Frühes Aufstehen ist hier meine beste Kür, Schlaf völlig überbewertet. So bin ich schon um kurz nach sieben bereit für mein Frühstück, was hier inklusive ist. Wer hier reist und ungern Eier mag, hat es eher schwer. Also wähle ich aus, ob Rührei, Spiegelei oder Omelett, dazu gibt’s Toast, Marmelade und Obst. Und guten Kaffee. Reicht bei der Hitze, die schon am frühen Morgen loslegt.
Für heute habe ich große Pläne: Ich will in den Nationalpark Khao Nam Roi Yot, der zwischen den Städten Hua Hin und Pratchuap Khiri Khan an der Küste liegt. 100 Quadratkilometer geschützte Landschaft, inklusive Berge und Meer. Ich habe tolle Bilder von Höhlen gesehen, die sind mein Ziel. Der Lonely Planet hat mir diesem Ausflug schmackhaft gemacht. Und da auch sein Tipp, nach Pratchuap Khiri Khan zu fahren, gut war, vertraue ich ihm.
Ich habe nur zwei Möglichkeiten, dorthin zu kommen: mit dem Taxi oder dem Roller. Man muss mich nicht besonders gut kennen, um zu wissen, wie ich mich entschieden habe, obwohl ich diesmal gezögert habe, immerhin sind es fünfzig Kilometer dorthin. Trotzdem…
Olé hat mir einen Roller organisiert, einen, der ein bisschen kräftiger und schneller ist, schließlich geht es auch in die Berge. Um halb neun bin ich schon unterwegs. Zuerst rund 30 Kilometer auf dem Highway. Keine Frage, dass das hier erlaubt und normal ist. Es gibt sogar eine Bike-Spur. Allerdings ist die öfter nicht befahrbar: Mal parken hier Fahrzeuge, mal liegen Tiere herum, mal sind irgendwelche Gegenstände oder zerfetzte Reifen im Weg. Gelegentlich kommen auch andere Roller oder Lastenfahrzeuge als Geisterfahrer auf einen zu: Sie haben keine Lust, bis zu einer offiziellen Wendestelle zu fahren, um an ihr Ziel zu kommen.
Zuerst macht mich das ziemlich nervös, bis ich feststelle, dass die Autos, große LKW inklusive, damit rechnen und das ganz normal finden, dass man auf deren Fahrbahn einbiegt. Ein Hoch auf die gegenseitige Rücksichtnahme. Beeindruckend. Obwohl es schon ein seltsames Gefühl ist, neben so einem Sattelschlepper herzufahren.
In der Stadt Kui Buri führt mich das GPS auf Landstraßen. Lästig, wenn man immer extra anhalten muss, um auf das Handy zu schauen. Aber es klappt. Hier ist zwar angenehm wenig Verkehr, aber dafür wird die Straße immer schlechter. Vor allem hat sie tiefe Löcher… Ich bin schon lange unterwegs, als das Navi links abbiegen befiehlt. Die Straße wird zum Sandweg, dann Schotter und schließlich kaum befahrbarer ausgewaschener Lehmboden. Eine echte Herausforderung für mich. Ich zweifle, aber das Navi behauptet immer noch Recht zu haben. Nach ein paar Kilometern Geländefahrt durch Felder reicht es mir, ich wende und fahre auf die Straße zurück.
Und was macht das Navi? Blinkt unschuldig und behauptet immer noch dasselbe. Ich fahre einfach die alte Straße weiter und siehe da, auf einmal stimmt mir das Ding zu. Ich bin gefühlt schon durch Zentralthailand gefahren, als endlich ein erstes Hinweisschild in lateinischen Buchstaben auf den Nationalpark verweist. Am Horizont tauchen jetzt beeindruckende Berg-Formationen auf. Endlich habe ich die erreicht und irgendwann komme ich dann, nach Stunden auf dem Roller, auch an.
Geschafft, denke ich…. Ich kaufe mir eine Eintrittskarte, bekomme eine niedliche übersichtliche Karte mit den drei Höhlen und diversen Stränden. Ich gönne mir noch einen geeisten Cappuccino und als ich wieder aufsteigen will, ist mein Roller besetzt: von einem Affen, der mich böse anfaucht und die Zähne fletscht, als ich mich ihm nähern will. Das ist mir nun doch unheimlich und ich hole den einzigen Rancher, den ich finden kann: geschätzte achtzig Jahre alt. Aber – er verscheucht little Kingkong.
Weiter geht’s, die Karte sieht harmlos aus und die Landschaft mit den steil aufragenden bewaldeten Kalksteinbergen ist sehr schön. Irgendwann zweifle ich aber dann doch und halte an einem Dörfchen, um zu fragen. Achselzucken, trotz thai Karte. Weiter gehtś, irgendwann kommt endlich eine Werbung für die Höhlen. Aber kein Abzweig….
Um es abzukürzen: ich fahre und fahre, werde von freundlichen Menschen, die offensichtlich zwar helfen wollen, aber keine Ahnung haben, im Kreis geschickt über die aberwitzigsten Straßen und Wege, am Strand vorbei, an Feldern, Bergen, Wald. Wenig hilfreich ist dabei, dass die Ortsschilder nur in Thai geschrieben sind. Irgendwann entdecke ich dann ein Schild – in der Gegenrichtung. Noch eine ganze Ecke später habe ich es dann tatsächlich geschafft: es ist zwar eine andere Höhle als die, die ich gesucht habe, aber das ist mir völlig egal, ich will nur ankommen und absteigen.
Gefunden habe ich die Phraya Nakhon Höhle, die wohl berühmteste des Parks. Der Weg dahin führt über einen sichtlich bröckeligen steilen Pfad, den man nur mit ausgezeichneter Kondition gehen soll, über eine Stunde soll die Wanderung dauern zu dem Berg, in dem sich die Höhle befindet. Oder man zahlt 200 Baht für eine kurze Bootsfahrt in die nächste Bucht. Angesichts der Hitze und des ohnehin zu erwartenden Anstiegs dann doch lieber der Griff zum Portemonnaie.
Die nächste Bucht ist von einem schneeweißen Sandstrand begrenzt, dahinter spendet ein lichter Wald Schatten für die Nationalparks- Lodge, die ordentlich teuer ist. Dahinter beginnt der Pfad zur Höhle. War gerade noch alles eben, macht schon ein Blick auf die ersten Meter klar: Das wird anstrengend!
Steil windet sich der felsige Pfad, dessen Steine und Felsbrocken zwar mit Zement befestigt sind, der aber nichts daran ändert, dass das Klettern über die unterschiedlich großen Steine und Wurzeln extrem anstrengend ist. Mich tröstet anfangs der Gedanke, dass es nur 580 Meter sein sollen. Mit wachsender Höhe macht sich dann eine gewisse mit Verbissenheit gepaarte Verzweiflung breit.
Das Wasser rinnt am Körper wasserfallartig herab, die Waden schmerzen, die Fussgelenke brüllen… Irgendwann muss doch mal Schluss sein! Um mich herum herrscht Keuchen und Schweigen, jeder ist mit sich beschäftigt. In meinem Hinterkopf entwickeln sich destruktive Gedanken wie: Vergiss die blöde Höhle, setz dich einfach hin und dann zurück…Aber der Stolz siegt: Gefühlte fünf Kilometer weiter ist es geschafft.
Der Höhleneingang! Zuerst geht es noch kurz steil nach unten, dann beginnt die Höhle: mit einem weiteren zwar nicht allzu langen, aber glitschigen Pfad nach unten. Dann erst hat man die erste hohe Höhle, die zwei große Lichteinfallstunnel gen Himmel hat. Richtige Bäume wachsen hier! Und links von mir zeugen glitzernde Stalagtiten davon, dass hier mal ein Wasserfall war.
Weiter geht es durch einen engen Felsdurchgang in die zweite Höhle. Der Anblick ist einfach unglaublich! In einer riesigen, hohen Höhle erreicht. Durch ein Loch fällt Sonnenlicht ein. In der Mitte steht auf einem Hügel ein kleiner Pavillon, der hellblau, gold und rosa strahlt. Es ist fast ein wenig unwirklich. Hier tief im Berg ein solches Bauwerk! Dafür hat es sich gelohnt.
Der Kuha Karuhas Pavillon wurde 1890 für den Besuch Rama V. gebaut. Seitdem darf sich nun jeder daran freuen, der es hier hoch schafft. Ich baue noch einen kleinen Steingott aus Geröllsteinen auf einen Steinbrocken, ruhe mich andächtig schauend etwas aus. Als mein Körper wieder Normaltemperatur erreicht hat, mache ich mich an den Abstieg und freue mich, dass ich gerade die Phraya Nakhon Höhle als erste gefunden habe, denn mir schwant bereits, dass ich angesichts der Ausdehnung des Parks die anderen beiden Höhlen nicht mehr zu sehen bekomme.
Völlig erschöpft lasse ich mich am Strand ins seichte, blassblaue Meer fallen. Ich habe zwar mein Badezeug vergessen, aber ich bade auf Thai-Art: Mit T-Shirt. In meinem Rucksack steckt noch eine Bluse zum überziehen, die kann ich später anziehen. Aber ohne Bad und ein Power-Nickerchen am Strand schaffe ich die stundenlange Rückfahrt nicht.
Per Boot geht es wieder zurück, beinahe hätte ich noch ein zweites Vollbad samt Rucksack und Kleidung genommen. Die Boote legen nicht an, sondern warten im knietiefen Wasser, wo die Passagiere dann mit einem wackeligen Turnakt einsteigen müssen, ohne Treppe oder sonstige Einstiegshilfe. Wieder an Land schlürfe ich noch eine frische Kokosnuss. Sonst werden hier überall Frucht-Smoothies frappé angeboten, aber das ist meistens mehr crushed ice als Frucht. Aber Kokosnuss ist Kokosnuss!
Danach heißt es: Helm auf und los! Als ich einen Fluss überquere, entdecke ich einen schwimmenden Markt: hübsche, bunte Holzboote, beladen mit Früchten und Gemüse und fertigen Speisen. Ich betrachte das ganze eine Weile von der Brücke, aber ich will mich nicht mehr allzu lange aufhalten.
Tatsächlich finde ich auch noch die dritte Höhle, die am nächsten zum südlichen Ende des Nationalparks liegt, aber wie schon befürchtet, lässt man mich nicht mehr ein. Aber so richtig böse bin ich nicht, habe ich doch die wahrscheinlich schönste gesehen und noch einen weiten Rückweg vor mir.
Diesmal sucht mir das GPS einen anderen Rückweg. Und der entspricht irgendwie mehr meiner eigenen Orientierung. Und irgendwann, nach gefühlten 20 Kilometern blinden Vertrauens, taucht sogar mal ein Schild mit lateinischen Buchstaben nach Kui Buri auf – der Stadt zwischen Park und meinem Ziel, also düse ich beruhigter weiter, hatte ich doch schon befürchtet die ganze Strecke zurückzumüssen. Endlose Weiten, Felder, Plantagen…. Gute Fahrbahn, löcherige Landstraße….ich komme mir schon vor wie der lonely rider von Thailand. Bloß gut, dass das Bike etwas mehr power hat, sonst würde ich wahrscheinlich nie ankommen.
Endlich der Highway! Jetzt noch mal konzentrieren und ein bisschen mehr Gas, ich habe keine Lust, im Dunklen zu fahren. Die Laster neben mir beunruhigen mich weniger als die Geisterfahrer auf meiner Spur…Mit untergehender Sonne passiere ich endlich das wunderbare Stadttor.
Ich halte noch am Nachtmarkt an und speise lecker für einen Euro. Preise wie früher in Thailand – ganz anders als auf den Inseln heute. Da ist es zwar für uns auch nicht sehr teuer, aber im Vergleich kostet es dort schon mal locker das Mehrfache.
Eine Viertelstunde später steigt Bikerqueen vor dem Guesthouse ab. Ich muss mich bemühen, normal zu laufen, denn ehrlich gesagt, tut mir der Hintern weh, als wäre ich den ganzen Tag auf dem Pferd unterwegs gewesen.
Ich werde mit einem allseitigen „Good Job, Madame“, begrüßt, denn hier weiß jeder alles und so wissen auch alle von meinem großen Ausflug. Einer der Herren nimmt mir das Tanken und Roller- Abgeben ab. Mir bleibt nur noch, nebenan ein Bier zu holen und mich tief zufrieden in den Liegestuhl fallen zu lassen. Olé schiebt mir noch einen Hocker unter die Füße und gemeinsam beobachten wir das träge abendliche Leben in der Baan Khlang Soi.