12. Entdeckerfieber

Die Zeit läuft, nur keine unnötigen Pausen… Der Morgennebel ist noch nicht mal von der Sonne vertrieben worden, als ich schon mit Rucksack und allem, was ich übereinanderziehen kann, am Eingang stehe und darauf warte, abgeholt zu werden zur Exkursion. Als der offene Pickup ankommt, muss ich mir ein Foto verkneifen: alle 6 anderen Teilnehmer, die bereits auf den Bänkchen hocken, sind mit demselben „Zieh- einfach-alles-an-und-schau- nicht-hin“-Stil angezogen. Es ist sooo kalt!

Die Feuchtigkeit macht alles noch schlimmer, aber die Sonne kämpft sich durch den dichten Nebel, als wir losfahren. Mittags ist es dann heiss. Erstes Ziel sind die 55 Kilometer entfernten Höhlen Tam Nam Lot. Schon wieder Kurven! Und diesmal seitlich zur Fahrtrichtung sitzend, ohne nach vorn schauen zu können. Wir vertreiben uns die Zeit damit, uns bekannt zu machen: England, California, Israel, France, zweimal Berlin. Gute Mischung.

Der Blick nach hinten, der einzige, den wir haben, ist wieder genauso schön, wie gestern, Berge, Berge, Berge und wilder Urwald. Endlich rumpeln wir über den letzten Wegabschnitt zu den Höhlen. Ich bin erschrocken, wie viele Autos hier schon stehen, und fürchte, vor lauter Leuten die Höhle nicht zu sehen. Dann geht es los, begleitet und bewacht von unseren mit Petroleumlampen ausgestatteten Führern.

Unglaublich! Diese Höhlen sind riesig! Drei verschiedene große Felshallen, die durch verschlungene Gänge miteinander verbunden sind. Mittendurch fließt ein Fluss. Die Menschen sind darin wie Ameisen und das Gewimmel stört überhaupt nicht. Man muss sehr aufpassen, wo man hintritt, denn der Untergrund ist gefährlich und bietet hundert Gelegenheiten zu stürzen. Halsbrecherisch steile Treppen verbinden die verschiedenen Höhlen, teilweise muss man über schwankende Bambusstege, die auf Sandsäcken liegen, balancieren. Der deutsche TÜV hätte den Laden längst geschlossen.

Gut, dass der hier nichts zu sagen hat, es wäre zu schade, wenn man hier nicht durchstreifen könnte. Manche Räume sind klein und eng, dann wieder tun sich Kathedralengroße Hallen auf, in denen Stalagniten und Stalagtiten in jeder Größe zu bewundern sind, glitzernde Mineralablagerungen, die wie Wasserfälle aussehen. Dazwischen bizarre Felsskulpturen. Eine sieht aus wie ein Krokodil, daneben hockt eine steinerne Schildkröte.

Man muss dicht bei den Führern bleiben, denn es ist wirklich stockdunkel. Aber der Geruch des verbrannten Petroleums ist ziemlich intensiv und etwas übelkeiterzeugend. Nach einer Weile steigen wir am Fluss auf lange, schmale Bambusflöße, je vier Personen und die beiden Führer, die das Floß fahren. Es ist ein toller Anblick, all die Boote auf dem dunklen Fluss mit den schwankenden Lichtpunkten der Laternen still durch die Höhlen fahren zu sehen. Ein bisschen wie im Märchen.

Im Wasser tummeln sich große, graue Fische und oben kreischen hunderte von Fledermäusen. Wir fahren bis zu einem Ausgang der Höhle, der sich plötzlich strahlend im Sonnenschein präsentiert. Aber noch ist die Tour nicht zu Ende, von hier aus geht es weiter in einen anderen Teil der ca 600 Meter langen Höhle. Hier wurden Artefakte gefunden. Holzsarkophage, die mindestens 800 bis 1000 Jahre alt sind und hier einfach so herumliegen, ungesichert, ungeschützt. Und ein paar 2-3000 Jahre alte Höhlenmalereien gibt es hier auch.

Die lange Fahrt hat sich gelohnt, es ist wirklich beeindruckend. Wieder an der Oberfläche, werden wir mit Mittagessen Thai-Style in einem offenen, sehr rustikalen Lokal unter Bäumen versorgt. Und schon geht es weiter, wir haben noch einiges vor bis Sonnenuntergang.

Nächstes Ziel: Der Wasserfall Mor Paeng. Der wahre Preis für diese Entdeckungen sind nicht die 12 Euro, die der Ganztagesausflug mit Essen und Nationalparksgebühren alles ein allem kostet, sondern die langen Schaukelfahrten von Ort zu Ort. Aber ich hätte auch keine Lust, das alles selbst abzufahren auf den durchaus sehr befahrenen aanstrengenden Bergstraßen.

Der Wasserfall ist einer der eher sanften Art, der sich über einen breiten, abgeflachten Felsen in ein Bassin ergießt. Schön anzusehen, aber nichts so besonderes. Immerhin eine erfrischende Pause.

Weiter geht es zu den Hotsprings. Genau genommen, einer davon, um Pai gibt es nämlich mehrere Thermalquellen. Und einige verlangen 300 Baht Eintritt. Nicht so diese. Bei Sai Ngam fließt das aus dem Boden kommende warme Quelwassee in einen Fluss, der sich zu einem breiten naturbelassenen Badebecken unter Bäumen verbreitert. Besonders heiß ist das Wasser hier allerdings nicht, eher angenehm warm. An anderer Stelle sollen sie bis zum 80 Grand heiss aus dem Boden kommen.

Badepause, entspannen. Ich habe mir extra ein riesiges wasserfestes Pflaster für meinen Arm besorgt, das Baden lasse ich mir hier nicht entgehen. Inzwischen bin ich übrigens eher bunt als blau im Gesicht, und in meinem linken Auge ist sogar wieder eine normale Iris vor inzwischen blassrotem Hintergrund auszumachen. Alles wird gut.

Letztes Ziel für heute: der berühmte Pai Canyon. Wir sind rechtzeitig vor Sonnenuntergang da und können in Ruhe vorher noch ein bisschen herumlaufen und staunen. Es ist unglaublich schön: gelber Lehmboden, tiefe Abbrüche, auch auf dem Weg schlängeln sich tiefe Spalten auf dem Hochplateau, bizzare Felsformationen und rötlich schimmernde steile Felswände. Einfach wunderschön!

Allerdings bleibt mir ein großer Teil der Pfade auf dem Kamm verschlossen, denn dahin gelangt man nur über aberwitzig schmale, glatte und völlig ungesicherte Pfade – rechts und links der Abgrund. Und so bleibe ich, leise weinend, mit meiner Höhenangst und all denen, die dasselbe Problem haben, auf dem uns zugänglichen Teil zurück. Ich kann nicht glauben, dass hier noch keiner abgestürzt sein soll. Es sieht unglaublich gefährlich aus!

Trotzdem, ich genieße diesen großartigen Ausblick und das strahlend orange Licht des Sonnenuntergangs! Einziger Minuspunkt: viel zu viel Leute! Es ist die Sensation hier und viele kommen mit dem Roller aus Pai für diesen Augenblick.

Neun spannende Stunden sind vorbei und ich lasse mich im Ort absetzen, um wieder auf der Walking Street zu schlemmen. Diesmal entdecke ich leckere süße, gegrillte schwarze Klebreisfladen mit Sesam gefüllt, zubereitet von zwei bis auf die Augenschlitze tief verschleierten Frauen. Es gibt hier einige Muslime, viele sind irgendwann aus Burma hierher geflüchtet. Aber hier geht das Nebeneinander von Muslimen, Buddisten und Hindus ganz gut, wenngleich man auch lieber unter sich bleibt.

Zwischen meinen einzelnen Gängen suche ich verzweifelt Veranstalter von Trekkingtouren. Denn das wünsche ich mir für Tag Zwei. Endlich finde ich zwei und die telefonieren sogar noch herum, aber das Problem ist, dass es für den nächsten Tag nur meine Anmeldung gibt und mit einer Person machen sie das nicht. Und dabei wäre es eine so schöne 6-Stunden-Tour. Zu drei Dörfern der hier lebenden Minderheiten, den Lisu, den Lahu und den Karen. Und zum Schluss noch einen Wasserfall zum Baden.

Ich weine fast vor Enttäuschung, aber das hilft nichts. Immerhin tue ich dem Veranstalter, selbst ein Karen, leid genug, dass er mich für 50 Baht mit dem Roller durch die Nacht nach Hause fährt. Noch ein Kummerbier auf meiner nächtlichen Terrasse und dann schön warm einrollen….9

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