20 – Zurück ans Meer -Semporna

Der Dschungel sagt uns ein letztes Mal Good Bye: Auf der Fahrt zur Bushaltestelle in Kinabatang hält der Fahrer plötzlich an, am Straßenrand parkt schon sein Kollege, der andere Touristen zu einem anderen Bus bringt. Große Aufregung…?? Ja, tatsächlich! Auf einer großen verwilderten Lichtung vor dem Wald sagt ein kleiner Elefant „GoodBye“! Ein bisschen schüchtern versteckt er sich im Unterholz und wackelt dann gemächlich fressend Richtung Wald. Tschüss, Kleiner, grüß die Familie!

Die fünfstündige Fahrt führt durch Landschaften, die sich nur gelegentlich in der Landschaftsformation unterscheiden, sonst ist immer nur eins zu sehen: Palmöl-Plantagen. Es ist deprimierend, also packe ich lieber mein Tablet aus und schreibe, auch wenn meine Haltung dabei eher ungesund ist.

Endlich wird die Landschaft eindeutig flacher – wir kommen in die Küstenregion. Trotzdem Palmöl…

Um drei Uhr nachmittags kippt uns der Bus in einer ziemlich hässlichen Stadt aus: Semporna.

Dass so viele Touristen nach Semporna kommen, hat nur einen Grund: vor der Küste liegen in der Celebessee kleine Inseln, die bekannt sind für ihre Tauchspots, die zu den schönsten der Welt gehören. 

Deshalb sind wir hier. Also irgendwie vor allem meinetwegen, auch wenn Schnorchler hier genauso auf ihr Kosten kommen.

Am schmuddeligen Busbahnhof drängeln sich gleich ein paar junge Männer mit alten Schubkarren, die einem das Gepäck ins Quartier fahren wollen. Sie verlangen zu viel, selbst der Preis, auf den wir sie runterhandeln ist zu hoch, aber wir lassen uns darauf ein, da unser Quartier nur ein paar Gehminuten entfernt liegt.

Der erste Eindruck wird vom zweiten abgelöst: Ja, die Stadt ist wirklich hässlich und in keinem guten Zustand… Man muss auf seine Füsse achten, um nicht über den bröckelnden, holprigen Zement zu stolpern oder auf die vielbefahrene Straße zu geraten, was aber gar nicht möglich ist, weil manchmal ein Stück Bürgersteig fehlt. 

Wir haben ein Zimmer in Dong´s Homestay gebucht, offensichtlich wieder ein chinesischer Vermieter. Das Haus liegt in einer chinesichen Wohnsiedlung, die angenehm ruhig und sauber wirkt. Gut gemacht. 

Es gibt noch eine kleine Debatte mit den Schubkarrenjungs, die plötzlich das Doppelte verlangen von dem ohnehin schon zu großzügigen Preis. Das ist neu, so etwas habe ich in Asien noch nicht erlebt. 

Mr. Dong ist ein freundlicher und fröhlicher Chinese, der uns gleich erzählt, dass er früher mal in der Sowjetunion gelebt hat. Sein Haus hat 8 saubere, kleine Gästezimmer mit Bad und einen Eingangsbereich mit Sesseln und Kühlschrank, den man benutzen kann. Auch vor dem Haus kann man sich an einen Tisch setzen. Alles prima.

Und dann sind wir auch gleich unterwegs ins Büro der Tauchschule, bei der ich aus dem Urwald per Whatsapp gebucht habe, um die Papiere auszufüllen und das Equipment für den nächsten Tag auszusuchen. Eine Taucherin, ein schnorchelnder Begleiter.

Danach fahren wir ins städtische Krankenhaus, weil der Schnorchler sich böse die Blase erkältet hat. Ich rate ihm zu einer Privatklinik – wir haben eine gute Auslandsversicherung – aber er möchte ins Kommunale Hospital.

Was wir dort erleben ist eine Zeitreise in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts, was Örtlichkeit und Einrichtung betrifft! Allerdings werden auf mobilen Wagen auch ein paar sehr moderne medizinische Geräte hin- und hergeschoben. Aber der Eindruck ist … uff. Uralte Liegen mit rissigen Matrazen rundherum an den Wänden aufgeteilt, in der Mitte des ca 60 Quadratmeter großen Raums eine Büroinsel, wo die Ärztin und ein paar Schwestern und Pfleger zusammen arbeiten können.

An den vier Wänden gibt es verschiedene Abteilungen: Die „Asthma-Bay“, wo gerade ein Kind und ein alter Mann inhalieren müssen, ein weiterer Bereich, wo ein Junge mit einem Gips seine Narkose ausschläft und ein alter Mann gelegentlich vor sich hin stöhnt,  eine Red Zone, die offensichtlich gerade nicht gebraucht wird, und die Dengue-Bay. Da hier gerade kein Patient liegt, wird dem Alien aus dem fernen Europa hier eine Liege  zugewiesen für die Untersuchung. Das Laken wurde schon öfter benutzt…

Soweit , so spooky. Aber: Die selbstbewußte junge muslimische Ärztin und die Schwester machen einen wirklich kompetenten Eindruck und gehen kurzentschlossen ans Werk: Laboruntersuchungen, ein mobiles Ultraschallgerät und weiteres. Die erste Behandlung wird etwas länger dauern und da es für mich nicht mal einen Stuhl gibt, ziehe ich mich diskret zurück in unser fußläufig zu erreichendes Quartier.

Unbedingt zu erwähnen ist, dass ein ausländischer Patient für alle Untersuchungen und Therapien nur ganze 100 Ringit zahlt (Kurs 1€ :4,6 MYR). Einheimische zahlen nur 11 Ringit pro Klinikbesuch. Und ich glaube nicht, dass da irgendjemand krankenversichert war. Eine Lektion Landeskunde für Fortgeschrittene.

Die nächsten drei Tage werde ich in geraffter Form wiedergeben – einfach, weil ich die meiste Zeit unter Wasser oder auf dem Boot war. Aber eins ist klar: Die Tauchspots sind wirklich super schön! Ich hatte noch nie so viele riesige (und kleine) Meeresschildkröten um mich herumschwimmen, auf Tuchfühlung! Sie sind großartig. Und lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen, davon kann ich mir eine Scheibe abschneiden! Die größten waren ca 2 Meter lang. Fantastisch! 

Aber abgesehen von den Fischen, den wunderschönen Nacktschnecken und Hummern haben mich die bunten Korallen wirklich überwältigt!  Riesige Riffe. So herrliche Formen und Farben…. Und das alles in oft kristallklarem, hellblauem Wasser über einem weißen Meeresboden. 

Nur an einem Tag hat es tropische Regengüsse und Wellen gegeben, das war eher suboptimal, wenngleich es unter Wasser ruhiger und angenehmer war, als bei Wolkenbruch und hohen Wellen an der Oberfläche im offenen Tauchboot zu sitzen, wie auf der stressigen Hinfahrt. Es war eine kleine Tauchschule ohne Ressort und ich hatte das Glück, dass ich an zwei von drei Tagen meine eigene Guide hatte.

Mein begleitender Schnorchler ist nur an einem Tag mitgefahren, hatte ein paar tolle Schnorchelgänge und hat sich an den anderen Tagen als Rekonvaleszent diskret in Mr. Dongs gastlichem Hause zurückgezogen.

Getaucht wurde immer an Spots in der Nähe verschiedener Inseln: Mabul, Kapalai, Mataking und TimbaTimba. Nur die berühmteste, Sipadam, habe ich ausgelassen: Allein der Preis für die Tauchgenehmigung für den berühmten Nationalpark verdirbt einem die Stimmung. Und außerdem tröste ich mich damit, dass das Tauchen dort ziemlich stressig ist, weil man wohl fast immer gegen eine starke Strömung ankämpfen muss. Und das würde mich ziemlich stressen. 

Ich  war jedenfalls glücklich und habe mit dem letzten Dive meinen 100. Tauchgang absolviert! Und immer noch Lust!

Zu Semporna gibt es leider nicht viel Gutes zu sagen. Eine hässliche Stadt mit riesigen Müllproblemen, Slums und ohne Charme. Und: Es ist die erste Stadt in Asien, in der ich mich in gewissen Straßen unwohl und unsicher gefühlt habe. Viel Armut und unterschwellige Aggression. Wir haben uns im Umkreis von 250 Metern von unserem Guesthouse bewegt, nur mal essen und einkaufen. 

Wenn sich die Verantwortlichen da nichts einfallen lassen, versinkt die Stadt – und sogar das Meer demnächst ganz im Müll. Es ist furchtbar anzusehen! Und die sozialen Probleme würden wohl geradezu explodieren, kämen eines Tages weniger Touristen…

Mit beginnendem Ramadan nehmen wir Abschied – die muslimischen Restaurants – alle, bis auf die chinesischen – machen erst nach Einbruch der Dunkelheit auf. Aber immerhin hatten wir ein leckeres letztes Abendessen. 

Und morgen geht´s auf zur letzten Etappe: Kuala Lumpur!