04 – Abgetaucht

Eine gute Woche bleibt mir auf der Insel. Mein Versuch, noch 2 Tage zu verlängern, scheitert – es gibt keinen Platz mehr für mich im Guesthouse. Also genießen, soviel es geht! Mein erster Ausflug führt folgerichtig in „mein“ Dive Center, die Paradise Divers. Solange ich auf diese Insel komme, gehe ich hier tauchen, hier habe ich auch meinen dritten Tauchschein, den Advanced Open Water Diver, gemacht. Und da ich ein von Natur aus treuer Mensch bin und Tauchen zudem viel mit Vertrauen zu tun hat, komme ich immer wieder.

Mike, der Chef, ist Deutscher, lebt aber schon viele Jahre auf der Insel und ist inzwischen mit seiner charmanten Frau Peppermint, kurz Mint genannt, verheiratet. Die Tauchbasis hat das Virus überlebt, aber in abgespeckter Form. Es gibt kein großes Schiff mehr, nur noch drei kleinere Boote und deutlich weniger Tauch Guides, da ja keine großen Gruppen mehr zu gleicher Zeit rausfahren können. Aber zwei meiner alten Diveguide-Freunde, eine Österreicherin und ein Kambodschaner, sind noch da. Und wie es der liebe Teufel so will, sagen am ersten Tauchtag die anderen Teilnehmer ab und ich habe meine Privattour mit meinen beiden alten Spezis. Wie schön!

Wer nicht taucht, dem kann man nur schwer vermitteln, weshalb tauchen süchtig macht. Ja, die Fische, ja, die Korallen – aber nein, das ist es nicht allein. Es ist für mich – das Versinken in einer anderen Welt. Und eine andere Dimension, sich zu bewegen.

Ein ganz anderes Körpergefühl. Nicht der aufrechte Gang zählt, nicht das kraftvolle Ausschreiten… hier gelten andere Fähigkeiten, die man erst neu entdecken muss. Atmen, gleiten, navigieren mit dem Körper…. einfach ein bisschen Fisch werden. Mein Sternzeichen… Ruhe, Konzentration auf sich selbst – wo benutzen wir das schon im Alltag. Es hat mich Mühe gekostet und leichte Angstanfälle, bis ich es begriffen hatte. Unter Wasser rückt alles andere ganz weit weg. Ich denke an nichts, ich schaue, atme, schwimme. Meine Art von Meditation total. Oder auch die Entdeckung der Langsamkeit – nur lazy diver sind gute diver

Ja, und dann das Erlebnis Unterwasserwelt! Das Interessanteste, das Deep Blue. Die Farbe, die Formen, immer wieder neues, anderes… Ich bin in diesen Tagen in vielen Korallenriffen getaucht. Ich habe keine Ahnung, wieviel verschiedene Arten es dort gibt -ich weiß nur eins: Um sie zu beschreiben, ist unsere oberirdische Begrifflichkeit ungeeignet. Wie soll ich all die verschieden Formen, Oberflächen und Muster beschreiben? Ich kann´s einfach nicht, mir fehlen schlicht die Worte dafür. Ich weiß nur, dass ich mich manchmal an 3D-Welten aus der Phantasie verschiedener Filmemacher erinnert fühle, wenn ich da unten „schwebe“. Die Filmwelt von Avatar ist ein bisschen ähnlich, nur nicht so phantasievoll und vielfältig- und farbenfroher.

Wenn ich jetzt auch noch anfange, all die Fische, Muscheln, Schnecken, Kopffüsser, Krabben, Schwärme, Fischkindergärten und bizarren Lebensgemeinschaften unter Wasser zu beschreiben, wird keiner mehr weiterlesen. Aber soviel musste sein.

Umso trauriger und wütender macht es mich, den ganzen Plastik-Müll zu sehen, der jeden Tag mit der Flut an den Strand geschwemmt wird. Vor fünf Tagen haben wir wieder ein altes Netz mit darin verfangenem Plastikmüll entdeckt, in dem eine Schildkröte gefangen war, die elend verreckt wäre, wenn sie nicht gefunden worden wäre. Oft genug findet man Plastiktüten und -säcke auch am Meeresboden. Taucher nehmen sie natürlich mit.

Von all den Tauchgängen will ich nur einen einzigen hier erwähnen: Eine zweieinhalbstündige Fahrt mit dem Motorboot von Koh Kood entfernt, liegt ein riesiges Schiffswrack: die HTMS Chang. Einst von den Japanern als Kriegsschiff gebaut, wurde es später Thailand als Frachtschiff überlassen. Vor rund 20 Jahren hat man es dann bewusst gesunken, um Korallen darauf anzusiedeln und Fische anzulocken.

Es ist unglaublich: Das riesige Schiff steht aufrecht auf Grund, die Brücke nach oben ausgerichtet und der Fahnenmast trägt die thailändische Fahne – unter Wasser! Ein echtes Geisterschiff. Ein time warp. Wenn ich durch die verschiedenen Decks schwimme, an der Reling entlang, durch den Laderaum -dann fühle ich mich auf einer Zeitreise. Ich sehe im Geiste die Matrosen und den Kapitän herumlaufen und arbeiten. Es ist surreal! Das Schiff liegt in ca 30 Meter Tiefe, ist also in ganzer Dimenson nur für erfahrenere Taucher in Gänze erlebbar.

Aber das ist kein Problem: Auch für Anfänger, die nicht tief gehen können, oder bei guter Sicht sogar Schnorchler, ist es ein Erlebnis: Hier sind tausende Fische unterwegs: Ein riesiger Fischschwarm schwimmt neben über oder durch den anderen. Wie eine gigantische Choreographie! Es sind tausende glänzender Fische in allen Farben: silber, gold, blau, weiß, gelb und alle Varianten von Streifen und Punkten. Und mittendrin immer mal ein paar verrückte Einzelgänger, die aus der Reihe tanzen: Fledermausfische, die zu dritt oder viert ihr Synchronschwimmen veranstalten, riesige Snapper und Zackenbarsche schwimmen stur ihren eigenen Weg, einzelne Flötenfische oder Seepferdchen, die sich auf den rostigen, von Algen und Muscheln bewachsenen Decks kringeln.

Der Tauchausflug ist weit und daher auch etwas teuer, aber ich muss es mir einfach immer mal wieder gönnen – wenn das Meer mitspielt und ruhig genug ist für die Fahrt.

So vergehen die meisten meiner Tage zur guten Hälfte mit Tauchen, nachmittags bin ich faul, auch wenn ich es erst nach fast einer Woche schaffe, das zu genießen. Mein Stresspegel war diesmal wohl sehr hoch.

Ich war zwar schon oft hier, aber eine kurze Würdigung soll das Inselchen selbst doch noch erfahren…. im nächsten Blog.

02 – Tschüss Bangkok, hallo Insel

Insel- Days are lazy days. Aber nicht nur deshalb oute ich mich als träge und säumig in ungewohnter Weise, sondern auch im Interesse meiner Leser, die ich nicht mit allzu vielen Wiederholungen und Ausschmückungen dieser Tage langweilen will. Erstens ist dies nicht mein erster Koh Kood Block (siehe vor 2020) und außerdem habe ich diese 10 Tage fast ausschließlich meiner Leidenschaft, dem Tauchen, gewidmet. Daher also nur ein Unterwegs- und ein Inselblog. Ab 3.2. wird es wieder mehr zu erzählen geben, dann ziehe ich weiter.

Der tägliche Bus der Bonsiri Gesellschaft, die auch die Fähre zu den Inseln Koh Kood und Koh Chang betreibt, hat mich am Freitag morgen um halb acht aus der Hauptstadt auf die Insel gebracht. Doch zuvor bin ich zu Fuß von meiner Bleibe Baan U Sabai in Riverside einen knappen Kilometer durch die erwachende Stadt gezogen. Das ist mir noch einen Absatz wert.

6:30 Uhr . Die Hitze hält sich in Grenzen, es ist noch nicht richtig hell. Der Lärm scheint mit der Sonne aufzustehen, noch ist es ungewohnt ruhig in den Straßen. Aber die Stadt bereitet sich auf einen weiteren busy day vor. Das kleine Restaurant wgegenüber wird seit sechs geputzt und vorbereitet auf die Frühstückshungrigen, gleich wird es öffnen. Eben läuft eine der Frauen noch zu einer Händlerin auf einem Roller, die die traditionellen Blumenketten verkauft, mit denen die kleinen Ältäre, Buddha-Figuren, Auto-Spiegel und Marktstände geschmückt werden

Die phuang malai, diese wunderbaren Kunstwerke aus Blüten – die Farben weiss, gelb orange und manchmal rot- ernähren ganze Familien, sind sie doch ein altes Gewerbe. Diese duftenden Ketten beschützen und bringen Glück. Deshalb sieht man sie auch oft an Auto-oder Motorradspiegeln. Sie werdeen täglich erneuert, die alten meist wieder zurückgegeben. Deshalb sind die Händler mit die ersten auf der Straße am Morgen.

Am Ende einer Gassen steht eine sehr alte Frau mit einem ebenso alten Grill auf Rädern und brutzelt Hähnchenspieße zum Frühstück für die immer hungrigen Bangkoker auf dem Weg zur Arbeit oder frühe Reisende wie mich.

Auf der großen Straße jenseits des kleinen Kanals, haben die erssten Bürgersteig-Restaurants ihre vier bis sechs wackeligen Tischchen schon gedeckt und frischen Chili in Essig bereitgestellt, ohne den kein Thai isst. Die Grills sind angeworfen und es duftet. Die größeren Restaurants schlafen noch.

Zwischen den ersten Verkaufsständen mit tausenden t-Shirt, Hosen, Tüchern und ähnlichem hocken die Verkäufer und löffeln ihre Frühstückssuppe oder gebratenen Reis. Dazwischen schläft der eine oder andere Obdachlose lang ausgestreckt auf dem Bürgersteig . Einem von ihnen stecke ich ein paar Baht für ein Frühstück in die Hemdtasche. Eine alte Frau putzt einen kleinen Buddha-Schrein, wechselt die Blumenketten und stellt die Box für die Spenden für Straßenkatzen auf. Man nimmt das mit dem Karma durchaus ernst – wer weiß schon, als was er wiedergeboren wird…

Ich kaufe noch etwas geschnittenes Obst und schon bin ich in der Tani Road. Hier checkt ein kleines Ladenlokel die Fahrgäste ein, sie werden mit roten oder gelben Schildern je nach Destination dekoriert. Es fahren zwei große Busse gleichzeitig ab, das kann leicht verwechselt werden.

Ein fröhlich Popsongs singender junger Thai, der zum stinkstiefeeligen Muffel wird, als er sich dem Bus nähert, entpuppt sich als der Fahrer. Der Bus ist ziemlich schmutzig und voll beladen. Pünktlich geht es los und in der nächsten dreiviertel Stunden quält sich der Bus durch den Berufsverkehr der Innenstadt, bevor er losrast Richtung Küste.

Die Fahrt ist lang und langweilig, Draußen zieht bis auf die letzte Stunde eine eher öde und oft verdorrte Landschaft vorbei. Zwichendurch immer wieder seltsame Ensemble von Häusern entlang der Straße und nur da, ohne jede erkennbare Struktur eines Ortes. Wer wohnt hier? Wer hat hier sein Business? Keine Ahnung. Es hat etwas trostloses. Dann plötzlich ein rotgold strahlender Tempel – auch ohne Umfeld. Und Plantagen. Aber das wars dann auch schon. Der Fahrer hat ein paar mal angehalten, offensichtlich für private Transportaufträge. Dafür bleibt diesmal keine Zeit für eine schöne Pause im Restaurant , wie ich es kenne – ein Klo mit Kiosk muss reichen…

Dann endlich wird es grüner und freundlicher – das Meer ist in der Nähe. Plötzlich schallt laute Thai-Pop-Musik durch den Bus – die persönliche Art des Fahrers, die dämmernden Fahrgäste zu wecken, weil das Ziel in Sicht ist. Endlich …6 Stunden…

An der Endstation vor dem Ao Salad Pier der Küstenstadt Trat ist alles perfekt organisiert, hier ist ein kleines Restaurant, viele haben vorher bereits ein Essen bezahlt und das steht auch schon bereit. Noch einen Fruitshake oder einen Iced Cappucino, dann fühlen sich alle besser.

Die Fahrer zwei kleiner offener Trucks mit zwei Anhängern stapeln in Windeseile viele Reisende und ihr Gepäck auf sehr wenig Raum in die offenen Anhänger und rumpeln über das lange Pier zur Highspeed-Fähre. Hier geht alles ganz schnell. 20 Minuten später sind wir auf See. Die bleichen Touristen drängeln sich auf dem sonnengefluteten Oberdeck, Thais und Kenner halten sich eher eine oder zwei Etagen tiefer im Schatten. Noch 75 Minuten bis Koh Kood…

erkennbare Ortstruktur

01 – Thailand & Indonesien – der Doppelwhopper

4 Jahre ist es her… 4 Jahre, in denen sich die Welt verändert hat. Ein Virus hat uns das Fürchten gelehrt, unsere Selbstsicherheit fragil gemacht – und vielleicht auch ein bisschen dankbar, wenn wir es überstanden haben – ohne persönliche Verluste, ohne Spätfolgen. Vier Jahre, in denen sich aber auch Gräben aufgetan haben – in der Welt, der Gesellschaft und – in Familien .

Sorry, für den leicht moralin- schnüffelnden Exkurs am Anfang dieses neuen Blogs, aber es waren Gedanken wie diese, die mir auf dem endlosen Nachtflug von Deutschland über die Türkei nach Bangkok durch den Kopf gegangen sind. Und daneben: einfach nur eine riesige Freude, nun endlich wieder dahin zurückzukehren, wo ich schon so viele tolle Dinge erlebt gesehen und gelernt habe.

Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, als die Maschine in Bangkok aufsetzt, warme Luft weht durch die Gangway…yes! Der Berliner Winter ist Geschichte. Nur eine endlose Stunde in der Schlange zur Immigration Control… Auf dem Flug habe ich eine Thaifrau kennengeelrnt, die in Berlin lebt und auf Familienbesuch ist. Sie besteht darauf, als erstes um halb neun Uhr morgens im Food Court ordentlich thailändisch zu essen. Heiß, scharf und sättigend!

Ich bestelle mir ein Taxi mit lady driver, das finde ich ein gutes Angebot, angesichts der oft rüden Bangkoker Taxifahrer. Ein etwas in die Jahre gekommer Honda mit Spielzeug und Kinderklamotten auf dem Vordersitz und einer netten Frau bringt mich in die Stadt – allerdings eine endlose Fahrt im schlimmsten Berufsverkehr traffic jam, in dem sich noch hunderte lebensmüde Motorradfahrer in Schlangenlinien durch die Autos schieben.

Ja, endlich wieder diese verrückte Skyline mit einem Gemisch aus langweilig modern, prunkvoll mit goldenen Aufbauten in schwindelerregender Höhe, andere Gebäude wirken völlig abgedrehrt, futuristisch – wie unter psycheleischen Drogen entworfen…. dazwischen die eher niedrigen Wohnviertel, glitzernde Tempel, Moscheen jeder Größe und Slums aus Pappkisten und Brettern, vorallem entlang der Eisenbahntrasse. Nicht zu vergessen: die kitschigen, goldenen übergroßen Portraits des Königs, mal mit Gattin, meist ohne. Und gelegentlich von einer Frau in Militäruniform… ich glaube, das ist seine offizielle Konkubine.

Ich habe mir ein kleines Guesthouse in Phra Nakhon gesucht, dem historischen Viertel von Bangkok, durch den breiten Chao Praya Fluss getrennt vom Touristen-Viertel Bang Lam Pu mit der ebenso bekannten wie für seine Ballermann- Atmosphäre berüchtigten Khao San Road. Ich lande in einer winzigen Straße ohne Bürgersteige, in der es nur ein paar chaotische einheimische Läden und ein ebensolches Restaurant gibt. Wunderbar – wie eine alte Kleinstadt mitten in Bangkok! Es gefällt mir sofort! Neugierige, freundlich grüßende Menschen, die auf die versteckte Tür des Guesthouses zeigen.

Mir kommt alles ein bisschen unwirklich vor, so übernächtigt und kulturgeschockt. Ich checke ein, ein schmuckloses, aber sauberes und ruhiges Zimmer – alles perfekt. Nur, dass die drei typisch thailändischen Duchklos so klein sind, dass ich die Tür kaum schließen kann . Möchte gern einen etwas kräftigeren Mann bei dem Versuch sehen….

Um meine Müdigkeit in den Griff zu bekommen – was gäbe es besseres als eine Massage! Und wenn man nicht gerade im Umkreis der Khaosan sucht, findet man sehr gute und preiswerte kleine Salons. Natürlich hat die Guesthouse -Angestellte sofort eine Freundin – sie bringt mich sogar persönlich hin, aus Freundlichkeit – und Angst, dass ich womöglich woanders hingehen könnte. Es ist eine himmlische Stunde zwischen Schlaf und kräftiger Thaimassage – für 4, 50€.

Über eine kleine Brücke neben einem tempelähnlichen Denkmal für irgendeinen historischen Kampf, dessen Namen ich absolut vergessen habe , führt eine kleine Brücke über einen Kanal in mein Viertel. Ein paar Schritte an meiner Straße vorbei, residiert, mit riesigem goldenen Kaiserpaar verziert, eine protzige weiß-goldene Jungensschule, die zum dahinterliegenden – ebenso weiß-goldenen- Tempel der Erweckung gehöhrt. Keine Ahnung, ob das nur eine besondere Jungen-Schule ist oder hier auch spätere Mönche zur Schule gehen. Sieht schon lustig aus, wenn sie sich im Sportunterricht um beste Leistung bemühen und ein Mönch dazu einen großen Gong schlägt.

In den verbleibenden anderthalb Tagen bin ich viel durch mein symphatisches Viertel spaziert, habe mir den Tempel angeschaut , an dessen Mauern aussen lauter winzige Garküchen den Hunger nach dem Gebet stillen wollen. Jede hat nur ein oder ein zwei Gerichte, aber die sind so billig, dass man es kaum glaubt. Ein bis drei Euro pro Essen. In der Luft liegt der Geruch von Basilikum, Koriander und Chili.

Nicht unerwähnt bleiben soll mein erstes Frühstück in dem winzigen Restaurant gleich gegenüber meiner Unterkunft. Es öffnet vor sieben Uhr. Vier Plastiktische und Stühle sind das Gäste – Mobiliar, der hintere Teil des Raums ist ein chaotisch verkramtes Lager, indem sowohl Zutaten wie auch jede Menge rätselhaftes Zeug liegt und wo natürlich gekocht und gechnippelt wird. Es gibt sogar eine alte Espressomaschine, mit der ich eine Art wohlschmeckenden Cappuccino zubereitet bekomme. Gegessen wird natürlich warm. Was sonst? Ich entscheide für eine Suppe mit Gemüse, Ei und Hühnerfleisch. Auf die lauernde Frage, ob ich denn scharf esse, antworte ich mit Ja und werde freudestrahlend in den Kreis der Kunden aufgenommen. Lecker!

Ich will es damit bewenden lassen bei meinen müdigkeitsschweren beiden Tagen in Thailands Hauptstadt – aber einen Ausflug habe ich dennoch unternommen, um etwas neues zu sehen. Ich bin mit einem Tuktuk in Pink und einer netten Fahrerin ( die Männer wollten freche Preise) nach Lupini-Park gefahren. Gute acht Kilometer vom Zentrum entfernt wird er in Reiseführern als weitläufige Dschungel-Oase der Stadt gepriesen.

Es ist ein ziemlich großer, aber nicht besonders großer Park mit ein paar schönen Bäumen, zwei Seen und natürlich zwei eher bescheidenen Tempeln. Das Schönste ist das Panorama des Parks vor der Skyscraper-Kulisse rundherum. Das ist wirklich ein verückter Eindruck. Ansonsten ist es offensichtlich das Läufer-Paradies für Bangkoker aller Altersklassen – es gibt sogar eine Läuferstation, wo man seine Sachen deponieren kann. Aber man sieht auch, dass der Park seine besten Zeiten hinter sich hat: viele vertrocknete Flächen, wenig einladenden Bänke und ein verfallener Riesenbau, der wohl mal das Parkcenter war.

Für den Rückweg entscheide ich mich für den Skytrain (die Bangkoker U-Bahnvariante, die auf hohem Viadukt durch die Stadt rast, um dann an der Endstation in das Schnellboot auf dem Chao Praya umzusteigen – ganz normaler Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes. Wiedereinmal bin ich beeindruckt über die Disziplin: auf den Bahnsteigen des Skytrain ist die Bahnsteigkante von Glaswänden verschlossen, deren Türen sich direkt vor den Zugtüren öffnen. Neben den Türen warten, ohne jedes Gedränge, geduldig viele kleine Schlangen. Im Zug ist es eisig, einige Fahrgäste tragen noch Masken, eine Erinnerung an das Virus. Die Fahrt kostet weniger als einen Euro, die Tickets darf man- um Gottes Willen- nicht verlieren oder auch nur verkramen, sonst kommt man durch die Schranken nicht wieder raus und wird sofort von den eher rüden Kontrolleuren angeblafft.

Am Sathorn Pier frage ich eine Frau in Uniform nach dem richtigen Boot, sie reist mir das Geld aus der Hand, zerrt mich rennend hinter sich her, löst an der Kasse, an der Schlange der Wartenden vorbei, eine Karte für 1 Euro und zieht mich auf die Rampe, wo ich als letzte ins Boot springe.

Ich genieße die Fahrt im Sonnenuntergang den Fluss hinauf Richtung Norden, Eine Las Vegas würdige gigantische DesignerShopping Mall im Lichterglanz, mehrere Tempel, jeder anders, die Lichter von Chinatown, beleuchtete Restaurants und der Große Palast und ziehen vorbei. Beleuchtete Touristendampfer und bunte blumengeschmückte Longtailboots lassen den Fluss zu einem belebten Ort werden. Ich liebe diese Fahrt. Ich bewundere wiedereinmal, wie es der Captn schafft, an allen Haltestellen exakt am Steg anzulegen, ohne Helfer, mit laufendem Motor. Und das Boot ist nicht klein! Enstation ist Phra Artit . Ich wohne ganz in der Nähe. Last night in Bangkok – ein Essen am Straßenrand an einem wackeligen Tischen für 70 cent, einen Absacker in einer seltsamen Hippiekneipe 100 Meter von meinem Guesthouse…. morgen um viertel vor sechs ziehe ich durch die aufwachende Stadt zum Bus, der mich nach Trat bringt und von dort per High Speed Fähre auf meine gliebte kleine Insel Koh Kood.

1 . Wiedersehen 2023 – anders als erwartet

Brasilien! Endlich wieder. Nach dem unschön abgebrochenen Urlaub mit Lockdown und gestrichenen Flügen vor 3 Jahren ….den Koffer in Vorfreude auf viele Wiedersehen voller Geschenke gepackt und 6(!) Brote auf Bestellung…


Doch die Freude wird schnell gebremst, als mich mitten über dem Atlantik Nachrichten von Freunden erreichen, dass der Küstenabschnitt Litoral do Norte de Sao Paulo in Regen und Überschwemmungschaos versinkt. Überschwemmungen sind im Sommer an der Tagesordnung, aber das, was ich jetzt lese, scheint um einiges schlimmer und steigert sich mit jeder message. Da ist von kaputten Straßen und Bergrutschen die Rede. Es seien die schlimmsten Regenfälle seit über 50 Jahren.


Ich bin froh, dass wir für die Nacht eine Pousada in Flughafennähe in Guarulhos gebucht haben, um morgens weiterzufahren. Bis dahin wird hoffentlich einiges klarer. Die Ankunft verläuft reibungslos, sogar das Gepäck ist da. Ein Taxi bringt und zur Pousada Casa do Manguinho.


Die Straßen der Satellitenstadt neben Sao Paulo wirken ziemlich düster und strotzen nur so vor gefährlichen Löchern, die Häuser sind größtenteils mehr oder weniger heruntergekommen… herumlaufen möchte ich hier gerade nicht – mir sitzt wohl die Erinnerung an den Überfall vor 3 Jahren in Salvador tiefer als ich zugeben wollte. Aber ich bin seit 24 Stunden wach und etwas angeschlagen.


Die kleine Pousada ist einfach, sauber und der Empfang freundlich. Wie sich nach etlichen Telefonaten und Chats bestätigt, ist das Ausmaß der Katastrophe an der Küste noch nicht absehbar, schon ist von 40 Toten und vielen Vermissten die Rede. Wir müssen wohl oder übel erstmal in Sao Paulo bleiben, zum Glück ist schnell klar, dass uns eine Freundin Obdach gewähren wird.


Am ersten Morgen stolpern wir durch die arg kaputten Straßen des Viertels auf der Suche nach Frühstück, aber es ist Karneval und bis auf ein paar Ausnahmen ist alles eher ausgestorben und geschlossen, das Frühstück fällt karg aus. Schließlich entdecken wir noch, dass unsere Pousada, die in einem schmalen, aber genial genutzen 3 stöckigen Haus untergebracht ist, eine phantastische verg laste Dachterrasse hat, mit Blick auf die tieferlegende Stadt und Landschaft und die startenden Flugzeuge . Tolles Bild.


Mit dem Taxi geht’s dann endlich nach Sao Paulo, auf der Fahrt über die Stadtautobahn kommen erste Wiedersehensgefühle auf, ich sauge die Skyline, ein paar hässliche Denkmäler und den Blick auf den scheusslichen großen Wasserauffangkanal neben der Autobahn auf, der die 800 m hoch gelegene Stadt vor den schlimmsten Auswirkungen der regelmäßigen Wolkenbrüche retten soll. Alles nicht wirklich schön, aber es erzeugt eine kleine Wiedersehensfreude nach den Jahren der Pandemie.


Die Adresse der Freundin (unserer Freundin an der Küste) liegt an dem wunderbaren Parque da Luz im Stadtteil Bom Retiro. Der Empfang ist herzlich, obwohl wir uns nur einmal vor Jahren begegnet sind und wir haben ein nettes kleines Schlafzimmermit Blick auf den Park, der, wie ein paar andere in der Steinwüste Sao Paulo ein echtes Stück Urwaldoase mit wunderschönen Bäumen ist. Gruselig nur, dass an den Mauern rundherum überall die Obdachlosen hausen, die meisten von ihnen auf Crack und somit nicht eben harmlos. An den Ecken des Parks ist ständig ein schwerbewaffnetes Polizeiaufgebot, zusätzlich schnüren noch mehrmals täglich Kolonnen berittener Poizei durch die Straßen. Viel mehr als früher, aber die Verhältnisse sind noch härter geworden und außerdem wird die Stadt und der dazugehörige Staat von einem straffen Bolsonaro- Anhänger regiert, der Militär und Muskelnzeigen liebt.


Ich will an dieser Stelle meine Erzählung ausnahmsweise auf fast foreward umstellen, um die folgenden zweieinhalb Tage im Schnelldurchlauf zusammenzufassen. Denn irgendwie ist das alles… statt Urlaubsbeginn eher ein Warten mit Stadtspaziergängen an einer ungewohnt stillen Stadt – fast alles ist geschlossen am Karneval, am Aschermittwoch alles müde – sogar unser bahianisches Lieblingsrestaurant Rota Do Acarajè, in das wir Barbara und ihren Sohn Christian als Dankeschön ausführen wollten, hat Katerpause.


Die Nachrichten im Fernsehen von der Küste sind erschütternd, abgerutschte Berge, zerstörte Häuser und Straßen, umgestürzte Bäume und verwüstete Strände, es ist von über 40 Toten die Rede, über 80 Menschen werden noch vermisst. Unseren Freunden in Camburi uns Boicucanga geht es allesamt gut, ein Glück .

Am schlimmsten hat es natürlich die Armen erwischt, in ihren Pappschachtel Häusern, die auch noch oft auf gefährlichem Schwemmland illegal gebaut haben, weil sie sich kein Land leisten können. Die Orte zwischen Bertioga und Sao Sebastiao sind abgeschnitten, die Straßen unbefahrbar oder nicht mehr existent. Die Orte seiesn nur noch mit Hubschrauber zu erreichen, alle Karnevalsurlauber, die es sich leisten können, zahlen horrende Preise, um ausgeflogen zu werden. Sonst sind die Orte nur noch per Boot zu erreichen.


Präsident Lula kommt, man mag über solche Besuche denken , was man will, aber die Leute hier empfinden es wirklich als Sorge und Trost. Das Militär und die Polizei aus weit entfernten Gebieten rückt mit schweren Räumfahrzeugen, Hubschraubern und Suchmannschaften an. Wir sind in ständigem Kontakt mit unseren Freunden, die uns auf dem Laufenden halten.

Nur unseren Freund André, einen Deutschen, hat es in der Form getroffen, dass sein im Urwald auf über 2 Meter hohen Stelzen gebautes Haus, das erste Mal im unteren Geschoss geflutet war. Schlimmer ist aber, dass der riesige, lebensnotwendige Wasserturm neben dem Haus kaputt ist. Aber deprimiert sind natürlich alle. Die Dramen sind das alles bestimmende Moment.


Das alles wirkt auf uns irgendwie irreal, wir sind ein bisschen aus der Zeit gefallen, gestrandet, und stellen auf Improvisation um

5 – Alt und schön

Taormina. Das ist mein Plan für heute. Ich habe gehört, daß diese alte Stadt an der Ostküste besonders schön sein soll. Es bedeutet zwar rund zwei Stunden Fahrt, aber das nehme ich gern in Kauf. Das Wetter wird immer noch von dem an der Küste vorbeigezogenen Hurrican beeinflusst – viele Wolken, mal sehen, was der Tag bringt. Auf jeden Fall ist es schön warm.
Einmal unten auf der Autobahn Richtung Messina angekommen, geht die Rallye wieder los. Wozu hier überhaupt Geschwindigkeitsschilder stehen, weiß ich nicht. Ich habe mich schon ziemlich angepasst, trotzdem gehöre ich immer noch mit Abstand zu den Langsamsten…


Die Strecke bis Milazzo kenne ich ja schon, danach kommen nur noch ein paar Tunnel, zum Glück. Aber je näher Messina rückt, desto niedriger und weitläufiger werden die Berge, sie sind nicht mit so vielen Bäumen bewachsen, wie weiter westlich. Ein anderes Landschaftbild, sanfter. Mir gefallen allerdings die wilden Berge besser. Aber das Meer bleibt fast immer in Sichtweite.


Kurz vor Messina endet diese Autobahntrasse, man muss durch die Mautstelle. Hier gibt es immer Automaten, die man vom Auto aus ziemlich schlecht erreicht. Allerdings sitzt ganz still und möglichst unauffällig ein Kassierer hinter der Scheibe daneben. Theoretisch kann man dann auch bei ihm bezahlen. Aber man tut es besser nicht. Seltsamerweise sehen die dicken älteren Herrn alle gleich aus und sind auch alle gleich bärbeißig und genervt, wenn so ein Störenfried sie mit Arbeit nervt. Muss wohl so in der Arbeitsplatzbeschreibung stehen.
Von der Großstadt Messina auf dem Nordostzipfel von Sizilien gelegen, bekomme ich nicht viel zu sehen, äußert den südlichen Ausläufern. Aber der Autobahnwechsel zur Nord-Süd-Richtung ist ein Erlebnis. Das Kreuz mit mehreren Ab-und Auffahrten liegt in einer großen, breiten Schlucht. Besser gesagt, eher darüber. Es ist eine gigantische Viaduktspirale, die aussieht wie die XXL-Version einer Kugelbahn für Kinder. Wer hier nicht aufpasst beim ewigen im Kreisfahren, stürzt tief!


Nun also nach Süden, am Horizont werden hohe Bergzüge sichtbar und dann endlich auch, dunstumhüllt, der Ätna. Die Küste wird wieder deutlich schöner, es sind wieder Strände zu sehen. Eine Dreiviertelstunde später schraube ich mich endlose Schlangenlinien nach Taormina hoch. Das kleine Auto keucht schwer im ersten und zweiten Gang nach oben und nervt damit die PS-starken Kollegen hinter mir.


Irgendwann nach dem dritten Tunnelausgang bin ich am Rand der Altstadt ganz oben auf dem Berg angekommen. Mir bleibt nur ein sündhaft teures Parkhaus, es gibt keine anderen Parkmöglichkeiten, es sei denn, ich fahre wieder die ganze Strecke runter. Aber das ist schnell vergessen. Durch das alte Messina-Tor kommt man in die eigentliche Altstadt, auf den Corso Umberto. Eine wunderschöne alte Straße, die sich für die zahlreichen Touristen in eine hübsche Shoppingmeile mit vielen Möglichkeiten zum Essen und Kaffeetrinken verwandelt hat. Kein billiger Ramsch, eher hochwertiger und schicker. Aber auch für die, die das nicht interessiert, ist es schön, hier herumzuspazieren. Immer wieder zweigen winzige, enge Gassen und Treppen ab. Blickt man durch eine solche Gasse nach oben, erhebt sich dahinter eine beeindruckend hohe, felsige Bergkuppe mit einem Gipfelkreuz.


Durch eine weiteres Tor in einer alten Mauer gelangt man auf die Piazza IX. Aprile mit gleich zwei Barockkirchen und einem Uhrenturm in der Mitte. Das schönste an dem nur zu drei Seiten bebauten Platz ist die vierte Seite: Sie bietet ein Panorama über Berge und die Küstenlinie nach Süden. Da dies ein besonderer Anziehungspunkt für Touristen ist, ist es natürlich auch der beste Platz für Künstler und Straßenmusiker. Der Corso Umberto schlängelt sich noch eine Weile dahin, bis zum nächsten alten Stadttor und einem sehr schönen alten Palazzo, dem Palazzo Corvaja.


Nur fünf Minuten entfernt ist die wohl berühmteste Sehenswürdigkeit Taorminas: Das Teatro Greco, ganz oben auf dem Berg, zur einen Seite direkt über dem tief unten liegenden Meer. Der Eintritt ist nicht billig, aber das ist egal.
Das antike Amphitheater hat seinen Namen eigentlich von seinem zerstörten Vorgänger: Die alten Griechen hatten hier im 3. Jh v. Chr ein Theater gebaut. Ein Jahrhundert später haben dann die Römer an gleicher Stelle den jetzigen Bau errichtet. Für sein stolzes Alter ist noch ziemlich viel von dem alten Gemäuer erhalten: Die beeindruckend große Arena mit den Sitzreihen, das Orchester, die oberen Wandelgänge, eine Aussichtsplattform. Und das schönste sind die Mauerdurchbrüche auf der Rückseite der Bühne, durch die man auf die Stadt, die Küste und – den Ätna am Horizont schaut. Irgendwie seltsam sich vorzustellen, daß hier dereinst einige von den großen Feldherrn wie Octavian und Hadrian gesessen und sich divertiert haben…


Ich durchstreife noch ein bisschen die alten Gassen, aber dann bin ich geschafft und brauche eine Pause mit Limonengranito und Bruschetta. Ich konnte von hier oben schon einen ausgiebigen Blick auf die berühmte Isola Bella unten vor der Küste werfen – eigentlich wollte ich da noch hinfahren und auch an den Strand gehen. Aber nun scheint mir das doch zu stressig zu werden, immerhin muss ich noch zurück, und das würde ich gern vor der Dunkelheit schaffen.

Ich schlängele mich auf einem neuen Weg durch Taormina zurück zum Meer und zur Autobahn. Auch die nicht direkt zur Altstadt gehörenden Viertel sind heimelig und angenehm, aber es gibt unglaublich viele Hotels hier. Die Strände nach Süden sind zwar lang, aber nicht unbedingt zu Fuß zu erreichenAuf den Serpentinen nach unten jagen mich Motorroller- und Motorradfahrer mit röhrenden Motoren, sie kleben genervt an meiner Stoßstange, dabei kann ich angesichts der extremen Kurven nun wirklich nicht schneller als 50 kmh fahren.


Ich fahre auf einen Blick an der Isola Bella vorbei, bevor ich zurück auf die Autobahntrasse abbiege. Schnell bin ich wieder in Messina. Hier ist in Richtung Palermo aber die erste echte, kilometerlange Baustelle. Es gibt eine Umfahrung, auch Mr. Google weiß das. Die Route führt ein Stück durch Messina, so dass ich nun doch einen Eindruck bekomme. Dann geht es über die Dörfer in teilweise extrem engen Straßen – immer weiter nach oben. Irgendwann werde ich misstrauische, auch wenn das Navi stur bleibt. Inzwischen bin ich ganz oben in den Bergen über Messina. Und auch wenn das Folgende langsam inflationär wird: Wieder einmal bin ich begeistert von dem Blick, der diesmal gleich über mehrere hohe Bergzüge reicht. Manchmal stehen Kirchen, alte Festungsruinen ganz oben drauf. Der Himmel darüber schmückt sich mit Wolkengebirgen, die Sonne wirft ein paar Strahlen auf die Erde. Fast schon zu viel Postkarte.


Aber die Strecke hört nicht auf, sie wird immer länger und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass ich meine Hände am Lenkrad keine zehn Sekunden gerade halten kann, eine Kurve jagt die nächste. Da könnte eine Geschäftsidee drauss werden: Extremfahrtraining in echter Natur. Aber die absolute Krönung habe ich noch vor mir: Die alternativlose Strecke führt mich durch ein hochgelegenes Städtchen mit Straßen, in denen immer nur abwechselnd Autos aus einer Richtung passieren können. Und der Clou am Schluss: eine steile Gasse, die so schmal ist, dass ich mit dem Panda kaum durchkomme ohne die Mauer links und rechts zu touchieren.


Das Navi hat zwar wieder mal versagt bei diesem langen und anstrengenden Umweg, aber – es war ein aufregender und schöner Umweg. Nur gut, dass ich allein im Auto war (was ich übrigens hier schön öfter gedacht habe) – denn dem jeweiligen Beifahrer wäre garantiert schlecht. Endlich wieder unten auf der Küstenstraße, erreiche ich auch bald die Autobahn, die ich mir für den Rest des Weges verdient habe.


Die Sonne steht schon tiefer, aber hoch genug, dass ich mir noch meinen täglichen Ausflug ans Meer erlauben kann, bevor ich nach Santa Margherita hochfahre. Diesmal lande ich per Zufall an einem besonders schönen Strand in Mangiova, dem Grotte Strand. Ein ausgiebiges Bad unter einem kitschigen echten Regenbogen krönt meinen spannenden Tag. Als Ich auch noch ein kleines Restaurant entdecke, beschließe ich, hier im Sonnenuntergang zu essen.

Es war eine sehr schöne Zeit auf Sizilien mit vielen Entdeckungen, die Lust auf mehr gemacht haben. Und der morgige Tag wird für mich noch mal schön, für Leser aber uninteressant: Da ich mein Auto abgeben muss, haben mich ein paar sehr nette und lustige Leute aus dem Hotel eingeladen, mich mit an genau diesen Strand zu nehmen für einen letzten genussvoll faulen Tag. Sonne, Meer und süße Träume….

1 – Tief und Hoch

Sechs Uhr und ich schaue vor meinem Bungalow der im Nebel versteckten aufgehenden Sonne zu. Ich bin ein bisschen aufgeregt, denn ganz kurzfristig hat sich ein Abenteuer ergeben. Tauchen! Ich habe vor zwei Tagen eine Werbung an einer Hauswand gesehen und nur aus Neugier über die hiesigen Konditionen eine e-mail geschrieben. Irgendwie dachte ich, dass die Saison wahrscheinlich vorbei ist, denn es sind nicht mehr viele Touristen unterwegs. Während der Tour gestern habe ich aber eine prompte Antwort erhalten und das Angebot, heute früh zu tauchen. Da konnte ich nicht widerstehen…


Ich bin überpünktlich beim Dive Center „Aqua Element“ am Strand von San Giorgio. Die gute Nachricht: Die Tauchgruppe besteht aus dem Instructor Marco und Mario, einem älteren Taucher, der wohl ein Freund ist. Ich muss nun nur noch die passende Ausrüstung finden, also anprobieren. Zu meinem Missfallen besteht Marco auf einem langen Suit mit Jacke und Kapuze. Angeblich ist es sonst zu kalt, was mir bei einer Temperatur von 22 Grad auf dem Grund wenig einleuchtet.


Ich hasse dieses dicke Zeug, was man nur mit viel Aufwand und Kraft anziehen kann und in dem man sich dann kaum bewegen kann! Es verunsichert mich total, zumal die Hose zu lang ist. Aber da muss ich wohl durch. Wir fahren vom Strand mit einem Schlauchboot los, Ziel sind zwei verschiedene Felsen, die etwas östlich Richtung Patti aus dem Meer ragen. Ich fühle mich immer noch etwas unwohl mit dem dicken Zeug. Aber im Wasser wird es hoffentlich besser. Mit dem schweren Rest der Ausrüstung behangen, geht dann alles sehr schnell.


Die Sicht ist exzellent – das Wasser ruhig und klar, leider scheint oben keine Sonne, sonst wäre es sicher noch schöner. Lobster winken mit ihren fluoreszierenden Fühlern, verschiedene Fische schwimmen vorbei, auch am Grund ist einiges Meeresgetier unterwegs. Immer wieder großartig, wenn auch nicht zu vergleichen mit den tropischen Gewässern. Doch ich komme irgendwie nicht recht zur nötigen Ruhe, denn mein Tank sitzt nicht mittig und ich versuche ständig daran herumzuzerren, weil er mich beim Schwimmen stört. Und irgendwann passiert es, ich werde nervös, achte nicht auf die richtige Schwebebalance, versuche zu schnell zu tarieren – und steige unbemerkt nach oben. Das sollte so nicht sein, ist aber nun mal passiert, der Instruktor hat es nicht verhindert.


Einmal oben, ruhe ich mich erst mal eine Weile aus und schwimme zum Boot zurück. Die beiden lassen mich in der Obhut des kugelrunden Bootsmanns und gehen noch mal unter Wasser, denn der Tauchgang hat erst eine halbe Stunde gedauert. Alles kein Problem, aber ich habe leichte Kopfschmerzen und verzichte vernünftiger Weise auf einen weiteren Tauchgang. Ein bisschen traurig bin ich schon, aber es wäre keine gute Entscheidung. Ja, ich bekenne es: Ich bin zwar kein Warmduscher, aber eindeutig ein Warmwasser-Taucher! Das ist meine Welt.


Zurück in meinem kleinen Auto überlege ich, was ich mit dem Rest des Tages machen will, das Wetter sieht eher nach Regen aus. Der Bootsmanns hat mir „Santuario de Tindari“ gezeigt, eine Kathedrale, die östlich von Patti majestätisch auf einem besonders hohen Berg thront. Das ist die beste Idee. Nach rund 40 Minuten durch die üblichen engen Serpentinen bin ich endlich da, d.h. im Dorf Tindari. Unterwegs habe ich wunderbare Sicht auf das beeindruckende Bauwerk gehabt, aber leider kann man auf diesen Straßen nicht anhalten.


Vom Dorf aus muss man den Rest zu Fuß oder per Shuttle-Bus zurücklegen. Aber es ist Mittagzeit, und da ist sogar die Madonna beim Essen: Es ist erst um 15 Uhr wieder geöffnet. Ich kehre in einem kleinen Restaurant zum Mittagessen ein. Ich bin der einzige Gast, außer einer italienischen Drei-Generationen-Familie, die hier irgend etwas feiert. Oder doch eine Beerdigung? Fast alle tragen Schwarz, die Männer weiße Hemden, am Kopfende sitzt der Patrone. Es ist wirklich immer dasselbe: Schon wieder das perfekte Klischee. Zwar nicht der Pate, aber eine Bilderbuch-Familie mit allem, was dazugehört, inklusive Zigarre, die er abseits von seinen Söhne flankiert, raucht.


Ich werde von Kellner gebeten, mich umzudrehen und die Familie zu begrüßen, die hier die Goldene Hochzeit der Familienoberhäupter feiert. Ich gratuliere angemessen, mit vielen bewundernden und freundlichen Gesten, mangels der richtigen Worte. Der Patrone ist zufrieden und wünscht mir huldvoll „Gute Appetitte!“


Als ich schließlich auf dem Berg mit der Kathedrale ankomme, nieselt es, aber das tut dem Eindruck des Riesenbauwerkes keinen Abbruch. Es ist eine Wallfahrtskirche mit einer Schwarzen Madonna. Das interessante Bild mit der schwarzen Madonna über dem Altar soll der Überlieferung gemäß nach einem Bildersturm in Konstantinopel im 9. Jh unbeschadet in einer Kiste an der sizilianischen Küste angeschwemmt worden sein. Es trägt die Aufschrift „Ich bin schwarz, aber schön“. Reicht wohl doch schon länger zurück, die Black Lives Matter – Bewegung…

Die Kirche, die groß, aber nicht sonderlich hübsch ist, wurde aber erst in den 50er Jahren gebaut.
Aber das Schönste ist der Ausblick von der Piazza vor der Kirche: Ein beeindruckendes Panorama der 220 Meter tiefer gelegenen Küste mit einer ungewöhnlichen Sand-Landzunge in der Lagune von Oliveri. Auf der anderen Seite blickt man auf das Gebirge. Aber die Küste sieht besonders spannend aus.


Und genau da will ich als nächstes hin. Obwohl Laghetto di Marinello, wie der Strand heißt, direkt unterhalb der Kirche liegt, ist es eine gute halbe Stunde Fahrt durch die Berge, bevor man endlich unten ist. Aus meinem Plan, auf die Landzunge zu wandern und das angrenzende Naturschutzgebiet anzuschauen, wird aber nichts: Es regnet. Aber – ohne Bad im Meer geht nicht. Also hopse ich schnell rein. Ich kann nicht so schnell wieder weg, wie beabsichtigt, da ein alter Fischer in mir einen willkommene Gesprächspartner sieht. Irgendwie merkt er nicht, dass ich nur einen Bruchteil verstehe. Ich höre, was über zu wenig Fisch klagt, was an den Winden aus Afrika liegt. Ich muss wohl an den richtigen Stellen den Kopf geschüttelt oder erstaunt geschaut haben – er freut sich. Und nass bin ich sowieso. Aber schließlich trolle ich mich und mache mich auf den Rückweg.


Heute ist sizilianischer Abend. Der Chef versichert sich persönlich, ob ich auch komme. Angesichts von gutem Essen und Wein werde ich mir das nicht entgehen lassen. Das Restaurant ist voll – jedes Zimmer hat seinen Tisch. Was ich nicht wusste: es gibt natürlich auch sizilianische Musik. Drei Musiker aus dem Dorf ziehen mit Gitarre, Akkordeon, viel Stimmgewalt und massenhaft Herzschmerz durch das Restaurant. Sie sind zum Glück wirklich musikalisch und etwas abgedreht, und so kann ich das folkloristische Element des Abends mit einigem Humor ganz gut aushalten. Bald ist der Gitarrist so blau, dass er den Wein aus den Gläsern der überraschten Gäste trinkt. Die Italiener sind schlauer – die halten den Jungs gleich eigene Gläser hin.


Nach dem vierten Gang mit allein vier Sorten Fleisch und Wurst ist mir langsam schlecht – soviel kann ich einfach nicht essen. Ich darf gar nicht an den Nachtisch denken! Also lege ich ein Trinkgeld auf den Tisch und entschwinde durch die Hintertür. Ich sitze noch ein Weilchen am nächtlichen Pool und verdaue, dann kann ich mich ins Bett wagen.

4 – Inseln im Wind

Der Tag der Inseln…Gleich nach dem Frühstück geht es los, wir teilen uns zu dritt ein Auto, die Parkplatzsituation hier ist nervend und teuer. Der Hafen ist im rund 40 Kilometer entfernten Milazzo, was sich als wesentlich größere Stadt herausstellt, als gedacht. Mich erinnert sie an Vigo in Spanien. Nur, dass Milazzo flach ist. Das Auto bleibt Im Parkhaus, aber diese Leute wollen den Schlüssel nicht abgeben, was aber nötig ist, weil ein Angestellter die Autos an einem anderen Ort parkt und zur verabredeten Zeit wieder zurückfährt. Mir ist der Misstrauenszirkus etwas peinlich, aber schließlich haben wir es hinter uns.


Das Schiff der Gesellschaft Tarnav ist ziemlich groß, aber nicht besonders schön, es hat auch zu wenig Plätze an Deck. Ich bleibe drin, da ist es ganz angenehm -die Fenster sind geöffnet- und leerer. Alle tragen Masken (außer draußen), das ist hier keine Diskussion, bei Einsteigen wird Fieber gemessen. Die Fahrt zur ersten Insel dauert fast anderthalb Stunden. Die unverständlichen und recht lustlos vorgetragenen Erklärungen der Reiseleitung über Bordfunk nutzen nichts. Also nutz ich die Zeit und mache mich schlau.


Die sieben bewohnten ( und etlichen kleinen) Äolischen Inseln liegen im Thyrennischen Meer im Norden von Sizilien. Rund 13.800 Menschen leben dort. Das Inselarchipel sind vulkanischen Ursprungs, die Vulkane auf Vulcano und Stromboli sind noch aktiv. Ihren Namen hat die Inselgruppe übrigens von den alten Griechen, die hier den Sitz des Windgottes Äolus sahen. Auch Odysseus hat es bei seinen Irrfahrten hierher verschlagen. Das klingt sehr… sagenhaft. Kann man sich aber gut vorstellen, wenn man die Inseln da draußen so windumtost sieht. Heute gehören sie zum Weltnaturerbe, weil hier besonders zu den regen Vulkanischen Vorgängen geforscht wird.


Panarea, unser erstes Ziel, ist die größte der Inseln. Die felsige Küste ist teilweise vom Meer aus sehr spannend anzusehen, da hier schroffe und schöne Felsklippe direkt vor der Küste liegen. Die Insel ist ein großer Berg – so wirkt sie zumindest von Weitem. Der einzige Ort auf Panarea ist steil an den Berg gebaut. Er ist sehr hübsch: Enge gewundene, steile Gassen, alles in Weiß mit schönen Pflanzen und Bäumen. Die Häuser sind liebevoll gepflegt. Eine gelbe Kirche thront hoch am Hang. In Hafennähe gibt es etliche Restaurants, denn hier gibt es auch relativ viel Tourismus. Ansonsten wohnen hier wohl außer den Ureinwohnern vor allem Aussteiger.
Die Strände sind dunkel, aber liegen etwas weiter ab. Natürlich kann man auch neben dem Hafen baden , aber das ist wenig idyllisch. So werden auch die reichlich vorhandenen Felsen als Badeklippen genutzt. Mir klebt alles nur so am Leibe von dem bergigen Ortsrundgang bei der Hitze. Am liebsten wäre ich noch in die berühmteste Badebucht am Punta Milanezze gewandert, die schon zur Bronzezeit besiedelt war, aber dafür ist die Zeit doch etwas knapp. Also – wenigstens einmal in dieses kristallklare Meer…
Weil ich nicht am Hafen Schaubaden für die in den Restaurants herumsitzenden Touris machen will, wandere ich ein wenig auf einem halbhohen Rundweg entlang, bis ich unten eine Felsecke entdecke, wo sich schon ein paar Leute zum Baden versammelt haben. Genau, was ich suche. Eifrig kletterte ich über die gut begehbaren trockenen Felsen, finde auch noch ein Eckchen für meine Sachen und kann es gar nicht erwarten, in dieses wunderbare, leuchtend blaue Meer zu kommen.


Nur leider habe ich dabei nicht gesehen, dass der letzte Felsen des Plateaus gelegentlich überspült wird…Ich habe nur noch gemerkt, wie beide Beine wegrutschen und den Kopf hochgerissen – wenigstens das. Die Landung war heftig, aber glimpflich. Nur nicht für meinen linken Fuß. Der blutet überall. Ein kollektiver Aufschrei der kleinen Schwimmergemeinde. Heldenhaft winke ich ab und springe erst mal ins Wasser. Auch, weil das den Schmerz bessert. Langer Rede, kurzer Sinn – mein Talent für kleine Zwischenfälle hat wieder gegriffen. Ich humple barfuss, eine rote Fährte hinterlassend, zurück, um mir Verbandszeug zu besorgen. Tja , wir sind in Sizilien: Bis halb fünf ist Mittagspause…und das Schiff dann schon wieder unterwegs. Das einzige, was ein Souvenirladen zu bieten hat, sind winzige Pflaster. Aber mit Hilfe einiger Tempotaschentücher geht es schon.

Next Stop: Stromboli. Die jüngste Vulkaninsel, vielleicht auch deshalb ist der Feuerspucker hier noch besonders aktiv. Mit Glück werden wir das am Abend sehen. Aber erster Stopp : Der Haupthafen in dem Ort Stromboli, der um die 500 Einwohner hat. Es gibt noch eine kleine Siedlung auf der Rückseite der Insel. Der Hafen ist ebenso unspektakulär wie hässlich. Der angrenzende Strand – wie erwartet: schwarz. Das ist schon gewöhnungsbedürftig – wurde uns doch seit Generationen anerzogen: Weiß ist sauber, schwarz schmutzig. Aber eigentlich liegt der ungute Eindruck auch daran, dass dieser Strand hier in keiner Weise schön ist. Es liegt irgendwelches kaputtes, altes Zeug herum, Steine, Unkraut. Der Kies tut nackten Füßen zudem unangenehm weh. Jedenfalls löst nichts den Wunsch aus, sich da einen schönen Strandnachmittag zu machen


Die Reiseleitung hat keine Tipps gegeben, wo es schön ist, Hinweisschilder gibt es keine. Oben am Berg ist das Dorf mit der unvermeidlichen Kirche zu sehen. Alle folgen der Straße an der Küste entlang. Nach einer langweiligen knappen halben Stunde erfahren wir von einem Einheimischen, dass da nichts mehr kommt. Toll. Auf dem Rückweg begegnen wir noch ganz vielen Leuten, die ebenfalls wie die Lemminge in die falsche Richtung laufen, darunter viele Ältere mit Gehhilfen. Langsam regt es mich auf, dass weder die Inselgemeinde, noch die Reiseleitung dafür sorgt, dass man sich orientieren kann.


Meine Begleiter sind sauer und wollen gar nichts mehr, außer sitzen. Ich schütte einen halben Liter kalte Flüssigkeit in mich hinein und mache mich doch noch mal auf – schließlich brauche ich immer noch dringend eine Apotheke. Die winzige Gasse, die steil nach oben führt, haben die meisten Inselunkundigen einfach übersehen.


Leider schon etwas in Zeitdruck, stürze ich die sich schlängelnde Gasse hoch, die überall von weißen Mauern eng begrenzt ist, überragt nur hier und da von blühenden Bäumen und Oliven. Es gibt hier kleine, liebevoll gestaltete Geschäfte, ein paar nette Restaurants. Ganz oben – eine kleine Piazza mit Kirche und einer Pizzeria. Und ein besserer Souvenirladen – mit integrierter Apotheke, die aus zwei Regalen besteht. Was ich wirklich brauche, gibt es nicht, aber ich nehme, was ich kriegen kann. Der Ort hat eine sehr eigene Atmosphäre, mancher mag sie durch die Enge vielleicht etwas klaustrophobisch empfinden. Oder gemütlich…


Zwischen den Häusern durch sieht man linksseitig den Vulkan aufragen, der von hier einfach nur wie ein riesiger, kegelförmiger Berg aussieht. Aber – die Luft riecht nach Schwefel. Eindeutig. Ich hoffe nur, dass wir am Abend wirklich Glück haben und etwas sehen können. Ansonsten hätte sich die Tür nicht besonders geloht. Ein Ausflug auf eine ganz nette Insel und eine eher…überbewertete, wären nicht viel für den Aufwand an Zeit und Geld. Ich besorge mir in einer Pizzeria noch ein paar Arancchini, das sind gefüllte und frittierte Klößchen , ähnlich den brasilianischen Coxinhas. Und zum Abschied sagt de Pizzaiolo doch tatsächlich: „Chiao, bella“! Das wollte ich schon immer mal hören! So ganz in echt…


Aber endlich ist die viel zu lange Pause von dreieinhalb Stunden, in denen man nicht viel machen kann, um. Es geht wieder auf das Schiff, dass jetzt vorbei an einigen wirklich schönen Felsnadeln, auf die Rückseite von Stromboli fährt – wo ich mit Glück den ersten aktiven Vulkan in meinem Leben sehen werde. Einige haben inzwischen im Internet gegoogelt und vernichtende Kritiken zu dieser Tour gefunden: „Alles Verarsche“, war der Tenor derer, die am Ende nicht mehr als ein winziges Rauchfähnchen gesehen haben…


Die Sonne geht malerisch und fotogen neben einer Felsinsel unter. Endlich ist es dunkel genug und das Schiff hat seine Position erreicht. Alle starren in dieselbe Richtung, Ober- und Vorderdeck sind so gar nicht Coronagemäß voll. Aber mit Masken…


Ein kollektives OOohhhhh! Es qualmt und raucht immer mehr aus der Spitze des Berges und dann züngelt tatsächlich Feuer auf! Nun starren alle gebannt weiter in die Richtung, auch als das kurze Schauspiel vorbei ist. Und tatsächlich haben wir nach gut zehn Minuten Starrens noch drei weitere Male das Glück, die Feuerteufel von Stromboli bei der Arbeit zu sehen! Ich muss sagen, ich bin schon beeindruckt. Denn auch, wenn die Flammen klein und von kurzer Dauer sind, springt meine Phantasie sofort an und ich stelle mit die ungeheuren Kräfte dahinter vor. Diese Hitze aus dem Mittelpunkt unserer Erde. Man wird schon etwas demütig angesichts der Naturgewalt….

3 – Cefalú und mehr

Nach dem Frühstück buche ich zusammen mit dem deutschen Paar eine Schiffsexkursion zu den Äolischen Inseln für den nächsten Tag. Wir werden zuerst nach Panarea fahren und später auf die bekannteste Insel: Stromboli. Hier sollten wir am Abend mit etwas Glück den Vulkan bei der Arbeit sehen können. Da ich nicht zum Ätna kommen werde, finde ich das besonders spannend, habe ich doch noch nie einen aktiven Vulkan gesehen.
Gegen Mittag tauchen dann wie versprochen Auto und Vermieter auf. Nach einigem Hin- und Her unterschreibe ich den Vertrag für einen winzigen Fiat Panda, aber auch eine Vollkaskoversicherung, da mir das Risiko zu groß ist, hier doch einen zumindest kleinen, aber teuren Schaden einzufangen, schon angesichts der Straßen.


Mutig ans Werk. Aufgeregt wie eine Fahranfängerin, mache ich mich sogleich auf, um die Hemmschwelle, heil mit einem fremden Auto heil von diesem Berg zu kommen, nicht zu groß werden zu lassen. Ziel ist Cefalú, ein Badeort mit Burgeinerberg und einer schönen Altstadt, um die 120 km Richtung Westen. Ich sage Mr. Google, wo ich hin will. Aber die vielen verschlungenen kleinen Straßen und Wege machen sogar dem Navi zu schaffen und ich lande nicht wirklich planmäßg auf einer halsbrecherisch steilen kleinen Straße, die sich in statt nach unten nach oben bewegt. Keine Chance zu wenden. Der kleine Motor keucht und kämpft, zweimal muss ich zurückrollen lassen und mit Anlauf und Karacho im ersten Gang einen zweiten Versuch machen.


Nach gefühlten 700 Kurven geht’s endlich von der obersten Bergkuppe, wo ich inzwischen gelandet bin, bergab – auch nicht ohne angespannte Nackenmuskulatur… Schließlich erreiche ich Patti, die kleine Stadt neben Gioiosa Marea. Ich muss einmal quer durch die Innenstadt, aber das finde ich ganz interessant, so sehe ich wenigstens was von der recht quirligen, nicht besonders schönen Stadt.


Die Autostrada ist kostenpflichtig, und wie ich lernen soll, gar nicht billig. Ich düse in Richtung Palermo, zuerst halte ich mich an die Geschwindigkeitsschilder, aber irgendwann gebe ich es auf, als sogar die LKW an mir vorbeipfeifen wie bei der Ralley. Mit leicht überhöhter Geschwindigkei bilde ich hier ein Verkehrshindernis wie anderswo ein Traktor….Außerdem bin ich die mitleidigen und genervten Blicke der Vorbeiziehenden leid.


Der erste Tunnel ist über dreieinhalb Kilometer lang. Und kaum beleuchtet, aus irgendeinem unerfindlichen Grund darf zudem nur eine Spur befahren werden – also Kolonne fahren in dem dunklen, engen Tunnel. Stress. Kaum haben wir den ersten Tunnel für ein paar hundert Meter verlassen, kommt der nächste und so geht es den größten Teil der Strecke weiter. Die Tunnel sind eng – nichts für Klaustrophobiker . Einige sehen wenig vertrauenerweckend aus mit all dem schwarzen Schimmelund der Feuchtigkeit. Mal sind die italienisch Galleria genannten Tunnel halbwegs beleuchtet, meist sehr wenig, einer gar nicht. Das ist wie Geisterbahn fahren, aber selber lenken. Der deutsche TÜV würde in Katatonie verfallen. Bei den riesigen Sattelschleppern bleibt oft nur wenig Abstand zur Tunnelwand. Aber – alle fahren aufmerksam, ohne Lichthupe und andere Nervereien.


Am lustigsten finde ich die regelmäßig wiederkehrenden Baustellenschilder. Manche sogar mit Spurschließungen….Ich habe nicht eine einzige Baustelle, keinen Sandhaufen, keine Schippe, keinen Arbeiter auf der ganzen Strecke gesehen. Und die Einschränkungen und Anweisungen interessieren folgerichtig auch niemanden…Sehr kurios. Aber dennoch beeindruckt mich die Strecke! Wieviel Jahre haben die an dieser irren Tunnelstrecke gebaut?? Und wenn man nicht im Tunnel ist, fährt man fast immer über gigantische Viadukte! Unglaublich. Trotzdem nervt mich die Strecke, ich komme mir vor wie ein Maki: Die Augen immer weit aufgerissen, um im Dunkeln zu sehen. Und von der wunderbaren Landschaft sehe ich auch nicht eben viel.


Aber die wenigen Aussichten sind dafür sehr schön. Das glitzernde Meer, die grünen Berge und die Ortschaften, die sich vor allem am Meer zusammenducken. Endlich kommt mein Abzweig nach Cefalú. Eine einzige lange Straße führt in die Stadt, ich drehe ein Runde um mich zu orientieren, dann parke ich das Auto in der Hautstraße, da ich weiß, dass die Altstadt für den Autoverkehr weitgehend gesperrt ist. Brav suche ich einen Parkautomaten, denn da verstehen sie hier keinen Spaß. Ich finde nur einen einzigen und der will mein Geld nicht. Ich muss einen leicht verzweifelten Eindruck gemacht haben. Ein älterer Herr will mir helfen, haut aber schließlich auch nur noch entnervt auf das Teil und winkt mich hinter sich her bis zu seinem Auto. Er nimmt seinen Parkschein raus -da sind noch fast vier Stunden offen- und schenkt ihn mir. Das ist doch mal ein Gentleman!


Leider ist es inzwischen halb zwei – alle Geschäfte machen zu. Vor halb fünf passiert hier nichts. Die Stadt isst und schläft. Also wandere ich in Richtung Altstadt, suche mir ein nettes kleines Restaurant und bestelle was ganz Ungewöhnliches: Pizza! Es gibt auch noch ein italienisches Schauspiel gratis: Ein Auto blockiert alle anderen auf einem winzigen Platz, weil der Fahrer mal eben was erledigt. Geschrei und geschüttelte Fäuste, ein anderer verliert die Nerven, drängelt sich vorbei und fährt laut scheppernd über ein Verkehrsschild. Steigt aus, stellt es an eine Hauswand. Inzwischen ist auch der verschwundene Fahrer wieder aufgetaucht und alle fahren friedlich davon als wäre nichts gewesen. Wer wird denn wegen sowas die Carabinieri stören – die haben auch Mittag!


In der Altstadt haben zumindest einige Geschäfte der Touristen wegen geöffnet. Es ist nett, hier herumzuschlendern in den engen Gassen, die mich stark an Pontevedra in Galizien erinnern. Eine schöne alte Kirche steht am Anfang eines Weges, der auf einen riesigen Felsen mitten in der Stadt führt, Oben thront eine Festung. Aber mein heldenhafter Vorsatz, trotz der Schwüle hinaufzusteigen, erledigt sich – der Weg ist wegen Instandsetzungsarbeiten geschlossen.


Ich kaufe ein paar Mitbringsel, schlendere noch ein wenig und beschließe dann, einen Abstecher an den bekannten Sandstrand zu machen, der direkt an Stadt und Altstadt anschließt. Aber meine Verweildauer verkürzt sich stark angesichts des überfüllten Strandes, viele Abschnitte sind von den engstehenden Liegen der Hotels blockiert, der kleine Rest ist voll und nicht sehr sauber – einfach schrecklich. Ich flüchte ins Meer und verschwinde auf der Stelle wieder.


Auf dem Rückweg zum Auto entdecke ich einen wunderbar altmodischen Delikatessenladen, der nur Einheimisches verkauft. Der dicke Chef, offenbar Vorkoster persönlich, erkennt gleich das Leckermäulchen in mir und ich werde mit reichlich Kostproben von Käse und anderem verwöhnt – ich muss nur immer die Augen schwärmerisch verdrehen und „molto bene“ sagen. Aber – seine Rechnung geht auf und am Ende lasse ich ein ordentliches Sümmchen da und gehe mit einem schweren Beutel raus…
Der Rückweg wird wieder unerwartet etwas abenteuerlich, da das Navy , wie schon gesagt, hier angesichts der vielen gewundenen Straßen und des oft fehlenden Signals alles andere als verlässlich ist. Es führt mich zuerst auf die alte Küstenstraße nach Messina, die sich mit tausend Kurven, aber einem herrlichen Blick oberhalb des Meeres entlangwindet. Gerade habe ich beschlossen, die längere Strecke in Kauf zu nehmen, weil sie so schön ist, führt mich das Navy an einem Kreisverkehr völlig falsch auf eine immer schlechter werdende Straße, die in einem weiten Bogen unter der Autobahn durch rund um eine riesige Schlucht führt.


Meine Fahrkünste werden ein weiteres Mal getestet, als sich die Straße fast auflöst und in einen steilen Holperweg mit 170 Grad- Kurven direkt am Berg verwandelt. Eigentlich eine tolle Gegend und ich fahre durch Wildnis, aber auch an sehr schönen Gehöften vorbei, leider kann ich aber nichts wirklich anschauen, dazu ist die Strecke zu…anspruchsvoll. Endlich aber komme ich wieder auf die schöne Küstenstraße. Die ist zwar einspurig und eine Kurve geht in die nächste über, a ber sie ist gut asphaltiert und erscheint mit nun paradiesisch. Ich habe den Strand von Gioiosa Marea angepeilt und hoffe, noch zum Sonnenuntergang ein Bad nehmen zu können.


Irgendwie lande ich aber doch wieder eine Weile auf der der Autobahn….Aber letztendlich fahre ich früher ab und so erfahre ich, dass Gioiosa Marea nicht nur aus den auf den Bergen verteilten Anwesen besteht, sondern eine alten Ortskern am Meer hat. Richtig mit Kirche, Geschäften und Hauptstraße und ein paar Restaurants. Allerdings findet das Navy danach wieder nicht die richtige Straße zum benachbarten Strand. Und ringelt sich am Berg hoch und runter. Ich habe wohl die Überraschúngsroute gebucht….


Rund 12km später wird s mir zu dumm und ich biege einfach an einer kleinen Straße Richtung Meer ab – und lande in Capo Calava, einem wunderschönen Kiesstrand, der an einer beeindruckenden steilen Felsklippe endet. Ein Diskothek thront an der Straße, aber die schläft noch. Die letzten paar Strandbesucher sind gerade im Abmarsch, was ich gar nicht verstehen kann. Denn die Sonne verwandelt sich eben in einen orangen Ball kurz über dem Meer. Sunset. Ich stürze mich nach der langen Fahrt doppelt glücklich in die Fluten und schwimme der untergehenden Sonne entgegen. Was für ein Moment!


Ich beschließe, dermaßen erfrischt, noch einmal nach Gioiosa Marea zurückzufahren und mich in eine Bar zu setzen, einen Happen zu essen und einen kleinen Spaziergang zu machen. Das örtschen entpuppt sich als hübsch und gemütlich: mit einer kleinen Piazza, auf der die Alten zum Plausch sitzen, einer scheppernden kleinen Kirchturmglocke und einer angesagten Bar, vor der die Verliebten sitzen und Aperol Spritz trinken.
Ich kann aber erst mal nichts bestellen, denn es gibt keine Speisekarte, nur einen Barcode auf dem Tisch. Verstohlen lade ich eine App herunter, denn der Kellner scheint nicht mal auf die Idee zu kommen, dass jemand keine hat, so entschlossen, wie er auf den Code zeigt. Schöne neue C-Zeit.


Zufrieden setze ich mich später wieder ins Auto und denke, die paar Kilometer den Berg hoch schaffe ich nun auch noch. Aber da habe ich ein weiteres Mal die Rechnung ohne sizilianische Straßenführung gemacht. Es ist stockfinster, die Gegend fremd und voller kleiner Straßen – ich muss nach Navigation fahren. Und – fast schon zu erwarten: Das verdammte Ding führt mich auf die schrecklichsten „Straßen“ , die es hier gibt. In weitem Umweg über Bergkuppen und Strecken, die mich schweißgebadet ans Steuer ketten. Und wenn ich hier abrutsche, dann findet mich keiner….
Aber Ende gut, alles gut, ich hab’s geschafft. Glücklich verleibe ich mir noch einen leckeren Hauswein ein, der übrigens direkt hier auf dem Gut wächst, und falle in mein Bett.