Ciao Mato Grosso – Hallo Mato Grosso do Sul

Bevor ich mich von dem zuerst so unwirtlich erschienenen Vila da Rota da Agua und Bom Jardin verabschiede, soll noch eine kleine Charme-Episode nachgetragen werden.

Am Abend unseres letzten Ausfluges waren wir noch keine halbe Stunde in unserer Pousada, als die Sekretärin mit einer Frau aus dem Dorf vor unserer Tür stand. Man wollte uns nur aufklären, dass Anna manchmal verschiedene Grillspieße und Beilagen vorbereite – für alle, die Lust darauf hätten. Wir könnten auch gern bei ihr, gleich in der Nachbarschaft, zu Abend essen, wenn wir denn Appetit hätten. Anna, die Freizeitwirtin, nahm dann auch gleich unsere Wünsche auf.

Eine halbe Stunde später saßen wir an einem wackeligen Plastiktisch vor der Schlosserei nebenan und tafelten vorzüglich unter den glücklichen Blicken der kompletten Großfamilie samt Anhang. Drei verschiedene Grillspieße, Maniok, Kartoffeln, Reis, Farofa und Vinagrete – besser sieht´s in keinem guten Restaurant aus! Zwischendurch hielt immer wieder mal ein Motorrad neben dem Grill, um etwas zum Mitnehmen zu ordern, so eine Art innerdörflicher Drive Thru.

Wir wurden neugierig ausgefragt, woher wir denn kämen. Anna strahlte: Dann könne sie ja jetzt sagen, sie habe sogar Gringos unter ihren Gästen bewirtet! Eigentlich ist Anna Friseurin, aber der Laden wirft wohl in diesem Dreiseelen-Dorf nicht so viel ab. So verdienst sie sich eben am Grill was dazu. Lizenz? Restaurant? Wen interessiert das hier. Das Leben kann so einfach funktionieren. Als wir ihren Mann fragen, was er arbeitet, antwortet er: Eu não! Ela fez. – Ich nicht. Sie macht. So oder so ähnlich habe ich das hier schon öfter erlebt. Die Männer leben vom ihren Frauen, die alle sehr erfinderisch und fleißig sind. Immerhin ist er unser Bier holen gegangen. Auch Arbeit. Wir posieren noch für´s Gringo -Foto und gehen mit vollem Bauch und einer schönen Erinnerung mehr ins Bett. Ciao, du Nest am Ende der Welt, es war schön.

In der Nach hat es zu schütten begonnen und wir haben schon ernste Bedenken, ob wir bei so viel Wasser noch aus dem Dorf kommen mit unserem Auto, das keinen Vierradantrieb hat. Wir fahren drei Stunden eher los als geplant, schließlich müssen wir in Cuiabá das Flugzeug erreichen. Es ist eine echte Zitterpartie durch tiefen Schlamm und kleine Seen, aber wir schaffen die elf Kilometer bis zur Asphaltstraße.

In Cuiabá bleibt uns noch Zeit für einen Abstecher in die quirlige Stadt. Wir waten im Regen durch knöcheltiefes Wasser. Dafür ist es nicht so heiß, wie wohl sonst meist hier – Cuiabá gilt als Grill von Mato Grosso. Im alten Teil des Zentrums essen wir noch etwas und dann wird es auch schon Zeit, von Mato Grosso Abschied zu nehmen – Mato Grosso do Sul wartet.

In Campo Grande erwarten uns Ceila und Cezár am Flughafen, unsere Gastgeber des AirBnB- Zimmer für diese Nacht. Ein betuchtes Lehrerpaar, das nur vermietet, um Leute kennenzulernen und etwas Unterhaltung in den wohl recht eintönigen Alltag zu bringen. Wohlsituiert, großes Haus, zwei weitere vermietete Häuser, Tochter als Anwältin in Europa verheiratet. Sie sind sehr kommunikativ und schon fast ein bisschen zu fürsorglich, aber für einen Abend ist das sehr nett.

Bei der abendlichen Stadtrundfahrt sind wir einigermaßen verblüfft: Campo Grande wirkt wie eine mittlere Stadt in den USA.

Breiter zentraler Highway, relativ große gepflegte Gebäude mit Läden und Restaurants. Alles pieksauber und ordentlich. Giga-Supermärkte und Shopping Malls. Dagegen wirkt São Paulo wie ein chaotischer, schmuddeliger Moloch. Ist das hier wirklich Brasilien?!

Im Überschwang ihrer Begeisterung beschließen unsere Gastgeber noch für ein spätes Churrasco zu Hause einzukaufen. Ich werde Guacamole beisteuern, das kennen sie nicht. Flugs werden noch Freunde eingeladen und um kurz vor Mitternacht wird im Garten gegrillt. Die Damen werfen sich dafür zu meiner Irritation noch in Schale. Gastgeber und Freunde sind standesbewußte, gehobene Mittelklasse, also lieber keine tiefgründigeren Gespräche, das wird schnell klar – spätestens nach ein paar entsprechenden Bemerkungen über faule Baianos und Einwanderer. Freund für´s Leben werden das sicher nicht, aber es war dennoch ein netter Abend. Und morgen früh geht’s weiter nach Bonito.

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