Ein Pickup voller Gemüse ist mein Taxi in die Tanote Bay. Nachdem wir den Ort verlassen haben, geht es mitten über die Berge im Inneren der Insel. Trockener, immergrüner Wald bedeckt die Berge und Felsen. Die Straße wird immer abenteuerlicher, ich muss mich heftig festhalten, um nicht über die niedrige Reling zu fallen, Felsbrocken ragen aus dem ausgewaschenen Sandweg, der sich teilweise beängstigend steil auf- und abwindet. Wo eben noch Touristenrummel war, ist hier nur Hitze und Wildnis. Dann der erste kurze Blick auf Tanote Bay: Ja! Das ist so, wie ich es mir vorgestellt habe: Eine knapp vierhundert Meter lange Strandbucht kuschelt sich an die Berge. Das Blaue Meer umspült ein paar große, dem Strand vorgelagerte Felsblöcke, die der Bucht ihren Charakter verleihen. Fünf Resorts umschließen den Strand. Aber kein einziges großes Haus zerstört den Eindruck der grünen Bucht, dafür gibt es in die Hänge gebaute kleine Bungalows , die sich zum größten Teil noch unter Bäumen, hohen Kokospalme und blühenden Bougainville verstecken. Zum Strand hin öffnen sich sechs Restaurants, geschlossene Räume hat nicht eines davon. Wer von A nach B will muss über den Strand, einen befestigten Weg gibt es nicht.
Ich klappere die Resorts ab, um eine Bleibe zu finden, natürlich ist es nicht so billig, wie auf dem Festland. Aber ich mache einen guten Deal und kann im Diamond Beach in einen kuscheligen Holzbungalow mit einer kleinen Terrasse und Blick durch grüne Baumkronen aufs Meer einziehen. Luftlinie zum Ufer sind achtzig Meter. Der Bungalow ist im typischen Thaistyle eingerichtet: ein großes Bett, ein Stuhl. Fenster zu drei Seiten mit weißen Baumwollgardinen machen ihn angenehm luftig und.Dazu kommt ein frisch gefliestes Bad, natürlich auch Thaistyle – also Klo mit Dusche darüber.
Übrigens – Haus- und Hoftiere habe ich auch….Heerscharen von kleinen Eichhörnchen toben in den Bäumen ums Haus herum, die Zirkaden haben mehrmals täglich (und nächtens) Sängerkrieg. Und auf meinem Dach wohnt wieder einer der zahlreichen Geckos. Inzwischen habe ich mich an die lauten Urzeitschreie gewöhnt, nur manchmal macht er sich einen Spass daraus, sich mitten in der Nacht genau an das Fenster neben meinem Kopf zu schleichen und da mit den unheimlichsten Grunz-, Kräh- und Schreilauten loszulegen, der reinste Stimmkünstler. Der Kerl wird einen Heidenspaß an mir haben: ich steh dann jedes mal im Bett – wörtlich. Die Eidechse in meinem Bad hält wenigstens die Klappe.
Das Diamond liegt neben einer eher teuren Anlage und einer legendären Backpacker-Bleibe, dem Poseidon, das direkt neben meinem Bungalow beginnt. Ich fürchte zuerst, dass es deshalb laut werden könnte, aber weit gefehlt, hier chilllt man bei Raggaemusik und das auch nur bis gegen elf Uhr abends. Dafür gibt es gleich zwei tolle Restaurants in denen man gut essen kann. Die Bucht ist der Traum jedes Gastronomen: zu kaufen gibt es nichts, man muss zwangsläufig alles in den Lokalen konsumieren, was seinen Niederschlag leider in den Preisen findet. Aber da Thailand immer noch relativ billig für Europäer ist, bleibt es erträglich.
Etwas kurios ist noch zu vermerken, dass man bei den Sitzmöbeln der Restaurants hier immer nur die Wahl zwischen extrem unbequemen Stühlen und Holzbänken oder dem Diner im Liegen auf Matratzen hat. Und selbstverständlich gilt auch hier das eiserne Gesetz Thailands: „Take off your shoes!“ Selbst eine Terrasse oder Rezeption wird niemals mit Schuhen betreten. Das geht einfach gar nicht. In keinem Gebäude, Restaurant, Büro, Laden, nirgends.
Das Leben in der Bucht gleicht einem geschlossenen Mikrokosmos. Innerhalb kürzester Zeit baut hier jeder sein eigenes soziales Umfeld auf. Per Schneeballsystem lernt man immer mehr Leute kennen und hat schnell „so ein Gefühl, dazuzugehören“. Die Kellner, Köche und Angestellten gehören bald genauso zur „Familie“ wie andere Reisende. Und außerdem kommen noch zahlreiche, freilaufende, liebenswerte Hunde und Katzen zur Tanote-Familie dazu.
Diese Art von Gemeinschaft ist angenehm, denn man kann allein bleiben, essen, schwimmen , aber man kann es auch in Gesellschaft tun. Zum Essen verabredet sich kaum jemand, denn wenn man Gesellschaft sucht, braucht man nur kleinen Rundgang zu machen, und zu schauen, wer wo sitzt. Dann kann man sich immer noch entscheiden, wo man mit wem essen möchte oder ob man sich lieber allein auf eine Matte fläzt. Der Blick in die Sterne und auf das nächtliche Meer mit den erleuchteten Booten der Krabbenfischer bleibt immer.
Ohne es recht zu beabsichtigen habe ich schnell ein Lieblingsrestaurant für die Abende gefunden: Lais Beach Bar. Eine Art Holzhaus auf Stelzen, auf einen Felsen gebaut. Wände hat nur die Küche, eine Tür gibt es nicht. Der erste Stock besteht aus einem zu allen Seiten offenen Holzdeck mit flachen Tischen. Gesessen oder gelegen wird auf dem Boden, der Blick aufs Meer ist herrlich. Unten gibt es noch vier Kerzenlicht beleuchtete Tische direkt auf dem Strand, zehn Meter vom Wasser entfernt. Da kann man auf echten Stühlen sitzen. Die Küche ist sehr lecker, zum Teil höllisch scharf und zusätzlich gibt es oft frischen gegrillten Fisch. Barracuda schmeckt mir am besten! Und Lai, die Chefin selbst ist ein echtes Original: charmant, quirlig und geschäftstüchtig. Kaum kommt man auch nur in Sichtweite schallt einem schon entgegen „Halloooo! Where you going? Come in, take a seat, my friend!“
Die Ressorts gehören alle Thais, zwei sind direkt familiengeführt. Ich bin allerdings doch etwas schockiert, als ich mitbekomme, dass fast alle Angestellten Burmesen sind. Manche werden ein bißchen wie Sklaven gehalten, das ist leider nicht zu übersehen, bei anderen geht es zum Glück etwas weniger harsch zu. Insgesamt leben drei Millionen Burmesen in Thailand – zumeist illegal. Die thailändische Regierung versucht das Problem in den Griff zu bekommen und hat eine Möglichkeit geschaffen, dass sich die Illegalen Einwanderer melden konnten, um ihren Status legalisieren zu lassen. Damit haben sie dann Anspruch auf den neuen thailändischen Mindestlohn von 300 Baht pro Tag (etwa neun Euro). Allerdings haben das wohl viele gar nicht verstanden oder es fehlte ihnen das Geld für den Antrag, und so bleibt das Problem ein Problem. Hier in der Bucht sind jedenfalls ungefähr über 80 Prozent der dienstbaren Geister aus Myanmar. Teilweise sehen sie ihre Familien jahrelang nicht, sie arbeiten sieben Tage die Woche.
Zu den Schattenseiten dieses kleinen Paradieses gehört auch noch der Müll, der täglich an den Strand gespült wird. Nicht so viel wie ich es in Vietnam erlebt habe, aber auch nicht zu übersehen. Plastik, Plastik, Plastik…Es ist deprimierend.
Trotzdem, noch ist Tanote Bay eine echte kleine Strandoase, in der das Leben sehr entspannt ist. Niemand rennt oder läuft auch nur schnell, die Menschen sind freundlich. Immer wieder bin ich beeindruckt,wieviel gelächelt wird und dass es absolut selbstverständlich zu den täglichen Umgangsformen gehört, sie zur Begrüßung, bei einer Bitte oder einem Danke voreinander mit gefalteten Händen zu Verbeugen. Das verhindert unbedachte Unhöflichkeiten von vornherein und macht alles ein wenig netter.
In gewisser Weise scheint die Zeit hier Pause zu machen. Wohin man auch schaut – auf´s Meer oder auf das Hinterland, man ist umgeben von Schönheit und Natur. Das ist es, was mir gut tut und weshalb ich auch beschließe, meine Rundreise hier zu beenden und einfach mal den Stecker zu ziehen. Nichts tun, einfach nur sein. Da sein und alles in sich aufnehmen. Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen oder nicht mal das. Nur genießen und ausruhen vom Alltag.
Und außerdem – das muss natürlich dazugesagt werden, habe ich mir für meinen Aufenthalt hier ja noch ein besonderes Bonbon aufgehoben: Ich will endlich wieder tauchen. Mein Debüt ist ein Jahr her, aber die Sehnsucht nach mehr ist nicht abgeklungen. Auf ins Abenteuer!