6 – Welcome to Pratchuap Khiri Khan

Mein bestelltes Motorrad ist chon eine halbe Stunde zu früh da…. Uralter Opi, freundlich und fast zahnfrei grinsend. Konnte wahrscheinlich nicht mehr schlafen. So bleibt mir am Pier noch Zeit, mir einen sticky rice für ein späteres Frühstück zu kaufen. Das Speedboat kommt pünktlich von Festland, ich frage mich, wie da 35 Passagiere samt Gepäck raufpassen sollen. Aber wie immer geht das, allerdings ist das beladen und Einsteigen nicht für Ältere oder Behinderte vorstellbar, es ist ein echter Balance-Akt!
Das Boot rast über das Meer, den Bug steil in den Wind, so dauert es nur gute vierzig Minuten, statt zweieinhalb Stunden mit der Fähre. Kaum angelegt brüllt auch schön ein Mann „To Bangkok!! To Pratchuap Khiri Khan“. Niemand sagt einem, wie es geht, aber es funktioniert. Per Van werden wir vier Passagiere zum Busbahnhof gekarrt. Und eine gute dreiviertel Stunde später geht die Minibus-Reise dann los. Zumindest sieht der Fahrer noch einigermaßen vertrauenerweckend aus, das ist bei diesem Berufsstand schon mal was. Und ich brauche nicht mal das angedrohte zweite Ticket für meine Reisetasche zu bezahlen…
Alles Thais, außer mir. Er lädt zehn Minuten später noch Frau und Kind ein, kommen mit Sack und Pack auf den Beifahrersitz. Neben mir setzt sich eine ältere Frau neben einen älteren Mann, beide kennen sich nicht. Aber sie unterhalten sich die nächsten vier Stunden, bis der Mann aussteigt, ohne Punkt und Komma. Und das laut. Und ehrlich gesagt, bohrt sich lautes, schnelles Thai mächtig in die Gehörgänge. Aber immerhin habe ich es in die zweite Reihe geschafft – Kenner wissen: etwas mehr Beinfreiheit und Zugriff auf die Schlitze der gnadenlosen Klimaanlage!
Trotzdem werden es lange fünf Stunden, bis wir endlich ankommen. Die Route führt einmal quer durch das Inland von einer Küste zur anderen. Und wieder: Grün, grün, grün in tropischer Dichte. Mal Wald, mal Kokosplantagen, mal Obstbäume. Wenn ich eine Farbe nennen sollte, die ich mit Thailand verbinde, dann ist das Grün. In Brasilien wäre es eher: Bunt. Aber hier nicht.
Unterwegs habe ich mir eine Guesthouse-Adresse aus dem Netz gefischt. Am Busbahnhof von Pratchuap Khiri Khan springt ein Taxifahrer auf mich zu. Er will 250 Baht. Am Ende einigen wir uns auf 180. Manchmal ist diese Handelei anstrengend.
Der Weg in die Innenstadt führt durch eines dieser riesigen bunten, goldglänzenden Tore mit Gottheiten und Fabelwesen, wie ich sie schon oft hier gesehen habe. Die sehen wirklich sehr schön aus! Ein kleines bisschen aber auch nach Disneywelt… Nach kurzer Fahrt setzt das Taxi mich in einer kleinen Nebenstraße vor dem Guesthouse ab. Die Wirtin schaut überrascht: You booking? Nö, aber will Zimmer. Kein Problem, eins der vier ist frei. Während das ladenähnliche, zur Straße wandlose Untergeschoss eher schäbig aussieht und ich auf dem Weg nach oben Zweifel bekommen, weil „heruntergekommen“ wohl der richtige Begriff ist, bin ich total erstaunt, als ich das Zimmer sehe. Blitzsauber, einfach, aber nett eingerichtet. Es gibt zwar nur ein Klo unten für das ganze Haus, aber was sollś.
Und irgendwie mag ich Olé, die hagere, lebhafte Wirtin, die so gern lacht, ihren langhaarigen Bruder, der wie ein Musiker aussieht, und ihren Mann(?). Es gibt vier Tische vor und in der improvisierten Lobby, die Hälfte auf dem Bürgersteig.

Ausschankgenehmigung hat sie offensichtlich keine, Bier und ähnliches wird mal eben klammheimlich nebenan durch ein Gitter aus einem Privathaus verkauft. Aber eine kleine Espressomaschine hat Olé! Yeah!
Ich bin total erledigt, sie quetscht mich in den Liegestuhl vor dem Haus und macht mir einen riesigen geeisten Cappuccino. Nach einer halben Stunde bin ich wieder fit. Sie vermietet mir ein Fahrrad, das erstaunlicher Weise mal Erwachsenengröße hat. Nur die Vorderbremse hat’s in sich: Einmal bremsen, fast über den Lenker gegangen. Keine Bremse, eine Sofortblockade. Hier ist das irgendwie Prinzip, wenn man irgendwas mietet: Im Prinzip funktioniert alles, ABER….. irgendetwas ist immer.
Ich drehe eine Kennenlernrunde durch diese gemütliche und tatsächlich noch erstaunlich authentische kleine Stadt. Ich sehe zwar Touristen, aber um die wird kein Wirbel gemacht, die müssen sich einpassen. Die Atmosphäre ist angenehm entspannt.
Mein erster Weg führt zum großen Tempel. Es ist bereits Sonnenuntergang und das Gold werden angestrahlt – ein wunderschöner Anblick. Ich höre den schon bekannten Singsang einer Messe. Menschen kommen, knien vor einem kleineren Buddha vor dem Eingang nieder und legen kunstvolle Blumengestecke und Räucherstäbchen ab.

Hinter dem Tempelgelände erhebt sich ein Berg, auf dessen Kuppe ein riesiger weißgoldener Tempel prangt. Khao Chong Kra Chok heißt dieser Tempelberg, den man über 396 steile Stufen auch erklimmen kann. Aber bei der Hitze habe ich dazu nicht wirklich Lust, und auch von hier unten ist der Anblick beeindruckend.
Ich fahre weiter, vorbei am Blumenmarkt, der am Rand dieser Hauptstraße aufgebaut ist, was trotz des fließenden Verkehrs irgendwie funktioniert. Ich fahre unten am Tempelberg entlang zu Meer. Und auf einmal traue ich meinen Augen nicht: der Berg scheint zu leben! Tausende Affen rasen die steilen Hänge hoch und runter und bevölkern auch die Straße. Mir ist das etwas unheimlich, so lustig das aussieht, denn ich weiß, dass die Affen in Asien oft ziemlich frech und aggressiv sind. Aus gebotener Distance schaue ich dem Treiben eine Weise zu, bevor ich mich wieder auf das Rad schwinge und brav im Linksverkehr weitergondele. Vor mir das abendlich graue Meer und am Horizont links und rechts hoch aufragende Felseninseln. Ein schöner Anblick!
Mein eigentliches Ziel ist der Samstags-Nachtmarkt auf der Strandstraße. Gerade ist es dunkel genug, dass die Buden ihre Lichterketten und Lampen einschalten, diesen Anblick liebe ich. Es gibt auf diesem besonderen Wochenendmarkt eine Menge Buden, die Taschen, Technik und Bekleidung anbieten, das gehört eigentlich nicht zu den traditionellen Nachtmärkten.
Meine Motivation herzukommen ist eine andere: Nirgends isst man so gut und billig in Thailand, wie auf den Nachtmärkten. Hier gibt es alles von Meeresfrüchten, über Fleisch – gegrillt, gekocht, gebacken, vegetarisches Essen, Teigtaschen, Gemüse, Obst, Suppen und so weiter bis zu knallbunten Nachtischen. Leider fehlen diesem Nachtmarkt die provisorischen Tischchen, an denen man sonst essen kann. So bekommt man hier alles in Styropor, Plastik oder meistens einfach Plastiktüten (bis zu den Suppen und Soßen!) und muss dann sehen, wo und wie man das essen kann.
Ich entscheide mich für die Kaimauer. Allerdings habe ich so meine Probleme mit fünf Tüten voller matschiger oder flüssiger Speisen. Die Ente und die Fleischspießchen sind ja noch zu händeln, aber der Rest gestaltet sich eher schwierig. Es schmeckt phantastisch, aber ich sehe aus wie eine Zweijährige nach dem ersten Messer- und Gabelversuch… trotzdem lecker!
Den Rest des Abends verbringe ich nach einer weiteren kleinen Fahrradrunde im Liegestuhl vor dem Baan Khlong Son Guesthouse. Es ist irgendein Feiertag und die Thais sitzend trinkend und feiernd draußen, die Stimmung ist prächtig. Die Musik kommt aus dem Bluetooth-Lautsprecher.

Verrückt: ich sitze mit einem großen Chang im Liegestuhl in einer Straße mitten in einer Thailändischen Kleinstadt und höre Louisiana-Blues! Wieder so ein besonderer Moment, den ich in den Alltag mitnehmen werde…