Fünfeinhalb Stunden eingequetscht im Bus…mimimi… Dann der Superschock, vom gekühlten Bus in die stinkende Mittagshitze von Bangkok! Als die Türen am Busbahnhof Ekkamai im Stadtteil Sai Tai Mai aufgehen, fühlt es sich an wie ein Schlag. Dazu das Geschrei und Gepfeife der Ordnungskräfte (Pfeifen sind hier sehr beliebt!), der Verkehrslärm, die oft wild herumirrenden Reisenden mit ihrem Gepäck, dazwischen Taxis, Motorradtaxis und alles, was sonst noch die Lust verpestet und Lärm macht… inklusive der beiden Typen, die noch halb besoffen aus dem Bus von der Partyinsel Koh Chang steigen und erstmal auf den Bürgersteig kotzen… es ist die Hölle.
Zweimal wird meine Taxibestellung per App nach 10 Minuten gecancelt, da die Fahrer rettungslos im Stau stecken und nicht innerhalb der nächsten halben Stunde da sein können. Schließlich klappt’s doch noch, wieder eine lady driver. Wir schleichen durch die verstopfte Innenstadt, aber nach einer Stunde haben wir es geschafft.
Diesmal musste ich ein Hotel nehmen, das weder unbedingt meiner Art zu reisen noch meinem Portemonnaie entspricht – es ist Hochsaison und alles ausgebucht. Aber ich wollte unbedingt in Phra Nakhon wohnen, da fühle ich mich wohl, es ist ruhig, aber quirlig, echtes altes Bangkok. Und doch nah an Banglamphur – Viertel mit all seinen Restaurants etc. Dass Orchidhouse ist ein Hotel mit alten Teakböden und -möbeln, aber ohne Fenster in vielen Zimmern, was hier in Asien nicht unüblich ist. Das Hotel macht auf chic, aber der Service ist eher… Durchschnitt.
Ich lasse es ruhig angehen, habe nicht viele Pläne. Einmal muss ich in Bangkoks Super-Shopping-Center MBK, ich brauche eine gute Powerbank und ähnlichen Kram. Eine ganze riesige Etage bietet nur Elektronik an, die anderen fünf vor allem Klamotten, Schmuck und eigentlich – fast alles. Das MBK nimmt fast ein ganzes Viertel ein. Es gibt tatsächlich Irre, die nach Bangkok fliegen, sich ein teures Hotelzimmer in den oberen Etagen des gigantischen Baus nehmen und nichts tun als einkaufen. Jeden Tag!
In meinen letzten Tagen besteht mein größtes Vergnügen darin, eigentlich fast keine Pläne zu haben, sondern einfach herumzuschlendern, Boot zu fahren, einen Ausflug nach Chinatown zu machen und abends in den Straßenrestaurants lecker zu essen. Die tägliche Thai-Massage nicht zu vergessen, hier kostet eine Stunde rund 7 Euro…
Aber schließlich packt mich doch noch mal die Lust auf Neues und ich buche für meinen letzten Tag in Thailand eine 3-stündige Fahrradtour durch die kleinen Straßen und Gassen von Chinatown und Thonburi. Co van Kessel Tours, im Lonely Planet gelobt, ist ein holländisches Unternehmen, das ausschließlich mit Locals als Mitarbeiter beschäftigt.
Ich muss schon halb acht in Chinatown sein, die 3 stündige Tour geht früh los. Das beschert mir eine Kamikaze-Fahrt mit einem Motorrad-taxi durch den Berufsverkehr, die meinen Blutdrück auf gefährliche Höhe treibt – über vier Spuren und Bürgersteige schlängelt sich das Bike durch den Berufsverkehr, ein normales Taxi hat keine Chance. Wir sind pünktlich am Treffpunkt Riverside.
Es sind rund 22 Leute in der Gruppe für die Tour. Voran fährt unser weiblicher Guide, hinten ein zweiter „Lumpensammler“, dessen Aufgabe es außerdem ist, notfalls durch heftiges Schwenken seiner gelben Kappe die Autos anzuhalten, damit unsere geräderte Karawane eine Chance hat, mal eine Straße zu queren. Und das klappt sogar! Hätte ich nie gedacht, bei den irren Fahrern hier.
Diese Tour verdient es, hier in ein paar Absätzen beschrieben zu werden, denn sie hat sich wirklich gelohnt. Wir sind durch Straßen, Gassen und maximal 2 Meter breite … Durchlässe zwischen Häusern gefahren, in Ecken, in die man sonst nie vordringen würde. Was im Kopf bleibt, sind Bilder vom Leben in Bangkok, die ich so noch nie gesehen hatte. Ich hätte auch nie wieder allein da herausgefunden!
Das war noch ein ganz neues Bild vom Alltag der Riesenstadt. Gelebt, gekocht, gearbeitet und gehandelt wird hier meist alles in Einem: Auf der Straße steht die Wäsche auf dem Ständer zum Trocknen, im Eingang zur Schrottwerkstatt neben dem kleinen Obststand. Und gegenüber drängeln sich zwei winzige Wagen: Auf einem wird gegrillt, auf dem anderen Obst zum Verkauf mundgerecht gemacht. In dem danebenliegenden, als Garage fungierenden, offenen schwarzschimmeligen Untergeschoss hat ein Künstler seine Bilder aufgehängt, daneben steht ein Friseurstuhl. Zwischendurch wuselt alles von Kind bis Teenager und Oma, meist auf Fahrrädern oder Bikes. So verrückt wie es hier zugeht, habe ich die backstreets von Bangkok noch nie gesehen.
Und durch all diese geschäftige Enge fahren nun 20 neugierige Fremde auf gelben Fahrrädern. Unsere thailändische Guide hat vor dem Start die nordeuropäisch durchmischte, ernstblickende Gruppe bei der Einweisung daran erinnert, das Lächeln und Grüßen nicht zu vergessen. Ich nutze das freundliche Strahlen allerdings schon lange als Superwaffe und hier in Asien doppelt.
Es war verrückt zu sehen, wie krass das funktioniert. Nicht selten waren die Menschen echt genervt, dass nun auch noch Touristen hier durchradeln und ihnen fast über die Füße fahren. Aber man hätte einen wunderbaren Film „Schuss-Gegenschuss“ machen können: genervtes Gesicht A , Lächeln und Grüßen Gesicht B, entspanntes Zurücklächeln Gesicht A! War wirklich beeindruckend!
Wir sind durch winzig kleine Gassen gefahren, an Tempeln vorbei, manchmal sogar durch das Tempel-Gelände, über Fabrikhöfe, Schulhöfe, Brachen. Und schlotternd wegen des Verkehrs auch mal eine Strecke über belebte Hauptstraßen, Brücken, Märkte. In einem Viertel gab es nur Schuhläden: hunderte mit Millionen Schuhe. In einem anderen nur Schrotthändler und Auto-Ausschlachter…
Ein Extrastopp ohne Fahrräder war dem gigantischen Blumengroßmarkt von Chinatown, Pak Khlong Talat, gewidmet. Unvorstellbar, wie viele Blumen hier zu den traditionellen Ketten, Gestecken und Sträußen verarbeitet werden – und mit welcher präzisen Kunstfertigkeit! Wirklich ein Eindruck, der bleibt. Auch in den sich anschließenden Obst- und Gemüsegroßmarkt gab es einen Abstecher. Was für Gerüche und Farben!
Eine Deutsche, die erst am Tag zuvor angekommen war, ist in der Hitze bei all den Eindrücken und Gerüchen ohnmächtig geworden und musste zurückgebracht werden. Too much, too hot, too everything!
Nach Chinatown ging es, heftig strampelnd, über den Chaopraya -Fluss nach Thonburi. Heute verwaltungstechnisch zu Bangkok gehörig, aber eigentlich die „Urstadt“, die lange vor Bangkok da war. Nach dem Fall der alten Kaiserstadt Ayutaya in den 70er Jahren des 18.Jh, deren Tempel und Ruinen immer noch eindrucksvoll in der Nähe von Bangkok zu sehen sind, erklärte ein General Taksim Thonburi zur neuen Hauptstadt des Königreiches Siam. Bangkok am anderen Flussufer war nur ein Dorf am Chaopraya-Fluss, was durch Handel- und Zoll für aus Ayuthaya kommende Waren wichtig wurde. Erst 1971 wurde Thonburi eingemeindet.
Jetzt ist es ein schönes, relativ ruhiges Wohnviertel, mit vielen Holzhäusern und schönen schmalen Uferwegen Es gibt sogar eine katholische Kirche zum Heiligen Kreuz. Viel berühmter aber ist der Wat Arun Tempel, der -ganz ungewöhnlich- nicht in Gold , Rot oder Gelb erstrahlt, sondern in reinstem Weiß. Er ist der Tempel der Königlichen Familie.
Hier gab´s eine kleine Besichtigung und anschließend eine Erholungspause im Klostergarten: Ein Gelände, das mit einem künstlichen Felsen, Götterskulpturen, einem kleinen See – und vielen Schildkröten darin, für Besucher zugänglich ist. Sie werden sogar auf Wunsch mit Schildkrötenfutter ausgestattet. Die hungrigen Panzerträger kennen nichts im Kampf um die Häppchen. Es sieht aus, als ob das Wasser lebt!
Nach einigen Geschichten zur Geschichte und dem Buddhismus ging es dann langsam zurück. Nochmal ein paar enge, aber sehr ruhige, beschauliche Wohnstraßen – so ganz anders als Chinatown. Noch ein rot-gold glitzernder Tempel, ein paar Kanalbrücken, neben denen sich beeindruckend große Warane sonnen, ein Wochen-Markt und dann – per Fähre – wieder zurück nach Chinatown.
Eine wirklich spannende Tour, an der ich nur zu bemängeln habe, dass es immer sehr schnell weiterging und man kaum Zeit hatte, mal etwas länger zu schauen und auch zu fotografieren. Jeder hat es natürlich irgendwie doch getan. Und bei mir endete dieser tolle Vormittag dadurch damit, dass beim letzten Streckenabschnitt nach einem Kurz-Foto-Stopp mein Mobilphone aus dem Fahrradkorb gesprungen sein muss. So eine …! Das nur zur Erklärung, warum es keine Photos von der Tour gibt. Leider…
Am nächsten Morgen hat sich der Kreis geschlossen: Um sieben Uhr bin ich noch einmal in dem kleinen Restaurant von meinem ersten Bangkok-Tag eine Frühstückssuppe essen gegangen, bevor mich ein Sammel-Taxi zum Flughafen Don Mueang gebracht hat: Auf zu neuen Ufern: Bali wartet!