, das an den Seiten gebunden wird und über einer Seidenhose getragen wird. Sieht einfach toll aus!
Die ältere bis betagte Dame trägt hier überwiegend so eine Art Outdoor-Pyjama. Wobei das Material von knallbuntem Stoff bis zu Seidenbrokat reicht. Sieht schon ein bisschen putzig aus.

Aber für alle Frauen hier gilt: Sonne ist unbedingt zu vermeiden, denn sie macht braun und häßlich. Unser : „Du bist aber schön braun!“ ist hier eine schlimme Beleidigung. Um das also zu vermeiden, tragen die Frauen hier erstens so gut wie alle den ewigen Atemschutz in allen Farben (in den Städten macht er ja noch als solcher Sinn wegen des Smogs, aber bei der Arbeit auf den Reisfeldern oder im Strandrestaurant weniger), außerdem oft oberarmlange Handschuhe, auch bei größter Hitze Strickjacken und – wenn keine lange Hose – fast immer lange, blickdichte Strümpfe, die es für die Flipflops auch in spezieller Ein-Zeh-Ausführung gibt. Auf dem Kopf trägt SIE entweder den klassischen Kegelhut oder einen breitkrempigen Sonnnhut und eine große Sonnenbrille.

Das Verhältnis der meisten Menschen hier zum Müll ist eines der Rätsel, das für mich ungelöst bleibt. Die einfache Erklärung, das sei ebem in der dritten Welt Asiens so, „die kennen das nicht anders“, reicht mir nicht. Denn sieht man sich Kultur, auch Alltagskultur und Kunst an, kann einem der ausgeprägte Sinn der Vietnamesen für Schönheit und Harmonie nicht entgehen. Umwelt, Natur und Tierwelt scheinen aber nicht unbedingt dazuzugehören. Mir fallen da gleich tausende toter Fischchen in der Ha Long Bay und ein zerstörtes Korallenriff beim Tauchen ein – Opfer und stumme Zeugen der immer noch praktizierten Dynamid-Fischerei.

Vietnam ist ein tolles Land, aufregend für Entdecker, wenn sie denn aufgeschlossen und sehr toleranzfähig sind. Ansonsten sollte man besser zu Hause bleiben, denn wie schon an anderer Stelle erwähnt: Alle europäischen Maßstäbe greifen nicht. Man hat viele Begegnungen mit großartigen Menschen – mit denen man allerdings nur selten wirklich kommunizieren kann, wegen der Sprachbarrieren.

Das war´s für dieses Mal von meiner Seite.

ps: Unsere Abreise mussten wir trotz horrender Umbuchungsgebühren verschieben. An unserem letzten Abend in Saigon habe ich mir eine üble Lebensmittelvergiftung zugezogen. Es war gar nicht so leicht und nur mithilfe einer Notfallnummer aus dem Reiseführer möglich, schnelle medizinische Hilfe für Ausländer zu bekommen. Alles sehr abenteuerlich! Mit einer guten Behandlung inklusive Infusion gegen die Dehydrierung plus einem umfangreichen Medikamentenpaket ist alles noch mal gutgegangen und wir können den Rückflug mit eintägiger Verspätung antreten. Shit happens! Glück im Unglück, wir waren in Saigon und hatten ein sauberes Hotelzimmer!

Auf Wiedersehen, Vietnam!

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