13. Unter Buddhas Schutz

Nach dem Aufwachen bleibe ich noch etwas eingemummelt in meinem Bett, schlürfe meinen Espresso und schaue dem langsam lichter werdenden Nebel draußen zu. Schließlich wage ich mich, mit nur zwei Kleidungsschichten, in den neuen Tag. Ich schnappe mir noch eine herrlich aromatische Banane aus dem hauseigenen Garten, die immer für die Gäste daliegen, und mache mich strammen Schritts auf ins Dorf.

Ich genieße den Blick am Wegesrand. Aber einen Ort zum Frühstück finde ich ierstman trotz einiger Restaurants oder Cafés auf dem Weg nicht, denn sie sind erstens leer und zweitens ist die Hälfte davon so clean organic healthy, dass ich opportunistische Lust auf irgendwas Bodenständiges habe, ohne Weizengras und Pu-Err-Tee. Zwei perfekt gestylte amerikanische Läuferinnen eilen gazellengleich an mir vorbei, lange davor und danach hallt mir ihr ununterbrochnes, schrilles “ Oh, sooo great!“ im Ohr. Bei allem Respekt, Ladies, da ist mir das Muhen der Kühe auf der Wiese vor der Brücke doch lieber. Passt irgendwie besser in die Landschaft.

Am Berghang über mir thront majestätisch der Weiße Buddha, eine der Sehenswürdigkeiten hier und ein wichtiger Ort für die Buddhisten unter den Einwohnern. Weise scheint er da oben zu meditieren und im Blick zu behalten, was wir kleinen Menschlein hier unten so treiben.

Schließlich bin ich im Dorf angekommen und schlendere ein bisschen kreuz und quer. Der bis vor wenigen Jahren kleine Ort, übrigens die älteste Ansiedlung hier, ist offensichtlich ganz schön in die Breite gewachsen. Zwar ist alles noch überschaubar und nicht allzu hektisch, aber irgendwie bedaure ich, nicht vor dem großen Boom der Partyfreunde und Wanderesotheriker hier gewesen zu sein. Ich besichtige noch den größten Tempel samt Pagode, zumindest von außen, denn leider ist er geschlossen.

So langsam bin ich ziemlich hungrig und suche nun ernsthaft nach einem Frühstück. Ich entscheide mich für ein winziges Café,  das mit poschierten Eiern auf Avocado mit echtem Baguette wirbt. Ich frühstücke gemütlich und grummele immer noch etwas in mich hinein wegen der verpassten Möglichkeit auf eine gute Trekkingtour. Was mache ich nun an meinem letzten Tag in Pai….

In meinem Hinterkopf formt sich eine Idee. Ich stelle fest, dass ich nun irgendwie doch anfange, das Rollerfahren mit dem Unfall zu verbinden, auch wenn das so ja gar nicht stimmt. Und eigentlich habe ich keine Lust, eine neue Angst, die mir dann irgendwann in der Zukunft im Wege steht.

Die nette Berlinerin gestern hat mir von einem eigenwilligen Typen hier erzählt, der zwar, wie viele hier, vom Rollervermieten lebt, der da aber offensichtlich eine Mission damit verbindet. Nicht nur weißt er seine Kunden ungewöhnlich gründlich ein, sondern er glaubt auch nicht, dass sie sicher fahrfähig sind, bevor er sich nicht ausgiebig davon überzeugt hat.

Klingt nach meinem Mann. Also Schultern gestrafft und den Laden gesucht. Der Typ guckt mich an und sagt doch glatt: In Ihrem Alter sollte man nicht mehr Roller fahren lernen, die Reflexe könnten zu langsam sein…. Wer mich kennt, kennt auch den süss verpackten Killerbienenblick, mit dem ich denn Mann nun bedenke. Jetzt hat er meinen Kampfgeist gedopt!

Ich erkläre ihm, dass ich bereits Roller fahren kann, und auch nur einen mit wenig PS möchte. Mein lädiertes Auge ist unter meiner großen Sonnenbrille nicht zu sehen, muss also nicht erklärt werden. Daraufhin ist er einverstanden, aber wie alle muss ich probefahren, die Seitenstraße vor dem Laden immer auf uns ab. Da kurven schon einige andere rum. Er schaut immer mal zu und horcht auf die Motorgeräusche. Ein echter Sicherheitsfreak. Aber gut so! Hier fahren genug Verrückte durch die Gegend.

Der Mann lässt mich fast eine halbee Stunde kreisen, dann darf ich los. Die letzte Warnung gilt den Touristen aus dem Nachbarland: Ich soll mich vor den Chinesen auf Scootern in Achtr nehmen, die sind gefährlich….Er malt mir eine schöne Route auf, die keine unbefestigten Straßen einschließt, weil ich das nicht möchte. Berge und Kurven finde ich herausfordernd genug! Also macht sich Moto-Granny auf. Hier muss man schon ganz shön aufpassen, weil hier wesentlich mehr Verkehr herrscht als auf meinem Inselchen, inklusive großer LKW.

Zuerst fahre ich noch etwas angespannt, langsam sowieso, aber dann werde ich langsam wieder etwas lockerer. Ich komme an der Memorial Bridge vorbei, die die Japaner im 2. Weltkrieg hier für ihre Truppentransporte über den Fluss gebaut haben und an einem knallbunten Disneylandverdächtigen Etwas am Straßenrand. Ich schaue auf die Karte und erfahre, dass dies ein chinesisches Dorf mit dem Namen Santichon ist, das allerdings in der Tat etwas zu sehr für die Augen der Besucher gepimpt worden ist. Ich halte kurz an und schau ein bisschen, weil alles so schön bunt und glitzernd ist, besonders gefällt mir die Drachenbrücke. Trotzdem habe ich keine große Lust, lange zu verweilen. Als ich nach einer dreiviertel Stunde endlich von der großen Straße abbiegen kann, bin ich endgültig entspannt genug, um die Landschaft und die tollen Aussichten zu genießen.

Ich mache eine Pause bei einem Elefantencamp und schäkere ein bisschen mit dem Dickhäutern. Danach gibt es Eiskaffee in einem der teuersten Ressors ganz oben auf dem Berg, fernab des Pöbels. Am schönsten ist aber die Aussicht von einem ausgedehnten Hochplateau, das mit gelbblühenden Feldern bedeckt ist. Von hier schaut man auf der einen Seite auf einen rötlich bewaldeten hohen Bergzug und auf der anderen Seite auf ein schier endloses Panorama entfernter Bergketten bis zum Horizont. Jetzt glaube ich, dass das hier in die Ausläufer des Himalaya übergeht, wie ich es gelesen habe. So schön!

Zufrieden tuckere ich nach zweieinhalb Stunden wieder nach Pai und liefere die alte Mühle ab, die mir der misstrauische Mann zugeordnet hat. Er freut sich jetzt und ich mich auch! Trauma gebannt und Schönes erlebt.

Über meinen Abend zu schreiben ist müssig, es wäre nur wieder eine erweiterte Speisekarte….Mit einem Bier im Rucksack lasse ich mich von meinem schon bewährten Motorradtaxi von gestern nach Hause fahren und genieße meine letzte Nacht hier mit Blick auf die silberne Mondsichel über den Bergen.

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