21 -Die große Stadt: Kuala Lumpur

„Die schlammige Flußmündung“ – der Name klingt nicht besonders poetisch. Und trotzdem ist der Stadt mit diesem Namen eine gigantische Entwicklung widerfahren. Die Flüsse Klang und Gombak fließen hier zusammen und Zinn war der erste begehrte Schatz der Gegend. Inzwischen ist Kuala Lumpur eine brodelnde Metropole mit rund 2 Millionen Einwohnern im Stadtgebiet und vielen Millionen in der Peripherie. Auch hier waren die Briten die Kolonialherren bis zur Unabhängigkeitserklärung 1957. Inzwischen gehört die Stadt zu den großen Playern international: Wirtschaft, Universitäten, Banken.

Das alles ist nachzulesen und man erwartet eine asiatische Super-City…. Aber den Eindruck, den diese Stadt dann „in echt“ auf mich gemacht hat, der hat mich einfach erstmal umgehaun… Ich habe mich gefühlt wie das kleine Mädchen vom Land, das das erste Mal in eine Metropole kommt!

Ein Taxi hat uns in der Nacht nach einer Fahrt durch eine imposante Hochhauskulisse vor einem fast schon einschüchternden 37 stöckigen Hochhauskomplex abgesetzt, dem Axon Residenz. Unser Apartment liegt im 20. Stock. Die riesige Lobby mit viel glänzendem Marmor und tollem Lichtdesign, uniformiertem Empfangspersonal und Wachleuten an der Tür. Und dabei haben wir, wie immer, eigentlich nichts Edles gebucht…

Ein junger Mann holt uns in der Lobby ab, geleitet uns nach oben und erklärt , wie alles funktioniert. Ist nämlich gar nicht so einfach. Alles safe, alles elektronisch und digital. Man braucht für jede blöde Tür – zum Fahrstuhl, zum Flur, zum Zimmer die elektronische Key Card, ohne die kann man nicht mal seine Etage im Lift anwählen. Um die Tür zum Apartment zu öffnen, muss man noch dazu einen 9 stelligen Code eingeben…

So weit so gut. Das Apartment ist modern und schön, der Ausblick – unglaublich! Dagegen ist New York altbacken. Ein Wald von Hochhäusern in den verrücktesten Formen blinkt, strahlt, funkelt und flasht. Unglaublich. Ich will lieber nicht über die Energieverschwendung moralisieren, das Thema gibt´s hier offensichtlich nicht. ….aber toll sieht´s aus!

Am nächsten Morgen spaziere ich los, um eine Apotheke zu suchen. Ich komme mir zum zweiten Mal vor wie Gretel im Wunderland. Neben unserem Hotel führt eine eher schmale, schäbige Straße mit kleinen Läden und einfachen Restaurants entlang. Wellblech, Holz- und alte Backsteinwände, wackelige Konstruktionen, um Waren darauf auszubreiten, zu kochen oder als Kunde zu essen. 10 Meter über die Straße entfernt von unserem gigantischen Apartmentblock…Ein kleines, wirklich schmuddeliges Viertel. Man springt über Pfützen unterschiedlichster Ursache, muss auf die Füße achten, um nicht zu fallen. Überall schwarzer Schimmel, bröckelnder Putz, wirre Kabel.

Ich überquere eine größere Straße, passiere ein gigantisches rundes Parkhaus und bin in einer anderen Welt. Riesige Gebäudekomplexe, fast alle für Läden, Superstores, Malls. Alles ist voller Menschen, die in alle Richtungen strömen. Auf der breiten Straße Bukit Bintang, die dem Viertel seinen Namen gegeben hat, strömt der Verkehr, aufgeregte Verkehrspolizisten pfeifen gegen die Ampel an, weil irgendein wichtiger Konvoi Vorfahrt hat.

Bukit Bintang ist DAS Geschäftsviertel Kuala Lumpurs. Hier regieren die Superlative, klein und bescheiden ist das einzige, was es hier nicht gibt. Alles ist so riesig, gigantische LED-Wände blinken, blitzen, flimmern. Auf den Bürgersteigen hat sich noch eine Zeile kleinerer Restaurants dazwischen gequetscht. Im Gegensatz zu den kleinen, bescheidenen neben unserem Apartment sind die aber neu und chic.

Dass hier in der Stadt viele Reiche und Megareiche residieren, ist nicht zu übersehen: Feine Apartmentblocks mit viel Security, dicke Autos, Edel-Brands wie Louis Vuitton haben hier Stores, die das KeDeWe klein aussehen lassen. Doch zwischen den tollen, schicken Prestige-Bauten der Stadt liegen vor aller Augen, aber trotzdem unsichtbar, die Schmuddelecken der alten Stadt. Die kleinen oft eher etwas armseligen Behausungen derer, die den anderen das Leben schön machen: kochen, putzen, reparieren, liefern. Sie leben in Straßenzügen, die aus verfallenen, hässlichen und kleinen Häusern bestehen, im wahrsten Sinne des Wortes im Schatten der Giganten nebenan. Obdachlose schlafen auf dem Boden, streunende Tiere suchen Fressen. Alltag in KL.

Aber ich schweife ab und greife vor. Erstmal weiter mit meinem ersten Ausflug. Auf der Hauptstraße angekommen, habe ich erstmal nur dagestanden und gestaunt. Klingt albern, war aber so. Eine Mall nach der anderen, davor glitzernde Springbrunnen, leuchtende goldene und silberne Eingangstore wie aus 1001 Nacht, der brodelnde Verkehr auf der Straße mittendurch.

Die nächste geöffnete Apotheke wird mir in der Bukit Bintang Plaza Mall angezeigt. Um das Ganze jetzt nicht noch mehr auszuwalzen: Ich habe trotz freundlicher Hilfe des zahlreichen Wachpersonals 15 Minuten gebraucht, um diese Apotheke zu finden. Hier sind auf 48 Stockwerken (drei unterirdisch) mehr als 1000 Geschäfte und Restaurants untergebracht. Der Grundriss entspricht der eines kleinen Viertels. Mittendrin ein mit tausenden Lichtern beleuchtetes goldglänzendes Wunderland als Atrium, kitschig wie aus 1001 Nacht. Und die meisten Läden in dieser Mall sind von der gehobenen Art, viele gehören zum obersten Preissegment. Wer kauft das alles??

Und natürlich gibt es auch außerhalb dieses gigantischen Komplexes weitere große Einzelstores der beḱannten Labels, eher selten auch mal eine Zeile Stände und Läden mit einheimischem Billigkram . Vieles hier grenzt an Gigantomie. Und das beschränkt sich nicht auf unser Viertel Bukit Bintang, wie ein Blick aus unserem Fenster im 20 Stock zeigt. Auch in der restlichen Innenstadt wird repräsentiert, geprotzt und gewetteifert.

Schon ein Blick aus unserem Fenster im 20. Stock gibt des Blick auf viele andere riesige Gebäude frei. Jedes anders, fast jedes unverwechselbar.

A propos Blick. Ein Grund, warum wir uns für das Axon Residence entschieden haben, waren die Fotos von einem Infinity Pool im 37. Stock. Das sollte unser kleines Extra für die letzten Tage sein, in dieser heißen Stadt. So abends, nach dem Sightseeing. Dachten wir. Falsch gedacht! Ramadan! Das Ding wird knallhart geschlossen, obwohl ein Großteil der meisten Gäste und Mieter hier gar keine Muslime sind und man damit wirbt! Das empfinde ich als Ignoranz allen Nichtmuslimen gegenüber, deren Geld man gern nimmt. Meine Verärgreung wird mit einem Schulterzucken abgetan. Später treffe ich noch etliche verärgerte Gäste…

Die Sache mit dem Ramadan ist ohnehin ein wenig seltsam. Ich weiß natürlich, welcher Gedanke hinter dem Fastenmonat steckt. Aber ich verstehe nicht, wieso dann nach Sonnenuntergang nicht nur alle Sinnesfreuden wieder erlaubt sind, sondern geradezu zelebriert werden. Nehmen wir nur das Essen: Tagsüber weder Essen noch Wasser und kaum geht die Sonne unter, wird gegessen, was nur geht. Alle halal Restaurants hier werben mit ihren Angeboten zu riesigen Ramadan-Büffets am Abend. Und sobald es dunkel ist, ist es überall brechend voll und es wird genussvoll und überreichlich geschlemmt.

Wir erobern die Stadt ersteinmal schrittweise, zu Fuss. Tapfer und neugierig spazieren wir – schweisstriefend – durch Gassen und große Straßen. Vorbei an der modernen Hochbahn, die die Stadt auf hohen Betonträgern durchschneidet. Mehrere Autobahnen durchpflügen KL, wie es die Einheimischen wohl nennen. Die großen Magistralen sind breit, oft sechs- oder achtspurig, der Verkehr ist einfach irre. Ununterbrochen. Aber immerhin gibt es noch Bürgersteige. Und viel Polizei.

Wir sind haben uns Chinatown als Ziel ausgesucht mit dem berühmten Straßenmarkt in der Petalin Street. Keine besonders aufregende Strecke, aber das Laufen durch eine fremde Stadt gibt einem doch immer so ein bisschen Gefühl für den Ort. Die Mischung der Kulturen, Volksgruppen und Religionen prägt das Stadtbild. Namen, Bezeichnungen, Schriften: Arabisch, Chinesisch, Malay, Hindi. Vom Tschador bis zum Minirock, vom Sari bis zum chinesischen Seidenkleid, Fez, Kippa, Basecap oder rosa Punkfrisur – hier geht alles.

Endlich haben wir Chinatown erreicht und auch schnell die Petalin-Street gefunden. Ein typischer Straßenmarkt, über dem die üblichen fröhlichen roten und gelben chinesischen Laternchen schaukeln. In Kreuzform kuschelt er sich in die Gassen des Viertels. Hier gibt´s sehr viele leckere Dinge zu essen, von Nudeln über Fleisch, Fisch , Obst, Süsses bis der Zahnarzt kommt. Und leckere Säfte: frisch gepresstes Zuckerrohr mit Zitrone, Mango-Shakes, Eis-Cappucino – außer Wein und Schnaps eigentlich alles.

Dutzende Stände mit immer denselben T-Shirts, Caps, Taschen und Hosen, Fake-Marken-Uhren, Technikfirlefanz und auch mal Nützliches…. jeder kennt das aus irgendeinem Urlaub. Aber die Leckereien sind was besonderes! Und wir entdecken ein Massagestudio „Thai/Bali Style“. Genau! Das hat uns gefehlt.

Das Abendessen versinkt im Regen, der hier wohl an den meisten schwülheißen Tagen irgendwann alles dampfen lässt und die Bürgersteige und Fahrbahnen in glitschige Stolperstrecken verwandelt. Wir sind geschafft vom vielen Pflasterlatschen und so vielen neuen Eindrücken! Infinity-Pool ist nicht….also bleibt ein Abendessen im Viertel und vielleicht ein kaltes Bier? Gibt´s ja nicht überall. Aber unter einer Plane vor dem Regen versteckt, klappt das dann doch noch mit dem vollem Magen und dem Feierabend-Bier.