Um sieben Frühstück…schon wieder früh `raus. Aber um 7.30 Uhr kommt der Minibus (schon wieder einer…aber diesmal gechartert und mit freundlich grüßendem Fahrer) und holt mich ab. Mr. Bao hat mir zu der Lake&Cave-Tour geraten und gleich alles organisiert.
Der erste Eindruck von meinen elf Reisegefährten des Tages ist nicht so gut, viele Deutsche, einige mit muffeligem Blick, das soll sich aber später als zum Glück ändern. Wir müssen über eine Stunde fahren, der Nationalpark ist riesig. Eine Viertelstunde vor dem Ziel halten wir noch auf dem lokalen Markt, um letzte Kleinigkeiten zu besorgen. Ich brauche ein paar geschlossene Schuhe, die nass werden können, weil wir durch das Wasser laufen werden. Mr. Bao hat schon alles für mich geklärt, der Guide schleppt mich gleich zum Schuhhändler. Für 70 Baht (2Euro) erstehe ich ein fast kultiges schwarzes Modell: sieht aus wie ein Tennisschuh, ist aber Vollgummi.
Endlich sind wir am Ziel. Unter uns liegt der Chiaw Laan Staussee, der 1982 durch den Ratchaprapha- Staudamm entstanden ist. Ein Foto dieser Landschaft hat mich gleich auf den ersten Seiten des lonely planet schwer beeindruckt und auch nicht mehr losgelassen. Hohe, dicht bewaldete schroffe Felsen und kristallklares Wasser sind die magische Mischung, die mich nicht mehr losgelassen hat. Der Anblick, der sich jetzt bietet, ist noch schöner als erwartet: ein bis zum Horizont reichender hell türkiser See und schroffe , urwaldbewachsene Karstberge. Ich hatte geglaubt, die Landschaft, die ich in Vietnam in der Halong Bay kennengelernt hatte, sei einmalig, aber das hier ähnelt dem verblüffend. Nur das es kein grünes Meer, sondern eben diesen strahlend hellblauen See gibt.
Am Pier liegt eine Handvoll Longtailboote für die verschiedenen Touren, die die Pensionsbesitzer hierher organisieren. Allzu viele Genehmigungen gibt es zum Glück nicht dafür. Eine Stunde lang düsen wir über den See, immer tiefer in diese faszinierende Landschaft hinein. Immer näher rücken die Felsen an das Boot heran. Alle sind in den Anblick versunken, jeder für sich. Allerdings fahren wir mit ziemlich hoher Geschwindigkeit und die Gischt liefert eine feine, aber stetige Dusche.
Endlich sind wir am Ende- oder auch nur am Ufer eines der Nebenarme und Buchten des Sees angekommen.Wie aufgefädelte Perlen sehen die an einem schwimmenden Steg aufgereihten kleine Holzbungalows mit einem Ponton als Pier aus. Übernachtungsmöglichkeiten für die, die eine Zwei- oder Dreitagestour gebucht haben. Wir legen in der Mitte an, dort gibt es ein schwimmende Restaurant, wo wir Mittag essen.Vorher bleibt noch eine halbe Stunde für ein Bad im warmen See. Die Farbe macht jedem Swimmingpool Konkurrenz. Das Wasser ist klar und sauber, der Stausee sorgt schließlich sowohl für Trinkwasser und Energie. Es tummeln sich jede Menge Fische um uns herum.
Wie immer bei den Touren in Thailand gibt es jeweils ein Essen für Vegetarier oder ein anderes. Gut, dass ich kein Vegetarier bin, dann hätte ich den herrlichen, im Ganzen servierten Fisch aus dem See verpasst. Gebacken mit einer leckeren Soße, Ingwergemüse und Reis. Köstlich! Zum Nachtisch aufgeschnittenes Obst.
Eine Viertelstunde verdauen und dann geht´s weiter mit den Booten. Wir sind zwölf Leute pro Gruppe, insgesamt aber aber zwei Gruppen. Allerdings wandern wir versetzt, also nicht als Massenausflug, wie ich schon fast befürchtet hatte.
Wir werden an einem Pfad in den Urwald abgesetzt und beginnen unseren drei Kilometer langen Marsch zur Nam Talu Höhle. Wilde Natur, riesige Bäume, Felsbrocken und immer wieder kreuzen wir den Fluss, der sich in Schlangenlinien durch den Wald windet. Einige versuchen, über Steine und Stämme hinüberzubalancieren, aber das klappt nicht immer. Ich bin heilfroh über meine Gummischuhe, auch wenn es sich nach der ersten Wässerung darin wie in einem Bottich läuft, denn das Wasser kann ja nicht abfließen….
Plötzlich sind wir von hunderten kleinen Schmetterlingen umschwirrt. Die nervösen kleinen Tierchen setzen sich nie, aber sie begleiten uns durch den Fluss bis zum Waldrand, dann kehren sie um. An einem Baum zeigt uns unser dreizähniger, fröhlicher Führer Bom einen Elefantenschmetterling, ein ganz eigenartiges graubraunes Geschöpf, das wie ein Teil des Baumes wirkt – und es hat tatsächlich einen Elefantenrüssel. Bom kichert und gackert und sagt immer wieder „long nose, long nose“ und zeigt auf uns und wieder auf das Tierchen: „Farang-Butterfly!!! Hahaha!“ Er kann sich nicht mehr halten vor Lachen über seinen Witz. Dazu muss man wissen, das Europäer hier in Asien Langnasen genannt werden, und Farang ist das Wort für Fremder/Ausländer.
Besonders die uralten Teakbäume sind beindruckend, sie sind riesig. Einige Exemplare haben so dicke Stämme, dass wir uns als Gruppe darum an den Händen halten müssten, um sie zu umfassen. Immer wieder hören wir alle möglichen Tierlaute, die wir nicht identifizieren können. Ein besonders schrilles Gekreisch stammt von Gibbons, wie Bom erklärt. Wir sehen ein wildes Rauschen in den Kronen, der zum Teil bis zu vierzig, fünfzig Meter hohen Bäume, aber das Grün ist zu dicht, als dass wir die langarmigen Turner sehen können. Als sich schließlich am Wegesrand eine ansehnliche Tarantel sehen lässt, klappt ein Naturhasser und Spinnenphobiker aus dem Ruhrpott fast zusammen. Er musste mit in diesen schrecklichen Urlaub, seine unternehmungslustige Freundin hätte ihn sonst verlassen. Schluss mit Mallorca. Seine schlechte Laune kann man fast anfassen und ich halte mich weit weg von ihm – und seine Freundin tut dasselbe.
Schließlich taucht ein großer Fels vor uns auf und mit ihm der Eingang zur Höhle. Wer es jetzt doch mit der Angst bekommt, wird von einem zweiten Führer wieder zum Boot gebracht, die anderen geben ihre Kameras nun bei Bom ab, der eine wasserdichte Tasche hat und setzen die starken Kopflampen auf. Und schon geht´s in den Berg für die nächste Stunde. Wir klettern über rutschige Felsplatten und durchwaten zunächst flaches, kaltes Wasser. Es fällt verdammt schwer, auf die Füße zu achten, denn es gibt so viel Schönes zu sehen! Buntgeäderte Felsen und glitzernde Stalagmiten in fantastischen Formen, her selten bizarre Stalaktiten, die im Weg hängen. Und immer wieder kleine Höhlen, in denen tausende von Fledermäusen erschreckt in unsere Grubenlampen blinzeln. Im dunklen Wasser schwimmen ein paar Welse herum und an den Wänden hockt langbeiniges Krabbelgetier, das aber offenbar genauso froh ist wie wir, wenn wir uns nicht allzu sehr nähern.
Das Wasser wird zunehmend tiefer, zumindest gelegentlich. Und dann ist es soweit: ein Schritt und: platsch, bis zur Brust drin im schwarzen Nass. Der Untergrund ist abenteuerlich, jeder Schritt muss ertastet werden. Der Gang ist plötzlich nur noch ganz schmal, man muss eine echte sportliche Leistung vollbringen, wenn man hier durch will. Aber es macht unglaublichen Spass und die Höhle überrascht immer wieder mit neuen Anblicken. Es ist auch in keiner Weise beängstigend, wie man vielleicht annehmen könnte. Eher das Gefühl, Teil eines Großen, Ganzen sein zu können. Dann geht es zum Finale. Hinter einer Felsecke finden die Füße dann gar keinen Boden mehr, wir müssen schwimmen, in voller Montur. Ein enger schmaler Tunnel windet sich durch den Berg, bevor schließlich ein Lichtschein verrät, dass wir am Ausgang angekommen sind.
Am liebsten wäre ich gleich wieder umgekehrt, und das geht den meisten so. Es war ein großartiges Erlebnis. Was im übrigen in Europa oder Nordamerika wohl niemals möglich wäre, das wäre sicherheits- und versicherungstechnisch garantiert längst verboten worden. Gut für uns, dass das hier nicht so war…
Nach einem Zwischenstopp zum Baden und Obstessen im schwimmenden Restaurant geht es zurück zu dem Ufer, an dem der Shuttle wartet. Über 165 Quadratkilometer ist der Chiaw Laan groß und vierzig bis neunzig Meter tief. Er wirkt wie wegen des weißen Kalksteins an seinem Grund wirklich wie ein gigantischer flüssiger Türki. Die grün-weißen Karstberge, die unsere Route wie Schluchten aussehen lassen,winken mit ihren Palmen und Baumkronen zu uns herüber. Und die vor über dreissig Jahren im Wasser gestorbenen Riesenbäume scheinen nicht aufzugeben, ihre kahlen Äste ragen noch immer etwas gespenstisch aus dem Wasser.
Ungeachtet des herrlichen Anblicks rast unser Boot in wilder und wegen aufkommenden Windes sehr bewegter und nasser Fahrt eine Stunde lang zurück. Am Himmel hängen plötzlich dunkle Wolken. Es ist inzwischen ziemlich kalt von der unaufhörlich peitschenden Gischt und dem Wind, aber niemand beschwert sich, alle sind noch immer vom Anblick der ungewöhnlichen Landschaft gefangen genommen. Dumm nur, dass nun die zweite, zum Wechseln nach der Höhle mitgebrachte Garnitur Kleider auch klatschnass ist. Wenigstens jetzt hat die Hitze mal wirklich eine angenehme Seite.
Und in meinem Urwald-Domizil wartet nun noch ein leckeres Abendessen bei Mr. Bao auf mich, wo ich den vielen Eindrücken des Tages noch in der restauranteigenen Hängematte nachhänge, bevor ich in meinem Baumhaus unter das Moskito-Netz klettere.