Thailand 10: Reise ins Dunkle

Wieder ist es ein Tuktuk, das mich zum Flughafen bringt. Ich hatte am frühen Sonnatgmorgen vor meiner Abfahrt noch einige Probleme, der Aufforderung von airasia Folge zu leisten und mein elektronisches Ticket auszudrucken. Man könne sich der Scanner am Airport nicht sicher sein und womöglich entstünden mir ohne Papierticket Zusatzkosten. Gar nicht so leicht am Sonntag einen Laden zu finden, der e-mails ausdruckt. Ein schweisstreibendes Herumgerenne, aber zumindest mit Erfolg gekrönt. Bei Check In büße ich dann noch mein gutes Reisebesteck ein, es hatte sich unten im Handgepäck versteckt, leider nicht vor dem Röntgengerät.

Um 14.20 Uhr Landung in Surat Thani, zehn Minuten später fährt in der vierzig Fahrminuten entfernten Innenstadt der letzte offizielle Bus nach Khao Sok ab… Das ist doch die klassische Marktlücke für die Minibusse, denke ich und richtig: es gibt eine Agentur, die sich gleich am Ankunftspunkt des Flughafenbusses installiert hat. Und es gibt auch einen letzten Minibus um halb fünf. Die herrische, aber offensichtlich geschäftstüchtige Agentur-Dame fragt mich sogleich nach meinen weiteren Reiseplänen nach meinem Aufenthalt im Nationalpark. Kho Tao – ja, sie verkaufen auch die Schiffstickets, ich soll gleich buchen, damit ich einen Platz bekomme. Und da das letzte Schiff nach Koh Taoum halb acht morgens führe, müsse ich auch am Vorabend nach Surat Thani zurückkommen und hier ein Hotel buchen. Ich unterdrücke schlau eine Panikaktion und winke cool ab. Die Frau versichert mir bösen Blicks, ich werde schon sehen, was ich davon habe.

Es bleibt gerade noch Zeit, auf dem Busbahnhof nach etwas Essbarem zu fahnden, ich bin schließlich seit früh unterwegs. Kein Mensch hier versteht mich aber. Und das gebratene Fleisch, auf das ich einfach zeigen könnte, sieht so gar nicht vertrauenerweckend aus. Alles andere erkenne ich nicht, Fragen bleiben erfolglos. Eine Frau nimmt mich an die Hand, palavert vor einem Verkaufswagen mit großen Kesseln und einem misstraisch blickenden Opa. Die Zeit rennt mir davon, ich habe Hunger. Die Frau sagt „Piek – Piek- Good“, was ich so deute, dass es hier womöglich irgendwas mit Schwein gibt. Ich nicke ergeben und Opa macht den dampfenden Kessel auf, schippt irgendwelche kleinen heißen Teile in eine Plastiktüte, schüttet drei Soßen hinterher und ein paar Krümel oben drauf, drückt mir eine Plastikgabel in die Hand und für 20 Baht (70 Cent) gehört der Schlamassel mir. Einen Moment zögere ich, dann verbiete ich mir das und koste. Lecker! Scheint so eine Art Mini-Dimsum mit Schweinefleisch und Kräutern zu sein. Und natürlich süss-scharfer Sosse.

Ich schaffe es gerade noch, das heiße Essen kleckernd in mich ´reinzustopfen, und schon brüllt mich die Agentur-Schnepfe an. Sie zeigt auf die andere Straßenseite, wo ein Minibus mit laufendem Motor wartet. Ich zerre meine schwereTasche mühsam über hohe Bordsteine, durch Löcher im Asphalt und Müll über die befahrene Straße, während auf der anderen Seite ein äußerst bullbeissiger und sichtlich übelgelaunter Kerl mit in die Hüfte gestützten Armen dem Manöver zusieht: der Fahrer. Ich erkenne das mittlerweile am Typ und der schlechten Laune. Das scheint hier das Persönlichkeitsprofil der Minibuskutscher zu sein.

Er flucht und reißt mir die Tasche weg, drückt sie mir aller Gewalt platt und quetscht sie von hinten unter die engen Sitze, die ich ja schon kenne und liebe. Ich setze mich mit meinem HandgepäckRucksack in den Bus, da kriegt er auch schon den nächsten Anfall und reißt ihn mir auch noch weg, um ihn noch hinten reinzustopfen. Den Gang braucht er nämlich, um ihn mit aufgelegten Brettern in noch mehr Sitzplätze zu verwandeln. Er gondelt noch eine ganze Weile durch die Stadt Surat Thani und sammelt Leute ein, bis der Bus aus allen Nähten platzt.

Alles was ich von der Umgebung zu sehen bekomme, zeigt mir eine relativ uninteressante Großstadt. Die Menschen hier sehen anders aus als in Nordthailand, dunkler, breitere Gesichter, mehr indischer Einschlag. Aber was mir auch sofort zu meiner Begeisterung auffällt, ist die Vegetation: viel grüner, tropischer und üppiger. Dann kann ich gar nichts mehr durch die ohnehin kleinen Fenster sehen, weil ich in der Mitte sitze und die jungen Leute rechts und links die Gardinen zumachen, um besser auf ihren Smartphonen spielen zu können…Ich bin übrigens die einzige Farang (Fremde) im Bus. Aber im Gegensatz zum Fahrer, der mich immer wieder mit bösen Blicken im Rückspiegel anfunkelt, sind die Mitfahrer alle nett und lächeln wenigstens, wenn ich sie anschaue.

Ich habe keine blasse Ahnung, wo wir jeweils sind, lesen kann ich nichts und es wird nur Thai gesprochen. Wir fahren schon eine gefühlte (und unbequeme) Ewigkeit, durch einen Gradinenspalt sehe ich in der untergehenden Sonne ein Gebirge am Horizont auftauchen, schöne, ungewöhnliche Berge. Inzwischen sind wir über zwei Stunden unterwegs, der Bus lehrt sich. Es ist stockdunkel und draußen fängt es an zu schütten. Schließlich ist dies das Gebiet mit der größten Niederschlagsmenge in Thailand, deshalb gibt es hier den letzten intakten Regenwald, der vor einigen Jahren zum Nationalpark erklärt wurde. Deshalb bin ich hier. Ich liebe den Regenwald, bisher kenne ich nur den in Brasilien.

Nach reichlich zweieinhalb Stunden hält der Bus plötzlich – ich bin der letzte Fahrgast. Ohne mich anzuschauen, meckert der Fahrer wiedermal etwas vor sich hin, ich schließe daraus, dass wir am Ziel sind. Er springt aus dem Bus, reisst die Heckklappe auf, und schmeißt mein Gepäck in knöcheltiefes Wasser. Ich kann nur noch hinterher springen und zerre meinen Kram so schnell wie möglich unter ein kleines Dach, das wohl die Bushaltestelle ist. Das ist dann wohl der Moment, in dem ich meinen geliebten E-Reader verliere….

Ich stehe einigermaßen desorientiert herum und überlege, wo ich denn wohl hinmuss. Keine Ahnung, ob ich überhaupt im richtigen Ort bin oder nur in der Nähe. Dunkel, Regen, Wald, ein paar Dörfler, die uns erschreckt anstarren. Es gibt noch zwei Backpacker, die auch Schutz vor dem Regen gesucht haben, sie erwecken mich aus meiner Schreck-Paralyse und fragen, warum ich nicht einfach die Nummer vom Hotel aus dem Internet suche und anrufe. Es klappt sogar und eine fröhliche Stimme verspricht mir : „No problem, don´t worry,wait for me, I´ll pick you up!“ Puh… Nach dem stressigen Tag und der wenig angenehmen Ankunft hätte ich beinahe mein erstes Reise-Tief bekommen – wäre da nicht Mr.Bao. Der fröhliche Besitzer des Valley Lodge lädt mich gutgelaunt in sein Auto, verfrachtet mein Gepäck auf dem Rücken in meine neue Bleibe und vermittelte mir ein richtig gutes Gefühl.

Ich wohne mitten im Dschungel – so der erste Eindruck, ein schmaler Pfad führt durch hohe Bäume, wie ein feiner Vorhang hängen dünne Lianen und Luftwurzeln im Weg, regennasse Blumen sind im Licht der wenigen Lampen, die in den Bäumen aufgehängt sind, zu erkennen. Grillen zirpen, Vögel zwitschern trotz der Nacht. Ich wohne in einer Art Baumhaus, ein Holzbungalow auf hohen Stelzen zwischen den Bäumen. Es gibt nur fünf davon, die anderen kann ich in der Dunkelheit gar nicht sehen.

Mein Hexenhaus ist sehr rustikal: Ein hartes, aber breites Bett mit Moskitonetz,ein schmales Bord und drei Nägel sind die einzigen Möbel. Immerhin gibt es im Klo mit thailändischer Spülung (ein Eimer Wasser mit einem Schöpftopf) auch eine Dusche, aus der ein zum Waschen geeignetes Rinnsal kommt. Und eine funzelige Glühbirne vervollkommnet die Einrichtung. Ich finde es klasse. Wenn ich die Holzläden aufmache (Fenster gibt es nicht), bin ich mitten in den Baumkronen.

Ich tapse zurück zum Restaurant, das auf einer offenen, überdachten Terrasse gleichzeitig Rezeption ist und bestelle mir ein Grünes Curry mit Cashewnüssen. Und ein großen Bier! Ein Affe kommt aus dem Wald und räumt die süßen Opfergaben vom Buddha-Altar neben mir ab, er trinkt sogar die süße Limonade darauf aus dem Strohhalm. Vielleicht ist er ja eine andere Inkarnation Buddhas? Mir geht es jetzt jedenfalls wieder gut. Khao Sok war doch ein guter Einfall.

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