04 – Abgetaucht

Eine gute Woche bleibt mir auf der Insel. Mein Versuch, noch 2 Tage zu verlängern, scheitert – es gibt keinen Platz mehr für mich im Guesthouse. Also genießen, soviel es geht! Mein erster Ausflug führt folgerichtig in „mein“ Dive Center, die Paradise Divers. Solange ich auf diese Insel komme, gehe ich hier tauchen, hier habe ich auch meinen dritten Tauchschein, den Advanced Open Water Diver, gemacht. Und da ich ein von Natur aus treuer Mensch bin und Tauchen zudem viel mit Vertrauen zu tun hat, komme ich immer wieder.

Mike, der Chef, ist Deutscher, lebt aber schon viele Jahre auf der Insel und ist inzwischen mit seiner charmanten Frau Peppermint, kurz Mint genannt, verheiratet. Die Tauchbasis hat das Virus überlebt, aber in abgespeckter Form. Es gibt kein großes Schiff mehr, nur noch drei kleinere Boote und deutlich weniger Tauch Guides, da ja keine großen Gruppen mehr zu gleicher Zeit rausfahren können. Aber zwei meiner alten Diveguide-Freunde, eine Österreicherin und ein Kambodschaner, sind noch da. Und wie es der liebe Teufel so will, sagen am ersten Tauchtag die anderen Teilnehmer ab und ich habe meine Privattour mit meinen beiden alten Spezis. Wie schön!

Wer nicht taucht, dem kann man nur schwer vermitteln, weshalb tauchen süchtig macht. Ja, die Fische, ja, die Korallen – aber nein, das ist es nicht allein. Es ist für mich – das Versinken in einer anderen Welt. Und eine andere Dimension, sich zu fortzubewegen.

Ein ganz anderes Körpergefühl. Nicht der aufrechte Gang zählt, nicht das kraftvolle Ausschreiten… hier gelten andere Fähigkeiten, die man erst neu entdecken muss. Atmen, gleiten, navigieren mit dem Körper…. einfach ein bisschen Fisch werden. Mein Sternzeichen… Ruhe, Konzentration auf sich selbst – wo benutzen wir das schon im Alltag. Es hat mich Mühe gekostet und leichte Angstanfälle, bis ich es begriffen hatte. Unter Wasser rückt alles andere ganz weit weg. Ich denke an nichts, ich schaue, atme, schwimme. Meine Art von Meditation total. Oder auch die Entdeckung der Langsamkeit – only lazy divers are good divers

Ja, und dann das Erlebnis Unterwasserwelt! Das Interessanteste, das Deep Blue. Die Farben, die Formen, immer wieder Neues, Anderes… Ich bin in diesen Tagen in vielen Korallenriffen getaucht. Ich habe keine Ahnung, wieviel verschiedene Arten es dort gibt – ich weiß nur eins: Um sie zu beschreiben, ist unsere oberirdische Begrifflichkeit ungeeignet. Wie soll ich all die verschieden Formen, Oberflächen und Muster beschreiben? Ich kann´s einfach nicht, mir fehlen schlicht die Worte dafür. Ich weiß nur, dass ich mich manchmal an 3D-Welten aus der Phantasie verschiedener Filmemacher erinnert fühle, wenn ich da unten „schwebe“. Die Filmwelt von Avatar ist ein bisschen ähnlich, nur nicht so phantasievoll, das hier ist vielfältiger und farbenfroher.

Wenn ich jetzt auch noch anfange, all die Fische, Muscheln, Schnecken, Kopffüßer, Krabben, Schwärme, Fischkindergärten, Anemonen und all die bizarren Lebensgemeinschaften unter Wasser zu beschreiben, wird keiner mehr weiterlesen. Aber soviel musste sein.

Umso trauriger und wütender macht es mich, den ganzen Plastik-Müll zu sehen, der jeden Tag mit der Flut an den Strand geschwemmt wird. Vor fünf Tagen haben wir wieder ein altes Netz mit darin verfangenem Plastikmüll entdeckt, in dem eine Schildkröte gefangen war, die elend verreckt wäre, wenn sie nicht gefunden worden wäre. Oft genug findet man Plastiktüten und -säcke auch am Meeresboden. Taucher nehmen sie natürlich mit.

Von all den Tauchgängen will ich nur einen einzigen hier erwähnen: Eine zweieinhalbstündige Fahrt mit dem Motorboot von Koh Kood entfernt, liegt ein riesiges Schiffswrack: die HTMS Chang. Einst von den Japanern als Kriegsschiff gebaut, wurde es später Thailand als Frachtschiff überlassen. Vor rund 20 Jahren hat man es dann bewusst gesunken, um Korallen darauf anzusiedeln und Fische anzulocken.

Es ist unglaublich: Das riesige Schiff steht aufrecht auf Grund, die Brücke nach oben ausgerichtet und der Fahnenmast trägt die thailändische Fahne – unter Wasser! Ein echtes Geisterschiff. Ein time warp. Wenn ich durch die verschiedenen Decks schwimme, an der Reling entlang, durch den Laderaum – dann fühle ich mich auf einer Zeitreise. Ich sehe im Geiste die Matrosen und den Kapitän herumlaufen und arbeiten. Es ist surreal! Das Schiff liegt in ca. 30 Meter Tiefe, ist also in ganzer Dimension nur für erfahrenere Taucher erlebbar.

Aber das ist kein Problem: Auch für Anfänger, die nicht tief gehen können, oder bei guter Sicht sogar Schnorchler, ist es ein Erlebnis: Hier sind tausende Fische unterwegs: Ein riesiger Fischschwarm schwimmt neben, über oder durch den nächsten. Wie eine gigantische Choreographie! Es sind tausende glänzender Fische in allen Farben: silber, gold, blau, weiß, gelb und alle Varianten von Streifen und Punkten. Und mittendrin immer mal ein paar verrückte Einzelgänger, die aus der Reihe tanzen: Fledermausfische, die zu dritt oder viert ihr aufrechtes Synchronschwimmen veranstalten, riesige Snapper und Zackenbarsche schwimmen stur ihren eigenen Weg, einzelne Flötenfische oder Seepferdchen, kringeln sich auf den rostigen, von Algen und Muscheln bewachsenen Decks

Zum Wrack sind es von Koh Kood gut 2 Stunden im Speedboat, das ist weit und der Tauchgang daher auch etwas teurer, aber ich muss es mir einfach immer mal wieder gönnen – wenn das Meer mitspielt und ruhig genug ist für die Bootsfahrt.

So vergehen viele meiner Tage zur guten Hälfte mit Tauchen, nachmittags bin ich faul, auch wenn ich es erst nach fast einer Woche schaffe, das zu genießen. Mein mitgebrachter Stresspegel war diesmal wohl sehr hoch. Ich war zwar schon oft hier, aber eine kurze Würdigung soll das Inselchen selbst doch noch erfahren…. im nächsten Blog.