Der Tag beginnt nach einem Blick auf die Uhr mit der Erkenntnis, dass es wieder ein Morgen ohne das versprochene Gepäck ist. Aber am Mittag geht die letzte Fähre nach Koh Lanta und die will ich unbedingt erwischen. Also ein mittelschwerer hysterischer Ausraster per Telefon (es ist mein 6. Anruf). Aber wirklich Erfolg hat nur der wiederholte Anruf meiner smarten Hostelmanagerin Fai, die thaistyle böse schimpft und droht, dass der Airport meine doppelten Hotelkosten für Phuket und Lanta bezahlen muss, wenn das Gepäck nicht bis 12 Uhr da ist. Und siehe da – plötzlich sind alle ganz sicher, dass es kommt.
Frohen Mutes mache ich mich auf die Suchee nach einem Frühstück und Aloe Vera, um meine total verbrannten Arme zu verarzten. Die haben beim Tag auf dem Bike wie auf dem Grill gelegen und irgendwie habe ich das ausgeblendet…. Noch ein Abschiedsbummel durch das Viertel um die Yaowarat Road und dann heißt es: gespannt warten. Fai hat den allerletzten Platz auf der Fähre nach Koh Phi Phi gebucht, von da aus muss ich dann mit einer kleinen Fähre zurück nach Lanta fahren, um heute noch anzukommen.
12:01 Uhr: Mein Gepäck kommt! Der Bote zeigt mir seine Lieferliste, bei der mein Name, rot unterstrichen, auf Platz 1 steht… Geht doch. Kurz darauf kommt mein Shuttle zum Pier Rassada, wo meine kleine Seereise beginnt.
Zwei Stunden später taucht eine beeindruckende Silhouette vor uns auf: Koh Phi Phi, die wunderschöne Felsen-Urwald-weiße Buchten-Insel, die Leonardo di Caprio und Tilda Swinton mit dem Hollywood-Film „The Beach“ berühmt gemacht haben. Im vergangenen Jahr hat man die Strände für 6 Monate geschlossen, weil sie von den Touristenmassen fast zerstört waren… Leider bleibt keine Zeit für einen kleinen Erkundungsspaziergang, denn wir sind zu spät und der letzte Lumpensammler nach Koh Lanta wartet schon.
Es ist wirklich ein Lumpensammler, keine Ahnung, wie alt der Kahn ist, ich glaube kaum, dass der in Europa noch Passagiere befördern dürfte. Aber die fröhlichen, korpulenten „Schaffnerinnen“ verbreiten gute Laune. Alle tragen Hijab, was daran liegt, dass Lanta eine mehrheitliche muslimische Insel ist. Aber alles sehr moderat und wenig dogmatisch.
Das einzige Pier in Koh Lanta ist winzig, vorallem angesichts der vielen Schiffe, die hier anlegen. Wir koppeln längsseits an ein anderes Schiff an und müssen samt Gepäck über ziemlich wackelige Bohlen und provisorische Bretter über vier andere Schiffe stolpern, um an Land zu gehen. Nach dem Entrichten der sehr moderaten Inselsteuer dürfen wir dann die Insel betreten.
Nach hartem, aber fröhlichem Preis-Feilschen finde ich eine TukTuk-Fahrerin, die bereit ist, mich zu meinem vorgebuchten Guesthouse zu fahren. Sie sieht richtig verwegen aus, mit langer muslimischer Kleidung, Kopftuch und scharfer Ray Ban- Sonnenbrille,wenn sie über den Lenker gebeugt über die Inselstraße fegt. Eine energische und selbstbewusste Frau, wir haben viel Spaß unterwegs. Ich bin bestens gelaunt, auch wenn ich durch die Bäume sehe, dass ich den berühmten Sonnenuntergang verpasse.
Als wir endlich das Aule Guesthouse gefunden haben, sieht sie mich ebenso schräg an, wie ich das Objekt. Es sieht eher nach einem Sperrmüll- Objekt aus. Naja, vielleicht eine schlechte Ansicht, so in der Dämmerung. Ein freundlicher halbnackter Thai-Party-Typ kommt freundlich auf mich zu – der Besitzer. Ich frage mich flüchtig, wer die Fotos für die Website frisiert hat. Mein private room entpuppt sich als mit Bambus und einem Laken von einem Schlafsaal abgetrenntes Kabuff. Bett, Bettvorleger, Moskitonetz, Glühbirne, klappernder Ventilator. Kein Fenster, aber das macht nichts, die Wände bestehen nur aus löchrigem Bambusgeflecht, da kommt genug Licht rein…
Nachdem ich das fleckige Bett neu beziehen lassen habe, setze ich mich erstmal auf selbiges, um mir einzureden, dass alles cool ist. Wie von der Tarantel gestochen fahre ich hoch, weil ich glaube, dass einer hinter mir sitzt, der Raucherhusten hat. Nein, hinter der Wand ist nur die Raucherecke. (Und da wusste ich noch nicht, dass der Typ an Schlafstörungen leidet und bis 4 Uhr morgens da sitzt und hustet, bevor er auf der anderen Seite im Schlafsaal anfängt zu schnarchen.)
Der nächste Schock ist die Gemeinschaftsdusche. Ein dreckiges, schimmliges Verließ, in dem das Duschwasser aus einem aufgeschlitzen siffigen Fussball kommt, den jemand an das Wasserrohr montiert hat. Von der Wand ringelt sich ein fetter, haariger Wurm auf mich zu.
Ich bin nicht übermäßig pingelig und versuche, auf meinen Reisen wirklich zu einem reduzierten Standard zurückzufinden. Aber das ist dann doch zuviel. Und es war gar nicht mal so billig… Aber es ist stockdunkel, ich kenne mich nicht aus, habe keine Vorstellung von der Insel…. für heute Nacht bleibt mir nichts anderen übrig. Morgen werde ich weitersehen und über vorzeitige Vertragsauflösung bitten.
Dermaßen angefressen mache ich mich auf zum 100 Meter entfernten Long Beach, um etwas spazieren zu gehen und zu Abend zu essen. Und schon folgt der nächste Schlag: Dröhnende Bässe künden davon, dass hier The Zone ist, Die Partyzone an diesem 3 km langen Strand. Ich wandere zwanzig Minuten am wunderschönen, dunklen, warmen Meer entlang, um endlich ein nicht Elektro Pop oder Fusion- beschalltes Abendessen zu mir zu nehmen. Und nein, es ist nicht gelogen: Das ist das erste richtig miese Essen, dass ich je in Thailand gegessen habe.
An dieser Stelle beende ich meine Gruselgeschichte mit zwei Nachsätzen: In dieser Nacht ist mir bis sechs Uhr morgens nicht der geringste Schlaf vergönnt. Was bleibt, ist die Hoffnung, das ich mit diesem wundersamen Start auf Koh Lanta garantiert den Tiefpunkt meines Urlaubs erreicht und hoffentlich überstanden habe. Dieses Quartier ist das, was wir Berliner kurz und treffend den Griff ins Klo nennen. Und morgen beginnt der Rest meines Urlaubs.