8 – Fauler Tag in kleiner Stadt

Frühstück. Endlich mal wieder Eier…das ist das Einzige, dass sich Thais darunter vorstellen, wenn man nicht Suppe oder Reis isst. Würde ich viel lieber, aber die kleinen Pensionen machen das meist nicht, weil die Touristen immer europäisches Frühstück wollen. Also Eier…
Ich werde heute auf das Fahrrad umsteigen, auch wenn ein entscheidendes Körperteil dagegen ist. Aber sonst ist mein Bewegungsradium zu sehr eingeschränkt.
Gestern habe ich mich entschlossen, heute abzureisen. Spontan wie immer. Zunächst hatte ich vor, die Küste entlang über Hua Hin weiter nach Norden und dann nach Osten in Richtung Trat zu fahren. Von dort will ich dann per Boot auf die Insel Koh Chang. Allerdings erweist sich der Plan als kompliziert, zeitraubend und voraussichtlich anstrengend. Außerdem würden die letzten fünf Stunden wieder Minibus bedeuten – Grund genug, mich anders zu entscheiden.
Absurderweise geht es schneller, wenn man die deutlich weitere Strecke nach Norden, zurück nach Bangkok, und von dort wieder nach Südosten, nach Trat wählt. Und das bestechende daran ist für mich zudem, dass ich vielleicht Nachtzug fahren kann. Falls es noch eine Karte gibt.

So ist mein erstes Ziel gleich um acht Uhr der Bahnhof. Und ich habe Glück, es gibt ein freies Bett! Alles klar. Alles weitere werde ich in der Früh in Bangkok regeln. So bleibt mir jetzt noch ein ganzer Tag bis elf Uhrr abends.
Zeit, um das Strandleben der Stadt zu erkunden.

Nach einer kleinen neugierigen Stadtrunde will ich zum ca fünf Kilometer entfernten Lieblingsstrand der Thais am Wochenende. Einer von drei Stränden in der Nähe. Pratschuap Khiri Khan liegt an gleich drei großen Buchten. Der Lieblingsstrand der Thailänder ist der Ao Manao Beach. Da Montag ist, hoffe ich auf wenig Leute und radle los.
Ich unterbreche aber gleich nochmal für eine Stippvisite auf dem lokalen Markt. In einer nach vorn offenen Markthalle wird hauptsächlich Essbares verkauft, vor allem alles, was man an Fisch und Meeresgetier trocknen und als Gewürz benutzen kann. Daneben Gemüse, Fisch und Fleisch.
Mitten aus den vollgetopften Marktständen blickt immer wieder huldvoll und distanziert der blumenumkränzte König. Allerdings oft noch der vor zwei Jahren verstorbene Bhumipol. Sein Sohn ist dem Vernehmen nach nicht sehr beliebt. Außerdem regiert er zwar bereits, wird aber erst im Frühjahr offiziell gekrönt.
Es ist heiß und der Fischgeruch sehr intensiv, so fahre ich lieber weiter. Die Stadt endet und der Weg führt weiter durch eine Militärbasis. Nicht daran vorbei, sondern die Straße führt mittendurch. Jeder, der hier entlang will, wird gewissenhaft registriert, danach ist alles ganz unkompliziert, man darf nur die Straße nicht verlassen. Kilometerweit geht es nun durch die Luftwaffenbasis, vorbei an Soldaten- und Offiziersunterkünften, Sportplätzen, Hallen, einer Schule für die Kinder und sogar quer über Start- und Landebahn. Nur die Flugzeuge sind offenbar gut versteckt. Ist schon etwas seltsam.
Der Strand Ao Manao erstreckt sich über circa zwei Kilometer entlang der geschwungenen Bucht. Ein schmaler Sandstrand wird eingefasst von einem lichten Wald, in dem viele kleine Getränkebuden Liegestühle und Tische im angenehmen Halbschatten bieten. Da Montag ist, ist auch die Besucherschar übersichtlich und besteht aus Touristen, vornehmlich Rentner und ganz junge Familien mit Kleinstkindern.
Der Strand selbst ist zwar klein, aber sehr feinsandig und voller Muscheln – ein Paradies für Sammler. Das Meer ist sauber, durchscheinend und flach. Was das Ganze ungewöhnlich macht, ist die Kulisse, auf die man blickt: Aus dem Meer erheben sich links und rechts steile Sandstein-Inseln, die völlig mit Urwald bewachsen sind. Ein Ort, wo man gern den Blick auf Weite einstellt und einfach nur so dasitzt, vorzugsweise im seichten Wasser.
Als die Sonne hinter den hohen Bäumen versteckt ist, laufe bis zu Strandende, sammle ein paar Muscheln und schwimme eine große Runde im lauwarmen Meer.

Auf dem Rückweg beoachte ich noch ein paar Languren-Affen in einem Wäldchen in der Luftwaffenbasis. Die sind wirklich zu süß mit ihren weißen Kreisen um Augen und Schnauze und im Gegensatz zu den anderen Affen am Spiegelberg sind sie auch überhaupt nicht aufdringlich.
Ich trödle noch ein wenig durch die Stadt, die zwar geschäftig, aber dennoch völlig entspannt ist. Ein bunter Tempel ist das einzig auffallende Bauwerk. Ich gönne mir die erste Thai-Massage, seit ich im Land bin. Heftig, aber gut! Danach Abendessen für einen Euro auf dem Nachtmarkt und faul vor meinem Guesthouse sitzen bis die Zeit gekommen ist, Abschied zu nehmen. Von dieser angenehmen Stadt und meiner netten Wirtin, die mich die rund fünfhundert Meter mit dem Roller zum Bahnhof fährt – erst mich, dann die dicke Reisetasche.
Am Bahnhof warten ein paar Tuktuks auf ankommenden Gäste, das Pendent zum Taxistand am Berliner Hauptbahnhof, und ein paar Einheimische, die nach Bangkok wollen. Wie immer ist der Nachtzug aus dem Süden zu spät, ab er diesmal nur 45 Minuten.

Trotzdem – ich liebe diese alten lila-goldenen Nachtzüge, die noch aus einer anderen Zeit stammen. Ich fahre immer zweiter Klasse. Man steigt ein und steht in einer grünen Welt, irgendwie erwarte ich immer, dass Neptun gleich um die Ecke schaut. Ein langer Mittelgang führt an unzähligen glänzenden grünen Vorhängen vorbei, hinter denen sich, in Fahrtrichtung ausgerichtet, die komfortablen Betten in zwei Etagen wie winzige Zimmerchen verbergen. Unten teurer als oben, da geräumiger.
Ein mürrische Schaffnerin drückt mir Kissen und Decke in die Hand und schon beginnt die gemütliche, schaukelnde Fahrt nach Bangkok…und in den Schlaf.